OGH 1Ob2122/96g

OGH1Ob2122/96g25.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Eva E*****, vertreten durch Mag.Dr.Herwig Emmer-Reissig, Rechtsanwalt in Klosterneuburg, wider die beklagte Partei Hassan E*****, vertreten durch Dr.Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge von Revisionsrekursen beider Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichts vom 13.Februar 1996, GZ 39 R 118/96-8, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 26.September 1995, GZ 44 C 88/95-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Dem Revisionsrekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 2.436,48 (darin enthalten S 406,08 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu bezahlen.

Text

Begründung

Der Klagevertreter ist Eigentümer eines Hauses in Wien und räumte der Klägerin, seiner Ehegattin, das Fruchtgenußrecht unter anderem an der Wohnung top.Nr.10 ein. Die Klägerin schloß mit dem Beklagten am 1.6.1994 einen als „Untermiet-Vereinbarung“ bezeichneten Bestandvertrag über diese Wohnung für die Zeit vom 1.6. bis 30.11.1994.

Die Klägerin begehrte die Räumung der Wohnung, wobei sie sich darauf stützte, daß der Mietvertrag gemäß § 1118 ABGB schon vorzeitig, nämlich am 16.9.1994, aufgelöst worden sei.

Der Beklagte wendete mangelnde aktive Klagslegitimation ein, weil in Wahrheit der Klagevertreter Vermieter sei. Es sei deshalb schon ein Verfahren auf Anerkennung des Hauptmieters anhängig. Aus diesem Grunde begehrte er die Unterbrechung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Beendigung des zu AZ 44 Msch 35/95 des Erstgerichts anhängigen Verfahrens.

Die Klägerin sprach sich gegen den Unterbrechungsantrag aus.

Das Erstgericht unterbrach das Verfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des bei ihm anhängigen Verfahrens AZ 44 Msch 35/95, weil die Frage, ob der Beklagte Haupt- oder Untermieter sei, sowohl für die Frage der Aktivlegitimation wie auch für jene der Zulässigkeit der Befristung des Mietverhältnisses präjudiziell sei.

Das Rekursgericht wies den Unterbrechungsantrag ab; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der „Untermietvertrag“ sei nach dem Inkrafttreten des 3.Wohnrechtsänderungsgesetzes (WÄG) geschlossen worden, sodaß § 2 Abs.1 MRG in der neuen Fassung anzuwenden sei. Demnach liege aber im Gegensatz zur früheren Rechtslage Hauptmiete auch dann vor, wenn der Vermieter dinglich oder obligatorisch berechtigter Fruchtnießer auch nur von Teilen der Liegenschaft sei. Der vom Beklagten gestellte Antrag auf Anerkennung als Hauptmieter gemäß § 2 Abs.3 MRG sei daher nicht präjudiziell, sondern vielmehr als aussichtlos zu betrachten, weil der Beklagte schon jetzt Hauptmieter gemäß § 2 Abs.1 MRG sei.

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin begehrte in erster Instanz die Abweisung des vom Beklagten gestellten Unterbrechungsantrags. Diesem Begehren entsprach das Gericht zweiter Instanz in Stattgebung des von ihr erhobenen Rekurses. Die Klägerin ist daher durch den Spruch des angefochtenen Beschlusses nicht beschwert. Eine Beschwer durch die Begründung wird von der Rechtsprechung nur bei Rechtsmitteln gegen Aufhebungsbeschlüsse und Zwischenurteile anerkannt, sonst aber grundsätzlich abgelehnt (Kodek in Rechberger, ZPO, vor §§ 461, Rz 10 mwN). Wenn auch die Begründung des angefochtenen Beschlusses den Interessen der Klägerin zuwiderläuft, so ist die Rechtslage doch anders als bei Aufhebungsbeschlüssen oder Zwischenurteilen. Die in einem Aufhebungsbeschluß des Gerichts zweiter Instanz geäußerte Rechtsansicht ist für das Erstgericht bindend (§ 499 Abs.2 ZPO). Ein Zwischenurteil äußert infolge seiner materiellen Rechtskraft über den Grund des Anspruchs insoweit Bindungswirkung, als Gericht und Parteien die Frage des Anspruchsgrunds nicht mehr neuerlich aufrollen dürfen (Fasching III 595). Für die Höhe des Anspruchs kann aber maßgeblich sein, welcher der allenfalls geltend gemachten mehreren Rechtsgründe bejaht wurde (vgl. Fasching, Lehrbuch2 Rz 1718). Im vorliegenden Fall ist hingegen das Erstgericht an die Rechtsansicht des Rekursgerichts - welche die sofortige Abweisung des Klagebegehrens rechtfertigte - nicht gebunden.

Nach ständiger Rechtsprechung und überwiegender Lehre stellt die Beschwer eine Zulässigkeitsvoraussetzung für jedes Rechtsmittel dar (SZ 61/6; SZ 53/86 uva; Kodek aaO Rz 9). Der Revisionsrekurs der Klägerin ist demnach unzulässig.

Der Revisionsrekurs des Beklagten ist hingegen berechtigt.

Gemäß § 2 Abs.1 MRG idF vor dem 3.WÄG, BGBl 1993/800, lag Hauptmiete vor, „wenn der Mietvertrag mit dem Eigentümer oder Fruchtnießer der Liegenschaft oder, sofern der Mietgegenstand im Wohnungseigentum steht, mit dem Wohnungseigentümer geschlossen“ wurde. Auf der Grundlage dieses Gesetzeswortlauts sprach der Oberste Gerichtshof unter Eingehen auf verschiedene Lehrmeinungen und Vorentscheidungen bereits aus, daß der mit dem Fruchtnießer einer Wohnung geschlossene Mietvertrag keine Hauptmiete begründe; die gegenteilige Auffassung lasse sich mit dem Wortlaut des § 2 Abs.1 MRG nicht vereinbaren, der eben nur den Fruchtnießer der Liegenschaft - also gemeinhin des Hauses - als Vermittler von Hauptmietrechten nenne (1 Ob 2058/96; EvBl 1992/41).

In der Fassung des 3.WÄG lautet § 2 Abs.1 erster Satz nunmehr dahin, daß Hauptmiete vorliegt, „wenn der Mietvertrag mit dem Eigentümer der Liegenschaft oder mit dem dinglich oder obligatorisch berechtigten Fruchtnießer, mit dem Mieter oder Pächter eines ganzen Hauses oder, sofern der Mietgegenstand im Wohnungseigentum steht, mit dem Wohnungseigentümer geschlossen wird“.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seinen, gleichfalls die Klägerin, wenngleich andere „Untermieter“ betreffenden Entscheidungen 4 Ob 2069/96, 4 Ob 2070/96 und 1 Ob 2058/96 ausgesprochen hat, ist der Wortlaut des § 2 Abs.1 erster Satz MRG idF des 3.WÄG in Ansehung des Fruchtnießers nicht völlig eindeutig. Da die wörtliche Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis führe, sei die Absicht des Gesetzgebers zu erforschen. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte müsse angenommen werden, daß der Gesetzgeber zwar den obligatorischen mit dem dinglichen Fruchtnießer habe gleichstellen wollen, daß im übrigen aber die bisherige Rechtslage - nur der Fruchtnießer der ganzen Liegenschaft, nicht aber der bloß an einer Wohnung Fruchtgenußberechtigte könne einen Hauptmietvertrag schließen - unverändert bleiben sollte. Der erkennende Senat sieht keine Veranlassung, von der in den genannten Entscheidungen bereits wiedergegebenen Rechtsauffassung abzugehen.

Aus all dem folgt, daß nicht schon aufgrund des eigenen Vorbringens der Klägerin das Bestehen eines Untermietverhältnisses verneint werden und demnach der Einwand des Beklagten, in Wahrheit Hauptmieter zu sein, rechtlich von Bedeutung sein kann. Gemäß § 2 Abs.3 MRG kann der Mieter, mit dem ein Untermietvertrag geschlossen wurde, dann, wenn bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln besteht, daß ein Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach diesem Bundesgesetz zustehenden Rechte geschlossen wurde, begehren, als Hauptmieter des Mietgegenstands anerkannt zu werden. Materiellrechtliche Voraussetzung dieses Anspruchs auf „Anerkennung“ ist das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts, daß nämlich der Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der dem Hauptmieter nach dem Mietrechtsgesetz zustehenden Rechte geschlossen wurde (Würth in Rummel ABGB2, Rz 9 zu § 2 MRG).

Daß die Klägerin nach ihrer Behauptung nicht Hauptmieterin, sondern Fruchtgenußberechtigte an der Wohnung ist, steht dem Begehren des Beklagten nach § 2 Abs.3 MRG nicht entgegen. Der Gesetzgeber wollte den verstärkten Schutz des (nominellen) Untermieters vor Umgehungsgeschäften des Eigentümers nicht darauf einschränken, daß als Umgehungsgeschäft ein Hauptmietvertrag vorgeschoben wird; vielmehr sollte jedes Rechtsgeschäft, das dem Strohmann die Stellung eines Untervermieters verschafft, erfaßt werden, käme man doch sonst zu dem unbefriedigenden Ergebnis, daß der „Untermieter“, dem sich ein vom Hauseigentümer dazwischengeschalteter Strohmann als Hauptmieter ausgegeben hat, mit seinem Begehren nach § 2 Abs.3 MRG scheitern müßte, wenn sich die ihm verborgene Rechtsbeziehung des Untervermieters zum Hauseigentümer im Verfahren nach § 37 MRG als etwas anderes als Hauptmiete herausstellen sollte (SZ 56/109; Würth aaO Rz 9).

Da damit die Entscheidung über das Räumungsbegehren von der im schon anhängigen Verfahren nach § 37 Abs.1 Z 1 MRG auf Anerkennung des Beklagten als Hauptmieter gemäß § 2 Abs.3 MRG zu lösenden Vorfrage abhängt, hat das Erstgericht zu Recht das Verfahren unterbrochen (§ 41 MRG). Demnach ist der Beschluß des Erstgerichts wiederherzustellen.

Der Ausspruch über die Rekurskosten des Beklagten beruht auf § 41, § 50 Abs.1 und § 52 ZPO.

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