OGH 1Ob1592/95

OGH1Ob1592/9517.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Liliane F*****, vertreten durch Dr.Anton Tschann, Rechtsanwalt in Bludenz als Verfahrenshelfer, wider die beklagte Partei Lorenz S*****, vertreten durch Dr.Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 414.911,50 S sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgerichts vom 18.Jänner 1995, GZ 3 R 209/95-51, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der am 25.Oktober 1991 verstorbene gemeinsame Vater der Streitteile (im folgenden Erblasser) schenkte und übergab dem Beklagten im März 1990 zwei Liegenschaften. Der Beklagte nahm die Schenkung an und räumte in Punkt IV. des Schenkungsvertrags auf einer der beiden Liegenschaften dem Erblasser und dessen Gattin (seiner Mutter bzw Stiefmutter der Klägerin) bis zu deren Ableben die - in der Folge verbücherte - Dienstbarkeit der Fruchtnießung iSd §§ 509 ff ABGB ein.

Rechtliche Beurteilung

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr die Richtigkeit der Rechtsauffassung der zweiten Instanz, bei der Ermittlung des von der Klägerin als Noterbin begehrten Schenkungspflichtteils sei der Wert der der Gattin des Erblassers eingeräumten Dienstbarkeit vom Verkehrswert dieser Liegenschaft in Abzug zu bringen.

Wenn bei Bestimmung des Pflichtteils Schenkungen in Anschlag gebracht werden (§ 785 ABGB), der Nachlaß aber - wie hier - zu dessen Deckung nicht ausreicht, kann der verkürzte Noterbe vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenks zur Deckung des Fehlbetrags verlangen. Der Beschenkte kann die Herausgabe durch Zahlung des Fehlbetrags abwenden (§ 951 Abs 1 ABGB). Bei der Ermittlung des Schenkungspflichtteils ist zu fragen, welchen Wert die Verlassenschaft besäße, wäre die pflichtteilswidrige Verfügung unterblieben (SZ 65/39 = JBl 1992, 645 = NZ 1993, 12; NZ 1992, 130 = EFSlg 66.294; SZ 57/7 ua). Maßgeblich ist daher der Wert des Geschenks im Zeitpunkt des Erbanfalls (SZ 65/39 ua). Der Wert eines dem Erblasser bei der Übergabe vorbehaltenen lebenslangen Fruchtgenusses ist für die Bemessung außer Ansatz zu lassen, wenn bereits im Übergabszeitpunkt mit völliger Sicherheit feststand, daß in dem für die Beurteilung der Pflichtteilwidrigkeit maßgebenden Zeitpunkt des Erbanfalls die Belastung weggefallen sein wird (SZ 57/7). Bei der Gattin des Erblassers stand dies gerade nicht fest.

Der Beschenkte haftet dem verkürzten Noterben grundsätzlich mit der geschenkten Sache, das heißt mit der vorhandenen Bereicherung (7 Ob 595/93 = SZ 67/50 = JBl 1994, 822; JBl 1954, 489; 2 Ob 578/93 ua; Schubert in Rummel 2 § 952 ABGB Rz 1; Stanzl in Klang 2 IV/1 628). Besitzt der Beschenkte die geschenkte Sache nicht mehr, so haftet er gemäß § 952 ABGB nur insofern, als der Wert des Geschenkes noch in seinem Vermögen vorhanden ist oder als der Beschenkte die geschenkte Sache unredlicherweise aus dem Besitz gelassen hat (SZ 67/50; vgl auch JBl 1989, 377 = EFSlg 56.924). Die Grundsätze des § 952 ABGB gelten nicht nur dann, wenn die Sache nicht mehr vorhanden ist (zB verschenkt, vernichtet, verarbeitet wurde), sondern auch, wenn ihr Zustand über die ordentliche Abnützung hinaus in einer dem Beschenkten zurechenbaren Weise verschlechtert oder durch rechtliche Verfügungen in ihrem Befriedigungswert (etwa Einräumung von Dienstbarkeiten) herabgesetzt wurde (Kralik in Ehrenzweig, System des österr. allgemeinen Privatrechts, Erbrecht3 308). Als unredlich wurde beurteilt, wer die geschenkte Sache nach der Klagszustellung veräußert (JBl 1973, 204 = NZ 1974, 12 = MietSlg 24.099; Stanzl aaO) oder das Geschenk in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis eines Anrechnungsrechts iS des § 785 ABGB an einen Dritten weitergibt (2 Ob 578/93; Stanzl aaO). Mit den Wertungen des § 952 ABGB wird auch begründet, daß, wer ein bei der Pflichtteilsbemessung zu berücksichtigendes Geschenk empfangen und an einen Dritten weitergegeben hat, obwohl er nach den Umständen mit einer künftigen Schenkungsanfechtung hätte rechnen müssen, für den Pflichtteilsausfall ohne die nach ständiger Rechtsprechung sonst wirksame Exekutionsbeschränkung auf das Geschenk haftet (JBl 1989, 377; Koziol-Welser, Grundriß10 384).

Daß der Beklagte im vorliegenden Fall uno actu mit der Schenkung (auch) seiner Mutter ein Wohnrecht einräumte, macht ihn nicht - nachträglich - unredlich, selbst wenn er mit einem Anspruch der Klägerin nach § 951 ABGB rechnete: Gegenstand der Schenkung war bei richtiger rechtlicher und wirtschaftlicher Betrachtung nach dem Willen des Erblassers und des Beklagten eben nur eine auch mit der Dienstbarkeit seiner Mutter belastete Liegenschaft. Zutreffend hat daher das Berufungsgericht bei Ermittlung des Werts der Liegenschaft die Dienstbarkeit in Abzug gebracht.

Eine erhebliche Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO liegt somit nicht vor.

Stichworte