OGH 11Os142/95

OGH11Os142/9522.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.September 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Neumayr als Schriftführerin, in der beim Landesgericht für Strafsachen Wien zum AZ 4 b Vr 12083/94 anhängigen Strafsache gegen Roland S***** wegen des - in der Entwicklungsstufe der Versuches nach § 15 StGB begangenen - Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 SGG über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 31.August 1995, AZ 18 Bs 287/95 (= ON 125 des Vr-Aktes) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Roland S***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Roland S*****, der sich (in dieser Sache) seit 4.April 1995 (ON 81/II) in Untersuchungshaft befindet, wurde im oben bezeichneten Strafverfahren mit - noch nicht rechtskräftigem - Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 11.Mai 1995, GZ 4 b Vr 12083/94-104, des in der Entwicklungsstufe des Versuches nach § 15 StGB begangenen Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 SGG schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt. Das Verfahren zur Entscheidung über die vom Angeklagten gegen dieses Urteil erhobenen Rechtsmittel (der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung) ist beim Obersten Gerichtshof zum AZ 11 Os 140/95 anhängig.

Mit Beschluß vom 31.August 1995 gab das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde des Angeklagten gegen den seinen Enthaftungsantrag abweisenden Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. August 1995 (ON 122/III) nicht Folge, wobei es den Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 StPO weiterhin als gegeben erachtete.

Die gegen den Beschluß fristgerecht erhobene Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten, worin er der Sache nach den dringenden Tatverdacht bestreitet und sich über die Annahme des zuvor bezeichneten Haftgrundes beschwert, ist nicht berechtigt.

Bei Prüfung der Frage eines dringenden Tatverdachtes ist davon auszugehen, daß dieser im Verfahren erster Instanz zu einem - wenngleich nicht rechtskräftigen - Schuldspruch geführt hat. Der Tatverdacht, der zur Verhängung der Untersuchungshaft geführt hatte, hat sich somit verdichtet und entspricht jedenfalls der vom Gesetz geforderten Dringlichkeit. Die Beurteilung, ob das angefochtene Urteil mit formellen und/oder materiellrechtlichen Mängeln behaftet ist und inwieweit Einwände in der dem Obersten Gerichtshof vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerde berechtigt sind, bleibt dem Nichtigkeitsverfahren vorbehalten; darauf Bezug habende Einwände sind einer Erörterung im Grundrechtsbeschwerdeverfahren entzogen (11 Os 88/93, 20/94; 15 Os 105/93; 14 Os 34/94).

Entgegen dem Beschwerdevorbringen stellte das Oberlandesgericht in Ansehung des Haftgrundes der Fluchtgefahr zutreffend auf den Mangel sozialer Integration des Angeklagten im Inland ab, der seinen eigenen Angaben zufolge (vgl insb 289, 295, 329/II) im Jahre 1987 nach Brasilien ausgewandert ist, wo er mit seiner (dort lebenden, derzeit schwangeren) Ehefrau ein Reisebüro betreibt. Angesichts dieser Haftargumente steht die vom Beschwerdeführer eingewendete Wohnmöglichkeit im Inland und die Abgabe seines Reisepasses der oben angeführten Befürchtung nicht entscheidend entgegen, er werde sich auf freiem Fuß aus den aufgezeigten familiären und wirtschaftlichen Gründen der (weiteren) Strafverfolgung durch Flucht entziehen.

Der eine (vermeintliche) Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes monierende Einwand, einer der beiden abgesondert verfolgten Mittäter befinde sich bei "konnexem Sachverhalt" und Verurteilung zu einer vierjährigen unbedingten Freiheitsstrafe auf freiem Fuß, versagt schon mangels Vergleichbarkeit der konkreten personsspezifischen Umstände jedes Einzelfalles. Soweit schließlich ein Verstoß gegen Art 5 und Art 6 Abs 2 MRK behauptet wird, genügt der Hinweis auf die obigen Ausführungen zum Tatverdacht und den in Rede stehenden Haftgrund.

Da Roland S***** sohin durch den angefochtenen Beschluß im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt wurde, war seine Beschwerde ohne Kostenzuspruch - Kosten wurden im übrigen nicht verzeichnet - abzuweisen (§ 8 GRBG).

Stichworte