European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0150OS00105.9300000.0819.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
1. Durch den angefochtenen Beschluß wurde Karl G* im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde vom 29.Juni 1993 wird abgewiesen.
2. Die auf einer Ausfertigung des angefochtenen Beschlusses geschriebene, undatierte, als Rekurs bezeichnete Beschwerde des Genannten wird hingegen zurückgewiesen.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Karl G* wurde mit dem Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 19.März 1993, GZ 20 Vr 1810/92‑261, des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung mit tödlichem Ausgang als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 87 Abs 1 und Abs 2, zweiter Fall StGB und des Vergehens des Glücksspiels nach § 168 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu 8 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt; zugleich wurde der Strafrest einer bedingten Entlassung des Genannten widerrufen.
Gegen dieses Urteil erhoben sowohl G* als auch der öffentliche Ankläger jeweils Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung.
Die Ratskammer des Landesgerichtes Innsbruck gab mit Beschluß vom 28.Mai 1993 einem Enthaftungsantrag des Angeklagten G* nicht Folge. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck keine Folge gegeben und ausgesprochen, daß die über den Genannten gemäß § 180 Abs 7 StPO verhängte Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht‑ und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a, b und c StPO fortzudauern hat.
Der Angeklagte G* remonstrierte gegen diesen Beschluß schriftlich, indem er unter der Bezeichnung "Rekurs" der ihm zugekommenen Ausfertigung des Beschlusses seine Argumente entgegensetzte und dies dem Gericht übersandte. Er brachte weiters beim Oberlandesgericht Innsbruck ein mit 29.Juni 1993 datiertes "Zusatzschreiben zu dem Beschluß" (des Oberlandesgerichtes Innsbruck) ein, das sich ebenfalls inhaltlich als Beschwerde darstellt.
Über Veranlassung des Obersten Gerichtshofes, dem die Eingaben des Angeklagten G* vorgelegt worden waren, wurde der Genannte am 15.Juli 1993 vernommen, wobei er erklärte, die Eingabe vom 29.Juni 1993 als Grundrechtsbeschwerde gewertet wissen zu wollen; sie wurde sodann von seinem Verteidiger unterfertigt.
Das undatierte, auf einer Ausfertigung des angefochtenen Beschlusses angebrachte Schreiben ist zufolge seiner Bezeichnung als "Rekurs" und seines Inhaltes ersichtlich ebenfalls als Bekämpfung dieses Beschlusses aufzufassen und daher als Grundrechtsbeschwerde zu deuten. Diese Beschwerde war aber zurückzuweisen, weil sie nicht die Unterschrift eines Verteidigers trägt, wiewohl Gelegenheit zur Nachholung der Verteidigerunterschrift geboten gewesen war, und im übrigen auch in Ansehung von Grundrechtsbeschwerden nur eine Beschwerdeschrift zulässig ist (15 Os 59/93); als solche ist vorliegend die vom Verteidiger unterfertigte, mit 29.Juni 1993 datierte Beschwerde anzusehen.
In dieser Beschwerde bringt der Angeklagte G* vor, die ihm angelastete Tat nicht begangen zu haben; das Urteil des Geschworenengerichtes sei ein Irrtum, Zeugen hätten falsch ausgesagt, er habe gegenüber einem Angriff nur sein Leben errettet und habe Bindung zu Frau und Kind, die er, wenn auch mit Glücksspiel und Handel, immer noch ernährt habe.
Dieser Grundrechtsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Bei Prüfung der Frage eines dringenden Tatverdachtes (§ 180 Abs 1 StPO) ist davon auszugehen, daß dieser im Verfahren erster Instanz zu einem ‑ wenngleich nicht rechtskräftigen ‑ Schuldspruch geführt hat, der auf Grund eines umfangreichen Beweisverfahrens ergangen ist. Der Tatverdacht, der zur Haftverhängung geführt hatte, hat sich somit verdichtet und entspricht jedenfalls der vom Gesetz geforderten Dringlichkeit. Die Beurteilung, ob das angefochtene Urteil mit formellen und (oder) materiellen Mängeln behaftet ist und inwieweit Einwände in den dem Obersten Gerichtshof vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerden berechtigt sind, bleibt dem Nichtigkeitsverfahren vorbehalten, weswegen sich alle Einwände gegen das Urteil einer Erörterung im Grundrechtsbeschwerdeverfahren entziehen (11 Os 88/93).
Soweit aber die Beschwerde mit dem Hinweis auf die Alimentation von Frau und Kind ersichtlich gegen die Annahme des bekämpften Beschlusses wendet, daß der Beschwerdeführer keineswegs starke soziale Bindungen hat ‑ eine der mehreren Komponenten, die zur Begründung der Annahme einer Fluchtgefahr herangezogen wurden ‑ geht sie ebenfalls fehl. Der Beschwerdeführer bezog zugegebenermaßen die Mittel hiefür aus der gewerbsmäßigen Veranstaltung von Glücksspielen, also strafgesetzwidrigen Handlungen, deretwegen er auch verurteilt wurde. Von sozialen Bindungen nach Art eines durchschnittlichen rechtstreuen Menschen kann demnach nicht gesprochen werden.
Aus den angeführten Gründen war daher wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.
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