OGH 1Ob561/95

OGH1Ob561/9523.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anton R*****, vertreten durch Dr.Irmgard Kramer, Rechtsanwältin in Graz, wider die beklagte Partei *****P***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Arnold und Dr.Gerhard Petrowitsch, Rechtsanwälte in Leibnitz, wegen S 302.408,65 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 13.März 1995, GZ 6 R 27/95-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 2.Dezember 1994, GZ 20 Cg 59/94-24, aufgehoben und die Rechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte von der beklagten Partei ausständige Provisionszahlungen von S 302.408,65. Dieser Betrag sei spätestens am 31.3.1991 fällig gewesen.

Die beklagte Partei wendete unter anderem Verjährung der Klagsforderung ein, weil der Kläger das Verfahren nach Wegfall eines Unterbrechungsgrundes nicht gehörig fortgesetzt habe.

Diesem Einwand widersprach der Kläger. Ein sofortiger Fortsetzungsantrag sei nur infolge eines ihm unterlaufenen Mißverständnisses und weiters deshalb unterblieben, weil er von seinem damaligen Rechtsvertreter vom Eintritt „ewigen Ruhens“ in einem anderen Verfahren nicht verständigt worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung des geltend gemachten Anspruchs zufolge nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens ab. Es ging von folgendem unstrittigen Sachverhalt aus:

Das der Geschäftsbeziehung zwischen den Streitteilen zugrundeliegende Rechtsverhältnis, aus welchem der Kläger die eingeklagten Provisionsansprüche ableitet, war im Laufe des Jahres 1990, jedenfalls vor dem 25.7.1990, beendet worden. Der Kläger hatte bereits im Verfahren 1 Cg 274/90 des Landesgerichtes Wiener Neustadt (als Beklagter) aufrechnungsweise eine Forderung geltend gemacht, die der Höhe, dem Sachverhalt und dem Rechtsgrund nach der Klagsforderung entspricht. Deshalb wurde das vorliegende Verfahren mit Beschluß vom 15.9.1992 bis zur rechtskräftigen Beendigung des beim Landesgericht Wiener Neustadt anhängigen Verfahrens unterbrochen. Im Unterbrechungsbeschluß wurde ausgesprochen, daß das Verfahren nur über Antrag wieder aufgenommen werde. Das Verfahren vor dem Landesgericht Wiener Neustadt endete am 14.5.1993, weil keine der Parteien zu der für diesen Tag anberaumten Verhandlungstagsatzung erschienen war: Bereits am 10.5.1993 hatten die Parteien außergerichtlich „ewiges Ruhen“ vereinbart. Der Kläger (damals Beklagter) behielt sich die Geltendmachung seiner aufrechnungsweise eingewendeten Forderung vor. Am 25.10.1993 ersuchte der Kläger mit einem beim Erstgericht am 27.10.1993 eingelangten Schreiben um Beistellung eines kostenlosen Rechtsbeistandes und kündigte mit Schreiben vom 10.12.1993 (beim Erstgericht eingelangt am 14.12.1993) die Fortsetzung des Verfahrens an. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 24.1.1994 wurde dem Kläger Verfahrenshilfe bewilligt und ihm ein Rechtsanwalt beigegeben. Dieser Beschluß wurde dem Kläger dem Akteninhalt nach am 9.2.1994 zugestellt. Am 9.3.1994 langte beim Erstgericht der vom 8.3.1994 datierte Antrag des Klägers auf Fortsetzung des Verfahrens ein, wobei in diesem Antrag darauf hingewiesen wurde, daß das Verfahren, dessentwegen die Unterbrechung beschlossen worden war, durch Vereinbarung „ewigen Ruhens“ beendet worden sei.

Das Erstgericht ging davon aus, daß die Verjährung der Provisionsansprüche des Klägers mit 31.12.1993 eingetreten wäre, weil das Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen im Laufe des Jahres 1990 geendet habe. Durch Einbringung der Klage am 5.8.1992 sei die Verjährung für den Fall der gehörigen Fortsetzung der Klage unterbrochen worden. Das vorliegende Verfahren wurde mit Beschluß vom 15.9.1992 bis zur rechtskräftigen Beendigung des zu 1 Cg 274/90 des Landesgerichtes Wiener Neustadt anhängigen Verfahrens unterbrochen. Das zuletzt genannte Verfahren habe am 14.5.1993 mit Vereinbarung „ewigen Ruhens“ geendet. Erst am 8.3.1994, also fast 10 Monate nach Wegfall des Unterbrechungsgrundes, sei die Fortsetzung des vorliegenden Verfahrens beantragt worden. Der Kläger habe keinen triftigen Grund für die Unterlassung der zur Fortsetzung des Verfahrens nötigen Schritte geltend gemacht. Die von ihm genannten Umstände, die die Unterlassung eines sofortigen Antrags auf Fortsetzung des Verfahrens rechtfertigen sollten, seien seinem Bereich zuzuzählen und daher nicht zu berücksichtigen. Am 9.3.1994, als der Fortsetzungsantrag bei Gericht einlangte, sei die Klagsforderung bereits verjährt gewesen.

Das Gericht zweiter Instanz gab der vom Kläger erhobenen Berufung Folge, hob das Urteil erster Instanz auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt.

Der Kläger habe schon während noch laufender Verjährungsfrist mit Anträgen vom 27.10. und vom 14.12.1993 die Bewilligung der Verfahrenshilfe durch Beigabe eines Rechtsanwalts zum Zwecke der Fortsetzung des Verfahrens beantragt. Durch diese Verfahrenshandlungen habe er klar zu erkennen gegeben, daß ihm an der Fortsetzung des Verfahrens gelegen sei. Diese ausdrücklich zum Zwecke der Fortsetzung des Verfahrens gestellten Verfahrenshilfeanträge seien als wirksame Fortsetzungsanträge anzusehen. Da eine materielle Prüfung des Klagebegehrens unterblieben sei, sei mit der Aufhebung der Entscheidung der ersten Instanz vorzugehen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Richtig ist, daß es Sache eines Klägers ist, beachtliche Gründe für seine Untätigkeit nachzuweisen, wenn sich ein Beklagter auf Verjährung der Klagsansprüche wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens beruft, und daß die Gründe für die Untätigkeit immer im Verhältnis zwischen den Parteien gelegen sein müssen. Gründe, die das Verhältnis eines Klägers zu seinem Rechtsanwalt bzw. des Rechtsanwalts zum Gericht betreffen, liegen in der Sphäre des Klägers und fallen daher ihm selbst zur Last (RZ 1994/26; 5 Ob 519/93; SZ 64/156; JBl 1990, 113, 530; EF 64.187; 5 Ob 562/88 uva). Im vorliegenden Fall hat der Kläger keine triftigen Gründe für die Verzögerung geltend gemacht, denn das ihm unterlaufene Mißverständnis - er habe mit einer Verständigung durch das Landesgericht Wiener Neustadt vom Eintritt des Ruhens des Verfahrens gerechnet - und die allfällige Säumnis seines Rechtsvertreters sind ihm zuzurechnen. Demnach würde schon ein verhältnismäßig kurzer zeitlicher Abstand zwischen Wegfall des Unterbrechungsgrundes und Fortsetzungsantrag den Schluß rechtfertigen, daß der Kläger das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt hat (RZ 1994/26; 5 Ob 519/93; RZ 1992/85; EF 69.176; SZ 63/71; 8 Ob 33/89; 1 Ob 705/87; SZ 54/177; Miet 33.254; ZVR 1979/287; SZ 43/176 uva). Deshalb würde der erst am 9.3.1994 beim Erstgericht eingelangte Fortsetzungsantrag keine „gehörige Fortsetzung“ des vorliegenden Rechtsstreits darstellen, weil der Unterbrechungsgrund schon durch die Vereinbarung des „ewigen Ruhens“ am 10.5.1993 bzw. durch den deshalb unterlassenen Besuch der Verhandlungstagsatzung vom 14.5.1993 weggefallen ist (vgl. JBl 1976, 148), sodaß dem Kläger kein triftiger Grund für seine nahezu 10 Monate dauernde Untätigkeit zugute käme.

Nun hat der Kläger aber bereits vor Ablauf der Verjährungsfrist, nämlich am 27.10.1993, um „kostenlosen Rechtsbeistand“ ersucht und gebeten, das Verfahren „in forciertem Maße zu behandeln“ (AS 23). Dieses Ersuchen hat er am 14.12.1993, also ebenfalls noch vor Ablauf der Verjährungsfrist, wiederholt und ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er zur Fortsetzung des Verfahrens eines Rechtsbeistands bedürfe (AS 27). Nach ständiger Rechtsprechung unterbricht zwar ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe den Lauf der Verjährung nicht (1 Ob 4/94; AnwZ 1992, 237; 8 Ob 722/89; 5 Ob 533/88; SZ 60/286; ZAS 1981/21; SZ 52/186; SZ 19/69; Schubert in Rummel, ABGB2, Rz 9 zu § 1497; Klang in Klang 2 VI 655), Eingaben, die neben dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe den Sachverhalt und das Begehren deutlich erkennen lassen, sind jedoch als verbesserungsfähige Klagen zu beurteilen: Die Verjährung wird in einem derartigen Fall im Zeitpunkt des Einlangens des Verfahrenshilfeantrages unterbrochen (1 Ob 4/94; 4 Ob 141/93; 5 Ob 533/88; SZ 60/286; Schubert aaO). Umso mehr muß aber ein Verfahrenshilfeantrag, der im Laufe eines bereits durch Klage anhängig gemachten Verfahrens nach Wegfall eines Unterbrechungsgrundes gestellt wird, den Lauf der Verjährungsfrist unterbrechen, ist doch ein solcher Antrag ein auf Fortsetzung (und Beendigung) des Rechtsstreits, in dem ohnehin schon eine Sachentscheidung über einen Urteilsantrag begehrt wurde, gerichtetes Begehren (vgl. 4 Ob 141/93; AnwZ 1992, 237). Daß zwischen dem Wegfall des Unterbrechungsgrundes und dem Verfahrenshilfeantrag mehr als fünf Monate verstrichen sind, sodaß darin grundsätzlich eine Beseitigung der durch die Klagserhebung bewirkten Unterbrechung erblickt werden könnte, schadet dem Kläger deshalb nicht, weil die dreijährige Verjährungsfrist im Zeitpunkt des Verfahrenshilfeantrages noch nicht abgelaufen war und durch den Antrag auf Verfahrenshilfe der Lauf der Verjährungsfrist jedenfalls unterbrochen wurde (vgl. 4 Ob 141/93; AnwZ 1992, 237; SZ 60/35; 8 Ob 722/89; 4 Ob 592/88; SZ 45/97).

Dem Rekurs der beklagten Partei ist nicht Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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