OGH 8Ob217/70

OGH8Ob217/7013.10.1970

SZ 43/176

Normen

ABGB §1497
ZPO §168
ABGB §1497
ZPO §168

 

Spruch:

Zur gehörigen Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 1497 ABGB OGH 13. Oktober 1970, 8 Ob 217/70 (OLG Wien 1 R 117/70; HG Wien 15 Cg 328/70)

Text

Die klagende Partei verlangte für eine von der beklagten Partei gekaufte, am 24. Februar 1966 ausgelieferte W-Winkelstufenform samt zwei Rüttelblöcken mit der am 24. Oktober 1966 überreichten Klage den seit 14. März 1966 zur Zahlung fälligen Kaufpreis von 26.015 S sA gegen welchen Anspruch die beklagte Partei vor allem einwendete, daß die gelieferten Maschinen erhebliche Mängel aufgewiesen hätten. Nach der Aufhebung eines dem Klagebegehren stattgebenden Ersturteils durch das Berufungsgericht und Erstattung eines Gutachtens durch den Sachverständigen Hans St vereinbarten die Streitteile bei der Tagsatzung vom 10. Juli 1969 nach umfangreicher Besprechung der Sach- und Rechtslage Ruhen des Verfahrens. Der Antrag der klagenden Partei auf Fortsetzung des Verfahrens langte beim Erstgericht am 26. Februar 1970 ein und enthielt weitere Beweisanträge; ihm waren auch mehrere Urkunden angeschlossen, die überwiegend aus den Jahren 1964 bis 1968 stammten. Diese Urkunden waren an die in Deutschland befindliche Firma W gerichtete Schreiben. Nur die Schreiben des Heinrich S und des Josef B waren an die klagende Partei gerichtet und mit 28. September 1969 und 12. Dezember 1969 datiert: Das eine Schreiben enthielt eine Stellungnahme zum Sachverständigengutachten, das andere die lobende Äußerung eines Steinmetzmeisters zur W-Rüttelblockanlage. Die beklagte Partei wendete Verjährung des Klagsanspruches ein, da die Forderung am 14. März 1966 fällig gewesen und die Klage nicht gehörig fortgesetzt worden sei; seit Eintritt des Ruhens des Verfahrens am 10. Juli 1969 hätten zwischen den Streitteilen keinerlei Vergleichsgespräche stattgefunden. Die klagende Partei bestritt dieses Vorbringen und brachte, ohne konkrete Beweise anzubieten, vor, die Fortsetzung des Verfahrens habe nicht früher erfolgen können, weil hiezu die vorgelegten Urkunden hätten beschafft werden müssen; auch die Beilagen älteren Datums seien der klagenden Partei erst knapp vor dem Fortsetzungsantrag zugekommen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Seit 10. Juli 1969 habe die klagende Partei keinen Kontakt mit der beklagten Partei gehabt; insbesondere hätten keine Vergleichsgespräche stattgefunden. Die Verjährungsfrist sei am 14. März 1969 abgelaufen; sie sei nicht unterbrochen worden, weil die klagende Partei wegen ihrer Untätigkeit vom 10. Juli 1969 bis 26. Februar 1970 den Rechtsstreit nicht gehörig fortgesetzt habe. Es habe keine Veranlassung bestanden, das Ruhen des Verfahrens überhaupt eintreten zu lassen. Die vorgelegten Urkunden hätte sich die klagende Partei auch früher verschaffen können.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gem § 1486 Z 1 ABGB verjähren die Forderungen für Lieferungen von Sachen in einem gewerblichen, kaufmännischen oder sonstigen geschäftlichen Betrieb in drei Jahren. Da der Anspruch der klagenden Partei am 14. März 1966 fällig wurde, war ihre Forderung daher am 14. März 1969 verjährt. Gem § 1497 ABGB wird allerdings die Verjährung unterbrochen, wenn der Schuldner vor dem Ablauf der Verjährungsfrist mittels Klage belangt und "die Klage gehörig fortgesetzt wird". Die Klage wurde am 24. Oktober 1966, also lang vor Ablauf der Verjährungszeit, überreicht. Wurde jedoch das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt, so nützt das "Belangen" während der Verjährungsfrist nichts, die Verjährung wurde dann gar nicht unterbrochen (EvBl 1963/6, JBl 1958, 235; Klang in Klang[2] VI 656). Da die beklagte Partei die Verjährungseinrede erhob, ist daher, wie den Untergerichten beizupflichten ist, zu beurteilen, ob darin, daß die klagende Partei am 10. Juli 1969 Ruhen des Verfahrens vereinbarte und den Fortsetzungsantrag erst am 26. Februar 1970 überreichte, eine nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens zu erblicken ist.

Das Gesetz führt nicht an, was unter "gehöriger Fortsetzung" zu verstehen sei. Daß jedoch das Ruhenlassen des Verfahrens durch den Kläger dazu führen kann, daß die Verjährung nicht mehr als unterbrochen gilt, wurde nie bezweifelt. Die ältere Rechtsprechung war allerdings nicht streng, so daß, wie der Revision beigepflichtet werden kann, noch Ehrenzweig in GrünhutsZ 25, 305 mitteilen konnte, die Rechtsprechung sehe nur eine Untätigkeit von mehr als vier Jahren als nicht gehörige Fortsetzung eines Prozesses an, wogegen er selbst dafür eintrat, daß eine mehr als einjährige Untätigkeit des Klägers nicht mehr als gehörige Fortsetzung des Verfahrens anzusehen sei. Auch die spätere Rechtsprechung vertrat überwiegend die Auffassung, daß von einer gehörigen Fortsetzung des Verfahrens nur dann nicht die Rede sein könne, wenn der Kläger ohne jede Ursache durch eine ungewöhnlich lange Zeit (SZ 6/272) und damit "beharrlich" (AnwZ 1934, 358, SZ 5/211, aber auch noch EvBl 1963/6 u a) untätig wäre. Die Entscheidung SZ V 211 vertrat die Rechtsansicht, daß das über die dreimonatige Frist des § 168 ZPO hinausreichende Verstreichenlassen einer weiteren Frist von etwa zwei Monaten vom Kläger zwar unvorsichtig gewesen sei, aber noch nicht als beharrliche Nichtbetätigung gelten könne. Die Entscheidung GlUNF 4335 sah es hingegen nicht mehr als gehörige Fortsetzung des Verfahrens an, daß es der Kläger noch zwei Monate über die dreimonatige gesetzliche Frist hinaus beim Ruhen bewenden hatte lassen. Sie läßt es dahingestellt, ob schon die Vereinbarung des Ruhens des Verfahrens allein als nicht gehörige Fortsetzung angesehen werden könnte, eine Auffassung, die u a Sperl, Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege, 287, Neumann, Komm zu den Zivilprozeßgesetzen[4], 754 zu § 168 ZPO bei Anm 6 und Fasching II 809 Anm 4 zu § 168 ZPO vertreten.

Der strenge Standpunkt der genannten Zivilprozeßlehrer wird allerdings von der herrschenden Rechtsprechung, nach der der Eintritt des Ruhens des Verfahrens für sich allein die Unterbrechungswirkung der Klage noch nicht zu beseitigen vermag (EvBl 1970/248), nicht geteilt. Aber auch allein darin, daß der Kläger dem Ruhen des Verfahrens zustimmte und nicht unmittelbar nach Ablauf der dreimonatigen Frist den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens stellte, kann nicht schon eine nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens erblickt werden (EvBl 1956/189, JBl 1955, 552). Die herrschende Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat anschließt, ist aber doch auch wesentlich strenger als die von der Revision zitierte ältere Judikatur. Danach sind vor allem die Umstände des konkreten Einzelfalles zu berücksichtigen (EvBl 1970/248, EvBl 1963/6, JBl 1958, 235 u v a), wie es überhaupt für die Beurteilung der Frage, ob ein Zuwarten mit der Anspruchsverfolgung als ungebührliche Untätigkeit anzusehen ist, nicht nur auf die Dauer der Untätigkeit, sondern auch auf ihre Gründe ankommt (SZ 41/82), ob also die Untätigkeit gerechtfertigt war oder nicht (EvBl 1961/80). Für die Unterlassung der zur Fortsetzung des Verfahrens notwendigen Schritte müssen triftige (beachtliche, stichhaltige) Gründe vorhanden gewesen sein (EvBl 1965/144, EvBl 1963/6, vgl auch EvBl 1970/248 u v a). Kann der Kläger solche nicht geltend machen, genügt, besonders wenn die Verjährungsfrist - abgesehen von dem Verfahren - bereits verstrichen wäre, schon der Ablauf einer verhältnismäßig kurzen Zeit der Untätigkeit, um die Annahme zu rechtfertigen, der Kläger habe den Rechtsstreit nicht gehörig fortgesetzt, so etwa selbst bei bereits langer Prozeßdauer das Verstreichenlassen von sieben Monaten nach Ablauf der gesetzlichen Ruhensfrist (EvBl 1970/248), aber auch von nur drei Monaten nach Ablauf dieser Zeit (JBl 1955, 552). Nur ein ganz geringfügiges Überschreiten der dreimonatigen Frist ist ohne Bedeutung (8 Ob 298, 299/67). Den Untergerichten ist daher beizupflichten, daß eine Fortsetzung des Verfahrens, die erst 4 1/2 Monate nach Ablauf der dreimonatigen Ruhenszeit des § 168 ZPO beantragt wurde, nicht mehr als "gehörige Fortsetzung der Klage" im Sinne des § 1497 ABGB angesehen werden kann, wenn die klagende Partei nicht beachtliche Gründe für ihre Untätigkeit nachzuweisen imstande ist. Die Revision kann dem insbesondere nicht die Entscheidung EvBl 1964/383 entgegenhalten, die einen gemäß § 1481 ABGB unverjährbaren Anspruch betraf.

Die Pflicht, Behauptungen aufzustellen und Beweise dafür anzubieten, daß beachtliche Gründe vorliegen, die eine Untätigkeit des Klägers rechtfertigten, trifft bei Erhebung der Verjährungseinrede den Kläger (SZ 41/82, EvBl 1961/80 u a). Es ist also dessen Sache, auf die Einrede der Verjährung mit entsprechendem Vorbringen zu reagieren, nicht aber Aufgabe des Gerichtes, von Amts wegen nach den Gründen für den Eintritt und die Dauer des Ruhens des Verfahrens zu forschen (JBl 1955, 552). Auf die Verjährungseinrede der beklagten Partei hat die klagende Partei im vorliegenden Fall nur erwidert, die Fortsetzung des Verfahrens habe nicht früher erfolgen können, weil sie die neu vorgelegten Beilagen erst beschaffen habe müssen. Ständige Rechtsprechung ist aber, daß der Grund für die Unterlassung der Betreibung des Rechtsstreites immer im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten liegen muß; Beweisschwierigkeiten, die nur im Bereich des Klägers liegen, können daher eine prozessuale Untätigkeit nicht rechtfertigen (EvBl 1965/144 u a, zuletzt 2 Ob 305/69), wie überhaupt die Sammlung von Beweismaterial eine Verlängerung der Verjährungsfrist nicht bewirken kann. Auch der Anwaltswechsel, auf den sich die klagende Partei in erster Instanz noch gar nicht berufen hatte, kann, als allein im Bereiche der klagenden Partei liegend, nicht berücksichtigt werden. Die Gründe, die die klagende Partei für ihre Säumnis angegeben hat, sind daher, wie die Untergerichte richtig darlegten, nicht stichhaltig und beachtlich. Das Prozeßgericht hatte, da die klagende Partei ohnehin wußte, daß sie auf die Verjährungseinrede zu replizieren hatte, keine Veranlassung, im Rahmen der ihm gemäß § 182 ZPO obliegenden Prozeßleitungspflicht zu erforschen, ob die klagende Partei allenfalls noch weitere Gründe für ihr Säumnis hatte, zumal das Gericht überhaupt anwaltlich vertretenen Parteien die Sorge um ein ausreichendes Vorbringen überlassen kann (JBl 1965, 151, SZ 23/332 u v a).

Mit Recht haben die Untergerichte somit angenommen, daß der Anspruch der klagenden Partei verjährt ist.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

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