OGH 5Ob510/95(5Ob511/95)

OGH5Ob510/95(5Ob511/95)28.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 3.8.1993 verstorbenen Dr.Alfred F*****, infolge Revisionsrekurses der Töchter des Verstorbenen, Dr.Ursula B*****, und Dr.Gabriele F*****, beide vertreten durch Dr.Josef-M.Danler, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 31.Jänner 1995, GZ 51 R 12, 22 und 23/95, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 15.Dezember 1994, GZ 5 A 325/93i-53 und 54, abgeändert wurden, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der am 23.1.1928 in Innsbruck geborene, am 3.8.1993 verstorbene Facharzt für Kinderheilkunde Dr.med.univ.Alfred F***** hinterließ insgesamt vier (am 7.10.1993 in der Kanzlei des öffentlichen Notars Dr.Hanspeter Zobl kundgemachte) letztwillige Anordnungen. Diese lauten in zeitlicher Reihenfolge wie folgt:

1.) "23.9.86

Mein letzter Wille

Frau Anneliese F*****, geboren 3.10.1952, kommt nach meinem Ableben in den ausschließlichen Genuß meines Individual-Kontos der Tiroler Ärztekammer. Der zu diesem Zeitpunkt gesamte angesparte Betrag."

2.) "8.1.1987

Mein Testament

Meine Lebensgefährtin Anneliese F*****, geboren 3.10.1952, wohnhaft *****, setze ich hiemit als meine Alleinerbin ein.

Meine beiden Töchter Ursula und Gabriele F***** schließe ich total von der Erbschaft aus."

3.) " Mein letzter Wille,

Frau Anneliese F*****, geboren 3.10.1951, ist meine Universalerbin. Die Pensionen der Ärztekammer gehören ihr.

Die seinerzeitige Verfügung der Pension an Frau Hermine F***** ist null und nichtig.

Ich bin im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte.

24.3.1988"

4.) Innsbruck, 24.9.1992

Mein Testament

Nach meinem Ableben vererbe ich meinen Anteil des Hauses und Grundes in A***** an meine Töchter Ursula und Gabriele zu gleichen Teilen. Meine Wohnung in I*****, Leopoldstraße 41a/III erhält meine Gattin Anneliese."

Der Nachlaß des Verstorbenen besteht - soweit bisher überblickbar

- aus folgenden Aktiven:

1.) Hälfteanteil der Liegenschaft EZ ***** (samt dem Gebäude K*****), mit einem steuerlichen Einheitswert von (insgesamt, also zusammen mit dem der Gattin des Verstorbenen aus erster Ehe, Hermine F*****, gehörigen Hälfteanteil) S 423.000,-;

2.) 61/975 Anteile (B-LNr 12) der Liegenschaft EZ *****) mit dem damit untrennbar verbundenen Eigentum an der Eigentumswohnung W6 im Einheitswert von S 1,425.000,-;

3.) PKW der Marke Mazda 121, Baujahr 1989, im Zeitwert von S 62.000,-;

4.) Kontoguthaben (Todesfallbeihilfe) auf dem Individual-Pensionskonto der Ärztekammer für Tirol von (nach Abzug von Kreditschuldigkeiten von S 101.181) S 102.034,04, das an Dr.Ursula B***** als vom Verstorbenen namhaft gemachte Empfängerin gemäß § 35 Abs 3 lit a der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol ausgezahlt wurde.

Darüber hinaus hinterließ der Erblasser diverse Außenstände beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern Innsbruck und drei Tiroler Bankinstituten; diese Nachlaßpassiven belaufen sich auf ca S 500.000,-.

Weder die Witwe des Verstorbenen noch seine Töchter haben bisher Erbserklärungen abgegeben. Sie alle beantragten aber am 6.4.1994 bzw 12.12.1994 - auf Grund der letztwilligen Verfügung vom 24.9.1992,

die sie als Kodizill mit Legaten qualifizieren - die Ausstellung

von Amtsbestätigungen im Sinn des § 178 AußStrG bezüglich der ihnen hinterlassenen Liegenschaften bzw. Liegenschaftsteile. Gleichzeitig haben die Witwe des Verstorbenen einerseits und seine Töchter andererseits die jeweils vom anderen Teil beanspruchten Vermächtnisse bestritten. Die Witwe steht auf dem Standpunkt, daß zugunsten der Töchter kein Vermächtnis angeordnet wurde, weil es sich bei der letztwilligen Verfügung vom 24.9.1992, die praktisch das gesamte Vermögen des Erblassers erfaßt habe, um ein Testament handle; die Töchter wiederum sehen in der letztwilligen Verfügung vom 24.9.1992 ein das Testament vom 24.3.1988 ergänzendes Kodizill mit einem Hineinvermächtnis zugunsten der Witwe, auf das sich diese nur nach einer positiven Erbserklärung zum Testament vom 24.3.1988 berufen könne. Eine Einigung darüber, wer die Nachlaßschulden übernimmt, konnte nicht erzielt werden.

Das Erstgericht stellte die gewünschten Amtsurkunden aus. Es bestätigte, daß nach Rechtskraft der jeweiligen Entscheidung das Wohnungseigentum am Objekt W 6 in I*****, zugunsten der Witwe (ON 53) und das Anteilseigentum der Töchter an der Liegenschaft in A***** einverleibt werden könne. Begründet wurde dies damit, daß eindeutig Vermächtnisse dieses Inhaltes vorlägen.

Das von beiden Seiten angerufene Rekursgericht wies in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung das Begehren auf Ausstellung von Amtsurkunden zur Verbücherung des Eigentumsrechtes der Legatansprecher ab. Es führte aus:

Es stelle sich zunächst die Frage, ob die letztwillig Bedachten als

Erben oder als Vermächtnisnehmer einzustufen sind. Ob der Erblasser

im konkreten Fall eine Erbeinsetzung oder eine Vermächtnisanordnung

wollte, sei grundsätzlich durch Auslegung zu ermitteln (NZ 1984, 130

sowie 1989, 266 oder 1994, 229). Die Erklärung des letzten Willens

unterliege dabei den für Willenserklärungen bei Rechtsgeschäften

überhaupt geltenden Regeln (NZ 1989, 266). Das ABGB enthalte nämlich

für letztwillige Verfügungen keine allgemeinen Auslegungsvorschriften

wie für Gesetze (§§ 6 ff ABGB) oder Verträge (§§ 914 f ABGB),

sondern nur eine große Anzahl von Sonderregeln (z.B. §§ 558, 582, 655

ff ABGB [NZ 1984, 130]). Der für das Vermächtnisrecht in § 655

ABGB aufgestellte Grundsatz, wonach Worte in ihrer gewöhnlichen

Bedeutung zu berücksichtigen sind, es würde denn erwiesen, daß der

Erblasser mit gewissen Ausdrücken einen ihm eigenen besonderen Sinn

zu verbinden gewohnt gewesen ist, werde aber als für das Recht der

letztwilligen Verfügungen und die dort notwendigen Auslegungen

verallgemeinerungsfähig angesehen (z.B. Welser in Rummel, KommzABGB2,

Rz 1 § 655; NZ 1984, 130 oder 1989, 266; für noch weitergehende

Generalisierungsfähigkeit: Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht3, 120). Ziel

der Auslegung letztwilliger Erklärungen sei jedenfalls die

Erforschung des wahren Willens des Erblassers (NZ 1984, 130 mwH).

Dabei stelle eine letztwillige Anordnung, welche als Einheit in ihrem

gesamten Sachzusammenhang zu betrachten sei (Ehrenzweig-Kralik, 121

mwH in FN 10 oder NZ 1984, 130), nicht die einzige Auslegungsquelle

dar; es seien vielmehr auch außerhalb dieser Anordnung liegende

Umstände aller Art, etwa sonstige mündliche oder schriftliche

Äußerungen selbst, ohne daß diese die Testamentsform aufweisen

müßten, sowie ausdrückliche oder konkludente Erklärungen des

Erblassers heranzuziehen (NZ 1984, 130 oder 1989, 266).

Grundsätzlich seien daher nicht nur der Wortlaut der (zeitlich

letzten) letztwilligen Anordnung vom 24.9.1992, sondern - soweit

nicht inhaltlich oder ausdrücklich widerrufen - auch die drei

übrigen kundgemachten letztwilligen Erklärungen heranzuziehen.

Allerdings müsse diese unter anderem auf die drei letzterwähnten Urkunden zurückgreifende Auslegung in der letztwilligen Anordnung vom 24.9.1992 wenigstens irgend einen, wenn auch noch so geringen Anhaltspunkt finden und dürfe dem darin unzweideutig ausgedrückten

Willen des Erblassers auf keinen Fall zuwiderlaufen (NZ 1984, 130 oder 1989, 266). Sie müsse - mit anderen Worten - immer darauf

beschränkt bleiben, den Sinn des Wortlautes der letztwilligen Anordnung vom 24.9.1992 zu klären; eine noch so deutlich erwiesene Absicht des Testators wäre nämlich unbeachtlich, wenn sie im zeitlich letzten schriftlichen Erklären vom 24.9.1992 keinerlei Ausdruck mehr gefunden hätte (Welser Rz 7 bis 9 §§ 552 f; Ehrenzweig-Kralik, 120 ff; NZ 1984, 130). Nach diesen Maximen sei mithin zu prüfen, ob der Erblasser keinen, einen oder alle Bedachten zum Gesamtrechtsnachfolger oder Einzelrechtsnachfolger machen wollte, ob er keinen, einen oder alle dem direkten Zugriff der Nachlaßgläubiger aussetzen und ob er keinem, einem oder allen direkten Zugriff auf das Nachlaßvermögens einräumen wollte oder nicht (Welser, Rz 6 § 535;

Ehrenzweig-Kralik, 172, 204 f; NZ 1984, 130 oder 1994, 229).

Grundsätzlich sei der letztwillig bedachte Erbe, wenn er den ganzen Nachlaß oder einen in Beziehung auf den ganzen Nachlaß bestimmten Teil desselben erhalten solle (§ 532 ABGB). Jede andere letztwillige Zuwendung von Sachen (im weitesten Sinn des § 285 ABGB) aus dem Nachlaß (oder dem Vermögen Dritter) sei hingegen ein Vermächtnis (NZ 1984, 130). Wohl könnten Zuwendungen selbst dann, wenn das (den Legataren) Zugedachte den größten Teil der Verlassenschaft ausmacht oder sogar den Nachlaß ganz aufzehrt, Vermächtnisse sein (für viele:

Welser in Rummel KommzABGB2, Rz 7 § 535; NZ 1984, 130 sowie 1989, 266 oder 1994, 229); in diesem Falle wäre das (verbleibende) Erbrecht großteils oder vollkommen inhaltsleer (NZ 1989, 266). Dies sei aber vom Erblasser oft nicht gewünscht, denn gerade in solchen Fällen habe er oft Erbeinsetzung (nach Quoten) gewollt (NZ 1989, 266 oder 1994, 229). Gerade für die hier interessierenden Abgrenzungsfälle zwischen Testament (mit Erbeinsetzung) und Vermächtnis bzw. Kodizill mit der Anordnung von Vermächtnissen (vgl.

dazu Welser, Rz 7 § 535; Ehrenzweig, Familien- und Erbrecht2, 536)

werde aber die Auffassung vertreten, daß auch die Zuwendung aller

oder doch der wesentlichsten (wertvollsten) Teile des Vermögens

selbst ohne Erwähnung der übrigen Vermögensteile an eine oder (auch

nicht quotenmäßig: NZ 1984, 130) mehrere Personen eine Erbeinsetzung

bedeuten könne (Ehrenzweig-Kralik, 172; SZ 44/38, NZ 1981, 105 oder

1984, 130 sowie 1989, 266). Auch Wendungen wie "mein Testament"

oder "ich vermache ...... mein Vermögen" sprächen stark für

Erbeinsetzungen (NZ 1994, 229); blieben außerhalb der in der

letztwilligen Anordnung erwähnten Gegenständen keine (NZ 1989, 266)

oder nur mehr vor allem in Relation zu den ausdrücklich erwähnten

Sachen im Werte unbedeutende (NZ 1989, 266 oder NZ 1994, 229)

Gegenstände aus dem Vermögen des Erblassers (der Erbmasse) unerwähnt

und unberücksichtigt (unverteilt), dann spreche viel dafür, daß der

Erblasser sein ganzes Vermögen den namentlich bezeichneten Personen

als Erbe zuweisen wollte (NZ 1989, 266 oder 1994, 229).

Wende man diese allgemeinen Grundsätze auf den Anlaßfall an, so ergebe sich eindeutig, daß die erhebliche Witwe zumindest Erbin sei:

Es kommt ihr entweder Alleinerbenstellung aufgrund der letztwilligen

Verfügung vom 24.3.1988 - die dann durch ein "Hineinvermächtnis"

("unechtes Prälegat") zu ihren Gunsten (Welser in Rummel, KommzABGB2,

Rz 5 § 648) und Legate zu Gunsten der beiden erblichen Töchter mit

der letztwilligen Verfügung vom 24.9.1992 ergänzt worden sei - oder

Miterbenposition zu - wenn man die letztwillige Verfügung vom

24.9.1992 als Erbeinsetzung aller drei Beteiligten mit den Quoten der

gleichzeitig verfügten bloßen Teilungsanordnung verstehe (Welser,

aaO; Ehrenzweig, Familien- und Erbrecht2, 538; JBl 1953, 236). Den

erblichen Töchtern hingegen komme jedenfalls mindestens die Stellung

als Vermächtnisnehmerinnen - aufgrund der letztwilligen Verfügung

vom 24.9.1992 - oder jene von Miterbinnen - aufgrund eben dieser

Anordnung ihres Vaters - zu:

Damit ergäben sich vier Varianten:

1.) Die erbliche Witwe ist Alleinerbin (24.3.1988, nicht entkräftet durch 24.9.1992), zu ihren Gunsten ist allerdings ein "Hineinvermächtnis" ("unechtes Prälegat") ausgesetzt (24.9.1992) - die erblichen Töchter sind Vermächtnisnehmerinnen (24.9.1992):

Dies bedeute einerseits, daß sowohl die erbliche Witwe (als

Alleinerbin aber gleichzeitig unechte Prälegatarin) eine Bestätigung

nach § 178 AußStrG verlangen könne (Welser, Rz 8 § 647 und 2 §

648; JBl 1953, 236) als auch die beiden Vermächtnisnehmerinnen

(Welser, Rz 8 § 647); haftungsmäßig bedeute dies aber, daß die

Alleinerbin - weil Erbteil und Prälegat nicht untrennbar

miteinander verbunden seien - die Erbschaft ausschlagen und nur das

Vermächtnis annehmen könne (und natürlich auch umgekehrt [Welser, Rz

3 § 648]); schlage die Alleinerbin die Erbschaft aus, nehme sie also

nur das Hineinvermächtnis bezüglich der Eigentumswohnung an, trage

sie mit den beiden übrigen Vermächtnisnehmerinnen gemäß § 692 ABGB

- wenn die übrigen Nachlaßgegenstände zur Deckung der Schulden des

Nachlasses nicht hinreichen sollten - den Haftungsausfall dem Wert

der übernommenen Aktiven nach anteilsmäßig.

2.) Die erbliche Witwe ist bloße Vermächtnisnehmerin - aufgrund des

ein inhaltsleeres Erbrecht verfügenden Kodizills (Welser, Rz 7 §

535; NZ 1989, 266) vom 24.9.1992 - und die erblichen Töchter sind

- ebenfalls aufgrund der die früheren Anordnungen einschließlich der

Erbeinsetzung der erblichen Witwe inhaltlich widerrufenden, dann als

Kodizill aufzufassenden letztwilligen Verfügung vom 24.9.1992 -

ebenfalls bloße Vermächtnisnehmerinnen.

Für diesen Fall hätten alle drei Vermächtnisnehmer Anspruch auf

Ausstellung einer Amtsbestätigung nach § 178 AußStrG (Welser, Rz

8 § 647).

Haftungsmäßig wären - wenn der sonstige Nachlaß zur Abdeckung der

Nachlaßverbindlichkeiten nicht ausreicht - sämtliche

Vermächtnisnehmer nach dem Verhältnis der Werte ihrer Vermächtnisse

anteilsmäßig heranzuziehen (Welser, Rz 2, 7, 9 § 692).

3.) Die erbliche Witwe ist - aufgrund der dann die früheren

letztwilligen Anordnungen inhaltlich widerrufenden, als Testament

aufzufassenden letztwilligen Verfügung vom 24.9.1992 - Miterbin,

und zwar nach der Quote der Teilungsanordnung in dieser Verfügung

(Welser, Rz 5 § 648), die erblichen Töchter sind ebenfalls

Miterbinnen nach der Teilungsanordnung dieser als Testament

aufzufassenden letztwilligen Verfügung vom 24.9.1992.

In diesem Fall wären die Anträge auf Ausstellung einer

Amtsbestätigung nach § 178 AußStrG abzuweisen, weil (Mit)Erben

darauf keinen Rechtsanspruch hätten.

Haftungsmäßig hätten alle Miterben zur Abdeckung der Schulden

anteilsmäßig - berechnet nach dem Wert ihrer durch

Teilungsanordnung festgelegten Quoten - beizutragen.

4.) Die erbliche Witwe ist - wie zu Punkt 3 - Miterbin, jedoch

zugleich Hineinvermächtnisnehmerin (unechte Prälegatarin) -

aufgrund der letztwilligen Anordnung vom 24.9.1992 - wie oben zu 1

erörtert, die erblichen Töchter sind Miterben - wie oben zu 3.)

dargelegt - gleichzeitig aber auch Hineinvermächtnisnehmerinnen -

aufgrund der letztwilligen Anordnung vom 24.9.1992, wie der Sache nach oben zu 2.) dargetan.

In diesem Fall hätten alle Miterbinnen und

Hineinvermächtnisnehmerinnen Anspruch auf Ausstellung einer

Amtsbestätigung nach § 178 AußStrG (Welser, Rz 2 § 648).

Haftungsmäßig hätten sie, egal ob sich alle des Erbes entschlagen

(Welser, Rz 3 § 648) oder alle (bedingte oder unbedingte)

Erbserklärungen abgeben, für Nachlaßschulden - bei Nichtzulangen

der übrigen Verlassenschaftsgegenstände - anteilig beizutragen (für

Vermächtnisnehmer: § 692 ABGB; Welser, Rz 2, 7, 9 § 692).

Es zeige sich somit, daß haftungsmäßig bei allen vier Varianten -

die richtige Vorgangsweise der jeweiligen Allein- oder Miterben

vorausgesetzt - kein Unterschied bestehe. Hinsichtlich des

Anspruches auf Ausstellung einer Amtsbestätigung komme nur entweder

eine Berechtigung aller Beteiligten (Fälle 1, 2 und 4) oder eine

Abweisung aller Anträge der Beteiligten (Fall 3) in Betracht.

Tatsächlich liege der dritte Fall vor:

Abgesehen von der (nicht erschöpfenden) Aufzählung der Vermögenswerte

in der letztwilligen Verfügung vom 24.9.1992 (die vor allem für ein

Legat spräche: NZ 1994, 229) spreche kein weiterer Umstand für ein

Vermächtnis z.B. zu Gunsten der erblichen Töchter oder gar ein

inhaltsleeres Erbrecht (NZ 1989, 266), mithin für das Vorliegen eines

Kodizills mit Anordnung von Vermächtnissen (Welser, Rz 7 § 535

oder Ehrenzweig, Familien- und Erbrecht2, 536). Berücksichtige man

allerdings die Verbindlichkeiten in Höhe von rund S 500.000,-, so

erwiesen sich die in der letztwilligen Anordnung vom 24.9.1992

erwähnten Liegenschaften und Liegenschaftsanteile auch unter

Berücksichtigung des (nicht erwähnten) PKWs und des Aktivguthabens

von S 102.034,04 bei der Ärztekammer für Tirol als die wesentlichsten

Teile des Nachlasses. Der Erblasser habe also am 24.9.1992

tatsächlich über den gesamten wesentlichen Nachlaß verfügt. Er habe

seine letztwillige Anordnung vom 24.9.1992 auch mit "mein Testament"

übertitelt. Unter Berücksichtigung vor allem der früheren

letztwilligen Anordnungen ergebe sich außerdem der Wille des

Erblassers, nicht mehr bloß seine Gattin aus zweiter Ehe als

(Allein-)Erbin einzusetzen (wie durch die Wendung "meine

Universalerbin" z.B. in der letztwilligen Verfügung vom 24.3.1988),

sondern auch seine beiden leiblichen Töchter gleichrangig, also als

Erbinnen, zu bedenken. Dafür spreche vor allem auch die sich aus den

früheren letztwilligen Verfügungen ergebende Praxis des Verstorbenen,

nur die ausdrücklich genannten und nicht (unbegründet) enterbten

(letztwillige Verfügung vom 8.1.1987) Personen als Erben einzusetzen.

Daß der Verstorbene seinen beiden Töchtern Erbenstellung vermitteln

wollte, ergebe also auch die Gegenüberstellung der Verfügungen vom

24.9.1992 und 8.1.1987. Die in der letztgenannten Verfügung noch

enthaltene (begründungslose) Enterbung der beiden leiblichen Töchter

werde hier - gewissermaßen durch sachlichen Widerruf der früheren

Verfügung - ungeschehen gemacht.

Damit sei die letztwillige Verfügung vom 24.9.1992 als Testament zu

Gunsten aller drei potentiellen Noterben - und zwar nach den Quoten

des Verhältnisses der Werte der hinterlassenen Sachen, jedoch ohne

Hineinvermächtnisse - aufzufassen: Eine letztwillige Verfügung, die

ihrem Inhalt nach die Auslegung als Testament zuläßt, sei nämlich

ungeachtet der Möglichkeit einer gegenteiligen Auslegung so lange als

Testament zu behandeln, bis bewiesen wird, daß der Erblasser bei

ihrer Errichtung eine Erbeinsetzung nicht gewollt hat (EvBl 1967/152;

NZ 1984, 130 oder 1994, 229). Die Legatansprecher, die die

Beweislast für die Eigenschaft als Kodizill oder Vermächtnis träfe,

soweit sie die Testamentseigenschaft bestreiten (Welser, Rz 8 §

535; Ehrenzweig-Kralik, 204; EvBl 1967/152; NZ 1984, 130 oder

1989, 266 sowie 1994, 229), könnten diesen Überlegungen nichts

Substantielles und Überzeugendes entgegenhalten, sodaß sie alle drei

sowohl als Gesetzeserben als auch als Testamentserben aufzufassen

seien. Es bedürfe keiner Amtsbestätigung nach § 178 AußStrG, denn

diese könne nur von Vermächtnisnehmern (Legataren) verlangt werden

(für viele: Welser in Rummel, KommzABGB2, Rz 8 § 647 oder 2 §

648).

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß man sich bei der Lösung der angesprochenen Rechtsprobleme auf eine einheitliche Judikatur des Obersten Gerichtshofes habe stützen können.

Im nunmehr vorliegenden außerordentlichen Revisionsrekurs machen die Töchter des Erblassers geltend, daß sich das Rekursgericht in eine allein dem Streitrichter vorbehaltene Auslegung letztwilliger Verfügungen eingelassen habe. Das Ergebnis dieser Auslegung sei zudem noch unhaltbar, weil die letztwillige Anordnung vom 24.9.1992 - mangels Verfügung über das gesamte Vermögen des Erblassers - eben nicht als Testament aufgefaßt werden könne. In Wahrheit liege ein Testament vom 24.3.1988 und dazu noch ein Kodizill vom 24.9.1992 vor, das hinsichtlich der Rechtsmittelwerberinnen gewöhnliche Vermächtnisse und hinsichtlich der Witwe ein Hineinvermächtnis anordne. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die zugunsten der Rechtsmittelwerberinnen ausgestellte Amtsbestätigung wiederhergestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß der Entscheidungsgegenstand - wie immer

bei der Durchsetzung erbrechtlicher Ansprüche (vgl EFSlg 67.423 ua)

- rein vermögensrechtlicher Natur ist, sodaß das Rekursgericht gemäß

§ 13 Abs 1 Z 1 AußStrG zur Klarstellung der weiteren

Anfechtungsmöglichkeiten einen Bewertungsausspruch hätte machen

müssen. Im konkreten Fall ist jedoch der Wert des

Entscheidungsgegenstandes ohnehin zwingend mit dem Einheitswert jener

Liegenschaft vorgegeben, deren Herausgabe und Übereignung durch die

Ausstellung einer Amtsbestätigung gemäß § 178 AußStrG durchgesetzt

werden soll (§ 60 Abs 2 JN). Diese Liegenschaft, an der die

Rechtsmittelwerberinnen jeweils 1/4 Anteilseigentum beanspruchen, hat

einen Einheitswert von insgesamt S 423.000,-, sodaß der Wert des

rekursgerichtlichen Entscheidungsgegenstandes nach der

Aufteilungsregel des § 3 BewertungsG 1955 jedenfalls den gemäß § 14

Abs 2 Z 1 AußStrG maßgeblichen Betrag von S 50.000,- übersteigt.

Es erübrigt sich somit eine Ergänzung der angefochtenen Entscheidung zwecks Wahrnehmung der streitwertabhängigen Rechtsmittelbeschränkung.

Auch sonst erweist sich der vorliegende Revisionsrekurs als zulässig, weil sich das Verlassenschaftsgericht bei der Klärung der Frage, ob einem Legatansprecher die zur Verbücherung seines Eigentums an der beanspruchten Nachlaßliegenschaft erforderliche Amtsbestätigung auszustellen ist, nicht auf die Auslegung letztwilliger Verfügungen einlassen darf. Streitigkeiten über die Gültigkeit eines Legats, insbesondere auch Auseinandersetzungen darüber, ob Erbeinsetzung oder Vermächtnis vorliegt, sind im streitigen Verfahren auszutragen (Welser in Rummel2, Rz 12 zu § 647 ABGB sowie Rz 9 zu § 535 ABGB mwN), sodaß die vom Außerstreitrichter zu treffende Entscheidung, ob eine Amtsbestätigung gemäß § 178 AußStrG zu erteilen oder zu versagen ist, nicht mit den von den Vorinstanzen gebrauchten Argumenten für oder gegen die Annahme eines Kodizills bzw Testaments begründet werden kann. Die von den Rechtsmittelwerbern in diesem Zusammenhang in eventu geltend gemachte Nichtigkeit (§ 2 Abs 2 Z 1 AußStrG iVm § 477 Abs 1 Z 6 ZPO) ist allerdings nicht zu erkennen, weil die Ausstellung einer Amtsbestätigung nach § 178 AußStrG zweifellos in die Kompetenz des Verlassenschaftsgerichtes fällt und das Problem, ob sich die Antragsteller auf ein gültiges Vermächtnis stützen können, nur als Vorfrage behandelt wurde. Diesbezügliche Fehler sind im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu korrigieren.

Im Ergebnis ist allerdings der Revisionsrekurs nicht berechtigt. Die

Judikatur legt nämlich die Bestimmung des § 178 AußStrG, wonach

derjenige die Ausstellung einer Amtsbestätigung zur Verbücherung

seines Eigentums verlangen kann, dem eine Nachlaßliegenschaft als

Vermächtnisnehmer "zufällt", so aus, daß kein Streit über die

Gültigkeit und den Inhalt (Umfang) der anspruchsbegründenden

letztwilligen Verfügung bestehen darf (JBl 1960, 642; EFSlg 50.093

mit weiterer Rechtsprechung). Die Sach- und Rechtslage muß

diesbezüglich klar sein. Bestreitet der Erbe ernstlich und nicht nur

auf eine vorweg aussichtlose Weise die Gültigkeit des letzten Willens

oder erhebt er ein begründetes Sicherstellungsbegehren nach § 692

Satz 2 ABGB, so hat das Gericht die Ausstellung der Bestätigung zu

verweigern (EFSlg 39.887, 50.093 uva). Der Legatsanspruch ist vom

Legatar im Klageweg zu erzwingen, wenn die letztwillige Verfügung

oder wenigstens die Vermächtnisanordnung bestritten wird (Welser

aaO, Rz 8 zu § 647 ABGB mwN; siehe auch Eccher in Schwimann ABGB

III, Rz 4 zu § 684).

Die dem Erben eingeräumte Möglichkeit, die Gültigkeit einer

letztwilligen Verfügung zu bestreiten oder bei Gefahr einer

Überschuldung des Nachlasses Sicherstellung nach § 692 Satz 2 ABGB

zu verlangen, bedingt seine Anhörung vor Erteilung der

Amtsbestätigung (Welser aaO, Rz 8 zu § 647 ABGB; SZ 47/132; EvBl

1975/279; SZ 50/56; EFSlg 42.450; EFSlg 44.770 ua). Ein ähnliches

Bestreitungs- und Anhörungsrecht käme einem sonstigen

Nachlaßvertreter zu (vgl SZ 25/193; EFSlg 44.770 ua). In einer Phase

des Verlassenschaftsverfahrens, in der weder eine Erbserklärung

abgegeben noch ein Verlassenschaftskurator bestellt wurde, ist daher

der Antrag des Vermächtnisnehmers auf Ausstellung einer Amtsurkunde

iSd § 178 AußStrG verfrüht (EFSlg 52.888).

Ein solcher Fall liegt hier vor. Den Rechtsmittelwerbern wurde die

Ausstellung einer Amtsbestätigung nach § 178 AußStrG zu Recht

verweigert, weil die Voraussetzungen für eine verfahrensrechtlich

einwandfreie Überprüfung ihres Legatsanspruches noch gar nicht

vorliegen. Es ist noch nicht einmal geklärt, ob der Nachlaß erblos

bleibt, weil die präsumtiven Erben noch nicht bindend erklärt haben,

ob sie die Erbschaft - gestützt auf eine letztwillige Verfügung,

auf die gesetzliche Erbfolge oder das "außerordentliche Erbrecht" von

Legataren gemäß § 726 ABGB - antreten (beide Seiten wollten

offensichtlich abwarten, ob sie - scheinbar unbehelligt von

Nachlaßschulden - mit ihren vermeintlichen Legatansprüchen

durchdringen). Sollten sie die Erbschaft nicht antreten, wird

letztlich mit dem gemäß § 760 ABGB heimfallsberechtigten Fiskus,

der berechtigte Vermächtnisse zu erfüllen hätte (Welser aaO, Rz 7

zu § 760 ABGB) und dementsprechend angehört werden müßte,

abzuklären sein, ob den Rechtsmittelwerbern die gewünschte Amtsbestätigung ausgestellt werden kann.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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