OGH 1Ob67/71

OGH1Ob67/7125.3.1971

SZ 44/38

Normen

ABGB §613
ABGB §823
ABGB §613
ABGB §823

 

Spruch:

Für die Klage des Nacherben nach § 623 ABGB gegen denjenigen, der die Substitutionsmasse als Erbe des Vorerben beansprucht, ist eine Streitanmerkung zulässig

OGH 25. 3. 1971, 1 Ob 67/71 (OLG Linz R 162/70; KG Ried im Innkreis 2 Cg 465/70)

Text

Rudolf H, der Vater des Klägers und Ehemann der Beklagten, ist am 6. 10. 1959 verstorben. Die Verlassenschaft wurde der Beklagten, der Stiefmutter des Klägers, auf Grund einer letztwilligen Verfügung Rudolf H's vom 11. 10. 1958, nachdem sie eine unbedingte Erbserklärung abgegeben hatte, zu A .../59 des Bezirksgerichtes Obernberg am Inn eingeantwortet. Im Zeitpunkt des Todes Rudolf H's waren dieser und die Beklagte je zur Hälfte Eigentümer des Hauses R 28, EZ 199, Katastralgemeinde U.

Das umfangreiche Testament Rudolf H's vom 11. 10. 1958 enthält die Bestimmung, daß dem Kläger die Hälfte des Anteiles seines Vaters am Haus- und Grundbesitz zugesichert werde, die dem Kläger (oder im Falle seines Todes seinen Kindern) nach dem Ableben der Beklagten automatisch zufallen sollte; am Haus R 28 wurde dem Kläger darüber hinaus ein des näheren beschriebenes Wohnungsrecht eingeräumt. Der Erblasser nahm auch auf den Fall der Wiederverehelichung der Beklagten Bedacht und legte dar, daß ein Partner, der es mit dem Beklagten gut und ehrlich meint, sicher auch leicht das respektieren werde, was er "für diesen Fall" bestimme; eine solche Bindung sollte nur eingegangen werden können, wenn der Besitz ungeschmälert in den Händen der Beklagten bleiben und ua auch die Rente des Klägers und seiner Familie keine wie immer geartete Einbuße erfahren. Weiter heißt es: "Ich bestimme ferner, daß das Haus samt den dazugehörigen Grundstücken und Einrichtungen und seinen Inhalten nach etwaigem Ableben meiner Frau Rosa meinem Sohn Anton H zufällt. Sollte diesem bis dahin etwas zugestoßen sein, treten an seine Stelle seine Kinder..." Für den Fall der Veräußerung des Hauses ordnete Rudolf H an, daß dem Kläger oder seinem Nachfolger der ihm zugesicherte Teil am Besitz ohne Verzug auszuzahlen sei, falls er nicht eine andere Lösung für gut befinde; sollte der Besitz unter dem wahren Wert verkauft oder der gerechte Anteil des Klägers am Erlös in Frage gestellt werden, sollte er das Recht haben, einem etwaigen Verkauf "entgegen zu sein"; die Feststellung des wahren Wertes sei in diesem Fall durch ein Sachverständigengutachten gerichtlich anzustreben. Da er, Rudolf H, jedoch annehme, daß im Falle eines Verkaufes die Beklagte andernorts ein Objekt erwerbe, glaube er, daß sie dies sowieso einvernehmlich mit dem Kläger tue und daß sie "aus eigenem der Absicht verhaftet" bleibe, daß nach ihrem Ableben das von ihr erworbene Eigentum dem Kläger bzw dessen Kindern weitervererbt werde.

Im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens verpflichtete sich die Beklagte am 28. 12. 1959, auf Verlangen der Vermächtnisnehmer, zu denen auch der Kläger gezählt wurde, entsprechende grundbücherliche Sicherheiten für die im Testament vom 11. 10. 1958 eingeräumten Vermächtnisse zu bieten.

Mit der Behauptung, die Beklagte habe die zugesagten Sicherheiten nicht geboten, begehrte der Kläger mit seiner am 9. 9. 1965 überreichten Klage das Urteil, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger eine annehmbare grundbücherliche Sicherstellung für die ihm auf Grund des Testamentes vom 11. 10. 1958 zustehenden Rechte zu leisten. Nach erster Tagsatzung und Überreichung der Klagebeantwortung, in der ua Unschlüssigkeit der Klage behauptet wurde, blieb das Verfahren ruhen. Am 18. 11. 1970 stellte diesem Schriftsatz gleichzeitig vor, daß er das Klagebegehren neu formuliere und ausdehne. Er begehrte nunmehr die Feststellung, daß dem Kläger und dessen Kindern hinsichtlich der gesamten Liegenschaft EZ 199 Katastralgemeinde U das Recht der Nacherbschaft und dem Kläger darüber hinaus ein Wohnungsrecht nach näher ausgeführten, angeblich dem Testament zu entnehmenden Bestimmungen zustehe; die Beklagte sei daher schuldig einzuwilligen, daß ob der Liegenschaft EZ 199 Katastralgemeinde U die Beschränkung ihres Eigentumsrechtes durch die fideikommissarische Substitution zugunsten des Klägers und seiner Kinder und die Dienstbarkeit des lebenslänglichen unentgeltlichen Wohnungsrechtes zugunsten des Klägers einverleibt werde. Das bisherige Klagebegehren wurde neben einem weiter formulierten als Eventualbegehren aufrecht erhalten. Der Kläger beantragte darüber hinaus hinsichtlich der Beschränkung des Eigentumsrechtes der Beklagten und des geltend gemachten Wohnungsrechtes die Anmerkung der Klage (Streitanmerkung) bei der EZ 199 Katastralgemeinde U im Eigentumsblatt und im Lastenblatt.

Das Erstgericht bewilligt die Anmerkung der Klage mit dem Hinweis auf SZ 23/353.

Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Anmerkung der Klage nur hinsichtlich der vom Erblasser Rudolf H stammenden Hälfte der Liegenschaft EZ 199 Katastralgemeinde U bewilligte. Der Kläger gehe selbst davon aus, daß der Erblasser seinerzeit nur Hälfteeigentümer der klagsgegenständlichen Liegenschaft gewesen sei. Nur in diesem Umfang könne begrifflich eine fideikommissarische Substitution in Frage kommen.

Hinsichtlich der Liegenschaftshälfte, die zu Lebzeiten des Erblassers anscheinend schon der Beklagten zugeschrieben gewesen sei, könne trotz des Wortlautes der letztwilligen Verfügung keine Nacherbschaft wirksam begrundet werden, deren Vorerbe die Beklagte sein sollte. Hier könne es sich bestenfalls um ein Vermächtnis aus dem Vermögen der Erbin oder sonst eine andere Rechtsfigur handeln; ein Streit hierüber sei nach § 61 GBG ebensowenig anmerkbar wie ein Streit über das Bestehen der Dienstbarkeit des Wohnungsrechtes. Die Streitanmerkung könne sich daher nach dem Vorbringen des Klägers schlüssig nur auf die der Beklagten zufallende Liegenschaftshälfte beziehen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Beklagte hat die Entscheidung des Rekursgerichtes nicht bekämpft, sodaß davon auszugehen ist, daß die Streitanmerkung hinsichtlich der vom Erblasser Rudolf H stammenden Hälfte der Liegenschaft EZ 199 Katastralgemeinde U rechtskräftig bewilligt ist. Zu erörtern ist nur mehr die Frage, ob dem Kläger auch das Recht zusteht, die Streitanmerkung auch bei jener Liegenschaftshälfte zu erwirken, die im Zeitpunkt des Todes Rudolf H's nicht in dessen Eigentum, sondern in dem des Beklagten stand. Gemäß § 61 Abs 1 GBG ist nur jemand, der durch eine Einverleibung in seinem bücherlichen Rechte verletzt erscheint, die Einverleibung aus dem Gründe der Ungültigkeit im Prozeßweg bestreitet und die Wiederherstellung des vorigen bücherlichen Standes begehrt, berechtigt, eine solche Streitanmerkung im Grundbuche entweder gleichzeitig mit der Klage oder später zu verlangen. Diesem Fall und auch allen anderen Anmerkungen einer Klage (§§ 61 bis 73 GBG) ist gemeinsam, daß der Kläger in einem bücherlichen Recht verletzt wurde, daß also ein Widerspruch zwischen dem Grundbuchstand und dem materiellen Recht besteht. Nicht anmerkungsfähig sind hingegen Klagen, mit denen ein obligatorischer Anspruch geltend gemacht wird, auch wenn auf Grund dieses Anspruches der Erwerb eines bücherlichen Rechtes begehrt wird (EvBl 1971/43 und die dort zitierte Rechtsprechung und Literatur). Eine Streitanmerkung setzt also die Geltendmachung eines dinglichen Rechtes, zumindest aber eines Rechtes, das zufolge besonderer Bestimmungen einem dinglichen Recht gleichzuhalten ist (SZ 41/151), an einer verbücherten Liegenschaft voraus. Das Erbrecht, also das ausschließliche Recht, die ganze Verlassenschaft oder einen in Beziehung auf das Ganze bestimmten Teil derselben in Besitz zu nehmen, ist nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 532 ABGB ein solches dingliches Recht, das gegen jeden, der sich ein Recht an der Verlassenschaft anmaßen will, wirksam ist. Ein solches Recht kann auch noch nach erfolgter Einantwortung der Verlassenschaft an den falschen Erben mittels sogenannter Erbschaftsklage nach § 823 ABGB oder aber, wenn es sich um einzelne Erbschaftsstücke handelt, mit der dort ebenfalls erwähnten Eigentumsklage geltend gemacht werden. Es war allerdings strittig, ob einem solchen Kläger, der die Herausgabe einer Liegenschaft oder von Liegenschaftsteilen begehrt, schon bücherliche Rechte zustehen, war doch nicht er, sondern nur der Erblasser als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Die herrschende Rechtsprechung (RZ 1966, 124; SZ 23/353) bejaht, wie die Untergerichte bereits darlegten, diese Frage unter Berufung auf § 547 ABGB, wonach der Erbe, sobald er die Erbschaft angenommen hat, in Rücksicht auf sie den Erblasser darstellt; Rechtsprechung und Lehre (SZ 23/353 und die dort zitierte Literatur) verstehen hiebei unter der Annahme der Erbschaft nicht nur die formelle Erbserklärung, sondern auch bereits die Inanspruchnahme der Erbschaft oder eines Teiles derselben mittels Klage nach § 823 ABGB. Eine solche Klage rechtfertigt damit auch eine Streitanmerkung nach § 61 Abs 1 GBG (in diesem Sinne auch Ehrenzweig[2] III/2, 618). Eine Erbschafts- oder Eigentumsklage nach § 823 ABGB kann, wenn eine fideikommissarische Substitution gegeben war, auch noch der Nacherbe zumindest gegen denjenigen erheben, der die Substitutionsmasse als Erbe des Vorerben beansprucht uzw auch dann, wenn der Nachlaß irrigerweise ohne Hinweis auf die verfügte Substitution eingeantwortet worden war (SZ 39/194; SZ 24/234; vgl SZ 38/132). Auch für eine solche Klage muß eine Streitanmerkung zulässig sein. Ob dies auch für eine Klage gilt, mit der der Nacherbe, der noch keinen Herausgabeanspruch stellen kann, weil der Substitutionsfall noch nicht eingetreten ist, vom Vorerben an sich zulässigerweise (SZ 24/86) die Sicherstellung seines Anspruches durch die gesetzmäßige (§ 158 Abs 1 AußStrG) Beschränkung des Eigentumsrechtes des Vorerben im Grundbuch (siehe auch hiezu SZ 41/151) verlangt, kann unerörtert bleiben, da dem Kläger, soweit er überhaupt - nämlich dann, wenn eine Erbseinsetzung angenommen werden kann, weil der Kläger den wertvollsten Teil des Nachlasses erhalten soll (EvBl 1951/35; EvBl 1950/3) - Nacherbe sein kann, ohnehin bereits rechtskräftig die Streitanmerkung bewilligt wurde.

Auch bei Bejahung der erwähnten Frage ist jedoch für den Standpunkt des Revisionsrekurses nichts gewonnen, da alle dargelegten Argumente höchstens für die im Eigentum des Erblassers gestandene Liegenschaftshälfte, hinsichtlich derer die Streitanmerkung bereits rechtskräftig bewilligt wurde, keineswegs aber für die Liegenschaftshälfte gelten, die schon vor dem Tode des Erblassers im Eigentum der Beklagten stand. Dingliche Ansprüche können nämlich nur dem Erben zustehen, niemals dem Legatar. Dem Legatar steht nur eine obligatorische Klage auf Erfüllung des Legatsanspruches gegen den Belasteten zu, nicht aber eine dingliche Klage gegen jeden Besitzer des vermachten Gegenstandes (Steinwenter in JBl 1957, 559). Die sogenannte Vermächtnisklage (Weiß in Klang[2] III 479 und 491) macht also stets nur eine Forderung geltend, die allein der Beschwerte, also die Verlassenschaft oder der eingeantwortete Erbe, zu erfüllen hat; ein dingliches Vermächtnis gibt es nicht (Weiß aaO 483; EvBl 1970/190). Auch daß dem Legatar gemäß § 688 ABGB ein Recht auf Sicherstellung gegeben ist, ändert nichts an der Natur des Legatsanspruches als eines obligatorischen Anspruches (EvBl 1957/29). Der Legatar hat damit auch kein Recht, eine Erbschaftsklage zu erheben (JBl 1957, 558). Daraus folgt, daß auch eine Streitanmerkung von Legatsansprüchen nicht zulässig ist (EvBl 1957/29; SZ 6/80).

Zum Nachlaß gehören nur die Rechte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen (§ 531 ABGB). Nur in Rechte des Verstorbenen kann der Erbe bei Geltendmachung von Ansprüchen eintreten und nur dingliche Rechte des Erblassers im aufgezeigten Sinne kann der Erbe im eigenen Namen als solche geltend machen und sodann bei deren Inanspruchnahme allenfalls eine Streitanmerkung erwirken. Ein derartiges dingliches Recht an der Liegenschaftshälfte der Beklagten stand Rudolf H aber selbst nach den Behauptungen des Klägers nicht zu. Zur Begründung seines Begehrens auf Sicherstellung seines angeblichen Anspruches auf der Liegenschaftshälfte, die schon zu Lebzeiten des Erblassers im Eigentum der Beklagten stand, beruft er sich in seinem Schriftsatz ON 7 vielmehr nur auf die Bestimmungen der 650, 652, 653 und 662 ABGB, also auf Gesetzesstellen, die nur Vermächtnisse und damit obligatorische Ansprüche betreffen. Tatsächlich könnte der Kläger einen Anspruch höchstens aus der Bestimmung des § 662 ABGB ableiten, wonach auch fremde Sachen, die dem Erben gehören, vermacht werden können. Die Mißachtung der Sicherstellung eines solchen Legats, also eines obligatorischen Anspruches, kann den Kläger niemals in einem bücherlichen Recht verletzt haben.

Mit Recht hat das Rekursgericht daher eine Streitanmerkung bei der Liegenschaftshälfte der Beklagten abgelehnt, ohne daß noch geprüft werden muß, ob ihr auch noch andere Hindernisse entgegengestanden wären. Erwähnt sei nur, daß jedenfalls im Zeitpunkt der Beschlußfassung durch das Erstgericht die Änderung der Klage, die allein in ihrem neuen Wortlaut nunmehr angemerkt werden sollte, mangels bereits geschehener Einwilligung der Beklagten (§ 235 Abs 2 ZPO) überhaupt noch nicht als erfolgt angesehen werden durfte, was allein ebenfalls die Bewilligung der begehrten Streitanmerkung im jetzigen Zeitpunkt gehindert hätte.

Dem unbegrundeten Rekurse ist somit ein Erfolg zu versagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte