Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die bedingte Erbserklärung des Horst Anton G***** vom 20.9.1994 unter Berufung auf ein mündliches Testament der Anna L***** vom 24.10.1992 zu Gericht angenommen wird.
Im übrigen werden die Beschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über die Anträge des Horst Anton G*****, ihm die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft zu übertragen und zur Vornahme der schriftlichen Abhandlungspflege eine Frist von sechs Monaten zu setzen, aufgetragen.
Text
Begründung
Die am 15.5.1919 geborene österreichische Staatsbürgerin Anna L***** ist am 23.8.1993 in Langenegg ohne Hinterlassung eines schriftlichen Testamentes verstorben. Da gesetzliche Erben zunächst unbekannt waren, bestellte das Erstgericht gemäß den §§ 78 und 128 AußStrG einen Verlassenschaftskurator mit dem Wirkungskreis der vollen Verwaltung und Vertretung des Nachlasses. Am 3.2.1994 erhielt der öffentliche Notar Dr. H*****, dem die Verlassenschaftsabhandlung übertragen worden war, Bestätigungen des Martin P*****, des Ernst und der Gertrud E*****, wonach Anna L*****in einem mündlichen Testament vom 24.10.1992 Horst Anton G*****, den Neffen ihres verstorbenen Ehegatten, zum Erben eingesetzt habe. Die eidliche Einvernahme der drei genannten Personen ergab folgenden Sachverhalt:
Martin P*****, Ernst E*****und dessen Ehegattin Gertrud trafen sich am 24.10.1992 in der Zeit von cirka 14 bis 16 Uhr mit Horst Anton G*****, dessen Ehegattin Christine und Anna L*****in einem Gasthaus in Sulzberg. Bei dieser Gelegenheit wurde Anna L*****von Horst Anton G***** dem Martin P*****, dem Ernst E*****und der Gertrud E*****vorgestellt. Im Verlaufe dieses Nachmittages ergab sich ein Gespräch unter anderem darüber, wie sich Anna L*****in ihrer Landwirtschaft geplagt habe, als sie noch gesund war. Ernst E*****fragte sie daraufhin, wer "das ganze" bekommen solle. Anna L*****erwiderte dann
a) nach der Aussage des Martin P*****: "Horcht einmal, das kriegt alles der Toni, das hat schon der Onkel so gewollt",
b) nach der Aussage des Ernst E*****: "Horcht her, das kriegt alles einmal der Toni";
c) nach der Aussage der Gertrud E*****: "Horcht, das gehört alles einmal dem Toni".
Allen Beteiligten war klar, daß mit "Toni" Horst Anton G*****gemeint war. Von ihrem letzten Willen oder ihrem Testament sprach Anna L*****damals nicht. Sie forderte auch die drei Genannten nicht auf, als Testamentszeugen oder auch nur als Zeugen zu fungieren. Während Ernst E*****ihre Worte als mündliches Testament wertete und sich seiner Funktion als Testamentszeuge bewußt war, haben Martin P*****und Gertrud E*****die Worte nicht als Testament gewertet, sie waren sich einer Funktion als Testamentszeugen nicht bewußt, zumal sie nicht einmal wußten, daß es ein mündliches Testament gibt. Der am 25.1.1972 geborene Martin P*****, der am 11.5.1941 geborene Ernst E*****und die am 30.10.1947 geborene Gertrude E*****sind mit Horst Anton G*****weder verwandt noch verschwägert.
Das Protokoll über die eidliche Vernehmung der drei genannten Personen vom 23.3.1994 wurde am 18.4.1994 als letzte Willenserklärung der Anna L*****kundgemacht.
Am 20.9.1994 (beim Erstgericht eingelangt am 22.9.1994) gab Horst Anton G*****auf Grund des mündlichen Testamentes vom 24.10.1992 zum gesamten Nachlaß die bedingte Erbserklärung ab. Weiters beantragte er, ihm die Verwahrung und Verwaltung der Verlassenschaft zu übertragen und für die Erstattung der Schlußanträge eine sechsmonatige Frist zu setzen.
Das Erstgericht wies diese Erbserklärung und auch die weiteren Anträge zurück. Horst Anton G*****habe bereits mit zwei Eingaben vom 28.3.1994 und vom 16.5.1994 jeweils eine unbedingte Erbserklärung abgegeben, die jeweils rechtskräftig zurückgewiesen worden seien. Auf diese Beschlüsse werde verwiesen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Horst Anton G*****nicht Folge. Wenngleich die Zurückweisung im Hinblick darauf, daß nunmehr anstelle der unbedingten Erbserklärung eine bedingte Erbserklärung abgegeben worden sei und daher eine Identität mit den früheren Anträgen nicht vorliege, vom Erstgericht mangelhaft begründet worden sei, liege keine Nichtigkeit vor. Es habe nämlich in einem früheren Beschluß die Ansicht vertreten, daß nicht nur der Inhalt eines mündlichen Testamentes, sondern auch die wirksame Errichtung nur durch die übereinstimmende eidliche Aussage der drei Zeugen nachgewiesen werden könne. Im gegenständlichen Fall fehle eine solche übereinstimmende Aussage über das angebliche mündliche Testament, weil zwei Zeugen eine Testierabsicht nicht erkennbar gewesen sei und sie eine solche auch nicht bezeugen hätten können, weshalb kein mündliches Testament vorliege. Diese Rechtsansicht werde vom Rekursgericht geteilt. Auch wenn die Testierabsicht des Erblassers nicht Gegenstand des Verlassenschaftsverfahrens sei, müsse den Testamentszeugen jedenfalls bekannt sein, daß der Erblasser seinen letzten Willen erkläre; sie müßten der letzten Willenserklärung im Bewußtsein ihrer Zeugeneigenschaft beiwohnen. Dies sei eine formale Voraussetzung für die Gültigkeit des Testaments. Da die Zeugen hinsichtlich der objektiven Erkennbarkeit der Testierabsicht nicht übereinstimmten, sei das mündliche Testament, auf das sich der Rekurswerber berufe, ungültig, so daß das Erstgericht zu Recht die darauf gestützte Erbserklärung zurückgewiesen habe. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei, weil sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 62/60 nicht damit auseinandergesetzt habe, ob es sich bei der Bestätigung der Testamentserben durch die übereinstimmende eidliche Aussage um ein Gültigkeitserfordernis oder um eine Wirksamkeitsvoraussetzung handle.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Horst Anton G*****mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß seine Erbserklärung vom 20.9.1994 zu Gericht angenommen werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von der herrschenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist. Er ist auch berechtigt.
Gemäß § 122 AußStrG ist grundsätzlich jede in der vorgeschriebenen Form abgegebene Erbserklärung vom Gericht anzunehmen. Diese Bestimmung wird allerdings in ständiger Judikatur einschränkend dahin ausgelegt, daß eine Erbserklärung zurückzuweisen ist, wenn von vornherein feststeht, daß der in Anspruch genommene Erbrechtstitel zu keiner Einantwortung des Nachlasses an den Erbserklärten führen kann (RZ 1963, 133; SZ 44/72; NZ 1985, 106; JBl 1986, 311; NZ 1987, 68; RPflSlgA 7732; RZ 1990/114; EvBl 1992/36; zuletzt 1 Ob 510/94; Welser in Rummel2 Rz 16 zu §§ 799, 800 ABGB). Schon das Verlassenschaftsgericht hat daher zu prüfen, ob eine letztwillige Verfügung des Erblassers, auf die sich ein Erbansprecher zur Dartuung seines Erbrechtes beruft, überhaupt als Testament angesehen werden kann. Dazu muß sie den inneren und äußeren Formvorschriften entsprechen, also eine Erbeinsetzung enthalten (§ 553 ABGB) und in einer vom Gesetz anerkannten Testamentsform errichtet sein (§§ 577 ff ABGB). Die Grenzen einer solchen Beurteilung liegen dort, wo es der Klärung strittiger Tatumstände (vgl NZ 1985, 106) oder der Auslegung des Willens des Erblassers bedarf, um ein der inneren und äußeren Form nach wirksames Testament ausschließen zu können (EvBl 1992/36 mwN). Läßt sich von Anfang an mit Bestimmtheit sagen, daß die als Berufungsgrund herangezogene letztwillige Erklärung des Erblassers keine Erbeinsetzung enthält oder die gesetzliche vorgeschriebene äußere Form nicht erfüllt ist, dann ist die Verlassenschaft ohne Rücksicht auf eine darauf gestützte Erserklärung abzuhandeln (SZ 61/227 ua). Es muß daher außer Zweifel stehen, daß ein gültiger, zur Herbeiführung der Einantwortung geeigneter Erbsrechtstitel nicht vorhanden ist (EvBl 1983/47; RZ 1990/114; 1 Ob 510/94).
Das private mündliche Testament setzt eine letzte Willenserklärung des Erblassers und die gleichzeitige Anwesenheit von drei Zeugen voraus, welche die Verfügung auf Verlangen nach dem Tod des Erblassers eidlich bekräftigen müssen (§§ 585, 586 ABGB). Bereits in der Entscheidung SZ 6/227 hat der Oberste Gerichtshof darauf verwiesen, daß eine Überprüfung, ob der Gültigkeit der Anordnung Willensmängel in der Person des Erblassers entgegenstehen, im Stadium der Annahme der Erbserklärung nicht stattzufinden habe; diese Entscheidung sei Sache des Prozeßrichters in einem allfälligen Erbrechtsstreit. Der (damalige) Erblasser habe vor drei gleichzeitig anwesenden Zeugen seinen Willen erklärt und es könne die Äußerung:
"Alle Sachen gehören so meiner Frau", gegen deren Ernstlichkeit keine Bedenken vorliegen würden, als Erbseinsetzung aufgefaßt werden; zumindest stehe der Mangel der Erbenqualität nicht außer jedem Zweifel. In der Entscheidung RZ 1964, 16 sprach der Oberste Gerichtshof in einem vergleichbaren Fall aus, daß die Fragen, ob die bei der Erklärung des Erblassers anwesend gewesenen fähigen Zeugen sich darüber im klaren waren, einer Erklärung des letzten Willens beizuwohnen, ob der Erblasser überhaupt den Willen hatte, bei seiner Äußerung seinen letzten Willen zu erklären und ob er die Teilnahme der Zeugen an diesem Akt gewünscht hat, außer Betracht zu bleiben haben; dies in der Erwägung, daß damit lediglich die Frage der Gültigkeit des Testaments berührt werde (ähnlich bereits SZ 26/161). In der Entscheidung NZ 1968, 109 verwies der Oberste Gerichtshof darauf, für die Annahme einer Erbserklärung sei nach § 799 ABGB der Ausweis des Erbrechtstitels erforderlich; hiezu genüge die Berufung auf einen dem Inhalt und der äußeren Form nach vorschriftsmäßigen letzten Willen. Der äußeren Form sei bei einem außergerichtlichen mündlichen Testament Genüge getan, wenn feststehe, daß der Erblasser vor drei gleichzeitig anwesenden Personen eine Erklärung abgegeben habe, die seinen letzten Willen darstellen könne. Nach den dortigen Feststellungen gab die Erblasserin vor den drei vernommenen gleichzeitig anwesenden Zeugen eine Erklärung dahin ab, daß "nach ihr alles einmal der Hilde gehöre". Ob die Äußerung in Testierabsicht erfolgt sei oder ob es sich nur um eine gesprächsweise Erklärung gehandelt habe, ob die Aussagen der drei Zeugen hinreichend übereinstimmten, um eine gültige letztwillige Erklärung annehmen zu können und ob die Zeugen bewußt als Testamentszeugen anwesend gewesen seien, habe mit der äußeren Form der letztwilligen Erklärung nichts zu tun und sei Sache des Prozeßrichters in einem allfälligen Erbrechtsstreit. Von der dargelegten Rechtsauffassung ist der Oberste Gerichtshof nie abgewichen; soweit auf die festgstellte Absicht des Erblassers, ein mündliches Testament zu errichten oder überhaupt seinen letzten Willen zu erklären, Bezug genommen wurde, handelte es sich um Entscheidungen in einem Erbrechtsstreit (zB RZ 1967, 90; SZ 58/187; SZ 32/120; NZ 1978, 13; NZ 1979, 174; insbesondere die von den Vorinstanzen herangezogene Entscheidung SZ 62/60).
Auch in der Lehre wird betont, daß für den Erbrechtsausweis die Wahrung der äußeren Form genügt und daher der Nachweis der Testierabsicht nicht erforderlich ist, auch nicht, daß die Zeugen von ihrer Eigenschaft wissen und ihre Aussagen übereinstimmen (Welser aaO Rz 20 unter Hinweis auf Rz 14 und NZ 1965, 92 = RZ 1964, 16).
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsansicht ist nicht zweifelhaft, daß die von der Erblasserin vor drei gleichzeitig anwesenden Zeugen gemachte Äußerung: "Horcht einmal (oder horcht her), das kriegt alles einmal der Toni (oder: das gehört alles einmal dem Toni)" ein mündliches Testament darstellt, weil es eine klar erkennbare Erbeinsetzung enthält und in der vorgeschriebenen äußeren Form errichtet wurde. Die vom Rekursgericht für die Zurückweisung der auf Grund dieses Testaments abgegebenen bedingten Erbserklärung ins Treffen geführten Gründe erweisen sich als nicht stichhältig. In teilweiser Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen war daher die bedingte Erbserklärung zu Gericht anzunehmen (§ 122 AußStrG).
Was den weiteren Antrag des erbserklärten Erben betrifft, so ist gemäß § 810 ABGB und § 145 AußStrG dem Erben, der sein Erbrecht hinreichend ausgewiesen hat, die Besorgung und Benützung (Verwaltung) der Verlassenschaft zu überlassen. Nach herrrschender Ansicht hat der Erbe unter dieser Voraussetzung ein subjektives Recht auf Einräumung der Verwaltung (SZ 56/123 mwN). Einer sofortigen Entscheidung in diesem Sinn steht im gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings der Umstand entgegen, daß die mit Beschluß des Erstgerichtes vom 21.1.1994 erfolgte Bestellung eines Verlassenschaftskurators gemäß den §§ 78 und 128 AußStrG nach wie vor aufrecht ist. Dessen Vertretungsmacht erlischt grundsätzlich mit dem Eintritt der durch die Einantwortung bewirkten Gesamtrechtsnachfolge (EvBl 1981/199) oder nach einer anderen Ansicht mit seiner Enthebung durch das Abhandlungsgericht (Weiß in Klang2 III 547): Solange er nicht enthoben sei, sei er der alleinige Vertreter des Nachlasses, auch wenn bereits eine Erbserklärung zu Gericht angenommen worden sei (SZ 11/129 ua; Welser aaO Rz 3 und 26 zu § 810). Umgekehrt steht dem Verlassenschaftskurator gegen seine Enthebung ein Rekursrecht zu (SZ 23/367; NZ 1968, 44 = RZ 1968, 111). Die allfällige Enthebung des bisherigen Verlassenschafts- kurators ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens und bleibt daher dem Erstgericht überlassen. Insoweit waren daher die auf Zurückweisung der betreffenden Anträge des erbserklärten Erben lautenden Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben.
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