OGH 2Ob504/93

OGH2Ob504/9317.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma K*****, vertreten durch Dr.Erich Schwarz, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Firma S*****, vertreten durch Dr.Gerhard Maurer, Rechtsanwalt in Wörgl, wegen S 1,053.120,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 3.November 1992, GZ 1 R 241/92-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 18.Mai 1991 (richtig 18. Mai 1992), GZ 13 Cg 365/91-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 20.581,20 (darin enthalten S 3.430,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrt die Bezahlung eines Betrages von S 1,053.120,-- sA als Kaufpreis für an die beklagte Partei gelieferte und ohne Beanstandung übernommene Lederjacken. Die von der beklagten Partei erhobene Mängelrüge sei nicht gerechtfertigt und verspätet erfolgt.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die von der klagenden Partei gelieferte Ware sei in einem so großen Umfang mangelhaft gewesen, daß ihr nur die Möglichkeit des Rücktritts vom Vertrag geblieben sei. Die klagende Partei habe sich geweigert, eine Ersatzlieferung für die mangelhafte Ware anzubieten oder durchzuführen. Die Mängel seien erst durch das Probieren in den Filialen zutage getreten; es habe sich daher um versteckte Mängel gehandelt, die erst durch das Vergleichen jeden Stückes mit den Musterstücken ersichtlich geworden seien. Die beklagte Partei sei nicht verpflichtet, bei einer Lieferung von 600 Stück von vorneherein jedes einzelne Stück zu kontrollieren. Da in die Zentrale der beklagten Partei mitunter bis zu 10.000 Stück Bekleidung pro Tag geliefert werde, sei es oft unmöglich, sämtliche Lieferungen zu kontrollieren. Die Kontrolle werde daher üblicherweise in den Filialen, auf die die Ware aufgeteilt werde, vorgenommen. Die klagende Partei gewähre in ihren eigenen Lieferbedingungen für versteckte Mängel eine Reklamationsfrist von einem Monat nach Empfangnahme der Ware oder deren Eintreffen am Bestimmungsort. Bestimmungsort sei in jedem Fall die Filiale gewesen. Die Kleidungsstücke seien am 18.März 1991 in der Zentrale in Wörgl eingelangt und dort stichprobenartig überprüft worden. Die erste schriftliche Mängelrüge sei am 5.April 1991 nach Reklamation aus den Filialen erfolgt. Gerügt worden sei, daß alle Modelle um mindestens ein bis zwei Nummern zu klein geschnitten worden seien, das Modell 8577 überhaupt unverkäuflich gewesen sei, weil der Unterarm zu eng geschnitten sei; weiters, daß alle Jacken starke Druckstellen, ein Großteil noch zusätzliche Flecken aufgewiesen und die Qualität aller Jacken nicht den gezeigten Musterstücken entsprochen hätten, weil das Leder zum Teil stark aufgerauht und zweifärbig gewesen sei. Die gesamte Lieferung sei mit Ausnahme einiger verkaufter Stücke über Anweisung der Geschäftsleitung von den Filialen zurückbeordert worden. Nach Durchsicht und Vergleichen der Jacken mit den Musterstücken sei festgestellt worden, daß 237 der 600 gelieferten Jacken Fehler aufgewiesen hätten und unbrauchbar gewesen seien. Die gesamte Lieferung sei für die beklagte Partei nicht verwendbar gewesen. Die klagende Partei habe ausdrücklich zugesichert, daß die später zu liefernden Lederjacken den vorgelegten Mustern entsprächen. Die beklagte Partei habe darauf vertrauen dürfen, daß die klagende Partei ihre Zusicherung einhalte. Der Umstand, daß 237 der 600 Jacken Fehler aufwiesen, stelle eine Täuschung der beklagten Partei dar, sodaß die Mängelrüge als rechtzeitig anzusehen sei.

Die klagende Partei erwiderte auf dieses Vorbringen, daß in der Zentrale und auch in den Filialen offensichtlich keine ordnungsgemäße Überprüfung stattgefunden habe, sodaß die Mängelrüge verspätet sei.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt und gingen dabei von nachstehenden Feststellungen aus.

Die beklagte Partei handelt mit Textilien und Bekleidung. Sie interessierte sich für Waren der Klägerin und erteilte ihr den Auftrag zur Lieferung von 568 Lederjacken entsprechend der Qualität einer zuvor übermittelten Mustersendung. Die Lieferung sollte bis zum 22. Februar 1991 an die Zentrale der beklagten Partei in Wörgl erfolgen. Aufgrund einer Lieferverzögerung des Herstellers der Lederjacken im fernen Osten wurde der Liefertermin einvernehmlich auf den 15.März 1991 erstreckt. Tatsächlich langten die einzeln in Nylonsäcke verpackten Lederjacken am Montag, den 18.März 1991 im Zentrallager der Beklagten in Wörgl ein. Es konnte nicht festgestellt werden, daß zum gleichen Zeitpunkt noch andere Warenlieferungen an die beklagte Partei erfolgten. Die Lederjacken wurden in der Zentrale sortiert, für die Filialen zusammengestellt und stichprobenartig überprüft. Dabei wurden keine Mängel festgestellt. Die Filialen der beklagten Partei in ganz Österreich werden immer an bestimmten Tagen der Woche beliefert. Da die Lieferung erst am Montag in der Zentrale einlangte, konnten jene Filialen, die montags und dienstags beliefert werden, erst eine Woche später, also am 25.März bzw. 26.März 1991 versorgt werden. Am 5.April 1991 langten die ersten Reklamationen aus den Filialen ein, wonach die Modelle der Größe nach nicht paßten. Die beklagte Partei rügte noch am selben Tag mittels Telefax, daß alle Modelle mindestens um ein bis zwei Nummern zu klein geschnitten seien, daß das Modell 8577 überhaupt unverkäuflich sei, weil der Unterarm viel zu eng geschnitten sei, daß alle Jacken starke Druckstellen und ein Großteil noch zusätzliche Flecken aufwiesen sowie daß die Qualität der Jacken auf keinen Fall den gezeigten Musterjacken entspräche, weil das Leder zum Teil stark aufgerauht und zweifärbig sei. Die klagende Partei reagierte am 11.April 1991 mit Telex und gab an, daß die gesamte Ware einer genauen Endkontrolle unterzogen worden sei; dabei seien keinerlei Mängel festgestellt worden. Sie verwies darauf, daß "sie die Beanstandung erheblich zu spät nach der Auslieferung der Ware" erreicht habe, doch bereit sei, die Angelegenheit an Ort und Stelle mit der beklagten Partei zu besprechen. Diese holte dann 10 Lederjacken aus der Filiale Wörgl in die Zentrale. Von diesen Jacken war der größere Teil fehlerhaft und stimmte mit dem Muster nicht überein; es wurde schlechtes Leder verwendet, das unterschiedliche Farbtöne aufwies und teilweise fleckig war; was mit freiem Auge sichtbar war. Ebenso waren im Bereich der Knopflöcher Roststellen zu sehen, wenn man die Jacken aufknöpfte. Die beklagte Partei ließ darauf alle noch nicht verkauften Lederjacken aus den Filialen zurückholen. Am 15.April 1991 besuchte ein Vertreter der klagenden Partei die beklagte Partei in deren Zentrale, um sich die Jacken anzusehen. Der Vertreter äußerte sich zu den von ihm besichtigten Jacken nicht, sondern nahm drei Stück in seine Firma mit. Unter diesen war eine, die ein kleines Loch im Leder aufwies, das nicht durch das Futter durchging und kaum zu sehen war. Am 19.April 1991 betonte die klagende Partei neuerlich, daß die vorgebrachte Beanstandung nicht akzeptiert werde, weil diese sie mit erheblicher Verspätung erreicht und eine eingehende Überprüfung ergeben habe, daß auftragsgemäß geliefert worden sei. In der Folge überprüfte die beklagte Partei jede einzelne Lederjacke mit dem Musterstück. Sie rügte am 2.Mai 1991 Größenunterschiede und legte eine Aufstellung über die Maßabweichungen der gelieferten Jacken zu den Musterjacken vor; verwies auf die Faltenbildung von der Schulter abwärts sowie auf die Farbunterschiede und Druckstellen. Am 27.Juni 1991 teilte die beklagte Partei der klagenden Partei mit, daß 237 Stück der gelieferten Lederjacken fehlerhaft und unverkäuflich seien. Die klagende Partei antwortete am 2.Juli 1991, daß sie verspätete Beanstandung nicht akzeptiere, jedoch aus Kulanzgründen 50 Stück der Lieferung zurücknehme und eine Gutschrift erteilen werde. In der Folge wurde der Rest der Ware, soweit er verkäuflich war, wieder an die Filialen zurückgesandt.

Festgehalten wurde noch, daß üblicherweise die Kontrolle der an die beklagte Partei gelieferten Waren unmittelbar nach dem Empfang in der Zentrale noch vor Auslieferung an die Filialen erfolgt. Dabei werden die Bekleidungsstücke stichprobenartig und zwar für jedes Modell - soferne sie in Nylonsäcke verpackt sind, aus diesen herausgenommen - auf Übereinstimmung mit dem Muster oder auf Farbabweichungen und Mängel überprüft. Der zuständige Mitarbeiter wirft aber nur einen kurzen Blick auf die Jacken und gibt sie gleich weiter, weil alles schnell gehen muß. Die genaue Kontrolle - auch bezüglich der Maße - erfolgt erst in der Filiale, weil es auf die Umschlaghäufigkeit ankommt und die Ware daher so rasch als möglich verliefert werden muß.

Von der Lieferung waren insgesamt 237 Lederjacken von 568 gelieferten derart fehlerhaft, daß die Fehler leicht sichtbar und erkennbar waren; jedoch waren nicht alle davon unverkäuflich. Der Rest war jedenfalls verkäuflich. Die Maßabweichungen von Muster zur Ware sind nicht gravierend; die Jacken waren deshalb nicht unverkäuflich. Bei mehr als der Hälfte der mangelnden Stücke wurden Lederteile verwendet, die unterschiedliche Farbhelligkeiten und unterschiedliche Farbtöne aufwiesen, was mit freiem Auge sichtbar war. Es gab auch Jacken, die im Brustbereich, am Rücken und am Ärmel 4 cm große und gut sichtbare Nummernstempel aufwiesen. An vielen Knopflöchern waren Rostflecken in Größe des Knopfes deutlich sichtbar. Von einem Modell mit Schultersattel, von welchem 120 Stück geliefert wurden, waren 46 Stück stark mangelhaft; die Steppnähte waren unsauber gearbeitet, das Leder bildete beim Sattel und bei den Ärmeln grobe Falten. Bei einem anderen Modell waren die Brustabnäher links und rechts ungleich. Schließlich entsprach die Lederqualität nicht jener der Musterjacken; das Leder war viel rauher, was auch ein Laie feststellen konnte. Festgehalten wurde schließlich, daß sich alle Mängel bei einer ordnungsgemäßen Untersuchung feststellen ließen.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß von offenen Mängeln auszugehen sei, weil sie bei ordnungsgemäßer Untersuchung erkennbar gewesen wären. Die beklagte Partei wäre daher zur unverzüglichen Rüge gemäß § 377 HGB verpflichtet gewesen. Die beklagte Partei hätte eine repräsentative Stichprobe durchführen müssen und sich nicht auf die Überprüfung einer Jacke pro Modell beschränken dürfen. Wenn auch die Untersuchung nicht peinlich genau vorgenommen werden müsse, sei doch erforderlich, daß sie mit fachkundiger Sorgfalt geschehe. Unter diesen Voraussetzungen wären die vorhandenen Mängel für die beklagte Partei erkennbar gewesen. Die am 5.April 1991 erhobene Mängelrüge sei daher verspätet.

Das Berufungsgericht teilte die Rechtsmeinung des Erstgerichtes. Bei Vorliegen eines Handelsgeschäftes habe der Käufer die Ware unverzüglich nach Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach dem ordnungsgemäßen Geschäftsgang tunlich sei, zu untersuchen, und, wenn sich ein Mangel zeige, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen. Unterlasse der Käufer die Anzeige, so gelte die Ware als genehmigt, es wäre denn, daß es sich um einen Mangel handle, der bei der Untersuchung nicht erkennbar sei. Dabei seien die schützenswerten Interessen von Verkäufer und Käufer gegenseitig abzuwägen. Es müsse daher vom Käufer verlangt werden, daß er seinen Geschäftsbetrieb so organisiere, daß er seiner Untersuchungsobliegenheit nachkommen könne. Die Untersuchung müsse zwar nicht peinlich genau sein, dürfe aber nicht oberflächlich sein und müsse mit sachkundiger Sorgfalt vorgenommen werden. Es falle in die Risikosphäre der beklagten Partei, wenn bei ihr erst in den Filialen die eigentliche Überprüfung der Waren vorgenommen werde, weil sie unter der von ihr angegebenen Lieferanschrift in Wörgl Bestellerin gewesen sei und daher die Frist zur Rüge allfälliger Mängel nach Ablieferung der Ware und Übergabe des Frachtbriefes an sie zu laufen beginnen. Sie habe weder behauptet noch nachgewiesen, daß die klagende Partei davon Kenntnis gehabt hätte, daß die beklagte Partei die an sie gelieferte Ware ungeprüft an die Filialen versende und erst dort untersuchen lasse. Eine durch diesen Umstand bedingte allfällige Verfristung der Mängelrüge gehe daher zu ihren Lasten, weil von einem Großbetrieb wie der der beklagten Partei erwartet werden müsse, daß durch eine entsprechende Organisation die unverzüglich gebotene Untersuchung nicht durch mehr als zwei Wochen verzögert werde. Es lägen keinerlei objektiven Umstände vor, warum dies der beklagten Partei nicht zumutbar sein sollte. Bei einer Lieferung größerer Mengen von Waren genüge zwar die Durchführung einer repräsentativen Stichprobe und sei die Überprüfung jedes einzelnen Stückes auf vorhandene Mängel oder Abweichungen unzumutbar, doch stehe fest, daß bei der beklagten Partei in Wörgl nur eine oberflächliche stichprobenartige Untersuchung in der Weise vorgenommen worden sei, wonach pro Modell, von dem je 150 bzw. 120 Jacken geliefert worden seien, nur eine Jacke oberflächlich besichtigt worden sei. Diese Art der Untersuchung entspreche keiner sachgemäßen und zumutbaren Untersuchung. Dazu wäre die Überprüfung von mindestens 10 bis 20 Jacken pro Modell erforderlich gewesen. Bei einer derartigen ordnungsgemäßen Untersuchung hätte sich im Hinblick auf die Häufigkeit der Fehler und Abweichungen von der Musterjacke herausgestellt, daß mangelhafte Ware geliefert worden sei. Diese Wahrnehmung hätte die beklagte Partei verpflichtet, die gesamte Ware zu untersuchen, was jedenfalls innerhalb von einer Woche bis zu 10 Tagen durchführbar gewesen sei. Die Mängel seien auch nicht als versteckte Mängel zu werten, weil sie bei ordnungsgemäßer Überprüfung feststellbar gewesen wären. Die am 18. Tag nach Ablieferung erfolgte Mängelrüge sei daher verspätet.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil der Beurteilung der Frage, wann eine Mängelrüge verspätet sei, einer über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme und oberstgerichtliche Judikatur, die eine Rüge nach mehr als 14 Tagen beurteile, nicht vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Unstrittig ist, daß auf das gegenständliche Geschäft die Vorschriften des § 377 HGB anzuwenden sind. Nach dieser Gesetzesstelle hat der Käufer die Ware unverzüglich nach Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu erstatten; sonst gilt die Ware außer bei Nichterkennbarkeit des Mangels als genehmigt (§ 377 Abs 2 HGB).

Die Revisionswerberin vertritt nun den Standpunkt, daß die von ihr am 5. April 1991 erhobene Mängelrüge deshalb rechtzeitig gewesen sei, weil bei der von ihr in der Zentrale stichprobenartig durchgeführten Kontrolle Mängel nicht erkennbar gewesen seien, diese hätten sich erst nach dem Auspacken herausgestellt. Es habe sich daher um Mängel gehandelt, die nur bei genauester Prüfung erkennbar gewesen wären.

Diesen Ausführungen kann nach den unbekämpfbaren Feststellungen der Vorinstanzen nicht gefolgt werden. Danach waren von den 568 gelieferten Lederjacken 237 derart fehlerhaft, daß die Fehler leicht sichtbar und erkennbar waren. Bei mehr als der Hälfte der mangelhaften Stücke wurden Lederteile verwendet, die unterschiedliche Farbhelligkeiten und Farbtöne aufwiesen, was mit freiem Auge sichtbar war. Bei zahlreichen Jacken war eine unsaubere Verarbeitung und Faltenbildung sichtbar oder wurde rauheres Leder verwendet. Festgestellt wurde jedenfalls, daß alle Mängel bei ordnungsgemäßer Untersuchung erkennbar gewesen wären.

Ein verborgener Mangel ist aber nur ein solcher, der sich in einer ordnungsgemäßen Untersuchung nicht feststellen läßt und der dem Käufer bei Ablieferung der Ware auch tatsächlich nicht bekannt geworden ist (Kramer, in Straube, HGB § 377 Rz 46; SZ 53/63; EvBl 1984/41). Offen dagegen ist jeder Mangel, der nicht verdeckt ist, also diesseits der Grenze des bei der Untersuchung zu Erkennenden liegt. Zu diesen offenen Mängeln gehören alle Mängel, die entweder einer Untersuchung nicht bedurften, oder bei einer Untersuchung, falls sie ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, zutage gefördert wurden, oder, falls die Untersuchung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, bei ordnungsgemäßer Untersuchung hätte zutage gefördert werden können. Die Untersuchungspflicht ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Sie ergibt sich aus der Art der Ware, dem Handelsbrauch und der im Geschäftszweig des Käufers herrschenden Übung. Sie darf nicht oberflächlich sein, sondern muß mit fachkundiger Sorgfalt vorgenommen werden, braucht aber nicht peinlich genau zu sein (SZ 53/63).

Geht man von diesen Grundsätzen aus, dann wären die auch von einem Laien erkennbaren Mängel der Lederjacken (unterschiedliche Farbhelligkeit und unterschiedliche Farbtöne, unsaubere Verarbeitung, rauhes Leder) bei ordnungsgemäßer Untersuchung feststellbar gewesen, sodaß von offenen Mängeln auszugehen ist, deren Vorliegen die Revisionswerberin zur sofortigen Rüge verpflichtet hätte.

Auch der Rechtsmeinung, die beklagte Partei sei aus organisatorischen Gründen nicht in der Lage gewesen, bereits in der Zentrale eine ordnungsgemäße Überprüfung der Jacken vorzunehmen, kann nicht gefolgt werden.

Gemäß § 377 HGB ist die Ware unverzüglich nach Ablieferung durch den Verkäufer zu untersuchen. Als Ablieferung im Sinne dieser Bestimmung gilt die Verbringung in den Machtbereich des Käufers (Kramer, aaO § 377 Rz 11a; JBl 1983, 39). Die Ablieferung der Lederjacken erfolgte am 18.März 1991, während die Mängelrüge erst am 5.April 1991 erhoben wurde. Zu prüfen ist daher, ob die Ware durch die Revisionswerberin "unverzüglich" untersucht wurde oder ob sie mit der Untersuchung auf die Auslieferung an die Filialen zuwarten konnte. "Unverzüglich" bedeutet "ohne schuldhaftes Zögern" (Kramer, aaO § 377 Rz 28; EvBl 1981/125). Grundsätzlich muß dabei von einem Käufer verlangt werden, daß er seinen Geschäftsbetrieb so organisiert, daß er seiner Untersuchungsobliegenheit nachkommen kann; unterläßt er dies, geht es zu seinen Lasten (HS 10.867, vgl. SZ 26/187; SZ 43/53); dies trifft auch für eine geringe, bei nach objektiven Regeln zu beurteilendem Geschäftsgang vermeidbare Nachlässigkeit zu (SZ 47/41).

Wendet man diese Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt an, dann kann in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen von einer rechtzeitig erhobenen Mängelrüge nicht mehr gesprochen werden. Zu berücksichtigen ist dabei, daß in der Zentrale der beklagten Partei lediglich eine unzureichende Überprüfung vorgenommen wurde. Bei größeren Lieferungen hätte es nämlich der Vornahme ausreichender Stichproben an möglichst verschiedenen Stellen bedurft (vgl. 2 Ob 601/89). Diesem Erfordernis wurde die beklagte Partei nicht gerecht, weil sie lediglich jeweils ein Musterstück pro Modell, die jeweils in einer Anzahl zwischen 120 und 150 Stück geliefert wurden, untersuchte. Von einer unverzüglichen Überprüfung der gelieferten Ware kann daher nicht mehr gesprochen werden, wenn die beklagte Partei diese Überprüfung den von ihr belieferten Filialen überließ, weil auch nach den Feststellungen der Vorinstanzen zum Zeitpunkt des Einlangens der Lederjacken weitere, eine Überprüfung fordernde Lieferungen nicht erfolgten.

Die vom Berufungsgericht als revisionsfähig bezeichnete Rechtsfrage, inneralb welcher Frist die Mängelrüge zu erfolgen hat, ist aber vom Gesetz nicht genau bestimmt. Sie ist vielmehr an der Dauer einer nach "ordnungsgemäßen Geschäftsgang" unverzüglich vorgenommenen, sachgemäßen Untersuchung zu orientieren, wobei es jeweils auf den Einzelfall ankommt. Jedenfalls ist das Erfordernis der Unverzüglichkeit streng auszulegen (Kramer, aaO Rz 38). Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, daß eine Mängelrüge, die nach mehr als einem Monat erhoben wurde, in aller Regel verspätet ist (SZ 23/274; SZ 26/187; JBl 1974, 369), aber im Einzelfall auch Zeiträume von 5 Tagen (HS VII/22) bzw. 10 Tagen und 3 Wochen (3 Ob 535/90) als nicht mehr unverzüglich angesehen. Geht man im vorliegenden Fall davon aus, daß der beklagten Partei eine ordnungsgemäße Untersuchung in deren Zentrale durch Überprüfung einer ausreichenden Anzahl der gelieferten Lederjacken möglich gewesen wäre, wobei die vorhandenen Mängel zutage getreten wären, dann ist die erst am 18. Tag nach der Ablieferung erhobene Rüge verspätet.

Die gelieferte Ware gilt daher gemäß § 377 Abs 2 HGB als genehmigt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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