OGH 3Ob535/90

OGH3Ob535/9019.9.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger, Dr. Angst, Dr. Schalich und Dr. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Willi B***, Tischlermeister, Pöndorf, Bergham Nr. 91, vertreten durch Dr. Hubert Stüger, Rechtsanwalt in Frankenmarkt, wider die beklagte Partei Eva E***, Geschäftsfrau, Großgmain, Wolfsschwangweg 437, vertreten durch Dr. Joachim Hörlsberger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 24.655 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 6. Dezember 1989, GZ R 1013/89-41, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Frankenmarkt vom 26. September 1989, GZ 1 C 1014/88-37, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 2.469,12 S (darin 411,52 S Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 4.466,40 S (darin 494,14 S Umsatzsteuer und 1.500 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger, ein Tischlermeister, begehrte von der Beklagten die Bezahlung von 24.655 S sA als - der Höhe nach außer Streit stehendes - Entgelt für die Lieferung von 12 von ihm hergestellten Bettgestellen.

Die Beklagte wendete ein, daß die vom Kläger gelieferte Ware nicht mit dem ihm übergebenen Muster übereingestimmt habe und wegen der erheblichen Mängel unbrauchbar gewesen sei. Ihr Vertragspartner in der Bundesrepublik Deutschland, dem sie die Ware verkauft habe, habe sie deshalb nicht angenommen und sei zu einer weiteren Zusammenarbeit nicht mehr bereit gewesen. Der Kläger habe arglistig verschwiegen, daß die Bettgestelle derart vom Muster abweichen, daß sie für den Verkauf und Export ungeeignet sind. Aus seinem Verschulden sei ihr durch Transportkosten, Telefon- und Zollspesen sowie Verdienstentgang ein Schaden von zumindest 30.000 S entstanden; den Anspruch auf Ersatz dieses Schadens wende sie gegen die eingeklagte Forderung aufrechnungsweise ein.

Der Kläger brachte hiezu vor, daß die Beklagte die angeblichen Mängel, deren Vorliegen er bestreite, nicht rechtzeitig gerügt habe. Das Erstgericht stellte fest, daß die Forderung des Klägers in der eingeklagten Höhe zu Recht und die Gegenforderung der Beklagten nicht zu Recht besteht, und erklärte diese unter Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens zur Bezahlung von 24.655 S sA schuldig. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:

Die Beklagte fragte den Kläger am 20. Oktober 1987, ob er eine größere Anzahl von Bettgestellen, die sie einem deutschen Unternehmer liefern wolle, herstellen könne. Die Bettgestelle müßten so wie ein dem Kläger vorzuweisendes Muster gearbeitet sein. Der Lebensgefährte der Beklagten zeigte dem Kläger zwei Bettgestelle als Muster. Eines von ihnen wies Lattenabstände von 3,3 cm auf, wobei die letzten beiden Lattenabstände aber einmal 3 cm und einmal 2,1 cm betrugen. Das Muster hatte eine satte Wachsoberfläche und war aus gutem Mittelklasseholz ausgeführt. Der Kläger stellte ein dem Muster entsprechendes Bettgestell her, mit dem sich der Geschäftspartner der Beklagten einverstanden erklärte.

Der Kläger teilte der Beklagten Mitte Dezember 1987 mit, daß er bis Weihnachten dieses Jahres 20 Bettgestelle fertigstellen könne. Am 15. (oder 16.) Dezember 1989 vormittags übernahmen die Beklagte und ihr Lebensgefährte von ihm 12 Bettgestelle, die verpackt waren und auf einen LKW verladen wurden. Die Beklagte und ihr Lebensgefährte besichtigten die Bettgestelle nicht, weil die Verladung zu schnell ging, und bemängelten sie auch nicht. Jedes der Bettgestelle bestand aus drei einzeln verpackten Teile, die miteinander durch Streckverbinder aus Holz verbunden waren. Die Beklagte war schon am Vorabend beim Kläger gewesen, wo sie feststellte, daß die Bettgestelle in verpacktem Zustand bei Schneefall im Freien standen. Sie veranlaßte, daß sie in eine Werkstätte gebracht wurden. Durch die Verpackung wurden die Sprossen, nicht aber die Rahmen sichtbar.

Der Kläger verwendete für die Bettgestelle Eschenholz von zu einem erheblichen Teil schlechter Qualität, die in ausgebrochenen Ästen und einem viel zu großen Anteil an abholzigem Material zum Ausdruck kam und ein Brechen prädistinierte. Bei vielen Latten, zum Teil auch bei Seitenteilen, wurde der Holzkern (Markröhre) mitverarbeitet; dies ist bei Möbelarbeiten nicht fachgerecht. Teilweise wurde auch "Baumkante" mitverarbeitet und es waren die Lattenabstände unterschiedlich. Keines der gelieferten Bettgestelle war mängelfrei und wies die im Export übliche Qualität auf: Die Behebung aller Mängel wäre zwar möglich, würde aber einen höheren Aufwand erfordern, als für die Herstellung notwendig war. Die Bettgestelle langten am 22. Dezember 1987 beim Vertragspartner der Beklagten in München ein, der noch am Abend dieses Tages mitteilte, daß die Ware nicht den vom Kläger hergestellten Mustern entspreche und wertlos sei. Der Lebensgefährte der Beklagten fuhr am nächsten Tag, sie selbst fuhr um die Jahreswende 1987/1988 nach München, um die Bettgestelle zu besichtigen. Der Betrieb des Klägers war zwischen 24. Dezember 1987 und 10. Jänner 1988 geschlossen, der Kläger war aber erreichbar. Da der Beklagten die Dauer des Betriebsurlaubes bekannt war, teilte sie dem Kläger die Mängel erst am 11. oder 12. Jänner 1988 mit. Die Beklagte ist Angestellte, leitete aber aus Anlaß der mit dem Kläger geplanten Geschäftsbeziehung im Oktober 1987 Schritte zur Anmeldung des Gewerbes "Kauf und Verkauf von Waren aller Art" ein, wobei das Ansuchen in der Folge "ruhend gestellt" wurde. Sie übte außer dem strittigen Geschäft keine geschäftliche Tätigkeit aus. Den Kläger wies sie an, die Rechnungen auf ihren Namen mit dem Zusatz "Handelsgesellschaft" auszustellen, was auch geschah. Der Beklagten entstanden durch das mit dem Kläger abgewickelte Geschäft Fahrt- und Telefonspesen (in nicht festgestellter Höhe). Es kann nicht festgestellt werden, welchen Gewinn sie gehabt hätte, wenn das Geschäft mit dem deutschen Unternehmer zustandegekommen wäre. Dieser lehnte eine weitere Geschäftstätigkeit mit ihr ab. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß die Beklagte entgegen § 377 Abs 1 HGB, der anzuwenden sei, weil ein beiderseitiges Handelsgeschäft vorliege, die gelieferte Ware nicht untersucht habe, obwohl ihr dies möglich und zumutbar gewesen sei, und daß sie dem Kläger die bei einer Untersuchung leicht erkennbaren Mängel nicht unverzüglich angezeigt habe. Der Kläger habe daher davon ausgehen dürfen, daß die Ware genehmigt sei, und die Beklagte habe ihre Gewährleistung und Schadenersatzansprüche verloren.

Das Berufungsgericht wies infolge Berufung der Beklagten das Klagebegehren ab und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Die Beklagte wäre zwar als Scheinkaufmann gemäß § 377 Abs 1 HGB verpflichtet gewesen, die Ware unverzüglich zu überprüfen und allfällige Mängel unverzüglich zu rügen. Die frühestens am 11. Jänner 1988 vorgenommene Rüge wäre auch verspätet gewesen. Die angeführte Bestimmung sei hier aber gemäß § 378 HGB nicht anzuwenden, weil der Kläger infolge der erheblichen Mängel nicht mit der Annahme der Ware als Erfüllung habe rechnen dürfen. Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern oder es allenfalls aufzuheben und die Rechtssache "an ein Gericht erster Instanz" zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Das strittige Rechtsgeschäft war für beide Teile ein Handelsgeschäft. Der Kläger war als Tischler, zu dessen Gewerbe die Herstellung und Weiterveräußerung beweglicher Sachen gehörte, Kaufmann im Sinne des § 2 Abs 2 Z 1 HGB (Straube in Straube, HGB Rz 36 zu § 1; Brüggemann in Straube, GroßKomm. zum HGB4 Rz 66 zu § 1). Die Kaufmannseigenschaft der Beklagten, die sich eindeutig aus derselben Bestimmung ergibt, hatte schon begonnen, weil dies bereits mit dem ersten Vorbereitungsgeschäft, wozu auch die Anschaffung der weiter zu veräußernden Waren gehört, der Fall ist (Straube aaO Rz 9 vor § 1; Brüggemann aaO Rz 28 zu § 1; SZ 39/88 - die in dieser Entscheidung geforderte nachfolgende Betriebsaufnahme war hier infolge der Weiterveräußerung der vom Kläger gelieferten Waren gegeben; vgl. auch EvBl 1961/384).

Im vorliegenden Fall geht es nicht um eine Falsch- (Aliud-)Lieferung; sie wäre nur anzunehmen, wenn die gelieferte Sache zu einer anderen als der vereinbarten Gattung gehört hätte (JBl 1974, 264). Hier wurde aber die bestellte Ware geliefert. Der Umstand, daß sie mit Mängeln behaftet war, bedeutete nur eine sogenannte Schlechtlieferung (vgl. Kramer aaO Rz 58 zu § 377, 378). Die von der Beklagten in der Revisionsbeantwortung vertretene Ansicht, daß wegen der erheblichen Mängel eine Falschlieferung vorliege, trifft nicht zu, weil die Mängel nichts daran ändern, daß Bettgestelle geliefert wurden, die entgegen ihrer Ansicht nach der maßgebenden Verkehrsauffassung nicht bloß als "Brennholz" angesehen werden konnten.

Für die im § 377 HGB geregelte Schlechtlieferung wird die Ansicht vertreten, es sei hierauf § 378 dieses Gesetzes und im besonderen dessen zweiter Halbsatz nicht anzuwenden. Dies ist in der Bundesrepublik Deutschland herrschende Auffassung (Baumbach-Duden-Hopt, HGB28 Anm. 1 A zu § 378; Emmerich in Heymann, HGB Rz 33 zu § 378; Hefermehl in Schlegelberger, HGB5 Rz 24 zu § 378; Brüggemann aaO Rz 11 zu § 378; Von Caemmerer in FS-Wolff 10; BGH BB 1975, 718). Eine andere Ansicht vertritt allerdings Kramer (in Straube, HGB Rz 22 zu § 377, § 378 unter Berufung auf Gschnitzer in Klang2 IV/1, 451 und in ÖJZ 1972, 567).

Ob in diesem Sinne auch bei einer Schlechtlieferung nach § 377 HGB die an sich nur für die Falschlieferung in § 378 2. Halbsatz HGB enthaltene Regelung über die Genehmigungsunfähigkeit gilt, kann jedoch im vorliegenden Rechtsstreit offen bleiben. Selbst wenn man besonders schwerwiegende Mängel als ein "Qualifikationsaliud" ansehen und in einem solchen Fall einer besonders krassen Schlechtlieferung diese wie eine Falschlieferung behandeln wollte, wäre nämlich für die beklagte Partei nichts zu gewinnen. Nach der angeführten Gesetzesstelle schadet eine unterlassene Untersuchung und Mängelanzeige nämlich nur dann nicht, wenn die gelieferte Ware von der Bestellung offensichtlich so erheblich abweicht, daß der Verkäufer die Genehmigung des Käufers als ausgeschlossen betrachten mußte. Genehmigungsunfähig in diesem Sinne ist eine gelieferte Ware nach herrschender Auffassung nur, wenn sie mit der bestellten gar nichts gemein hat und offensichtlich für den Zweck des Käufers ohne Bedeutung, d.h. untauglich, ist. Die Verschiedenheit der bestellten von der gelieferten Ware muß nach ihrer Beschaffenheit so erheblich sein, daß nach vernünftiger Auffassung ein Kaufmann mit dieser Ware einen Versuch, den Vertrag zu erfüllen, nicht machen würde, und vom Käufer ein Behalten der Ware als Vertragserfüllung nicht erwartet werden kann (HS 1796, 5355, 10870 mwN).

Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die strittigen Bettgestelle wurden zwar aus einer schlechteren Holzqualität hergestellt, nicht sehr sorgfältig verarbeitet und entsprachen nicht der im Export üblichen Qualität. Es war aber nicht offensichtlich, daß die Bettgestelle auf jeden Fall und für jeden Zweck unbrauchbar seien, und die Mängel waren gerade noch nicht so erheblich, daß die Ware nicht einmal mehr für einen Erfüllungsversuch in Betracht kam.

Entscheidend ist damit, ob die Beklagte dem Kläger von den Mängeln unverzüglich im Sinn des § 377 Abs 1 HGB Anzeige gemacht hat. Der Kläger wußte zwar offensichtlich, daß die Ware in verpacktem Zustand an den Abnehmer der Beklagten gesandt werden sollte. Es kann offen bleiben, ob dadurch eine Verschiebung der Rügepflicht bis zur Ablieferung an den Abnehmer der Beklagten eintrat (vgl. EvBl 1952/213; SZ 33/146). Die Beklagte wäre jedenfalls verpflichtet gewesen, die ihr von ihrem Abnehmer zugekommene Mängelrüge unverzüglich an den Kläger weiterzuleiten (Straube aaO Rz 30 zu §§ 377, 378; Brüggemann aaO Rz 111 zu § 377). Dies ist aber hier nicht geschehen, weil zwischen der Mitteilung der Mängel an die Beklagte (22. Dezember 1988) und der Mitteilung an den Kläger (11. oder 12. Jänner 1989) ein Zeitraum von etwa drei Wochen lag.

Ohne Bedeutung ist der Umstand, daß der Betrieb des Klägers vom 24. Dezember 1987 bis 10. Jänner 1988 geschlossen war; gemäß § 377 Abs 4 HGB kommt es nämlich auf die rechtzeitige Absendung der Rüge an. Wenn die Beklagte der Meinung war, daß sie den Kläger mündlich nicht erreichen könne, hätte sie ihm die Mängel daher unverzüglich schriftlich anzeigen müssen. Nur in diesem Fall wäre die Betriebsruhe während der Weihnachtsfeiertage zu Lasten des Klägers gegangen. Für die Beklagte ist auch nichts daraus zu gewinnen, daß bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Mängelrüge Samstage sowie Sonn- und Feiertage außer Betracht bleiben (Kramer aaO Rz 39 zu §§ 377, 378; SZ 53/63), weil für die Anzeige genügend Arbeitstage zur Verfügung standen. Nicht weiter begründet werden muß, daß die Rüge verspätet war, wenn man davon ausgeht, daß es auf den Tag der Ablieferung der Ware an die Beklagte ankommt; in diesem Fall wäre nahezu ein Monat verstrichen (vgl. SZ 23/274; SZ 26/187). Im Verfahren ist nicht hervorgekommen, daß die Mängel bei fachgerechter Untersuchung nicht erkennbar gewesen wären, weshalb die vom Kläger gelieferte Ware gemäß § 377 Abs 2 HGB als genehmigt gilt. Diese Genehmigung bedeutet den Verlust sowohl der Gewährleistungs- als auch der Schadenersatzansprüche (SZ 53/164 ua). Die Beklagte beruft sich schließlich auch zu Unrecht auf Arglist des Klägers im Sinn des § 377 Abs 5 HGB. Hiefür genügt nicht, daß der Verkäufer oder Hersteller der Ware diese in Kenntnis des Mangels ausliefert, er muß vielmehr eine Aufklärungspflicht verletzt haben, die nach Treu und Glauben oder einem bestehenden Handelsbrauch gegenüber dem Käufer oder Besteller gegeben war (SZ 53/164 mwN). Dies traf hier aber nicht zu.

Die Beklagte hat somit das der Höhe nach außer Streit stehende Entgelt für die ihr gelieferten Waren zu bezahlen und es steht ihr die eingewendete Gegenforderung nicht zu.

Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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