OGH 7Ob26/70

OGH7Ob26/7025.2.1970

SZ 43/53

Normen

HGB §377
HGB §377

 

Spruch:

Wenn ein Großhändler Waren einer bestimmten Art in der Regel überhaupt nicht zu Gesicht bekommt, sondern sie bis zu ihrer Weiterveräußerung bei einem Spediteur einzulagern pflegt, so begibt er sich bei einer solchen Geschäftsabwicklung der rechtlichen Möglichkeit, die Waren gegebenenfalls rechtzeitig beanständen zu können

OGH 25. Februar 1970, 7 Ob 26/70 (OLG Linz 4 R 86/69; LG Linz 5 Cg 229/68)

Text

Mit der auf Zahlung von 87.000 S s A gerichteten Klage macht die Klägerin die Summe der an sie abgetretenen Kaufpreisforderungen geltend, die dem Zedenten, der L Elektrogroßhandelsgesellschaft m b H, Linz, durch den Verkauf und die Lieferung von Waschvollautomaten französischer Herkunft der Marke "B" an das beklagte Firmenunternehmen gemäß zweier Rechnungen vom 4. September und je einer Rechnung vom 10. und 11. Oktober 1967 erwachsen seien.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die behaupteten Zessionen seien, so wendete sie ein, von der Klägerin nicht anerkannt worden; sie seien daher rechtsunwirksam. Ihr schon in der Klagebeantwortung erstattetes Vorbringen, sie habe die ihr von der L gelieferten Geräte bemängelt, da an ihnen das österreichische Sicherheitszeichen nicht angebracht gewesen sei, ergänzte die Beklagte im weiteren Prozeßverlauf im wesentlichen folgendermaßen: Die laut Schreiben des österreichischen Verbandes für Elektrotechnik, Sektion Sicherheitszeichen, vom 18. Dezember 1967 (Beilage B) erteilte Berechtigung, die Waschmaschinen mit dem österreichischen Sicherheitszeichen zu versehen, sei nur unter der Auflage eingeräumt worden, daß die in einem Prüfungsbefund vom 5. Dezember 1967 angeführten Mängel dieser Geräte binnen Jahresfrist behoben werden, was bei jedem derselben einen Kostenaufwand von rund 2000 S erfordern würde. Mit diesem Betrag beziffere sich demnach für jede Maschine eine Preisminderung, die gegen die Klagsforderung aus dem Titel der Gewährleistung und des Schadenersatzes aufgerechnet werde. Da ihr, der Beklagten, aber die genaue Anzahl der Waschautomaten nicht mehr bekannt sei, könne sie auch die gesamte Preisminderungssumme nicht mehr angeben; bei ungefähr zwanzig Maschinen mache sie 40.000 S aus. Letzteres faßten das Erstgericht und das Berufungsgericht dahin auf, daß die Beklagte gegenüber dem Klagebegehren eine Gegenforderung von 40.000 S aufrechnungsweise einwende. Dem wurde seitens der Beklagten weder in der Berufung noch in der Revision widersprochen.

Das Erstgericht wies lediglich das Zinsenbegehren teilweise ab und gab im übrigen der Klage statt. Es hielt die Einwendungen gegen die Gültigkeit,der Zessionen der eingeklagten Kaufschillingforderungen an die Klägerin für unbegrundet. Was aber die Bemängelung der gelieferten Geräte anlangt, so stellte es Nachstehendes als erwiesen fest: Nachdem die Klägerin als Zessionarin die aushaftenden Verbindlichkeiten der Beklagten eingemahnt hatte, erhielt sie von dieser ein Schreiben vom 2. Dezember 1967, worin beanständet wurde, daß die betreffenden Waschmaschinen nicht mit dem österreichischen Prüfzeichen ausgestattet gewesen seien und daß von den inländischen Elektrizitätswerken die Anschlußgenehmigung versagt wende. Daraufhin übersendete die Klägerin an die Beklagte die Photokopie der Urkunde, Beilage B. Dazu nahm die Beklagte den Standpunkt ein, daß durch die darin bescheinigte Verleihung des osterreichischen Sicherheitszeichens die Mängel noch nicht behoben seien, müßten doch die Geräte erst entsprechend umgebaut werden. Im einzelnen verhielt es sich dabei so, daß der Österreichische Verband für Elektrotechnik laut Urkunde vom 18. Februar 1967 der L für die Zeit bis 1. Jänner 1970 das Recht erteilte, die fraglichen Waschvollautomaten mit dem österreichischen Sicherheitszeichen ÖVE zu kennzeichnen, und damit die Auflage verband, bis zum 31. Dezember 1969 den Nachweis der Funktionsprüfung betreffend den Programmschalter, den Drucktastenschalter und die Funkentstörung zuerbringen. Tatsächlich muß aber auch die Arbeitsweise dieser drei Vorrichtungen einwandfrei gewesen sein, andernfalls die Waschmaschinen nicht einmal bedingt zugelassen worden wären. Die Beklagte hat die von ihr wegen Fehlens des österreichischen Sicherheitszeichens bemängelten Geräte restlos weiterverkauft.

In rechtlicher Beziehung vertrat das Erstgericht im Zusammenhang mit der Warenbemängelung die Ansicht, der behauptete Mangel liege nicht vor. Als die Beklagte die Waschmaschinen geliefert erhalten und weiterveräußert habe, sei die L berechtigt gewesen, die Geräte mit dem österreichischen Sicherheitszeichen zu versehen. Auch hätten die Maschinen festgestelltermaßen funktioniert. Ferner besage die nur befristete Verleihung des Sicherheitszeichens nicht, daß die Geräte nach ungenutztem Ablauf der Frist nicht mehr verwendet werden dürften; lediglich ihr Verkauf wäre dann unzulässig. Hinzu komme, daß der Beklagten als Fachhändler in das Fehlen des Prüfungszeichens wegen der Augenfälligkeit dieses Umstandes bei der Übernahme der Ware nicht habe verborgen bleiben können, weshalb nach § 928 ABGB jeglicher Gewährleistungsanspruch ausgeschlossen sei.

Die zweite Instanz gab der Berufung der Beklagten keine Folge. Ausgehend von dem für unbedenklich erachteten Sachverhalt, wie er im Ersturteil festgestellt ist, verneinte auch das Berufungsgericht die Stichhältigkeit der geltend gemachten Preisminderung, des in der Erwägung, daß seit dem Inkrafttreten des ElTG 1965 BGBl 57, somit auch zur Zeit der Lieferung der fraglichen Waschmaschinen an die Beklagte, keine Vorschriften bestanden hätten, denen zufolge Geräte dieser Art, ehe sie in den Handel gebracht wurden, auf ihre Betriebssicherheit zu überprüfen und mit dem österreichischen Sicherheitszeichen zu kennzeichnen gewesen wären. Denn mit Rücksicht auf die generelle Anordnung im ElTG, daß mit seinem Wirksamkeitsbeginn alle Rechtsvorschriften, die Angelegenheiten des Elektrizitätswesens regeln, aufgehoben werden, seien auch die Bestimmungen des Erlasses des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau, 133.671-III-18/61, als aufgehoben anzusehen, auf die sich die Urkunde des Österreichischen Verbandes für Elektrotechnik vom 18. Dezember 1967 stütze. Das Fehlen des ÖVE-Zeichens könne daher den bestimmungsgemäßen Gebrauch der Geräte nicht hindern.

Die Beklagte ficht das Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO an und beantragt, es i S der gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

In den Ausführungen dieses Rechtsmittels wind die Einwendung der angeblichen Rechtsunwirksamkeit der Zessionen mit keinem Wort mehr erwähnt, sondern es ist nur noch vom behaupteten Preisminderungsanspruch die Rede, der jedoch lediglich 40.000 S beträgt, während sich das eingeklagte Kapital auf 87.000 S beläuft. Somit erweisen sich die Revisionsanträge, und zwar sowohl der auf Abänderung wie auch der hilfsweise auf Aufhebung der Berufungsentscheidung abzielende, insoweit als unschlüssig, als sie diese auch hinsichtlich des 40.000 S übersteigenden Betrages erfassen.

Im übrigen aber ist festzuhalten, daß die den zedierten Forderungen zugrunde liegenden Kaufabschlüsse, die zwischen zwei Kaufleuten, nämlich der Beklagten als Käufer und der L als Verkäufer zustande kamen, zweiseitige Handelsgeschäfte darstellen und daher auf § 377 HGB Bedacht zu nehmen ist. Folglich kommt es darauf an, ob der eingewendeten Preisminderung nicht etwa der im zweiten Absatz dieser Vorschrift normierte Genehmigungseffekt entgegensteht, der in gleicher Weise Gewährleistungs- wie auch Schadenersatzansprüche verwirkt (6 Ob 256/66 EvBl 1967/305, 8 Ob 331/65 HS 5353 u a). Nun wurde aber in der Tat von den Vorinstanzen festgestellt, daß die Beklagte die Mängelrüge erst erhoben hatte, als sie von der Klägerin am 2. Dezember 1967 auf Bezahlung von Fakturen gemahnt worden war, die im vorangegangenen September und Oktober erfolgte Warenlieferungen zum Gegenstand hatten. Nichts anderes hat übrigens die Beklagte selbst im Rahmen ihres Prozeßvorbringens in erster Instanz behauptet. Dessen Wiedergabe im Ersturteil, wonach die L die umstrittenen Mängel "trotz sofortiger Rüge" nicht behoben hätte, ist aktenwidrig. Derartiges wurde erstmals in der Berufung behauptet, was jedoch wegen des Neuerungsverbotes unbeachtlich ist. Außerdem wurde die Rechtzeitigkeit der Mängelrüge von der Klägerin ausdrücklich bestritten, sodaß es Sache der Beklagten gewesen wäre, das Gegenteil zu beweisen (7 Ob 502/56 HS 1781, 8 Ob 331/65 HS 5353). Daß aber das Fehlen des österreichischen Sicherheitszeichens an den Geräten der diesbezüglich fachkundigen Beklagten, würde sie die nach § 377 Abs 1 HGB erforderliche Untersuchung vorgenommen haben, hätte auffallen müssen, es sich also um keinen geheimen Mangel handelte, versteht sich von selbst. Auch deutet nichts darauf hin, daß der Beklagten das Nichtvorhandensein des Prüfzeichens an den Geräten von der L arglistig verschwiegen worden wäre, zumal dazu nicht ausreicht, daß der Verkäufer die Ware in Kenntnis ihres Mangels verkauft, sofern nicht mit Sicherheit anzunehmen ist, daß der Käufer, wäre ihm der Mangel bekannt gewesen, den Kauf nicht oder unter anderen Bedingungen geschlossen hätte (6 Ob 203/66 HS 5352; ebenso HS 241, 1794 f). Die Ausschlußwirkung des § 377 Abs 2 HGB kommt demnach unter den gegebenen Umständen zur vollen Geltung, sodaß auf die von den Vorinstanzen untersuchte und negierte Frage, ob die Voraussetzungen für den eingewendeten Preisminderungsanspruch erfüllt sind, erst gar nicht einzugehen ist. Der Hinweis Wer Revisionswerberin aber, daß ein Großhändler Waren der fraglichen Art in der Regel überhaupt nicht zu Gesicht bekomme, sondern sie bis zu ihrer Weiterveräußerung bei einem Spediteur einzulagern pflege, ist für ihren Prozeßstandpunkt kein taugliches Argument. Bei einer solchen Geschäftsabwicklung begibt sich eben der Handelskäufer der rechtlichen Möglichkeit, die Waren gegebenenfalls beanständen zu können.

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