OGH 3Ob1622/92

OGH3Ob1622/9220.1.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Angst, Dr.Graf und Dr.Gerstenecker als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede S*****, ***** vertreten durch Dr.Ernst Haderer, Rechtsanwalt in Klosterneuburg, wider die beklagte Partei Hermann S*****, vertreten durch Dr.Anton Bauer, Rechtsanwalt in Klosterneuburg, wegen Unterhalts, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 8.September 1992, GZ 47 R 2071/92-16, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht gab in einem Rechtsstreit, der über den der Klägerin aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt geführt wird, der Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß gegen sein Urteil die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene Revision ist unzulässig.

Gemäß § 506 Abs. 1 Z 5 ZPO muß die Revisionsschrift nebst den allgemeinen Erfordernissen eines Schriftsatzes bei einer außerordentlichen Revision (§ 505 Abs. 3) gesondert die Gründe enthalten, warum, entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, nach § 502 Abs. 1 die Revision für zulässig erachtet wird. Das Gesetz spricht zwar von der gesonderten Anführung der für die Zulässigkeit der Revision sprechenden Gründe. Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, daß es ausreicht, wenn sich diese Gründe insgesamt aus dem Revisionsvorbringen ergeben. Dies ist eine notwendige Folge der im § 84 Abs. 2 letzter Satz ZPO enthaltenen Regelung, wonach die unrichtige Benennung der Gründe unerheblich ist, wenn das Begehren deutlich erkennbar ist.

Ist aber davon auszugehen, daß es nicht schadet, wenn die Zulässigkeitsgründe nicht gesondert angeführt werden, so kommt ein Auftrag zur Verbesserung nur in Betracht, wenn in der Revision entgegen § 506 Abs. 1 Z 2 ZPO überhaupt keine Revisionsgründe angeführt sind. Enthält sie die Gründe der Anfechtung und reicht dies nur nicht aus, um die Zulässigkeit der Revision darzutun, so kommt hingegen eine Verbesserung nicht in Betracht. Petrasch (Die Zivilverfahrens-Novelle 1983 in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ÖJZ 1985, 300) weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, daß eine andere Ansicht konsequenterweise dazu führen müßte, daß eine Verbesserung immer dann aufgetragen werden muß, wenn die Prüfung des Rechtsmittels ergibt, daß es unschlüssig und unbegründet ist. Fasching (ZPR2 Rz 1939) vertritt hingegen die Ansicht, daß ein Auftrag zur inhaltlichen Verbesserung gemäß § 84 Abs. 3 ZPO zu erteilen sei, wenn die Angaben zur Zulässigkeit der Revision fehlen. Diese Ansicht wäre aber nur folgerichtig, wenn man der Auffassung wäre, daß nur gesondert für die Zulässigkeit angeführte Gründe zu beachten sind. Dieser Meinung ist aber auch Fasching nicht, weil er den Standpunkt vertritt, daß bei Erfolglosigkeit des Verbesserungsauftrags eine außerordentliche Revision nur dann zurückgewiesen werden dürfe, wenn sich die die Zulässigkeit begründenden Umstände des § 502 Abs. 1 ZPO auch nicht aus der Ausführung der Revisionsgründe ergeben. Ist dies der Fall, so ist aber ein Verbesserungsauftrag überflüssig; andernfalls gilt aber das Argument von Petrasch, daß der Umstand, daß die Revisionsausführungen den Revisionsantrag nicht zu rechtfertigen vermögen, nicht zum Anlaß eines Verbesserungsauftrags genommen werden darf.

Der Oberste Gerichtshof ist daher in Übereinstimmung mit Petrasch der Meinung, daß das Fehlen der im § 506 Abs. 1 Z 5 ZPO vorgesehenen gesonderten Bezeichnung der für die Zulässigkeit der Revision ins Treffen geführte Gründe dann nicht zu einem Verbesserungsauftrag gemäß § 84 Abs. 3 ZPO Anlaß gibt, wenn in der Revision überhaupt die Gründe der Anfechtung (Revisionsgründe) bezeichnet sind. Ist davon auszugehen, daß bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision auf das gesamte Revisionsvorbringen Bedacht zu nehmen ist, und enthält die Revision die Gründe der Anfechtung, so sind die Voraussetzungen für die Anwendung des § 84 Abs. 3 ZPO nicht gegeben, weil in der Revision dann kein Vorbringen fehlt, das hiefür vorgeschrieben ist. Davon zu unterscheiden ist, ob dieses Vorbringen ausreicht, die Zulässigkeit der Revision darzutun. Ist dies nicht der Fall, so kann der darin gelegene Mangel aber nicht verbessert werden.

Gemäß § 502 Abs. 1 ZPO ist die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichtes nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Voraussetzung ist also eine erhebliche Bedeutung für die Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung. Die Rechtsfrage ist dann für die Wahrung der Rechtseinheit bedeutend, wenn die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs uneinheitlich ist, für die Rechtsentwicklung, wenn eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt, und für die Rechtssicherheit schließlich, wenn das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht. Das Gebot der Wahrung der Rechtssicherheit erfordert es aber auch, eine Revision als zulässig anzusehen, wenn das Berufungsgericht zwar nicht von einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist, wenn das Ergebnis der Entscheidung des Berufungsgerichtes aber mit dem Gesetz nicht in Einklang gebracht werden kann.

Nach dem Wortlaut und auch dem Zweck des § 502 Abs. 1 ZPO muß die Bedeutung erheblich sein. Daraus folgt, daß die Lösung einer Rechtsfrage, deren Bedeutung über den Anlaßfall nicht hinausgeht, keine erhebliche Bedeutung für die Rechtsentwicklung haben kann, weil dies voraussetzt, daß sie auch für andere Fälle in Betracht kommt. Die Kasuistik des Einzelfalls schließt daher im allgemeinen die Zulässigkeit der Revision aus (ZVR 1989/131; VersRdSch 1989, 60 und MietSlg 36.789 je mwN). Nur unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Rechtssicherheit kann der Lösung einer Rechtsfrage, die nur für den Anlaßfall Bedeutung hat, eine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs. 1 ZPO zukommen, weil jedermann darauf vertrauen kann, daß grobe Fehler des Berufungsgerichtes im Weg der Revision beseitigt werden. Die Revision ist daher zulässig, wenn das Urteil des Berufungsgerichtes nichtig ist (EvBl 1992/54 mwN; RZ 1991/75; EFSlg

57.813 ua), das Gericht zweiter Instanz bei der rechtlichen Beurteilung der Sache gegen § 498 Abs. 1 ZPO verstoßen und die Rechtsfrage in einem wesentlichen Punkt nicht auf der Grundlage der

erstgerichtlichen Feststellungen gelöst hat (ÖA 1988, 53; SZ 59/101 =

MuR 1986 H 4, 29 [Korn] = ÖBl 1987, 78 [Wiltschek] = RdW 1986, 272;

SZ 59/163; SZ 59/92) oder dabei eine Urkunde übergangen hat, die Entscheidungsgrundlage des Erstgerichtes war (SZ 60/89), oder wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechts auf dem Spiel stehen (so zur Verletzung der Anordnung des § 405 Satz 1 ZPO MuR 1986 H 5, 26 [abl Korn] = ÖBl 1987, 102; 6 Ob 634/85; zur Nichtbeachtung einer Klagsänderung 1 Ob 32/86; zum Unmittelbarkeitsgrundsatz JBl 1987, 316; SZ 57/142 ua; zur Zurückweisung eines rechtzeitigen Rekurses 3 Ob 141/87; vgl auch SZ 62/165). Hingegen begründet die Auslegung des Parteienvorbringens (ZVR 1988/143; 3 Ob 583/91) oder von rechtsgeschäftlichen Parteienerklärungen (Vertragsbestimmungen), von denen nicht anzunehmen ist, daß sie in vergleichbarer Form neuerlich vorkommen (VersRdSch 1988, 99; 3 Ob 501/92; 8 Ob 529/87; 4 Ob 318/84) sowie die Überprüfung des dem Gericht eingeräumten Ermessens (WoBl 1992, 155 [Call] mwN) wegen der über den Anlaßfall nicht hinausgehenden Bedeutung die Zulässigkeit der Revision im allgemeinen nicht. Etwas anderes gilt im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur, wenn die Auslegung des Parteienvorbringens mit dessen Wortlaut unvereinbar ist (3 Ob 583/91), dem Berufungsgericht bei der Auslegung einer Vertragsbestimmung eine auffallende Fehlbeurteilung (WoBl 1992, 211; 8 Ob 519/91) ihm bei Anwendung des richterlichen Ermessens ein gravierender, an die Grenzen des Mißbrauchs gehender Fehler (WoBl 1992, 155 [Call]) unterlaufen ist oder der Ermessensspielraum eklatant überschritten wurde (RZ 1992/50; 8 Ob 1567/92).

Da nur eine erhebliche Bedeutung zur Wahrung der im Gesetz angeführten Bereiche die Zulässigkeit der Revision begründet, ist die Revision trotz Fehlens einer Rechtsprechung unzulässig, wenn eine Rechtsfrage im Gesetz so eindeutig gelöst ist, daß nur eine Möglichkeit der Auslegung ernstlich in Betracht zu ziehen ist und Zweifel bei der Auslegung nicht entstehen können (vgl WoBl 1991, 211 und AnwBl 1992, 753); in einem solchen Fall bedarf es nämlich einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Wahrung der Rechtsentwicklung nicht und es kann ihr daher auch kein erhebliche Bedeutung hiefür zukommen. Hat das Berufungsgericht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs richtig wiedergegeben, so kann die Anwendung der Rechtsprechung auf einen konkreten Sachverhalt, der in seiner Bedeutung über den Einzelfall nicht hinausgeht, ebenfalls nicht mit Revision bekämpft werden (vgl VersRdSch 1989, 60 mwN).

Prüft man die vorliegende Revision nach diesen Grundsätzen, so wird darin deren Zulässigkeit nicht dargetan. Der Beklagte führte die Gründe hiefür nicht gesondert an, sie ergeben sich auch nicht aus den Ausführungen zu den Revisionsgründen. Die Lösung der Frage, ob die Klägerin ihr Studium ernsthaft und zielstrebig betreibt, geht in ihrer Bedeutung über den Anlaßfall nicht hinaus und es ist auch nicht zu erkennen, daß dem Berufungsgericht ein Fehler bei der Lösung dieser Frage unterlaufen wäre. Dasselbe gilt für die Lösung der Frage, worauf der Betrag anzurechnen ist, den der Beklagte der Klägerin nach Auszahlung des Bausparguthabens übergeben hat. Die "gesicherte bisherige Judikatur", von der das Berufungsgericht bei der Lösung dieser Frage abgewichen sein soll, wurde in der Revision nicht angeführt und sie ist auch nicht feststellbar.

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