Spruch:
Die Revision und die Revisionsbeantwortung werden zurückgewiesen.
Text
Begründung
In dem im ersten Rechtsgang ergangenen Aufhebungsbeschluß des Obersten Gerichtshofs vom 22. Dezember 1988, 8 Ob 648/88 (SZ 61/281), wurde ausgeführt, unter welchen Voraussetzungen ein Übergabsvertrag, der ein gesellschaftsrechtliches Verhältnis unter nahen Verwandten einschließt, aufgelöst werden kann. Es wurde dargelegt, daß eine umfassende Abwägung des Bestandsinteresses des Beklagten und des Auflösungsinteresses der Klägerin notwendig sei. Es seien die von der Klägerin geltend gemachten Verletzungen wesentlicher Vertragspflichten und auch die von ihr dargelegten (unklagbaren) Verhaltenspflichten, die nicht nur dem Übergabsvertrag selbst, sondern dem Familienrecht (§ 137 Abs 2 ABGB) entspringen, von Bedeutung. Es müsse aber auch berücksichtigt werden, daß zwischen Eltern und Kindern eine über das sonst bei Personengesellschaften gewöhnlich zu fordernde Maß hinausgehende wechselseitige Toleranz und Bereitschaft zur Vermeidung und Bereinigung von Konflikten verlangt werden dürfe; dieses Verhaltensgebot finde im Rahmen der Zumutbarkeit seine Grenzen. Die den Übergabsvertrag prägende Versorgungs- und Fürsorgepflicht des Beklagten müsse gegen dessen grundsätzlich schutzwürdiges Interesse auf - zumindest
teilweise - Existenzsicherung aus den Liegenschaftserträgnissen und - nach dem Tode der Klägerin - auch aus der Liegenschaftssubstanz sowie - jetzt schon - aus deren Nutzung (z.B. Wohnung) sorgfältig abgewogen werden. Schließlich müsse bedacht werden, daß die Übernahmeberechtigung der Klägerin im Sinne des § 1210 ABGB nur als letztes Mittel zum Schutz ihres Rechts in Betracht komme; die Ausübung des Übernahmerechts sei nur dann erlaubt, wenn kein anderer zumutbarer Weg der Konfliktlösung zu finden sei.
Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung hat das Berufungsgericht eine Verletzung wesentlicher Vertragspflichten durch den Beklagten darin erblickt, daß dieser in den Jahren der Abwesenheit der Klägerin die Bausubstanz der Liegenschaft vernachlässigte und die vereinbarten Pflegeleistungen nicht erbrachte. Seine eigene Unfähigkeit zu hauswirtschaftlichen Tätigkeiten könne ihn von seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht befreien; allenfalls hätte er dafür sorgen müssen, daß die vertraglichen Leistungen in seinem Auftrag durch Dritte erbracht werden. Da der Beklagte die Klägerin nach deren Erkrankung im Spital nicht besucht habe, sei dieser nichts anderes übrig geblieben, als sich an ihre Tochter zu wenden. Dadurch sei der Beklagte von seiner Pflicht zur Erbringung der nötigen Pflege aber nicht befreit worden. Das Verfahren habe ergeben, daß der Beklagte seine Pflichten laut Punkt 3 des Übergabsvertrages in der Vergangenheit nicht erfüllt habe und er, insbesonders was die Wartung und Pflege betrifft, auch für die Zukunft nicht bereit sei, sie zu erfüllen. Es bestünde auch keine Möglichkeit einer vertragskonformen Konfliktlösung. Durch die Einräumung eines lebenslänglichen unentgeltlichen Wohnrechtes sei die Exsitenz des Beklagten insoweit gesichert; Erträgnisse seien aus der Bewirtschaftung der Liegenschaft ohnehin nicht zu erzielen. Dem Auflösungsinteresse der Klägerin müsse daher größere Beachtlichkeit beigemessen werden als dem Bestandsinteresse des Beklagten. Wenn auch die Klägerin, die der Pflege bedürfe, von ihrer Tochter versorgt werde, sei es ihr doch nicht zumutbar, auf Dauer die Verletzung der den Beklagten treffenden Vertragspflichten hinzunehmen.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat damit grundsätzlich im Sinne der im Aufhebungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes vom 22. Dezember 1988 ausführlich dargelegten Rechtsansichten entschieden. Welche Gründe die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Rechtsverhältnisses bewirken und zu dessen Auflösung berechtigen, ist regelmäßig eine Frage der Wertung und Abwägung im besonderen Entscheidungsfall; zur Wahrung der Rechtseinheit, der Rechtssicherheit und der Rechtsfortentwicklung kommt die Zulässigkeit einer Grundsatzrevision nur dann in Betracht, wenn eine auffallende Fehlbeurteilung des Gewichts der Auflösungsgründe und damit eine wesentliche Verkennung der Rechtslage vorliegt (4 Ob 501/88), wovon aber hier keine Rede sein kann. Dem Einwand des Beklagten, die Klägerin hätte zuerst versuchen müssen, ihn zur Zuhaltung des Vertrages zu bewegen, steht die festgestellte Tatsache entgegen, daß er gar nicht gewillt ist, die Klägerin zu pflegen (siehe S 15 der Ausfertigung des Urteils des Erstgerichtes).
Da das Berufungsgericht die für die Beurteilung der Zumutbarkeit des Fortbestandes des Rechtsverhältnisses wesentlichen Kriterien zutreffend erkannt und auch beurteilt hat, wurde bei seiner Entscheidung auch nicht die Rechtssicherheit der Einzelfallgerechtigkeit verletzt (vgl. 8 Ob 11/90 uva). Die Revision und die Revisionsbeantwortung, die auf diesen Umstand nicht hingewiesen hat, sind mangels der Zulässigkeitsvoraussetzungen zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)