OGH 5Ob1532/91 (5Ob1533/91)

OGH5Ob1532/91 (5Ob1533/91)5.7.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O***** GESELLSCHAFT mbH, ***** vertreten durch Dr. Karl Zingher, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Dipl.Ing. Christiane W*****, 2. Elisabeth B*****, 3. Sophie F*****, und die Nebenintervenientin Edina P*****, alle vertreten durch Dr. Christian Gassauer-Fleissner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 21. Februar 1991, GZ 48 R 547/89-23, den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Parteien und der Nebenintervenientin wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen

(§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag des Revisionsgegners auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 3 ZPO abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Begründung

Die für die Zulässigkeit der Revision ins Treffen geführte Rechtsfrage, die in den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zu 2 Ob 569/90 und 1 Ob 609/90 unterschiedlich beurteilt wurde (Rauscher, Oberster Gerichtshof: Zwei gegenteilige Entscheidungen in einer Sache, ImmZ 1991, 147 ff), war von den Vorinstanzen gar nicht zu lösen. Damals ging es um das Problem, ob eine zwischen Großmutter und Enkeltochter bestehende Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft in einer Mietwohnung durch die Unterbringung der Großmutter in einem Pflegeheim beendet wurde; hier ist zu entscheiden, ob überhaupt ein gemeinsamer Haushalt zwischen der verstorbenen Mieterin und ihren Deszendenten bestand und wie das Wohnbedürfnis der Eintrittswerber, denen ohnehin im Objekt 7a eine Unterbringungsmöglichkeit zur Verfügung steht, zu beurteilen ist. Von der Anrufung des Obersten Gerichtshofes kann daher im konkreten Fall keine Auflösung der Judikaturdifferenz erwartet werden.

Die Revisionswerber zeigen aber auch in der Begründung ihres Rechtsmittels keine iS des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage auf. Generell ist ihren Ausführungen entgegenzuhalten, daß sie Tat- und Rechtsfrage vermengen, ja sogar den Revisionsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung geltend machen, obwohl er im Katalog der Anfechtungsgründe, die gemäß § 503 ZPO an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden können, gar nicht enthalten ist. Auch in der Mängelrüge wird nicht zwischen Mängeln des erstinstanzlichen Verfahrens und Mängeln des Berufungsverfahrens unterschieden, obwohl gemäß § 503 Z 2 ZPO nur letztere als Revisionsgrund in Frage kommen und für die Zulässigkeit der Revision sogar das Ergebnis einer dem Berufungsgericht unterlaufenen unrichtigen Beurteilung einer erheblichen Frage des materiellen oder formellen Rechts sein müßten. Nicht einzugehen ist daher auf jene Revisionsausführungen, in denen sich die Rechtsmittelwerber beschweren, es wäre durch weitere Beweisaufnahmen abzuklären gewesen, ob das Objekt 7a überhaupt als selbständige Wohnung vermietet werden konnte und ob die darin vorhandene "Küche" voll funktionsfähig ist. Sie greifen damit einerseits die unüberprüfbare Beweiswürdigung der Vorinstanzen an, die meinten, sich aus den vorliegenden Plänen und Zeugen- bzw. Parteiaussagen ein vollständiges Bild über das Objekt 7a machen zu können; andererseits rügen sie die unzulängliche Sammlung von Sachverhaltselementen, die nur für die Beurteilung des Einzelfalls von Bedeutung sind. Daß aus grundsätzlichen rechtlichen Erwägungen eine Verbreiterung der Entscheidungsgrundlagen notwendig gewesen wäre, wird in diesem Zusammenhang nicht geltend gemacht. Mit derartigen Stoffsammlungsmängeln ist die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen, weil ihnen die rechtliche Erheblichkeit iS des § 502 Abs 1 ZPO fehlt (vgl 2 Ob 502, 503/84; 1 Ob 660/84).

Ähnlich verhält es sich mit dem als Verfahrensmangel gerügten Umstand, daß die Zeugen Andrea und Dr. Ernst Gideon Loudon nicht vernommen wurden. Hier kommt hinzu, daß die Übergehung der Beweismittel schon vom Berufungsgericht ausdrücklich gebilligt wurde (S 7 der ON 23), was die Geltendmachung in einem Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof grundsätzlich ausschließt (vgl 5 Ob 314/86; 5 Ob 578/87; 5 Ob 1543/87; 8 Ob 1501/89). Nur dann, wenn der Verfahrensmangel auf eine Verkennung wesentlicher Fragen des materiellen oder formellen Rechts zurückzuführen wäre, könnte er zum Gegenstand einer außerordentlichen Revision gemacht werden, doch wird damit von den Revisionswerbern gar nicht argumentiert. Die einzige diesbezügliche Andeutung findet sich in der Behauptung, die Zeugen Andrea und Dr. Ernst Gideon Loudon hätten bestätigen können, daß nie an die Schaffung getrennter Wohneinheiten gedacht war und die verstorbene Mieterin die spätere Benützung der gesamten Wohnung durch eine ihrer Enkelinnen beabsichtigte; gegen die Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, der Wille der Beteiligten sei belanglos, weil es nur darauf ankomme, ob den Eintrittswerbern eine ausreichende, rechtlich gleichwertige Unterkunft zur Verfügung steht (aaO), wird jedoch nichts vorgebracht. Vor allem enthält die Revision nichts, was eine die Rechtseinheit oder Rechtssicherheit gefährdende Fehlbeurteilung in dieser Frage aufzeigen würde. Tatsächlich ist - was auch im Interesse der Rechtsentwicklung nicht mehr besonders zu betonen ist - bei der Beurteilung der Eintrittsvoraussetzungen iS des § 14 Abs 3 MRG auf die faktischen Verhältnisse abzustellen, da sowohl für den gemeinsamen Haushalt als auch für das dringende Wohnbedürfnis objektive Kriterien maßgeblich sind (vgl Würth-Zingher, Wohnrecht19, Rz 15 und 18 zu § 14 MRG). Im übrigen sollten die Zeugen Andrea und Dr. Ernst Gideon Loudon nach dem Vorbringen der nunmehrigen Revisionswerber nur bekunden, bei den Objekten 7a handle es sich um eine einheitliche Wohnung, von der die verstorbene Mieterin einen nicht benötigten Teil an ihre Enkelkinder weitergeben wollte (S 3 in ON 6). Die jetzigen Behauptungen sind daher zum Teil als unzulässige Neuerungen zu qualifizieren.

Eine rechtliche Fundierung ihrer Mängelrüge haben die Revisionswerber nur insoweit versucht, als sie den Vorinstanzen vorwerfen, sich zu wenig mit ihrem Einwand einer unzulänglichen Kennzeichnung und Beschreibung des Bestandobjektes auseinandergesetzt zu haben. Gerade damit werden jedoch Aspekte des Einzelfalls angesprochen. Der Grundsatz, wonach eine ungenaue oder unrichtige Bezeichnung des Bestandobjekt präzisiert bzw korrigiert werden kann, wenn für den Gekündigten klar sein mußte, worauf sich die Aufkündigung bezieht, ist durch die Judikatur vorgegeben (MietSlg 40.819 mwN); die Zulassung und Beurteilung einer Neufassung des KÜndigungswortlauts hängt sodann von den konkreten Verhältnissen ab. Gegen die diesbezügliche Entscheidung der zweiten Instanz zu 48 R 589/88-17 vom 8. Februar 1989 - es handelt sich um einen ohne Rechtskraftvorbehalt ergangenen Aufhebungsbeschluß im ersten Rechtsgang - bringen die Revisionswerber auch nichts Konkretes vor. Selbst ihre Behauptung einer unzulässigen Klagsänderung haben sie nicht weiter ausgeführt. Daß die Durchführung eines Lokalaugenscheins notwendig gewesen wäre, um das Problem der mangelhaften Bezeichnung des Bestandobjektes verläßlich beurteilen zu können, eignet sich aus den bereits dargestellten Gründen nicht zur Dartuung einer iS des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage, weil es sich um einen nur für die Besonderheiten des Einzelfalls bedeutsamen Stoffsammlungsmangel handeln würde.

Die Rechtsrüge der Revisionswerber ist zu einem großen Teil unbeachtlich, weil sie nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht. Sogar unzulässige Neuerungen - etwa das Betreiben einer Arztpraxis durch den Gatten der Nebenintervenientin im Objekt 7a - werden ins Spiel gebracht. Diesen Fehler vermeidet lediglich das Argument, Art und Ausmaß des (festgestellten) Zusammenlebens zwischen der verstorbenen Mieterin und den Eintrittswerbern seien richtigerweise so zu beurteilen, daß ein gemeinsamer Haushalt vorlag. Gleich der Beurteilung, ob in einem konkreten Fall ein dringendes Wohnbedürfnis des Eintrittswerbers vorliegt (vgl MietSlg 38/19 und 8 Ob 637/90), hängt jedoch die Annahme der Eintrittsvoraussetzung des gemeinsamen Haushalts jeweils von den festgestellten Umständen ab. Eine darauf aufbauende, von grundsätzlichen Rechtsirrtümern freie Fallentscheidung ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht zugänglich (vgl 3 Ob 625/83, 5 Ob 1528/85, 8 Ob 1534/88, 8 Ob 555, 556/89 ua).

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