OGH 9ObS10/90

OGH9ObS10/9029.8.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. phil. Eberhard Piso und Dr. Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Gerhard S***, Angestellter, Alt-Nagelberg 165, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*** V***, Wien 4,

Schwindgasse 5, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen S 195.109,34 netto sA (Streitwert im Revisionsverfahren S 54.118,08 netto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.April 1990, GZ 32 Rs 184/89-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 27.Juni 1989, GZ 5 Cgs 701/89-6, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird zum Teil Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie einschließlich des unbekämpften und bestätigten Teils zu lauten haben:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 54.118 netto zuzüglich 4 % Zinsen vom 11.Mai 1988 bis 10.September 1988 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Das Mehrbegehren, die Beklagte sei schuldig, der klagenden Partei weitere S 140.991,34 sA binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen, wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.397,35 (darin S 308,85 Umsatztsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der S*** K*** Gesellschaft mbH in Wien vom 9.September 1952 bis 28.Februar 1963 als Arbeiter und vom 1.März 1963 bis 10.Mai 1988 als Angestellter beschäftigt. In der Zeit vom 10. Oktober 1984 bis 30.September 1987 war er Geschäftsführer der Gesellschaft. Über das Vermögen der S*** K*** Gesellschaft mbH wurde am 25.September 1987 das Ausgleichsverfahren eröffnet. Das Dienstverhältnis des Klägers endete nach einer entsprechenden Ermächtigung durch das Ausgleichsgericht durch Dienstgeberkündigung im Sinne der §§ 20 b und 20 c AO innerhalb der Frist des § 3 Abs 2 Z 1 IESG. Mit Forderungsanmeldung vom 10.Februar 1988 meldete der Kläger unter anderem seine Abfertigung in Höhe von S 803.391,26 sA beim Ausgleichsgericht als Ausgleichsforderung an, die vom Ausgleichsverwalter und von der Ausgleichsschuldnerin dem Grunde und der Höhe nach anerkannt wurde.

Mit Bescheid vom 1.Februar 1989 lehnte die beklagte Partei einen Anspruch des Klägers auf restliches Insolvenz-Ausfallgeld in Höhe von S 195.109,34 sA als ausgeschlossen ab. Die mit dem Ende des Dienstverhältnisses fällige Abfertigung gebühre auf Grund der Betragsbegrenzung des IESG auf monatlich S 55.200 unter Berücksichtigung der anteiligen Zeit der Geschäftsführertätigkeit mit 8,17 % der Gesamtdienstzeit nur in Höhe von S 608.282,92 (richtig S 608.281,92; mit gesondertem Bescheid zuerkannt S 608.282). Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger das restliche Insolvenz-Ausfallgeld von S 195.109,34 samt 4 % Zinsen "im gesetzlichen Ausmaß". Sein Abfertigungsanspruch unterliege keiner Begrenzung im Sinne des § 1 Abs 3 Z 4 IESG, da er schon auf Grund des Gesetzes gebühre (§ 23 Abs 1 AngG). Auch habe die Zeit seiner Geschäftsführertätigkeit gemäß § 1 Abs 6 Z 2 IESG zufolge der restlichen Dienstzeit von über 32 Jahren keinen Einfluß auf die Höhe der gesicherten Forderung.

Die beklagte Partei beantragte, das der Höhe nach außer Streit gestellte Klagebegehren abzuweisen. Die Höhe der Abfertigung des Klägers ergebe sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Soweit der Kläger als Geschäftsführer eine "ausgeschlossene Person" im Sinne des § 1 Abs 6 IESG gewesen sei, sei sein Abfertigungsanspruch um jenen Prozentsatz zu kürzen, der dem Anteil der Geschäftsführerzeit an der Gesamtdienstzeit entspreche.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang eines Teilbetrages von S 54.118,08 netto zuzüglich 4 % Zinsen ab 2.März 1989 statt und wies das Mehrbegehren von S 140.991,26 netto sA (rechtskräftig) ab.

Es vertrat die Rechtsansicht, daß die Zuerkennung von Insolvenzausfallfeld gemäß § 1 Abs 6 IESG nur für die Zeit der Organmitgliedschaft eines Dienstnehmers ausgeschlossen sei. Der Kläger habe daher aus den Zeiträumen von 9.September 1952 bis 9. Oktober 1984 und vom 1.Oktober 1987 bis 10.Mai 1988 einen ungekürzten Anspruch auf Abfertigung, der gemäß § 23 AngG bei dem weit über 25 Jahre dauernden Dienstverhältnis das Zwölffache des letzten Monatsentgelts betrage. Dieser Anspruch unterliege aber der Höchstbetragsbeschränkung des § 1 Abs 4 IESG, da er sich nicht nur auf das Gesetz gründe, sondern auch auf eine die Höhe des Monatsgehaltes regelnde Individualvereinbarung. Demnach stehe dem Kläger bei Limitierung seines letzten Monatsentgelts auf den Grenzbetrag von S 55.200 ein Betrag von insgesamt S 662.400 zu. Davon habe die beklagte Partei bereits S 608.281,92 (richtig S 608.282) gezahlt, so daß noch ein Restbetrag von S 54.118,08 unberichtigt aushafte.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei in der Hauptsache nicht, jedoch hinsichtlich der Nebengeführen dahin Folge, daß es den Zinsenzuspruch auf die Zeit vom 26.Jänner 1988 bis 26. Juni 1988 einschränkte. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts und führte ergänzend aus, daß ein Anspruch auf Zinsen gemäß § 3 Abs 2 Z 2 iVm § 6 Abs 1 IESG nur für den begrenzten Zeitraum von vier Monaten bestehe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Abweisung auch des restlichen Klagebegehrens abzuändern. Der Kläger beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zum Teil berechtigt.

Wie das Erstgericht richtig erkannte, fällt die Betragsbeschränkung gemäß § 1 Abs 3 Z 4 und Abs 4 IESG nicht schon dann weg, wenn sich der Anspruch auf Abfertigung auch auf eine gesetzliche Bestimmung stützen kann, falls der Anspruch mittelbar der Höhe nach auch auf einer dienstvertraglichen Regelung beruht (Arb.9.951; 9 Ob S 12/88; 9 Ob S 1/89; 9 Ob S 10/89; 9 Ob S 3/90 ua). Es entspricht auch ständiger nunmehriger Rechtsprechung, daß bei der Ermittlung der Höhe der durch das IESG versicherten Abfertigung gemäß § 1 Abs 6 Z 2 IESG Zeiten, in denen ein Dienstnehmer Organstellung innehatte, zur Gänze unberücksichtigt bleiben und diesbezüglich nur vom letzten Monatsentgelt vor der Bestellung zum Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied auszugehen ist (vgl. ZAS 1989/28 ÄSchimaÜ; WBl.1989, 377; 9 Ob S 27/89; 9 Ob S 23/89; 9 Ob S 22/89 ua). Die angeführten und bereits entschiedenen Fälle unterscheiden sich vom vorliegenden jedoch dadurch, daß der Kläger nach der festgestellten Beendigung seiner Geschäftsführertätigkeit noch über 7 Monate weiterhin als (einfacher) Angestellter beschäftigt war, so daß sich zufolge der Konstruktion des § 1 Abs 6 Z 2 IESG als persönliche Bereichsausnahme (9 Ob S 11,12/89) an die ausgeschlossenen Organmitgliederansprüche weitere grundsätzlich gesicherte Dienstnehmeransprüche anschlossen. Dies wurde von der beklagten Partei auch nicht bezweifelt, da sie dem Kläger in ihrem stattgebenden Bescheid unter anderem auch das Entgelt für die Zeit vom 1.Oktober 1987 bis 10.Mai 1988, dem Tag der Beendigung des Dienstverhältnisses, zuerkannte.

Die Abfertigung knüpft an eine bestimmte Dauer des rechtlichen Bestandes des Dienstverhältnisses an und wird mit der Beendigung des Dienstverhältnisses erworben, mag auch die für die Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld irrelevante Fälligkeit von Abfertigungsteilen erst später eintreten (vgl. Schwarz-Holler-Holzer, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz 84 f, 132 ff; ZfVB 1983/1/205). Die Abfertigung ist gemäß § 3 Abs 2 Z 1 IESG auch dann gesichert, sofern - so wie hier - innerhalb der Frist des § 3 Abs 1 IESG die Kündigung ausgesprochen worden ist (vgl. dazu Holler, Neuerungen im Bereich der Entgeltsicherung bei Insolvenz, ZAS 1987, 147 ff, 150). Die nicht unterbrochene Fortsetzung des Angestelltendienstverhältnisses durch den Kläger hatte zwar hinsichtlich des Ausmaßes seiner Abfertigung zufolge der über 25 Jahre währenden Dauer keine anspruchserhöhende Bedeutung mehr; sie ist aber für die Anwendung des Grenzbetrages im Sinne des § 1 Abs 3 Z 4 und Abs 4 IESG, der auf den Zeitpunkt der bedungenen Zahlung abstellt, von Bedeutung. Eines Rückgriffes auf den im Jahr 1984, dem Jahr der Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer, geltenden Grenzbetrag bedarf es sohin entgegen der Ansicht der beklagten Partei nicht.

Es trifft auch nicht zu, daß der Anspruch auf Zinsen schlechthin mit 25.Jänner 1988 begrenzt wäre. Gemäß § 3 Abs 2 Z 2 IESG gebühren Zinsen für den gesicherten Anspruch auf Abfertigung ab der Fälligkeit dieses Anspruches bis zum Ablauf der Frist nach § 6 Abs 1 IESG. Betagte Forderungen, das sind jene, die erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig werden, gelten gemäß § 3 Abs 4 IESG (§ 14 Abs 2 AO) als fällig. Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß ein später eintretender Fälligkeitstermin rückzudatieren ist (Schwarz-Holler-Holzer aaO 136). Die in der Revision vertretene Ansicht, daß Zinsen nur ab dem Zeitpunkt der Ausgleichseröffnung gebühren könnten, würde voraussetzen, daß der Anspruch auf Abfertigung bereits mit der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens erworben wurde und nicht erst nach Maßgabe des § 23 Abs 4 AngG mit der rechtlichen Beendigung des Dienstverhältnisses. Richtig ist allerdings, daß dem Kläger von der beklagten Partei bereits ein (aufgerundeter) Betrag von S 608.282 zuerkannt wurde. Die Urteile der Vorinstanzen sind daher in diesem Sinn geringfügig abzuändern. Die Kostenentscheidung ist in § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG begründet.

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