Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Die am 23.August 1952 geborene frühere Vertragsbedienstete der Post- und Telegraphendirektion für Steiermark Elisabeth Z*** wurde des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat sie von Juni 1988 bis 24. Jänner 1989 als im Postamt Graz-Puntigam tätige Kartiererin mit dem Vorsatz, den Staat an seinem Recht auf bestimmungsgemäße Beförderung von Briefsendungen zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem sie 33 Briefe öffnete, darin enthaltene Geldbeträge in der Gesamthöhe von 18.450 S an sich nahm und die Briefe wegwarf.
Die Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die geltend macht, ihr Verhalten wäre nicht dem Tatbestand des § 302 Abs 1 StGB, sondern jenem des Diebstahls oder allenfalls der Veruntreuung unterzuordnen gewesen. Die Tat sei in keinem engen Zusammenhang mit einer ihr zustehenden hoheitlichen Verwaltungsbefugnis gestanden, sondern stelle sich als eine dem ihr zugewiesenen Vollziehungsbereich fremde Handlungsweise dar, die nicht als Befugnismißbrauch beurteilt werden könne. Sie habe nur untergeordnete Tätigkeiten verrichtet, weshalb sie nicht als Beamtin im Sinn des § 302 StGB anzusehen sei.
Rechtliche Beurteilung
Das Verbrechen nach § 302 Abs 1 StGB begeht, wer (mit Schädigungsvorsatz) als Beamter seine Befugnis, im Namen des Bundes ... als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht. Die Beamteneigenschaft ist an § 74 Z 4 StGB zu prüfen. Demgemäß erfüllt sie jeder, der bestellt ist, im Namen der dort aufgezählten Gebiets- und anderen Körperschaften entweder "Rechtshandlungen" oder sonstige "Aufgaben der Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung" auszuführen. Da somit die Funktion und nicht das dienstrechtliche Verhältnis maßgebend ist, erfaßt dieser Beamtenbegriff auch die in den aufgezählten Einrichtungen tätigen Vertragsbediensteten (wie die Angeklagte). Unbezweifelbar ist ferner die Verwaltungstätigkeit der Bundeseinrichtungen zur Erledigung der Angelegenheiten des Postwesens. Die Zugehörigkeit des Postwesens zur Hoheitsverwaltung (Vollziehung der Gesetze) geht klar aus Art 23 Abs 5 (mit Abs 1) B-VG, vor allem aber aus Art 102 Abs 2 B-VG hervor (EvBl 1985/19 rechte Spalte unten). Daraus wird aber bereits die Unrichtigkeit der gegenteiligen Rechtsmeinung Bertels im Wiener Kommentar, 28.Lieferung, Vorbemerkungen Rz 16 zu § 302 StGB klar. Anders als etwa die Österreichischen Bundesbahnen wird die Posttätigkeit gemäß Art 102 Abs 2 B-VG im Rahmen des verfassungsmäßig festgestellten Wirkungsbereichs unmittelbar von Bundesbehörden versehen, die mit Akten der Vollziehung betraut sind (sh Art 102 Abs 1 B-VG). Auf die Bedeutung des Unternehmens im Rahmen der Volkswirtschaft kommt es dabei nicht an, das Gesetz stellt in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf "Aufgaben der ... Verwaltung" (§ 74 Z 4 StGB) ab. Zwecks Durchführung der gegenständlichen Verwaltungstätigkeit sind durch Bundesgesetz Behörden eingerichtet (§ 2 PostG), wobei in Abwicklung dieser Verwaltungstätigkeit unter anderem die für die Leistungen zu entrichtenden Gebühren ermittelt und eingehoben werden (§§ 19 ff PostO).
Die Amtsgeschäfte eines Beamten in der Bedeutung des § 302 Abs 1 StGB erweisen sich bei sinnvoller Verbindung mit dem Beamtenbegriff des § 74 Z 4 StGB als Oberbegriff für in Vollziehung der Gesetze vorgenommene "Rechtshandlungen" sowie für ebensolche "sonstigen Aufgaben der Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung". Aus der schon dargelegten Zusammenfassung unter einem Oberbegriff wie auch aus der Gleichordnung in der Zitierweise des § 74 Z 4 StGB und gleichermaßen aus der Notwendigkeit der Vermeidung eines Wertungswiderspruchs ergibt sich als Richtmaß, daß die sonstigen Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung den Rechtshandlungen wenigstens annähernd gleichwertig sein müssen (Gleichwertigkeitsthese; NRsp 1989/251, 13 Os 58/89, 13 Os 123/89; im Ansatz bereits JBl 1989 S 260).
Nach den Urteilsfeststellungen hatte die Angeklagte als Kartiererin des Postamts Graz-Puntigam bei der Aufgabe von Postsendungen die zweimalige Entleerung des Briefkastens, die Abstempelung und Sortierung der Postsendungen, die Behebung von Freimachungsmängeln, die Übernahme der Briefsendungen vom Schalter, das Verteilen der Fachpost, die Bearbeitung der Sendungen nach den vorgesehenen Destinationen, die Bundbildung, die Abfertigung der Sendungen und den Stempeldienst, bei der Abgabe der Sendungen das Verteilen der Fachpost, die Bearbeitung bzw Behebung von Anschriftsmängeln und die Bearbeitung der nicht für das Postamt bestimmten Irrläufer zu besorgen (S 112, 113).
Damit hatte sie eine für die Beförderungsaufgaben der Post (§§ 6 ff PostG) essentielle Tätigkeit zu entfalten, die etwa im Hinblick auf die Ermittlung und Einhebung der Gebühren (Behebung von Freimachungsmängeln) sowie auf die Beförderung von Sendungen mit mangelhafter Anschrift (Bearbeitung bzw Behebung von Anschriftsmängeln) auch rechtlich determiniert ist (§ 7 PostG; §§ 10 ff, 95 PostO). Daß dabei Postsendungen unversehrt, wie sie der staatlichen Postanstalt zur Beförderung übergeben und von ihr als vorschriftsmäßig auch angenommen wurden, zu belassen sind, bedarf keiner weiteren rechtlichen Regelung.
Damit ist klargestellt, daß die Angeklagte in Vollziehung der Gesetze als Beamtin der Bundesverwaltung und als deren Organ Amtsgeschäfte vornahm. Ohne die ihr dazu eingeräumte Befugnis wären ihre Tathandlungen (konkret: Spoliieren von Briefen der "Schußpost", die in der Anschrift berichtigt werden mußten; sh S 113) nicht ausführbar gewesen. Auf die Typizität des Verbrechens als "Amtshandlung", wie dies die Beschwerde reklamiert (gestützt auf Wiener Kommentar aaO Rz 29), kommt es dabei nicht an, fordert das Gesetz doch bloß den wissentlichen Mißbrauch der Befugnis des Organs, in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen. Die verbrecherischen Handlungen wurden innerhalb der funktionellen Zuständigkeit der Beschwerdeführerin gesetzt. Im unbefugten Öffnen von Briefen, in denen sie Geld vermutete, dem Aneignen der Geldbeträge und dem Wegwerfen der geöffneten Sendungen liegt der Mißbrauch der Befugnis der Angeklagten zur Vornahme von Amtsgeschäften in Vollziehung der Gesetze. Da sie den Befugnismißbrauch wissentlich mit Schädigungsvorsatz beging (S 114), verantwortet sie das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Elisabeth Z*** wurde nach § 302 Abs 1 StGB zu einer sechsmonatigen, für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen (§ 43 Abs 1 StGB) Freiheitsstrafe verurteilt. Das Schöffengericht wertete dabei die zahlreichen Angriffshandlungen als erschwerend, das umfassende reumütige Geständnis und die volle Schadensgutmachung als mildernd.
Die Berufung strebt eine bedingte Geldstrafe an, die einer dreimonatigen Ersatzfreiheitsstrafe entspricht. Sie ist nicht berechtigt.
Das Erstgericht hat auf die Schadensgutmachung sowie das reumütige Geständnis ausreichend Bedacht genommen. Da die Verfehlungen der Rechtsmittelwerberin erst durch einen Fangbrief offenbar wurden (S 113, 114), kann keineswegs davon ausgegangen werden, sie hätte sich des Zufügens eines größeren Schadens enthalten, umso mehr als feststeht, daß sie jeden Brief der "Schußpost", in dem sie Geld vermutete, an sich nahm (S 113). Das geplante Vorgehen durch mehr als ein halbes Jahr schließt Unbesonnenheit aus. Daraus ergibt sich bereits, daß es das Schöffengericht verabsäumte, die Fortsetzung der strafbaren Handlungen durch längere Zeit (§ 33 Z 1 StGB) ebenso als erschwerend anzunehmen wie den Umstand, daß die Schadenshöhe sich jener Grenze nähert, die bei den Vermögensdelikten qualifizierend wirkt, was bei einem aus Gewinnsucht verübten Delikt als erschwerend ins Gewicht fällt. Hinzu kommt noch eine Vorverurteilung wegen §§ 15, 141 Abs 1 StGB (Bezirksgericht für Strafsachen Graz, 1 U 839/85) zu einer Geldstrafe, also wegen einer strafbaren Handlung gegen fremdes Vermögen, die auf den gleichen Charaktermangel zurückzuführen ist (§ 71 StGB) wie die ihr nunmehr angelastete Strafat. Mangels Vorliegens eines atypisch leichten Falles kommt im Sinn der lebensnahen Strafdrohungen des Strafgesetzbuchs (vgl. 13 Os 65/87, 13 Os 170/87, 13 Os 68/88 uva; ferner Foregger-Serini-Kodek MKK4 zu § 41 StGB S 135 oben) ein Unterschreiten der vorliegendenfalls verhängten Mindeststrafe nicht in Betracht. Die festgestellten Erschwerungsgründe schließen in Verbindung mit der Fruchtlosigkeit einer bereits unbedingt verhängten Geldstrafe aus spezialpräventiven Gründen eine bedingte Geldstrafe aus.
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