Spruch:
Der Klägerin wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Beantwortung der Revisionen der Beklagten und des Nebenintervenienten bewilligt;
II. zu Recht erkannt:
Den Revisionen wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 20.254,05 (darin S 4.320,-- Barauslagen und S 1.448,55 Umsatzsteuer) sowie dem Nebenintervenienten die mit S 18.654,05 (darin S 2.720,-- Barauslagen und S 1.448,55 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte war Eigentümerin der Liegenschaft EZ 539 KG Villach, bestehend aus dem Gartengrundstück 674/3 im Ausmaß von 137 m2. Das dort befindliche Haus wurde durch Kriegseinwirkung (Bombenschaden beschädigt; für dieses Objekt konnten auf Grund des Wohnhaus-Wiederaufbaugesetzes 1948 Förderungsmittel beansprucht werden. Mit Kaufvertrag vom 6.10./5.11./29.11.1965 (Beilage 1) erwarb die klagende Genossenschaft die Liegenschaft. Die wesentlichen Bestimmungen dieses Vertrages lauten wie folgt:
"III. Der Kaufpreis für das bloße Grundstück wird mit
S 5.000,--, in Worten Schilling fünftausend, festgesetzt; er bleibt bis zu einer allfälligen Rückübereignung gestundet. Das Entgelt für die Ausnutzung des sogenannten Bombentitels besteht aus zwei Teilleistungen und wird wie folgt entrichtet:
Zunächst erhält die Verkäuferin zugleich mit Unterfertigung des Kaufvertrages einen Betrag von S 150.000,--, in Worten:
österreichische Schillinge einhundertfünfzigtausend; weiter verpflichtet sich die Käuferin, der Verkäuferin nach Fertigstellung des mit Hilfe dieses Kaufvertrages zu errichtenden Bauobjektes in Villach, Heidenfeldstraße, dessen Fertigstellung bis Ende 1970 vorgesehen ist, eine Eigentumswohnung im Ausmaß von ca. 90 m2 bestehend aus Schlaf-, Wohn- und Kinderzimmer, Küche, Bad und WC und nach Wahl der Käuferin Abstellraum und Speisekammer schlüsselfertig und kostenlos ins Eigentum zu übertragen.
..........
V. In den physischen Besitz des Kaufobjektes tritt die Käuferin mit Vertragsunterzeichnung. Die Verkäuferin behält das Recht auf weitere alleinige unentgeltliche Nutzung des Kaufgrundstückes, hat jedoch auch die mit diesem verbundenen öffentlichen und privaten Abgaben aller Art allein zu tragen. Nutzung und Aufwendungen sind ungefähr gleichwertig.
VI. Der Käuferin ist die Liegenschaft genauestens bekannt; sie entläßt daher die Verkäuferin aus jeglicher Gewährleistung für Rechts- und Sachmängel mit folgenden Ausnahmen:
Die Verkäuferin leistet dafür Gewähr, daß die bezeichnete Liegenschaft von sämtlichen bücherlichen und außerbücherlichen Rechten insbesonders Pfand-, Servituts-, Besitz- und Bestandrechten dritter Personen frei ist, daß von niemand Rückstellungsansprüche auf die Liegenschaft geltendgemacht werden und dieselbe niemals deutsches Eigentum gewesen ist.
Die Verkäuferin haftet weiters für das Vorhandensein eines Kriegs- (Bomben-)schadens sowie dafür, daß dieser hinsichtlich seiner Verteilung auf Wohn- und Wirtschaftsflächen sowie bezüglich seiner Übertragbarkeit den Bestimmungen des Wohnhauswiederaufbaugesetzes insbesonders deshalb entspricht, weil die Liegenschaft mit einem behördlichen Bauverbot belegt ist. Im Falle der Nichtgenehmigung des sogenannten Bombentitels durch das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau hat die Verkäuferin daher den erhaltenen Kaufpreis samt Zinsen unverzüglich zurückzuzahlen; dasselbe gilt, wenn die Realisierung des gegenständlichen Projektes durch den Wohnhaus-Wiederaufbaufonds nach den derzeit geltenden Bestimmungen gleichgültig aus welchem Grund entweder überhaupt nicht oder nicht zur Gänze möglich wird. VII. Die Käuferin ihrerseits verpflichtet sich so schnell als möglich beim Wohnhauswiederaufbaufonds ein Ansuchen zu stellen, wonach ihr für ein anderes von ihr zu bestimmendes Objekt Wohnhauswiederaufbaumittel auf Grund des gegenständlichen Bombentitels gewährt werden.
Drei Monate nach Vorliegen der Schlußabrechnung über den von der Käuferin zu errichtenden Wohnhauswiederaufbau, der wie erwähnt unter Ausnützung dieses Altbestandes auf einer Ersatzliegenschaft zur Ausführung gelangt, ist die Käuferin verpflichtet, der Verkäuferin die kaufgegenständliche Liegenschaft ins Eigentum zurückzuübertragen, wobei der in Punkt III. genannte Kaufpreis für die Liegenschaft EZ 539 KG Villach (S 5.000,--) im Verrechnungswege getilgt werden wird.
VIII. Die Gültigkeit dieses Kaufvertrages ist durch die Genehmigung des Magistrates Villach Wohnsiedlungsbehörde aufschiebend bedingt.
IX. Auf jegliche Anfechtung dieses Vertrages insbesonders wegen Irrtum und Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes wird verzichtet.
......."
In Punkt X. Satz 1 wurde überdies festgehalten, daß die Käuferin den ausdrücklichen Auftrag zur Errichtung und Verbücherung des Vertrages erteilt habe.
Der Kaufvertrag wurde am 13.12.1965 dem Finanzamt Villach zur Gebührenbemessung angezeigt. Mit Bescheid des Magistrates Villach vom 21.12.1965 wurde er nach dem Wohnsiedlungsgesetz genehmigt. Die Klägerin hatte die Absicht, in Villach, Heidenfeldstraße, auf dem Grundstück 194/7 KG Völkendorf eine Wohnhausanlage zu errichten. Für diese wurde vom Magistrat Villach am 6.Dezember 1966 die Baugenehmigung erteilt. Die Klägerin wollte für dieses Objekt auf Grund des von ihr erworbenen "Bombentitels" Förderungen nach dem Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz beanspruchen.
Mit Schreiben vom 13.12.1965 (Beilage 2) übersandte die Klägerin den Kaufvertrag dem Rechtsanwalt Dr.Kuno T*** mit dem Ersuchen, ihn beim Finanzamt anzumelden und dann wieder an sie zurückzusenden. Am 25.4.1967 übermittelte die Klägerin den Kaufvertrag abermals Dr.T*** mit dem Ersuchen um eheste grundbücherliche Durchführung; die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes werde ihm in den nächsten Tagen zugehen (Beilage 3). Tatsächlich hatte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern in Klagenfurt diese Unbedenklichkeitsbescheinigung schon am 24.4.1967 ausgestellt. Am 8.5.1967 beantragte Rechtsanwalt Dr.Ther beim Bezirksgericht Villach die grundbücherliche Durchführung des Kaufvertrages. Mit Beschluß vom 9.5.1967 (Beilage B) bewilligte das Bezirksgericht Villach die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Klägerin an der Liegenschaft EZ 539 KG Villach. Die Einreichungsunterlagen zur Gewährung von Mitteln aus dem Wohnhaus-Wiederaufbaufonds samt Plänen und Kostenvoranschlägen wurden am 15.5.1967 dem Prüfingenieur Dipl.Ing.Adele K*** übermittelt und von ihr am 1.7.1967 überprüft. Am 10.7.1967 überreichte die Klägerin das Förderungsansuchen samt Beilagen beim Amt der Kärntner Landesregierung, welches die Prüfung am 6.11.1967 vornahm.
Nachdem das Amt der Kärntner Landesregierung, Landesbaudirektion, Abt.23 - Wohnhauswiederaufbau, das Förderungsansuchen der Klägerin am 12.7.1967 dem Bundesministerium für Bauten und Technik, Verwaltung Wohnhaus-Wiederaufbaufonds, als prüfungsfähig gemeldet hatte, teilte es der Klägerin mit Schreiben vom 26.2.1968 (Beilage A) mit, daß das beim Wohnhaus-Wiederaufbaufonds vor dem 4.8.1967 zur Förderung eingereichte und am 1.1.1968 noch nicht erledigte Wohnbauprojekt mit 49 Wohnungen in Villach, Heidenfeldstraße, EZ 1443 Parzelle 194/7, KG Völkendorf, gemäß § 36 Abs 3 des Wohnbauförderungsgesetzes 1968 BGBl 1967/280 dem Land Kärnten zur Erledigung übermittelt wurde; diese Erledigung werde "zur gegebenen Zeit nach Prüfung des Antrages im Sinne der Übergangsbestimmungen des § 36 Abs 3 und 6 des genannten Gesetzes" erfolgen. Über den Antrag auf Gewährung von Förderungsmitteln ist bis heute nicht entschieden worden. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom 28.5.1968 wurde die Beklagte wegen Geisteskrankheit beschränkt entmündigt. Am 29.3.1983 (richtig wohl: 19.1.1983) verlangte der Klagevertreter unter Hinweis darauf, daß die Realisierung des geplanten Wohnbauprojektes durch den Wohnhaus-Wiederaufbaufonds nicht möglich gewesen sei, erstmals seit dem Abschluß des Kaufvertrages von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises von S 150.000,-- samt Zinsen.
Mit der am 4.11.1983 überreichten Klage begehrt die Klägerin unter Berufung auf Punkt VI. des Kaufvertrages sowie auf den Wegfall der vereinbarten Vertragsgrundlage (Ausnützbarkeit des "Bombentitels" in der vom Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz vorgesehenen Art und Weise) die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 150.000,-- samt 4 % Zinsen seit 1.11.1965. Die Klägerin, welche am Unterbleiben einer Zuteilung von Mitteln aus dem Wohnhaus-Wiederaufbaufonds kein Verschulden treffe, sei jederzeit zur Rückübertragung des Grundstücks EZ 539 KG Villach gegen Zahlung des Klagebetrages bereit.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Das Verhalten der Klägerin verstoße gegen Treu und Glauben sowie gegen die guten Sitten. Die Klägerin habe ihre Verpflichtung zur Rückübertragung der Liegenschaft bisher nicht eingelöst und könnte daher die Rückzahlung des Kaufpreises selbst dann nicht verlangen, wenn dieser Anspruch zu Recht bestünde. Das sei jedoch nicht der Fall, weil der Nichteintritt der im Vertrag vereinbarten Bedingung - nämlich der Gewährung von Förderungsmitteln aus dem Wohnhaus-Wiederaufbaufonds - auf das Verschulden der Klägerin zurückzuführen sei, welche weder zeitgerecht um solche Mittel angesucht noch das Verfahren ordnungsgemäß weiterbetrieben habe. Selbst wenn die im Vertrag bedungene Eigenschaft des Vorhandenseins eines "Bombentitels" gefehlt hätte, hätte die Klägerin ihre daraus resultierenden Ansprüche innerhalb der Gewährleistungsfrist geltend machen müssen. Durch ihr Stillschweigen seit dem Vertragsabschluß habe die Klägerin zum Ausdruck gebracht, daß sie den Kaufvertrag aufrechterhalten wolle. Das säumige Verhalten der Klägerin habe eine Wertminderung der Liegenschaft der Beklagten von mindestens S 150.000,-- verursacht; außerdem sei der Beklagten durch den Entgang der versprochenen Eigentumswohnung ein Schaden von zumindest S 900.000,-- entstanden. Diese Beträge würden aus dem Titel des Schadenersatzes zur Aufrechnung eingewendet. Das einen Zeitraum von drei Jahren vor der Klageeinbringung übersteigende Zinsenbegehren sei verjährt.
Rechtsanwalt Dr.Kuno T*** ist dem Verfahren als Nebenintervenient auf der Seite der Beklagten beigetreten. Das Erstgericht wies die Klage ab. Erklärter Zweck des Kaufvertrages sei es gewesen, daß die Klägerin unter Ausnützung des Kriegsschadens auf der Liegenschaft der Beklagten Förderungsmittel aus dem Wohnhaus-Wiederaufbaufonds für ein anderes von ihr zu bestimmendes Objekt in Anspruch nehmen sollte. Der Vertrag habe also auf der Geltung des Wohnhaus-Wiederaufbaugesetzes in der zur Zeit des Vertragsabschlusses geltenden Fassung aufgebaut. Obgleich die in § 15 Abs 2 lit a des Wohnhaus-Wiederaufbaugesetzes ursprünglich vorgesehene Gewährung von Fondsdarlehen bis zur vollen Höhe der Wiederherstellungskosten schon mit Bundesgesetz vom 25.1.1967 BGBl 54 (Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz-Novelle 1967) auf 90 % der notwendigen Kosten reduziert worden sei, habe die Klägerin noch am 10.7.1967 die 100 %-ige Förderung ihres Bauvorhabens in der Heidenfeldstraße beantragt. Das Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz sei in seinen die Gewährung von Fondshilfe ermöglichenden Bestimmungen mit 31.12.1967 außer Kraft getreten; seither könne der Bau eines Hauses nur noch durch ein Darlehen nach dem Wohnbauförderungsgesetz 1968 finanziert werden, wobei im Hinblick auf den Zeitpunkt der Antragstellung noch eine Förderung im Ausmaß von 75 % der Gesamtbaukosten möglich gewesen wäre. Da somit aber die Bedingungen wesentlich ungünstiger geworden seien als bei einem Wohnhaus-Wiederaufbaudarlehen nach der Gesetzeslage des Jahres 1965, sei der Endzweck des Vertrages - nämlich eine Durchführung des Bauvorhabens unter den besonders günstigen Bedingungen des Wohnhaus-Wiederaufbaugesetzes - zweifellos unerreichbar geworden. Gerichtsbekannt sei, daß auch noch im Jahr 1967 bis zur Kundmachung des Wohnbauförderungsgesetzes 1968 reges Interesse am Erwerb von Kriegsschaden-("Bomben"-)Titeln bestanden habe. Die Klägerin wäre daher nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet gewesen, sofort nach der Kundmachung der Novelle 1967 zum Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz gegenüber der Beklagten vom Vertrag zurückzutreten, um ihr die Möglichkeit zu geben, den Kriegsschadentitel anderweitig zu verwerten. Die Klägerin habe das nicht getan und damit zu erkennen gegeben, daß sie trotz der Änderung des Wohnhaus-Wiederaufbaugesetzes durch die Novelle 1967, welche die Leistung von Eigenmitteln von mindestens 10 % sowie eine Kürzung der Darlehensrückzahlungsfrist auf 50 Jahre vorgesehen habe, am Vertrag festhalten wollte. Die Klägerin - welche im übrigen die Aufhebung des Vertrages gar nicht verlangt habe - sei somit nicht berechtigt, den Kaufpreis von der Beklagten zurückzufordern. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Forderung der Klägerin - mit Ausnahme eines rechtskräftig abgewiesenen Zinsenteilbegehrens - zu Recht und die Gegenforderungen der Beklagten nicht zu Recht bestünden; die Beklagte sei daher schuldig, der Klägerin Zug um Zug gegen Übereignung der Liegenschaft EZ 539 KG Villach S 150.000,-- sA zu zahlen. Auf der Grundlage der als unbedenklich übernommenen Sachverhaltsfeststellungen des Ersturteils erweise sich die Rechtsrüge der Klägerin als begründet: Da die geänderte Gesetzeslage auf dem Gebiet der Wohnbauförderung eine Realisierung des Bauvorhabens nach den im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Bestimmungen unmöglich gemacht habe, sei das Rückforderungsbegehren der Klägerin schon durch Punkt VI. des Kaufvertrages gerechtfertigt. Daß die Klägerin diesen vertraglichen Anspruch erst im Jahr 1983 eingeklagt habe, obgleich sie schon mit der Kundmachung der Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz-Novelle 1967, spätestens aber seit der Verlautbarung des Wohnbauförderungsgesetzes 1968 Gewißheit darüber hatte, daß sie die ins Auge gefaßte Förderung nicht mehr bekommen werde, hebe ihren Anspruch nicht auf. Die Verwirkung eines Anspruches durch Nichtgeltendmachung sei dem österreichischen Recht fremd; Anspruchsverlust trete in der Regel erst durch den Ablauf der Verjährungszeit ein. Besondere Umstände, aus denen gemäß § 863 ABGB ein schlüssiger Anspruchsverzicht der Klägerin abgeleitet werden könnte, lägen hier nicht vor. Das Interesse dritter Personen an bombengeschädigten Grundstücken wäre nur dann relevant, wenn die Beklagte ernsthafte Kaufinteressenten namhaft gemacht hätte, die nicht nur unter den durch die Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz-Novelle 1967 geänderten Voraussetzungen am Erwerb des Grundstücks interessiert gewesen wären, sondern auch die Aufhebung des Vertrages wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage durch das Inkrafttreten des Wohnbauförderungsgesetzes 1968 nicht verlangt hätten. Selbst bei Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien über die Aufhebung des Vertrages lägen nämlich nach Ansicht des Berufungsgerichtes die Voraussetzungen für die Annahme eines solchen Wegfalls der Geschäftsgrundlage vor: Habe nämlich zwischen den Parteien Einvernehmen darüber bestanden, daß die Liegenschaft ausschließlich deshalb gekauft wurde, um das damit verbundene "Ruinenrecht" zur Erlangung eines Fondsdarlehens zu den besonders günstigen Bedingungen des Wohnhaus-Wiederaufbaugesetzes auszunützen, dann war dieser Endzweck nur bei Weitergeltung des Wohnhaus-Wiederaufbaugesetzes in der Fassung des Jahres 1965 zu erreichen. Da dieses Gesetz aber in seinen die Gewährung von Fondsdarlehen betreffenden Bestimmungen mit 1.1.1968 unwirksam geworden sei, sei damit auch die Erreichung des erklärten Endzwecks unmöglich geworden und damit die objektive Geschäftsgrundlage weggefallen, so daß die Klägerin zur Rückforderung des Kaufpreises berechtigt sei. Die Geltendmachung dieses Rechtes verstoße nicht gegen Treu und Glauben. Daß die Klägerin das Förderungsansuchen erst am 10.7.1967 eingebracht habe, lasse schon deshalb keinen Schluß auf einen allfälligen Verzicht der Klägerin auf das vertraglich eingeräumte Rückforderungsrecht zu, weil das Wohnbauförderungsgesetz 1968 erst am 4.8.1967 kundgemacht worden sei. Auch eine verspätete Antragstellung beim Wohnhaus-Wiederaufbaufonds könne der Klägerin nicht vorgeworfen werden. Amtsbekannt sei, daß Wartezeiten von mehreren Jahren für die Zuteilung von Fondsdarlehen die Regel waren; auch bei einer früheren Einreichnung des Förderungsansuchens wäre daher mit keiner aufrechten Erledigung vor dem 1.1.1968 zu rechnen gewesen. Ein von der Klägerin der Beklagten schuldhaft zugefügter Schaden sei somit nicht erwiesen.
Wenngleich die im Kaufvertrag vereinbarten Verpflichtungen zur Rückübertragung des Kaufobjektes und zur Rückzahlung des Kaufpreises nicht ausdrücklich voneinander abhängig gemacht worden seien, seien doch beide Verpflichtungen fällig geworden. Sie stünden überdies in einem so engen Zusammenhang, daß die Zahlungspflicht der Beklagten Zug um Zug gegen Rückübertragung der Liegenschaft auszusprechen gewesen sei, zumal sich die Klägerin vorbehaltlos zu einer solchen Rückübertragung bereit erklärt habe.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird in seinem stattgebenden Teil von der Beklagten und vom Nebenintervenienten mit außerordentlicher Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, vom Nebenintervenienten auch wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, bekämpft. Beide Rechtsmittelwerber beantragen die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils; von der Beklagten wird hilfsweise auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin, welcher der Oberste Gerichtshof gemäß § 508 Abs 2 Satz 1 ZPO die Beantwortung dieser Rechtsmittel freigestellt hatte, beantragt, den Revisionen nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
I. Der Beschluß des Obersten Gerichtshofes, mit welchem der Klägerin gemäß § 508 a Abs 2 Satz 1 ZPO die Beantwortung der Revisionen freigestellt wurde, ist dem Klagevertreter am 16.9.1985 zugestellt worden; die beiden am 14.10.1985 - entgegen § 508 a Abs 2 Satz 2 ZPO beim Erstgericht überreichten - Revisionsbeantwortungen sind erst am 17.10.1985 und damit nach Ablauf der vierwöchigen Frist des § 507 Abs 2 ZPO beim Obersten Gerichtshof eingelangt. Da es sich bei diesem Fehler des Klagevertreters jedenfalls nur um einen "minderen Grad des Versehens" iS des § 146 Abs 1 Satz 2 ZPO handelt, war der Klägerin antragsgemäß die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des § 507 Abs 2 ZPO zu bewilligen. Die beiden Revisionsbeantwortungen sind demgemäß als rechtzeitig überreicht anzusehen.
II. Die Revisionen sind zulässig, weil die von den Rechtsmittelwerbern primär aufgeworfene Frage der Anspruchsverwirkung bzw des Anspruchsverzichtes bei der Ausübung vertraglicher Gestaltungsrechte über den konkreten Fall hinaus von erheblicher Bedeutung für die Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung ist (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO); sie sind aber auch berechtigt.
Dem angefochtenen Urteil ist zwar darin zu folgen, daß dem österreichischen Recht die Verwirkung eines Anspruches durch dessen Nichtgeltendmachung fremd ist, Anspruchsverlust vor Ablauf der Verjährungszeit vielmehr in der Regel nur dann eintritt, wenn der Berechtigte ausdrücklich oder schlüssig auf sein Recht verzichtet
(SZ 34/106 = EvBl 1962/28 = HS 612; SZ 49/127 = EvBl 1977/125;
SZ 53/149 = EvBl 1981/83; SZ 57/208; Arb 8872 uva; Rummel in Rummel,
ABGB, Rz 24 zu § 863; Kramer, Verwirkung und Anspruchsverlust durch stillschweigenden Verzicht, JBl 1962,540 ff, insbesondere 555). Bei der Beurteilung eines schlüssigen Verzichtes, wie er hier allein in Betracht kommt, ist aber besondere Vorsicht geboten; er darf nur dann angenommen werden, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß er ernstlich gewollt ist, der Verpflichtete also unter Bedachtnahme auf die im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche sowie unter Überlegung aller Umstände den zweifelsfreien (§ 863 ABGB) Schluß auf den Verzichtswillen des Berechtigten ziehen durfte (SZ 41/123; SZ 44/106;
SZ 49/127 = EvBl 1977/125; SZ 53/35 = ÖBl 1980, 97; SZ 54/83; auch
SZ 57/192 = EvBl 1985/156 = JBl 1985, 543; SZ 57/208; RZ 1985,
161 uva; Rummel aaO Rz 14; Mayrhofer in Ehrenzweig3 II/1, 626 f bei und in FN 12). Auch eine längerdauernde Untätigkeit des Berechtigten kann daher unter dem Gesichtspunkt eines schlüssigen Verzichtes zum Verlust des Anspruches führen, wenn beim Verpflichteten unter Überlegung aller Umstände (§ 863 ABGB) der Eindruck entstehen mußte (und auch tatsächlich entstanden ist), der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (Rummel aaO Rz 24). Diese Voraussetzungen liegen aber entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes hier vor:
Durch den Kaufvertrag Beilage 1 sollte der Klägerin die Möglichkeit verschafft werden, den "Bombentitel" der Beklagten unter Inanspruchnahme eines Förderungsdarlehens nach dem Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz 1948 zur Errichtung einer Wohnhausanlage in Villach, Heidenfeldstraße, auszunützen. Diesem ausdrücklich erklärten Vertragszweck entspricht auch die in Punkt VI. Abs.3 des Vertrages getroffene Vereinbarung, wonach die Beklagte bei "Nichtgenehmigung des sogenannten Bombentitels durch das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau", aber auch dann, "wenn die Realisierung des gegenständlichen Projektes durch den Wohnhaus-Wiederaufbaufonds nach den derzeit geltenden Bestimmungen, gleichgültig aus welchem Grund, entweder überhaupt nicht oder nicht zur Gänze möglich wird", den erhaltenen Kaufpreis samt Zinsen "unverzüglich zurückzuzahlen" habe. Wesentliche Grundlage des Vertrages Beilage 1 war also die Fortgeltung des Wohnhaus-Wiederaufbaugesetzes in seiner damaligen Fassung, nach dessen § 15 Abs 2 lit a der Wohnhaus-Wiederaufbaufonds zur Wiederherstellung der durch Kriegseinwirkung beschädigten oder zerstörten Wohnhäuser (ua) Darlehen bis zur vollen Höhe der für die Wiederherstellung erforderlichen Kosten gewähren konnte. Nachdem aber bereits die Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz-Novelle 1967 BGBl 54 diese Förderungsmöglichkeit auf 90 % der erforderlichen Kosten reduziert hatte, wurde das Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz in seinen Bestimmungen über die Gewährung von Fondsdarlehen durch § 36 Abs 1 des - am 4.8.1967 verlautbarten - Wohnbauförderungsgesetzes 1968 BGBl 1967/280 mit 1.1.1968 außer Kraft gesetzt. Die im neuen Wohnbauförderungsgesetz 1968 vorgesehenen Bedingungen für die Förderung eines Wohnbauvorhabens durch die zuständige Landesregierung waren zwar wesentlich ungünstiger als die einer Darlehensgewährung durch den Wohnhaus-Wiederaufbaufonds nach der Rechtslage des Jahres 1965; gemäß § 36 Abs 3 des Wohnbauförderungsgesetzes 1968 wäre jedoch im vorliegenden Fall - weil der Förderungsantrag der Klägerin vor dem Tage der Kundmachung des Wohnbauförderungsgesetzes 1968 eingebracht wurde - immerhin noch eine Gewährung von Förderungsmitteln im Ausmaß von 75 % der Gesamtkosten möglich gewesen.
Bei dieser Sachlage wäre aber, wie schon das Erstgericht richtig erkannt hat, die Klägerin nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen, sogleich nach der Kundmachung der Wohnhaus-Wiederaufbaugesetznovelle 1967 am 15.2.1967 spätestens aber nach der Kundmachung des Wohnbauförderungsgesetzes 1968 am 4.8.1967 der Beklagten gegenüber ihren Rücktritt vom Vertrag zu erklären, um dieser damit die Möglichkeit zu geben, ihren "Bombentitel" anderwärtig auszunützen. Das hat die Klägerin nicht getan; sie hat vielmehr fast 16 Jahre lang geschwiegen und erstmals am 19.1.1983 unter Hinweis auf die Unmöglichkeit einer Realisierung des in Aussicht genommenen Wohnbauprojektes aus dem Wohnhaus-Wiederaufbaufonds von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises verlangt. Dieses Verhalten der Klägerin konnte aber von der Beklagten unter Bedachtnahme auf die Grundsätze von Treu und Glauben und auf die Regeln des redlichen Geschäftsverkehrs nur als schlüssiger Verzicht auf das in Punkt VI. Abs.3 des Vertrages vereinbarte Auflösungs- und Rückforderungsrecht und damit zugleich als Ausdruck des ernstlichen Willens der Klägerin verstanden werden, auch unter den nunmehr verschlechterten Förderungsbedingungen am Vertrag festzuhalten und das geplante Wohnbauvorhaben zu gegebener Zeit mit öffentlichen Förderungsmitteln - unter Inanspruchnahme der Begünstigung nach § 36 Abs 3 des Wohnbauförderungsgesetzes 1968 - doch noch in Angriff zu nehmen. Schon aus diesem Grund war den berechtigten Revisionen der Beklagten und ihres Nebenintervenienten Folge zu geben und in Abänderung des angefochtenen Urteils das Urteil der ersten Instanz wiederherzustellen.
Die Verpflichtung der Klägerin, der Beklagten und dem Nebenintervenienten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen, beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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