OGH 5Ob138/71

OGH5Ob138/7130.6.1971

SZ 44/106

Normen

ABGB §825
ABGB §828
ABGB §863
ABGB §1090
ABGB §825
ABGB §828
ABGB §863
ABGB §1090

 

Spruch:

Ein mit einer Mehrheit von Mietern geschlossener Mietvertrag kann bei Willensübereinstimmung aller Beteiligten von einem bestimmten Zeitpunkt an dahin noviert werden, daß auf der Seite der Bestandnehmer an die Stelle der bisherigen Mitmieter nur noch einer von ihnen tritt

Davon abgesehen ist aber kein Mitmieter befugt, über seinen Anteil am Bestandrecht selbständig zu verfügen

OGH 30. 6. 1971, 5 Ob 138/71 (LG Innsbruck 2 R 167/71; BG Innsbruck 5 C 1112/70)

Text

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, es werde festgestellt, daß der Beklagte nicht Mieter einer näher bezeichneten Wohnung im Hause der Klägerin sei, ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit dem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000.- übersteige.

Dieser Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Die strittige Wohnung wurde im Jahr 1939 dem Beklagten und dessen Ehefrau Maria W vermietet. Maria W war stets berufstätig. Aus ihren Einkünften steuerte sie zum Wirtschaftsgeld, das ihr der Beklagte übergab, zu. Den Mietzins zahlte immer Frau W, wobei sie zunächst als Zahler beide Ehegatten oder einen von ihnen, also manchmal auch sich allein, bezeichnete. Seit dem Jahr 1963 war zwischen den Ehegatten ein Scheidungsverfahren anhängig. Im Jahr 1965 verließ der Beklagte die Ehewohnung unter Mitnahme seiner persönlichen Habe und bezog als Hauptmieter eine andere Wohnung, die er sich neu einrichtete. Er erklärte seiner Frau, er komme nicht mehr zu ihr zurück, behielt aber die Wohnungsschlüssel und meldete sich auch nicht polizeilich ab. Maria W blieb mit ihrer Tochter in der Ehewohnung zurück. Seither zahlt Maria W den Mietzins nur mehr im eigenen Namen, auf einzelnen Zahlungsbelegen scheint der Name der Tochter als Zahlerin auf. Im Zuge des Scheidungsverfahrens schlossen der Beklagte und seine Frau am 21. 10. 1964 einen Vergleich, in dem einverständlich festgestellt wurde, daß die häusliche Gemeinschaft nicht aufgelöst sei, und in dem sich der Beklagte ua verpflichtete, ab 1. 11. 1964 für die gesamten Kosten der Wohnungsmiete, des Stromverbrauches und der Heizung, aber auch für Radio- und Fernsehgebühren, das Zeitungsabonnement, für die Garagenmiete, die Wohnungsversicherung usw aufzukommen und seiner Gattin zusätzlich ein monatliches Wirtschaftsgeld zu zahlen. Dagegen verpflichtete sich Frau W dem Beklagten, abgesehen von seiner Verköstigung, den gemeinsamen Haushalt im üblichen Ausmaß zu führen. Der Beklagte erfüllte die im Vergleich übernommenen Zahlungsverpflichtungen teilweise nur schleppend. Es liefen Rückstände bis zu einem halben Jahr auf, doch wurden diese in der Folge stets abgedeckt. Der Beklagte erklärte weder seiner Frau noch dritten Personen, daß er auf sein Mietrecht an der Ehewohnung verzichte; er bot jedoch seiner Frau an, ihr seine Mietrechte zu übertragen, wenn sie mit der Scheidung einverstanden sei. Er verlangte von seiner Tochter einen Untermietzins von S 500.- monatlich. Der Klägerin waren die internen Vereinbarungen der Ehegatten W unbekannt, sie wußte lediglich, daß der Beklagte vor fünf Jahren ausgezogen ist.

Diesen Sachverhalt beurteilte das Berufungsgericht rechtlich dahin, daß der Beklagte nicht, wie die Klägerin behauptet, stillschweigend auf seine Mitrechte verzichtet habe. Die Ehegatten als Mitmieter der strittigen Wohnung bildeten eine Gemeinschaft nach § 825 ABGB, sie könnten daher nur gemeinsam über das Mietrecht verfügen. Eine solche Verfügung werde nicht einmal von der Klägerin behauptet. Der Beklagte habe seine Mietrechte auch weder gemäß § 19 Abs 4 MG seiner Ehefrau überlassen noch ausdrücklich oder stillschweigend zediert.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es ist durchaus richtig, daß, wie die Revision meint, die Rechtsgemeinschaft der Ehegatten hinsichtlich einer gemeinsam gemieteten Wohnung - sowohl dann, wenn man auf diese Rechtsgemeinschaft iS der Lehre Ehrenzweigs (System[2] II/1, 749) und der ständigen Rechtsprechung (vgl die unter Nr 8 und 9 zu § 825 ABGB MGA 1967 zitierten Entscheidungen) die Vorschriften des 16. Hauptstückes des ABGB anwendet, als auch dann, wenn man mit Klang (Komm[2] III 1084 FN 4) im Mietrecht der Ehegatten eine unteilbare Solidarberechtigung erblickt - keineswegs unlöslich ist. Vielmehr kann bei Willensübereinstimmung sämtlicher Beteiligten, also der Mitmieter und des Vermieters, der bestehende Mietvertrag von einem bestimmten Zeitpunkt an dahin noviert werden, daß auf der Seite der Bestandnehmer anstelle der bisherigen Mitmieter nur noch einer von ihnen tritt. In einem solchen Fall scheidet der ausgetretene Mitmieter aus der bisherigen Rechtsgemeinschaft und dem Mietverhältnis aus. Eine solche Novation kann, wie jeder Vertrag, auch stillschweigend vereinbart werden. Damit eine solche stillschweigende Vereinbarung angenommen werden kann, ist aber ein Verhalten aller Beteiligten notwendig, das bei Überlegung aller Umstände keinen Zweifel an ihrer Absicht, den bisherigen Mietvertrag in diesem Sinne zu novieren, übrig läßt (§ 863 ABGB). Abgesehen davon ist aber kein Mitmieter befugt, über seinen Anteil am Bestandrecht selbständig zu verfügen. Von dieser in der Rechtsprechung überwiegend vertretenen und auch von der Lehre geteilten Auffassung (vgl Klang aaO; GH 1931, 213; MietSlg 3344 uva; abweichend MietSlg 5558) abzugehen, besteht kein Grund. Daraus folgt aber, daß das Verhalten eines Mitmieters allein, auch wenn es für seinen einseitigen Austritt aus der Rechtsgemeinschaft mit den übrigen Mitmietern und aus dem Mietvertrag zu sprechen scheint, zur Beendigung seiner Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag nicht genügt. Da nun die Klägerin nicht einmal behauptete, es sei unter Zustimmung aller Beteiligten eine Novation des mit den Ehegatten W zustande gekommenen Bestandverhältnisses dahin erfolgt, daß nunmehr Maria W allein Mieterin der strittigen Wohnung sei, sondern ausschließlich aus dem ihr bekanntgewordenen Verhalten des Beklagten auf dessen Verzicht an seinem Anteil am Bestandrecht schließen will, erscheint das Klagebegehren ohne Rücksicht darauf, ob dieses Verhalten einen solchen Schluß rechtfertigt, unbegrundet.

Aber selbst wenn man der zB in der Entscheidung MietSlg 5558 vertretenen Auffassung folgt, daß der Mitmieter insoweit über seinen Anteil am Bestandrecht zu verfügen berechtigt ist, als er dadurch nicht über die Anteile der übrigen Mitmieter verfügt, er also auch einseitig auf seinen Anteil rechtswirksam verzichten kann, ist damit für die Klägerin nichts gewonnen:

Der Verzicht auf das einer Person zustehende Recht kann in der Regel nicht vermutet werden. Er ist vielmehr nur dann anzunehmen, wenn hiefür besondere Umstände sprechen, insbesondere eine ernstliche, entweder ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung vorliegt (MietSlg 18.126/32). Da diesfalls eine ausdrückliche und von der Klägerin angenommene Erklärung des Beklagten, auf sein Mietrecht zu verzichten, gar nicht behauptet wurde, kommt zur Rechtfertigung des Klagebegehrens nur eine stillschweigende Verzichtserklärung in Betracht. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein stillschweigender Verzicht vorliegt, ist aber, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, stets besondere Vorsicht geboten (vgl MietSlg 5566 = EvBl 1957/253 uva). Aus der Untätigkeit eines Berechtigten kann nur in Ausnahmefällen auf dessen Absicht geschlossen werden, sein Recht aufzugeben (MietSlg 18.127). Auch die Unterlassung der Zinszahlung durch einen Mitmieter unter gleichzeitiger Duldung der Zahlung des Mietzinses durch einen anderen Mieter vermag weder den Schluß auf eine stillschweigende Zessionserklärung noch die Annahme eines stillschweigenden Verzichtes auf die Mitmietrechte zu rechtfertigen (vgl MietSlg 21.522). Selbst daß der Beklagte die Ehewohnung unter Zurücklassung ihrer gesamten Einrichtung und seiner Familie verließ, läßt schon im Hinblick auf den damals zwischen ihm und seiner Gattin anhängigen Ehestreit, auf den die Klägerin in der Klage ausdrücklich Bezug nimmt, der ihr also nicht unbekannt war, nicht den zweifelsfreien Schluß zu, daß der Beklagte auf seine Mietrechte an der Ehewohnung verzichten wollte. Ebensowenig rechtfertigt der Umstand, daß inzwischen mehrere Jahre vergangen sind und der Scheidungsstreit der Mitmieter ohne Auflösung der Ehe zu Ende ging, der Beklagte aber dennoch nicht in die eheliche Gemeinschaft zurückkehrte, unter Überlegung aller Umstände die Annahme, daß er seine Mietrechte aufgegeben habe.

Dem Berufungsgericht ist somit entgegen der Meinung der Revision bei der Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes in der Richtung, daß damit kein stillschweigender Verzicht des Beklagten auf seine Mitmietrechte erklärt wurde, ein Rechtsirrtum nicht unterlaufen.

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