Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:
"Die Klagsforderung besteht mit S 41.222,66 zu Recht. Sie ist durch die Gegenforderung der beklagten Partei von S 10.981,30 in diesem Umfang getilgt.
Die beklagte Partei ist daher schuldig, der klagenden Partei S 30.241,36 samt 4 % Zinsen seit 4. April 1986 und 4 % Zinsen aus S 41.222,66 vom 8. Februar 1982 bis 3. April 1986 zu bezahlen. Das Leistungsmehrbegehren von S 208.426,64 samt Anhang wird abgewiesen.
Im Umfang der Abweisung des Feststellungsbegehrens und im Kostenpunkt wird das angefochtene Urteil aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen".
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 19. Februar 1965 geborene Kläger war Gast im Hotel des Beklagten. Am 24. Februar 1981 wurde er beim Durchqueren einer Pendeltür mit Glaseinsatz im Bereich zwischen dem Lift und dem Hallenbad schwer verletzt. Der Kläger begehrt (einschließlich Schmerzengeld) den Ersatz eines Schadens von S 238.668,-- s.A. und die Feststellung der Haftung des Beklagten für künftige Schäden. Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen ist das Hallenbad mit dem Stiegentrakt durch einen ca. 1,4 m breiten, mit Fliesen bzw. Klinkern ausgelegten Gang verbunden. Ca. 7 m vom Lift entfernt, nach einer Abwinkelung von 90 Grad, befindet sich eine zweiflügelige Pendeltür mit Oberlicht. Im Anschluß an die Tür verläuft der Gang gerade, nach ca. 14 m führt nach links eine Tür ins Hallenbad, ihr gegenüber befindet sich die Tür zur Gaderobe und zum WC. Am Ende des Ganges, 16 m von der Pendeltür entfernt, führt eine Tür in den Garten. Die beiden Flügel der Pendeltür und das Oberlicht sind verglast. Die Verglasung bestand im Unfallszeitpunkt aus einfachem, nicht bruchfestem Ornamentglas. Ein Lattenrost war nicht vorhanden. Die beiden Türflügel haben eine Breite von je 63 cm und eine Höhe von 197 cm. Die Glaslichte beträgt jeweils 43 cm x 166 cm. Die seitlichen und oberen Rahmenteile sind je ca. 10 cm breit, der untere Rahmenteil hat eine Höhe von 21 cm. Der linke der beiden Türflügel, Richtung Hallenbad, ist seit jeher feststehend fixiert. Die Federkraft der Pendeltür war im Unfallszeitpunkt sehr stark eingestellt. Dadurch wurde die Tür sehr schnell in ihre ursprüngliche Ausgangslage zurückversetzt. Mit der starken Einstellung der Federkraft war jedoch keine Erhöhung der Gefahr für einen Benützer verbunden. An der Befestigung der Türflügel am Türstock fehlte je eine Schraube. Hiedurch wurde jedoch die Funktionstüchtigkeit der Tür nicht beeinträchtigt. Auch der geringfügig ungleiche - vom Erstgericht detailliert festgestellte - Abstand der beiden Türflügel voneinander und vom Boden beeinträchtigte die Funktionstüchtigkeit der Tür nicht. Am 24. Februar 1981 hielt sich der Kläger im Hallenbad auf, wo er mit zwei englischen Mädchen, die derselben Reisegruppe angehörten, spielte. Im Zuge der Spielereien liefen die beiden Mädchen vom Hallenbad Richtung Lift. Sie stießen den beweglichen Flügel der Pendeltür auf und liefen durch diese. Als der Kläger, der den beiden Mädchen sofort nachgelaufen war, zur Pendeltür gelangte, stieß er mit seinem Körper durch die Glasfassung der Tür. Nicht festgestellt werden konnte, ob sich der Türflügel im Zeitpunkt des Anstoßes des Klägers noch im Schließvorgang befand oder ob er bereits geschlossen war.
Durch den Unfall erlitt der Kläger eine perforierende Bauchwandverletzung im rechten Oberbauch mit Zerstörung der vorderen Rektusscheide und Öffnung der hinteren Rektusscheibe, eine Durchtrennung der arteria epigastrica superior, eine Verletzung des knorpeligen Rippenbogens rechts, kleine oberflächliche Schnittwunden an der Leber, multiple Schnittwunden am Nasenrücken und am linken Oberschenkel. Der Kläger wurde sofort operiert und am 6. März 1981 in häusliche Pflege entlassen. Der postoperative Heilungsverlauf war komplikationsfrei, die Wunden sind entzündungslos verheilt. Mit den Verletzungen des Klägers waren ca. 8 bis 9 Wochen dauernde Schmerzen verbunden, die anfänglich sehr stark waren, allmählich aber abflauten. Die Operationsnarben sind sichtbar: Eine große Narbe zieht sich über den Magen. Am linken Bein sind eine Reihe von Narben, auf dem Nasenrücken ist eine kleine Narbe sichtbar. An Arztkosten sind dem Kläger S 84 entstanden. Vor dem Unfall war der Kläger Zeitungsausträger. Infolge der Verletzung konnte er dieser Beschäftigung über Wochen nicht nachgehen und erlitt hiedurch einen Verdienstentgang von 128 englischen Pfund, was einem Schillingbetrag von 3.584,-- entspricht.
Nach der Auffassung des Erstgerichtes sei der Beklagte weder aufgrund gesetzlicher Bauvorschriften noch aufgrund der ihn im Rahmen des Gastaufnahmevertrages treffenden Pflicht, für die gefahrlose Benützung der seinen Gästen zugänglichen Räume und Einrichtungen zu sorgen, zur Verwendung von bruchsicherem Glas oder zur Anbringung eines Lattenrostes an der - im übrigen funktionstüchtigen - Pendeltür gehalten gewesen. Mangels einer solchen Pflicht habe er auch nicht für den Schaden des Klägers zu haften.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Klägers ist teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Eine Nichtigkeit des Berufungsurteils nach § 477 Abs. 1 Z 1 ZPO liegt allerdings nicht vor. Nach § 20 Z 5 JN ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes in bürgerlichen Rechtssachen ausgeschlossen, in welchen er bei einem untergeordneten Gericht an der Erlassung des angefochtenen Urteils oder Beschlusses teilgenommen hat. Da nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung der Richter bei der Fällung der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt haben muß, ist der Ausschließungsgrund dann nicht gegeben, wenn der Richter zwar in erster Instanz verhandelt, nicht aber die Entscheidung gefällt hat (Fasching I 203, derselbe in LB Rdz 163; JBl. 1981, 387). Wie der Revisionsgegner zutreffend hervorhebt, hat Dr. Purtscheller in erster Instanz lediglich die erste Tagsatzung und die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 26. April 1983 verrichtet, nicht aber die Entscheidung gefällt. Er war daher von der Entscheidung über die Berufung des Klägers nicht ausgeschlossen.
Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß der Inhaber eines Hotels schon aufgrund des Gastaufnahmevertrages in den Grenzen des Zumutbaren verpflichtet ist, für die gefahrlose Benützung der seinen Gästen zugänglichen Räume und Einrichtungen zu sorgen (EvBl. 1974/248; SZ 43/204 uva). Kommt ein Gast infolge eines Mangels dieser Einrichtungen zu Schaden, so obliegt seinem Vertragspartner der Beweis, daß ihn kein Verschulden trifft, weil die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB auch für die Verletzung vertraglicher Nebenpflichten gilt (JBl. 1979, 654; SZ 34/50 ua). Das Vorliegen einer baubehördlichen oder einer sonstigen Genehmigung kann den Hotelbesitzer nicht entschuldigen, wenn er die Gefahrenquelle kannte oder kennen mußte und ihm mögliche und zumutbare Maßnahmen zu deren Beseitigung unterläßt (ZVR 1971/10; 4 Ob 505/78 ua). In der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall kann dem Berufungsgericht aber nicht gefolgt werden. Die Türflügel der Pendeltür sind nach den Feststellungen der Vorinstanzen je 63 cm breit und 197 cm hoch, die Glaslichte beträgt 43 x 166 cm. Die seitlichen und oberen Rahmenteile sind nur je ca. 10 cm breit, der untere Rahmenteil hat nur eine Höhe von 21 cm. Die Türflügel waren mit nicht bruchsicherem Glas versetzt, Schlagleisten oder eine sonstige Bewehrung waren nicht vorhanden. Eine Pendeltür dieser Art stellt zwar nicht schon nach ihrer Konstruktion und Ausführung an sich für Benützer eine Gefahrenquelle dar. Bei Verwendung in einem gastgewerblichen Betrieb im Bereich des Zuganges zu einem Hallenbad bildet sie jedoch durch die spezifische Art und die Intensität ihrer Frequentierung eine Gefahr. Es ist nicht nur mit der Bildung von feuchten Flecken auf den Klinkern und der damit gegebenen Möglichkeit des Ausrutschens eines Gastes zu rechnen, sondern auch mit einer mißbräuchlichen Handhabung durch Kinder oder jugendliche Benützer des Hallenbades. Dies mußte auch dem Beklagten bekannt sein. Die Unterlassung jeglicher Entschärfung der Gefahrenquelle durch Schlagleisten oder eine sonstige Bewehrung ist ihm daher als Verletzung der ihn treffenden Sicherungspflicht anzulasten. Auf die baubehördliche Genehmigung oder das Fehlen einer behördlichen Auflage kann sich der Beklagte, wie schon oben dargelegt wurde, zu seiner Entlastung nicht berufen. Der Beklagte hat daher für den Schaden des Klägers zu haften. Beizupflichten ist ihm allerdings darin, daß den Kläger ein erhebliches Mitverschulden trifft.
Da der Kläger im Unfallszeitpunkt jedenfalls auch nach seinem Heimatrecht deliktsfähig war (Zweigert-Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung2 II 37), kann unerörtert bleiben, ob nach dem Inkrafttreten des IPR-Gesetzes die Deliktsfähigkeit nach dem Deliktsstatut oder nach dem Personalstatut zu beurteilen ist (vgl. hiezu Schwimann in Rummel, ABGB, Rdz 3 zu § 12 IPRG; Koziol, Haftpflichtrecht2 I 358 f). Die Bedeutung des Mitverschuldens für die Schadensteilung steht aber in keinem strukturellen Zusammenhang mit der Person, sodaß es insoweit sachgerecht ist, diese Frage nach dem Recht zu beurteilen, dem auch der Anspruch des Verletzten unterliegt, im vorliegenden Fall demnach nach österreichischem Recht vgl. SZ 46/45. Nach herrschender Ansicht kommt es bei der Schadensteilung insbesondere auch auf die Vorwerfbarkeit des Verhaltens an. Davon ausgehend ist aber dem Kläger das überwiegende Verschulden anzulasten. Zu seinen Ungunsten fällt nämlich ins Gewicht, daß sich der Unfall nicht etwa bei einem üblichen Durchqueren der Pendeltüre ereignete, sondern als der Kläger versuchte, im Laufen zwei vor ihm laufende Mädchen einzuholen. Es liegt auf der Hand, daß ein solches Verhalten in hohem Maße zur Verwirklichung der Gefahr beigetragen hat. Eine Verschuldensteilung von 2 : 1 zu Lasten des Klägers ist daher gerechtfertigt. Nach der Art der Verletzung des Klägers, den damit verbundenen Schmerzen und mit Rücksicht auf den komplikationslosen Heilungsverlauf ist unter Bedachtnahme auf vergleichbare Fälle (2 Ob 62/83) ein Schmerzengeld von S 100.000,-- angemessen. Die festgestellte ausgedehnte Narbenbildung ist als Verunstaltung anzusehen. Nach der jüngeren Rechtsprechung ist auch die Verminderung der Heiratsaussicht bei Männern nach § 1326 ABGB abzugelten (ZVR 1983/38; Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 6 zu § 1326 mwN). Unter Bedachtnahme auf die in vergleichbaren Fällen zuerkannte Entschädigung erscheint im vorliegenden Fall ein Betrag von S 20.000,-- angemessen. Zusammen mit den festgestellten Heilungskosten und dem Verdienstentgang ergibt sich somit ein Gesamtanspruch des Klägers von S 123.668,--; gekürzt um die Mitverschuldensquote ergibt dies einen Betrag von S 41.222,66. Der Beklagte hat bei der Tagsatzung am 13. Oktober 1986 den ihm im Zwischenstreit rechtskräftig zuerkannten Kostenersatzanspruch von S 10.981,30 aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung eingewendet. Auch eine bereits rechtskräftig festgestellte Forderung kann als Gegenforderung eingewendet werden. Die Entscheidung darüber hat sich aber auf die dadurch bedingte Tilgung der Klagsforderung zu beschränken (Fasching III 578). Beim Zinsenbegehren war jedoch darauf Bedacht zu nehmen, daß die Tilgung rückwirkend in jenem Zeitpunkt eingetreten ist, in dem sich Forderung und Gegenforderung aufrechenbar gegenüberstanden, das war im Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Kostenzuspruches am 3. April 1986. Das Feststellungsbegehren kann nicht abschließend beurteilt werden. Ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung ist zu bejahen, wenn die Möglichkeit offen ist, daß das schädigende Ereignis noch einen künftigen Schadenseintritt verursachen kann (SZ 45/78 ua). Darüber fehlen aber Feststellungen. Der Kläger hat sich auf die inneren Verletzungen berufen. Ob diese so ausgeheilt sind, daß die Möglichkeit eines weiteren Schadens auszuschließen ist, wird im fortgesetzten Verfahren noch zu prüfen sein. Demgemäß ist der Revision teilweise Folge zu geben. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 2 ZPO.
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