Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Mit Versäumungsendbeschluß des Bezirksgerichtes Bad Aussee vom 11. Juli 1983, C 59/83 -9, wurde festgestellt, daß der damalige Beklagte, DDr. Peter S***, die damalige Klägerin, Dr. Monika S***, dadurch, daß er das Haus Altaussee, Puchen 271, durch Anbringung von neuen Schlössern an den Hauseingangstüren versperren ließ, im ruhigen Besitz des "Mitbesitzrechtes" dieses Hauses gestört hat, und den Störer verpflichtet, an den Hauseingangstüren das frühere Schloß wieder anzubringen oder der damaligen Klägerin die Schlüssel für die nunmehrigen Schlösser zu übergeben oder übergeben zu lassen und sich jeder weiteren Störung bei Exekution zu enthalten.
Mit Beschluß vom 24. Juli 1984, E 1551/84-1, bewilligte das Titelgericht der seinerzeitigen Klägerin aufgrund des zitierten Versäumungsendbeschlusses ua. zur Herausgabe der zu den Schlössern der Hauseingangstüren des genannten Hauses passenden Schlüssel die Exekution.
In der am 9. Jänner 1985 unter Berufung auf § 35 EO eingebrachten, auf Unzulässigerklärung dieser Exekution gerichteten Klage gab der Kläger den Wert des nicht in einem Geldbetrag bestehenden Streitgegenstandes mit 300.000 S an und behauptete, daß dieser Wert sich am Wert der im Haus befindlichen Gegenstände orientiere.
Zu Beginn der (ersten) Tagsatzung am 25. Februar 1985 berichtigte der Kläger den Wert des Streitgegenstandes "im Sinne des § 16 Abs 1 Zahl f" (richtig § 16 Z 1 lit f GGG) auf 6.000 S. Diesen berichtigten Wert des Streitgegenstandes führten die Parteien übereinstimmend in allen weiteren Schriftsätzen und im gesamten Verfahren als Bemessungsgrundlage der von ihnen verzeichneten Rechtsanwaltskosten an. Auch das Erstgericht gab den berichtigten Wert des Streitgegenstandes im Kopf seines Urteils an. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Dagegen erhob der Kläger Berufung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache.
Das Berufungsgericht gab der Berufung Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es den betriebenen Anspruch für gehemmt erklärte. Unter Bezugnahme auf § 500 Abs 2 Z 1 und 3 ZPO sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige. Weiters sprach es aus, daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Zum Bewertungsausspruch führte das Berufungsgericht aus, daß § 16 Z 1 lit f GGG und § 10 Z 1 RATG für die Streitgegenstandsbewertung nach § 500 Abs 2 ZPO ohne Bedeutung seien. Andere Gründe, warum es den vom Kläger angegebenen berichtigten Wert des Streitgegenstandes nicht übernahm, gab das Berufungsgericht nicht an.
In der Revision beantragt die Beklagte die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung.
Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision, die er für eine außerordentliche hält, obwohl im Berufungsurteil ausgesprochen wurde, daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei, mangels der Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig.
Nach § 56 Abs 2 JN hat der Kläger, wenn er sich nicht erbietet, an Stelle der angesprochenen Sache eine bestimmte Geldsumme anzunehmen, oder kein alternatives Begehren auf Zuerkennung einer Geldsumme stellt, - dann ist nach Abs 1 der zitierten Gesetzesstelle die in der Klage angegebene Geldsumme für die Beurteilung der Zuständigkeit und für die Besetzung des Gerichtes maßgebend, - den Wert eines nicht in einem Geldbetrag bestehenden vermögensrechtlichen Streitgegenstandes in der Klage anzugeben. Bei Klagen auf Vornahme von Arbeiten oder anderen persönlichen Leistungen, auf Duldung oder Unterlassung, auf Abgabe von Willenserklärungen ist nach § 59 JN die vom Kläger angegebene Höhe seines Interesses als Wert des Streitgegenstandes anzusehen. Außer dem im § 60 Abs 1 JN bezeichneten Fall ist die in der Klage enthaltene Bewertung des Streitgegenstandes nach Abs 4 dieser Gesetzesstelle in Ansehung der Zuständigkeit und der Besetzung des Gerichtes sowohl für das Gericht als für den Gegner bindend. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der späteren Zivilverfahrensnovelle 1983, 669 BlgNR 15. GP 34, führen zur vorgeschlagenen Änderung des § 56 Abs 2 JN aus, daß der Wert des Streitgegenstandes nicht nur für die Zuständigkeit und die Besetzung des Gerichtes maßgebend sei, sondern auch für eine Reihe anderer Fragen, wie etwa für die Gründe, auf die eine Berufung gestützt werden kann (§ 501 ZPO).
Hat das Erstgericht über einen Streitgegenstand entschieden, der an Geld oder Geldeswert S 15.000,- nicht übersteigt, so kann das Urteil nach § 501 ZPO nur wegen Nichtigkeit und wegen einer ihm zugrunde liegenden unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache angefochten werden. Eine mündliche Verhandlung über die Berufung ist nur anzuberaumen, wenn das Gericht diese im einzelnen Fall für erforderlich hält.
Die zitierten Erläuterungen führen dazu auf S 58 u.a. aus, daß die vorgeschlagene Regelung den abrupten Übergang von dem sachlich unüberprüfbaren Bagatellurteil zu einem voll anfechtbaren Urteil durch eine Übergangsstufe mildere, in der das Urteil wohl sachlich überprüfbar sei, jedoch nur aus dem - wohl
wichtigsten - Revisionsgrund nach § 503 Z 4. Für die Beurteilung des Streitwerts solle in diesen Fällen grundsätzlich - so wie nach der schon geltenden Regelung des § 501 - die Bewertung des Klägers maßgebend sein.
Zu der durch die Regierungsvorlage vorgeschlagenen Bestimmung des § 502 Abs 2 Z 2 ZPO, wonach gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts ein weiterer Rechtszug unzulässig sein sollte, soweit der Beschwerdegegenstand an Geld oder Geldeswert S 10.000,-
nicht übersteigt, sagten die zitierten Erläuterungen auf S 58 u.a., dies stelle die Konsequenz des schon in dem Vorschlag einer Änderung des § 501 ausgedrückten Gedankens dar, zwar nicht die Bagatellgrenze auf S 10.000,- anzuheben, aber doch bis zu diesem Streitwert schon die Anfechtung der erstgerichtlichen Entscheidung weitgehend einzuschränken. Der Entwurf schlage daher vor, die Untergrenze der Zugänglichkeit des Obersten Gerichtshofs, die nach der derzeitigen Fassung des § 502 Abs 2 die Bagatellgrenze sei, auf S 10.000,-
anzuheben.
Im Bericht des Justizausschusses zur späteren Zivilverfahrensnovelle 1983, 1337 BlgNR 15. GP 18, heißt es zu § 501 ZPO u.a., auch bei der neuen Regelung bleibe die bisherige Rechtsprechung zum Bagatellverfahren anwendbar, daß der Kläger dem Beklagten nicht durch eine offensichtliche Unterbewertung die Rechtsmittelmöglichkeit beschränken dürfe, daß daher das Gericht eine offensichtliche Unterbewertung richtigzustellen habe (Fasching, Komm. III 867 f).
In der bezogenen Kommentarstelle (Anm 5 zu § 448 ZPO) führt Fasching aus, bei einem nicht in einer Geldsumme bestehenden Streitgegenstand, der vom Kläger gemäß § 56 Abs 2 und 57 ff JN bewertet werden müsse, binde die Bewertung des Klägers das Gericht nur für die Zuständigkeit und die Gerichtsbesetzung. Das Gericht könne von Amts wegen oder auf Antrag eine von ihm als offenbar erkannte oder vom Beklagten bewiesene Unterbewertung richtigstellen. Das gelte auch für die Überbewertung des Klägers.
In seinem Lehr- und Handbuch zum Zivilprozeßrecht führt Fasching bei der Behandlung der beschränkten Berufung des § 501 ZPO u.a. aus, daß bei nicht in einer Geldsumme bestehenden Begehren die Bewertung gemäß §§ 56 ff JN maßgebend sei (RZ 1836); die Revision sei bei Verfahren mit einem S 15.000,- nicht übersteigenden Streitwert generell unzulässig (RZ 1839). Nach früherer Lehre und Rechtsprechung sei trotz der Anfechtungsbeschränkungen für das damalige Bagatellverfahren zur Klärung der Frage, ob eine Bagatellsache vorliege, der volle Instanzenzug offengestanden. Dies müsse auch jetzt und hier für die Frage gelten, ob die Rechtsmittelbeschränkungen der §§ 501 und 517 ZPO anzuwenden seien. Werde etwa ein Rekurs gemäß § 517 ZPO deswegen zurückgewiesen, weil es sich um eine Streitsache mit einem S 15.000,- nicht übersteigenden Streitwert handle und keiner der Ausnahmsfälle des § 517 ZPO vorliege, dann sei ein Rekurs zur Prüfung der Frage, ob § 517 ZPO überhaupt angewendet werden könne, zulässig. Entsprechendes müsse auch für die Revision gelten, mit der ein Berufungsurteil bekämpft werde, das unter Berufung auf die - nach Meinung des Revisionswerbers zu Unrecht
angenommene - Unterschreitung der Grenze des § 501 ZPO die Bekämpfung der Tatfrage oder der Verfahrensmängel nicht behandelt habe (RZ 1840).
Zu § 502 Abs 2 Z 2 ZPO lehrt Fasching, diese Bestimmung schließe alle Revisionen gegen Urteile der Berufungsgerichte aus, deren Streitgegenstand S 15.000,- nicht übersteige. Dazu gehörten nicht nur Berufungsurteile gemäß § 501 ZPO, bei denen der Streitgegenstand des Ersturteils S 15.000,- nicht übersteige und die Berufung nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und wegen Nichtigkeit zulässig sei... (RZ 1869).
Aus den wiedergegebenen Erläuterungen zur späteren Zivilverfahrensnovelle 1983 zeigt sich die Absicht des Gesetzgebers, daß Urteile des Erstgerichts über einen an Geld oder Geldeswert S 15.000,- nicht übersteigenden Streitgegenstand künftig - anders als bisher in Bagatellsachen ergangene erstrichterliche Urteile - nicht nur wegen der im § 477 Abs 1 Z 1 bis 8 ZPO aufgezählten Nichtigkeiten, sondern wegen jeder Nichtigkeit und überdies auch wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit Berufung angefochten werden können, daß aber bei einem nicht in einem Geldbetrag bestehenden vermögensrechtlichen Streitgegenstand, der an Geldeswert S 15.000,- nicht übersteigt, dem Berufungsgericht nicht die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, durch einen nicht durch ein Rechtsmittel anfechtbaren Bewertungsausspruch nach § 500 Abs 2 ZPO die Revision zu ermöglichen.
§ 501 ZPO regelt daher den Rechtszug gegen Urteile des Erstgerichts über einen an Geld oder Geldeswert S 15.000,- nicht übersteigenden Streitgegenstand abschließend (RZ 1984/69; 1 Ob 668/84; 1 Ob 639/85; 8 Ob 658/85 und 1 Ob 1505/86, vgl auch JBl 1985, 113).
Diese Entstehungsgeschichte ergibt folgende Auslegung der insgesamt sicher nicht sehr klaren Gesetzesbestimmungen:
Wenn schon das Erstgericht über einen Streitgegenstand entschieden hat, der an Geldeswert S 15.000,- nicht übersteigt, ist das Gericht zweiter Instanz an den vom Kläger als Wert des Streitgegenstandes angegebenen Betrag gebunden, außer es liegt eine offensichtliche Unterbewertung vor. Weder § 501 ZPO noch § 517 ZPO enthalten nämlich den in § 500 Abs 2 ZPO vorkommenden Satz, daß das Gericht zweiter Instanz nicht an die Bewertung des Klägers gebunden sei, und die Unzulässigkeit eines Rechtsmittels an die dritte Instanz ist hier im § 502 Abs 2 Z 2 ZPO bzw. § 528 Abs 2 Z 5 ZPO auch jeweils ganz gesondert geregelt. Damit ergibt sich für diesen Bereich nach der Zivilverfahrens-Novelle 1983 die Rechtslage, die früher für Bagatellsachen galt. Aus der Beseitigung der Bestimmungen des § 502 Abs 2 Z 2 ZPO bzw. § 517 Abs 1 und 2 ZPO jeweils in der Fassung vor der Zivilverfahrens-Novelle 1983 ist also nicht abzuleiten, daß jetzt auch in diesen Fällen keine Bindung an die vom Kläger vorgenommene Bewertung gelten soll.
Hat jedoch das Erstgericht über einen Streitgegenstand entschieden, der an Geldeswert S 15.000,- übersteigt, dann (aber nur dann) kommt die Bestimmung des § 500 Abs 2 ZPO zum Tragen, daß das Gericht zweiter Instanz nicht an die Geldsumme gebunden ist, die der Kläger als Wert des Streitgegenstandes angegeben hat. Im ersten Fall steht es daher dem Gericht zweiter Instanz nicht frei, abweichend von der Bewertung des Klägers auszusprechen, daß eine der im § 500 Abs 2 Z 1-3 ZPO genannten Wertgrenzen überschritten wurde, ausgenommen es liegt eine offensichtliche Unterbewertung vor. Der Oberste Gerichtshof ist hier, wenn für eine solche offensichtliche Unterbewertung keine Anhaltspunkte vorliegen, auch nicht an einen diesbezüglich unrichtigen Ausspruch der zweiten Instanz gebunden (RZ 1984/69 ua.).
Im zweiten Fall steht es hingegen dem Gericht zweiter Instanz grundsätzlich frei, den Wert abweichend von der Bewertung des Klägers selbständig zu bestimmen. Hier ist der Oberste Gerichtshof an die Bewertung der zweiten Instanz grundsätzlich gebunden, außer es läge eine offensichtlich unrichtige Bewertung und damit ein willkürlicher Rechtsmittelausschluß oder eine rechtsmißbräuchliche Rechtsmittelerweiterung vor oder es würden sonstige Bewertungsrichtlinien der §§ 54 bis 60 JN verletzt
(ÖBl 1985, 166 ua.).
Der vorliegende Akt bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Kläger den Streitgegenstand mit dem berichtigten Betrag von 6.000 S offensichtlich unterbewertet hätte, weil es nur um den Anspruch auf Herausgabe von Haustorschlüsseln geht.
Daß der Kläger tatsächlich den von ihm angegebenen Wert des Streitgegenstandes und nicht (nur) die im § 16 Z 1 lit f GGG festgesetzte Bemessungsgrundlage berichtigen wollte, ergibt sich schon daraus, daß das genannte Bundesgesetz die Bewertung einer Streitigkeit über eine Oppositionsklage durch den Kläger gar nicht vorsieht, sondern in der zitierten Bestimmung dafür eine von der Bewertung des Streitgegenstandes durch den Kläger unabhängige Bemessungsgrundlage von 6.000 S festlegt.
Eine dieser Bemessungsgrundlage entsprechende Bewertung erschien dem Kläger auch für die von ihm vorzunehmende, zunächst zu hohe Bewertung des Streitgegenstandes seiner Oppositionsklage nach § 56 JN richtig, womit offensichtlich beide Parteien einverstanden waren, weil sie den berichtigten Wert des Streitgegenstandes auch als Bemessungsgrundlage nach § 4 RATG heranzogen.
Die Aussprüche des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs 2 und 3 ZPO sind daher im Sinne der obigen Ausführungen bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision nicht zu berücksichtigen (RZ 1984/69, die schon zitierten nichtveröffentlichten Entscheidungen und 3 Ob 625/86).
Die unzulässige Revision ist daher zurückzuweisen.
Die Revisionsbeantwortung, in der der gegebene Zurückweisungsgrund nicht geltend gemacht wurde, ist zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig, so daß ihre Kosten nicht zu ersetzen sind (§§ 40, 41 und 50 ZPO).
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