OGH 8Ob658/85

OGH8Ob658/8523.1.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien Hans-Alexander und Maria P***,

4642 Sattledt 210, beide vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagten Parteien Haydar und Gönül U***, Klosterstraße 4, 4020 Linz, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Moringer, Rechtsanwalt in Linz, wegen Aufkündigung infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 22.Oktober 1985, GZ. 13 a R 670/85-8, womit der Rekurs der Beklagten gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 2.September 1985, GZ.23 C 533/85-5, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Rekursgerichtes wird aufgehoben und dem Gericht zweiter Instanz die neuerliche Entscheidung in der Sache selbst aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Kläger kündigten den Beklagten die im 2.Stock des Hauses Klosterstraße Nr.4 in Linz hofseitig gelegene Wohnung zum 31. Juli 1985 auf. Als Kündigungsgrund wurde geltend gemacht, daß die Beklagten die im Mietvertrag vereinbarten Arbeitsleistungen nicht mehr erbringen.

Die Beklagten erhoben rechtzeitig Einwendungen, beantragten die Aufhebung der Kündigung und brachten vor, daß sie die vereinbarten Arbeiten stets erbracht und den Mietzins stets bezahlt hätten. Am 17.Juni 1985 leiteten die Beklagten bei der Mietzinsschlichtungsstelle des Magistrates der Stadt Linz ein Verfahren zur Feststellung des höchstzulässigen Hauptmietzinses und dessen Überschreitung durch den vereinbarten Mietzins ein. Sie beantragten ferner die Unterbrechung des Kündigungsprozesses gemäß § 41 MRG bis zur Beendigung des bei der Schlichtungsstelle eingeleiteten Verfahrens. Da sie unter anderem auch die sachliche Unzuständigkeit des Erstgerichtes einwandten, schränkte das Erstgericht die Verhandlung auf die Behandlung dieser Frage ein und schloß die Verhandlung nach Vernehmung des Erstklägers und der beiden Beklagten.

Nach Wiedereröffnung des Verfahrens gemäß § 194 ZPO wies das Erstgericht den Unterbrechungsantrag der Beklagten ab. Das Rekursgericht wies den dagegen eingebrachten Rekurs der Beklagten zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt und daß der Rekurs nach §§ 528 Abs.2, 502 Abs.4 Z.1 ZPO zulässig sei. Das Gericht zweiter Instanz führte aus:

Gemäß § 41 MRG sei das Verfahren über einen Rechtsstreit von Amts wegen zu unterbrechen, wenn die Entscheidung von einer Vorfrage abhängt, über die ein Verfahren nach § 37 MRG beim Gericht oder der Gemeinde bereits anhängig ist. Es handle sich dabei um eine obligatorische Unterbrechung, die im Rechtsmittelweg erzwungen werden kann. Es sei daher auch die Ablehnung der Unterbrechung anfechtbar, sodaß der Rechtsmittelausschluß des § 192 Abs.2 ZPO der Zulässigkeit des Rekurses nicht entgegensteht. Bei einem S 15.000,-- nicht übersteigenden Streitgegenstand sei jedoch der Rekurs - neben anderen, hier nicht in Betracht kommenden Fällen - gemäß § 517 Z.1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Einleitung oder Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens verweigert wurde. Das Rechtsmittelgericht sei zwar bei der Prüfung der Anwendbarkeit der Rechtsmittelbeschränkungen der §§ 501, 517 ZPO nicht an die vom Kläger vorgenommene Bewertung gebunden, doch gelte dies nur für den Fall einer offensichtlichen Unterbewertung. Anhaltspunkte dafür, daß die von den Klägern gemäß § 56 Abs.2 JN vorgenommene Bewertung des Streitinteresses mit S 6.000,-- (AS 5) kraß unrichtig sein sollte, seien nicht vorhanden. Die Vorschrift des § 500 Abs.2 letzter Satz ZPO, nach der Bestandstreitigkeiten stets mit mehr als S 15.000,-- zu bewerten sind, gelte nach Auffassung des Rekursgerichtes nur für das Verfahren vor dem Rekursgericht selbst und bewirke nicht, daß § 517 ZPO in Bestandsachen unanwendbar sei. Es sei daher von dem von den Klägern angegebenen Streitwert von S 6.000,-- auszugehen, sodaß der Rekurs gemäß § 517 ZPO als unzulässig zurückzuweisen war. Die Bewertung des Beschwerdegegenstandes beruhe auf den §§ 526 Abs.3, 500 Abs.2 ZPO. Soweit für das Rekursgericht überschaubar, bestehe zu der für das Verfahrensrecht bedeutsamen Rechtsfrage, ob die Bewertungsvorschrift des § 500 Abs.2 letzter Satz ZPO bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Rekurses heranzuziehen ist, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Es lägen daher die Voraussetzungen des § 502 Abs.4 Z.1 ZPO vor.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Beschluß des Rekursgerichtes dahin abzuändern, daß dem Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes Folge gegeben und das Verfahren gemäß § 41 MRG bis zur Entscheidung der Mietzinsschlichtungsstelle unterbrochen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Ansicht des Rekursgerichtes, wonach § 500 Abs.2 Z.3 letzter Satz ZPO nicht auch auf die Bewertung des Rekursgegenstandes zu beziehen wäre, sei unrichtig. Letzteren Ausführungen kommt Berechtigung zu:

Wie das Rekursgericht selbst ausführt, ist das Gericht an eine vom Kläger vorgenommene Bewertung des Streitgegenstandes im Falle einer offensichtlichen Unterbewertung nicht gebunden (Fasching, Kommentar III, 868; vgl. auch SZ 22/108; JBl. 1980,103; Rz 1984/69 S 212 ua). Im Gegensatz zu den oben wiedergegebenen Folgerungen, die das Gericht zweiter Instanz diesen Erwägungen anschließt, ergibt sich aus § 502 Abs.2 Z.3 letzter Satz ZPO jedoch eindeutig, daß die im § 49 Abs.1 Z.5 JN genannten (Bestand-)Streitigkeiten jedenfalls mit einem S 15.000,-- übersteigenden Betrag zu bewerten sind; eine Bewertung darunter stünde mit dem ausdrücklichen Gesetzesbefehl in offensichtlichem Widerspruch. Die Judikatur (1 Ob 702/85) hat demnach ebenso wie die Literatur (Fasching, Zivilprozeßrecht Rdz 1836, 1879) zutreffend die Ansicht vertreten, daß auch die Rekursbeschränkungen nach § 517 ZPO in Bestandsachen nicht anzuwenden sind.

Von den dargelegten Grundsätzen abzugehen, besteht auch noch aus weiteren Erwägungen kein Anlaß: Wirkt die gesetzliche Anordnung des § 500 Abs.2 Z.3 letzter Satz ZPO, wonach die im § 49 Abs.1 Z.5 JN genannten Streitigkeiten jedenfalls mit einem S 15.000,-- übersteigenden Betrag zu bewerten sind, für das Berufungsverfahren dahin, daß keine beschränkte Berufung gemäß § 501 ZPO stattfindet (Fasching, Zivilprozeßrecht Rdz 1836), so muß dies insoweit auch für das Rekursverfahren gelten, als demnach von einem Streitgegenstand unter S 15.000,-- gemäß § 517 ZPO nicht gesprochen werden kann, ohne sonst eine untunliche zweigeleisige Bewertung von Bestandstreitigkeiten für das Berufungsverfahren einerseits und das Rekursverfahren andererseits nach sich zu ziehen.

Der von den Beklagten bekämpfte Beschluß des Erstgerichtes war demnach im Gegensatz zur Ansicht des Rekursgerichtes anfechtbar. Seiner Zulässigkeit stand auch § 192 Abs.2 ZPO nicht entgegen (MietSlg.34.354; 34.720; Würth-Zingher MRG Anm.3 zu § 41). Dies hat zur Folge, daß der Zurückweisungsbeschluß des Rekursgerichtes aufzuheben und diesem die Entscheidung über den Rekurs der Beklagten in der Sache selbst aufzutragen war.

Der Kostenausspruch beruht auf § 52 ZPO.

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