Spruch:
Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 11. Juli 1985, GZ 2 a E Vr 5066/85-12, verletzt durch den gegen Anna S*** ergangenen Schuldspruch wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 StGB das Gesetz in der Bestimmung des § 166 StGB.
Dieses Urteil, das in Ansehung der Verurteilung des Karl Michael B*** und der darauf basierenden Verfügungen unberührt bleibt, wird ebenso wie die folgenden, Anna S*** betreffenden Verfügungen aufgehoben und die Sache insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem im Spruch bezeichneten Urteil wurde die am 5.Juli 1965 geborene Anna S*** (nunmehr verehelichte P***) des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 12 (dritter Fall), 146, 147 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Darnach hat sie im November und Dezember 1984 zur Ausführung der von Karl Michael B*** verübten strafbaren Handlung - und zwar der mit Bereicherungsvorsatz verübten Verleitung von Angestellten der C***-B*** durch Täuschung über
Tatsachen, nämlich die Vorlage von sieben Schecks, lautend auf das Gehaltskonto des Franz S*** (des Vaters der Anna S***), auf denen B*** die Unterschrift des Kontoinhabers nachgemacht hatte, zu Handlungen, die das genannte Bankinstitut zur Auszahlung von 11.000 S Bargeld schädigten - dadurch beigetragen, daß sie die Scheckformulare (ihrem Vater) Franz S*** entfremdete, Geldbeträge einsetzte und die Formulare zwecks Einlösung dem Karl Michael B*** übergab.
Das Verfahren wurde über einen schriftlichen Antrag des Anklägers auf Bestrafung (§ 483 StPO) eingeleitet, in dem (wörtlich:) "die C***-B*** bzw Franz S***" als
Geschädigte angeführt waren. Franz S*** hatte allerdings in Ansehung seiner Tochter kein Verlangen auf Strafverfolgung gestellt. Im Urteil ging das Gericht - wie dem gemäß §§ 458 Abs. 2, 488 Z 7 StPO verfaßten Vermerk im Zusammenhalt mit der Streichung des diesbezüglichen Satzteiles im Strafantrag ON 3 zu entnehmen ist - in rechtlicher Hinsicht davon aus, daß durch die abgeurteilte Tat (nur) das Bankinstitut (und nicht Franz S***) am Vermögen geschädigt worden war.
Nach Ansicht der Generalprokuratur steht dieses Urteil mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Rechtliche Beurteilung
Nach herrschender Lehre (Leukauf-Steininger Komm 2 § 146 RN 33; Kienapfel BT II RN 83, 89 zu den allgemeinen Vorbemerkungen, RN 119, 121, 133 zu § 146; Liebscher in WK RZ 19 zu § 166) und Rechtsprechung (13 Os 179/79 und die dort zitierte Literatur und Judikatur; 13 Os 11/81 = LSK 1981/89; 10 Os 150/81 = RZ 1982/34; 11 Os 76/81 = LSK 1981/120; 13 Os 72/83 und 13 Os 201/83) ist einerseits der im § 146 StGB gebrauchte Begriff der "Schädigung am Vermögen" im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu interpretieren und andererseits beim Betrug nicht erforderlich, daß der vom Täter bewirkte Schaden ein dauernder ist (Leukauf-Steininger aaO). Demnach genügt es für die Annahme eines Schadens, wenn der Geschädigte für einen wirtschaftlich nicht ganz bedeutungslosen Zeitraum um die Verfügungsmacht über einen Teil seines Vermögens gebracht wird.
Hievon ausgehend gelangte die jüngere Judikatur insoweit übereinstimmend zu dem Ergebnis, daß bei der Einlösung falscher oder verfälschter Schecks die damit verbundene effektive Einbuße an Vermögenssubstanz nach dem normalen Verlauf der Dinge - in der Regel also - jedenfalls zunächst (und nach Maßgabe der allgemeinen Geschäftsverbindungen zumeist auch auf Dauer) den Kontoinhaber treffe, wobei allerdings ein Teil der Entscheidungen (vgl 11 Os 76/81 = LSK 1981/120 = EvBl 1981/193; 10 Os 150/81 = RZ 1982/34; 11 Os 194/82) dies von vornherein auf den Fall einschränkte, daß im Zeitpunkt der Tat auf dem betreffenden Konto ein Guthaben bestehen müsse, weil nur dann der Kontoinhaber einen effektiven Schaden erleide. Demgegenüber steht ein anderer Teil der Judikatur (LSK 1981/89 = EvBl 1981/224 = JBl 1981, 551; 13 Os 72/83 = LSK 1983/157, 158; 13 Os 201/83 = LSK 1984/144), der vermeinte, daß es irrelevant sei, ob der Scheck durch ein Kontoguthaben oder durch die bloße Einlösungsbereitschaft des bezogenen Kreditinstitutes - als Voraussetzung der Auszahlung an den Betrüger - gedeckt ist. Denn auch im zuletzt angeführten Fall (oder bei einer Mischung der beiden Varianten, falls der Aktivstand geringer war als der abgehobene Betrag) sei die nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu beurteilende finanzielle Leistungskraft des Kontoinhabers durch Verringerung seines zur Tatzeit aktuellen Überziehungsrahmens geschmälert und er außerstande gesetzt, ihn in wirtschaftlich voller Höhe zu nutzen. Beide Ansichten sind nach dem Dafürhalten des erkennenden Senates miteinander durchaus vereinbar. Im Regelfall wird zwar der Schaden, insbesondere dann, wenn sich die mit dem Scheck bewirkte Bewegung am Konto innerhalb des Guthabens zuzüglich eines eingeräumten Überziehungsrahmens bewegt, den Kontoinhaber treffen, weil dieser durch die (unrechtmäßige) Abbuchung für eine im Wirtschaftsleben nicht ganz unbeachtliche Zeit um die Möglichkeit einer Verfügung über sein Vermögen gebracht wird. Das schließt jedoch keineswegs aus, daß sich der Schaden - abweichend vom beschriebenen Regelfall - gelegentlich, nämlich dann, wenn die (vermeintlich) für den Kontoinhaber tätig werdende Bank durch die Auszahlung der Schecksumme an den Inhaber des Schecks gegen den Kontoinhaber von vornherein keine einbringliche Forderung erwirbt, primär und unmittelbar im wirtschaftlichen Vermögen der (solcherart bloß formal in Vorlage tretenden) Bank ereignet.
Gemäß § 488 Z 7 StPO können im Falle einer Verurteilung die im § 260 Z 1 StPO genannten Angaben ganz oder teilweise durch Verweisung auf den Strafantrag ersetzt werden, wenn das Gericht den darin dargestellten wesentlichen Sachverhalt ohne Änderung als erwiesen angenommen hat.
Vorliegend hat nun das Erstgericht - wie oben dargetan - den Wortlaut des Strafantrages sowohl in Ansehung der Schadenshöhe als auch in der Bezeichnung des Geschädigten geändert, ohne die abweichenden Feststellungen im Protokolls- und Urteilsvermerk ON 12 anzuführen.
Da sich bei einem derartigen Vermerk die dem Schuldspruch zugrundegelegten Feststellungen aber allein aus dem Urteilsspruch ergeben und dieser - nach dem Gesagten - infolge kommentarloser Verweisung auf den Strafantrag, in dem Franz S*** als Geschädigter schlicht gestrichen wurde, die Frage, warum vom "Regelfall" iS der obigen Ausführungen abgegangen wurde, nicht zu beantworten gestattet, erweist sich die Sache infolge gravierender Feststellungsmängel in Ansehung der Anna S*** betreffenden Verurteilung als noch nicht spruchreif; es war daher insoweit spruchgemäß zu erkennen.
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