OGH 13Os201/83

OGH13Os201/8323.5.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.Mai 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider (Berichterstatter), Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Starlinger als Schriftführers in der Strafsache gegen Claudia A wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach § 146, 147 Abs. 1 Z. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien als Schöffengerichts vom 10. Oktober 1983, GZ. 1 a Vr 863/83-19, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Stöger, der Angeklagten, ihrer gesetzlichen Vertreterin Renate A, des Verteidigers Dr. Prüfling und der Privatbeteiligtenvertreterin Kleindina zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das imübrigenunberührt bleibt, im Schuldspruch A, im Strafausspruch und im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Claudia A wird von der Anklage, zwischen dem 1.April 1983 und dem 4. April 1983 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Erwachsenen Bozidar B mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über ihre Verfügungsberechtigung hinsichtlich des Kontos des Karl A bei der C

D E Magistra Rudolfine F zur Auszahlung von 1.500

S und Helene G zur Auszahlung von 500 S verleitet zu haben, wobei sie falsche Urkunden, nämlich Schecks mit der nachgemachten Unterschrift des Karl A, benützte und hiedurch das Vergehen des schweren Betrugs nach § 146, 147 Abs. 1 Z. 1 StGB begangen zu haben, gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Für das ihr gemäß dem unberührt gebliebenen Schuldspruch B weiterhin zur Last liegende Vergehen der Urkundenunterdrückung nach Par 229 Abs. 1 StGB wird Claudia A gemäß dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 11 Z. 1 JGG. zu einer Freiheitsstrafe von 1 (einem) Monat verurteilt.

Die Privatbeteiligte C D E wird mit ihren Ansprüchen gemäß § 366 Abs. 1 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Die Angeklagte wird mit ihrer Berufung auf die obige Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390a StPO fallen der Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Das Jugendschöffengericht hat folgenden Sachverhalt als erwiesen angenommen: Die am 20.Juni 1967 geborene beschäftigungslose Claudia A und ihr Freund, der am 22.Februar 1965 geborene Gelegenheitsarbeiter Bozidar B brachen zwischen dem 1. und 4.April 1983 in die Wohnung der Eltern des Mädchens ein. Dort nahmen sie die Scheckkarte und ein Scheckheft des Karl A, des Vaters der Jugendlichen, der ein Konto bei der C D E hat, an sich. Im Einverständnis mit Claudia A machte B die Unterschrift des Karl A auf zwei Scheckformularen nach.

Sodann legten die Minderjährige und B einen Scheck über 1.500 S in einer Apotheke der Magistra Rudolfine F und den zweiten Scheck über 500 S in einem Textilgeschäft der Helene G zur Einlösung vor. Die Täter erhielten beide Beträge ausbezahlt. Die Scheckkarte warfen das Mädchen und sein Freund weg; dabei war ihnen bewußt, daß dem Berechtigten dadurch die Möglichkeit genommen wurde, sich künftig der Scheckkarte im Rechtsverkehr zu bedienen. Die C löste die ihr präsentierten Schecks ein, belasteteaber dasKontodesKarlAmit2.000S. Erst nachdem der Kontoinhaber nachgewiesen hatte, daß die Schecks nicht von ihm ausgestellt waren, wurde ihm der Betrag von 2.000 S wieder gutgeschrieben (S. 105).

Die darnach gegen sie ergangenen Schuldsprüche wegen der Vergehen des schweren Betrugs nach § 146, 147 Abs. 1 Z. 1 StGB (A) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 StGB (B) ficht Claudia A aus § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a (sachlich auch Z. 9 lit. b) StPO an. Die Urteilsfeststellung, sie und B hätten die Scheckkarte an sich genommen und später weggeworfen, bezeichnet die Beschwerdeführerin als aktenwidrig; diese Handlungen könne nur eine Person ausführen, wer das aber gewesen sei, bleibe im Urteil offen.

Dieser Einwand versagt aus zwei Gründen: Einmal, weil auf Grund der geständigen Verantwortung der Rechtsmittelwerberin vor der Polizei

(S. 19) und in der Hauptverhandlung (S. 95, 97) ihr bewußtes und gewolltes Zusammenwirken mit B auch punkto Urkundenunterdrückung angenommen wurde; zum andern, weil bei der sohin erwiesenen Mittäterschaft nach ständiger Rechtsprechung nicht jeder Mittäter alle Ausführungshandlungen setzen muß, aber jeder für den ganzen Erfolg haftet. Wer von den beiden, einverständlich zusammenwirkenden Tätern die Scheckkarte mit eigener Hand von ihrem Aufbewahrungsort weggenommen und wer sie schließlich in einen Abfallkübel geworfen hat, kann folglich auf sich beruhen; waren dies doch nur Teilakte des Vergehens nach § 229 StGB, dessen Verwirklichung mit der gemeinsam bewerkstelligten Wegnahme in der Wohnung der Eltern der Angeklagten A begann und mit der Preisgabe der Karte endete.

Rechtliche Beurteilung

Einen weiteren Begründungsmangel erblickt die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Annahme des Vorsatzes der Gebrauchsverhinderung, weil das Wegwerfen der Scheckkarte lediglich der Verschleierung der Vortat (Betrug) gedient habe. Hier verwechselt die Nichtigkeitswerberin Beweggrund und Vorsatz. Das Motiv der Urkundenunterdrückung bzw. der schließlichen Dereliktion mag wohl die Verschleierung des Scheckbetrugs gewesen sein. Der Vorsatz bei der Beseitigung der Scheckkarte indessen war, zu verhindern, daß die Karte im Rechtsverkehr (zum Beweis eines Rechts u. s.w.) gebraucht werde.

Diesen Vorsatz konnte der Gerichtshof in der Form des für die subjektive Tatseite des § 229 StGB ausreichenden Begleitwissens (SSt. LI/21, LSK. 1981/1, 1982/112) auf Grund des oben angeführten und mängelfrei konstatierten Geschehensablaufs, demnach mit zureichender Begründung als erwiesen ansehen (S. 104 unten). Soweit die im Faktum B erhobene Rechtsrüge den Gebrauchsverhinderungsvorsatz bestreitet, hält sie nicht an dem soeben erörterten subjektiven Urteilssachverhalt fest. Der unter § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO des weiteren behauptete Mangel der Feststellung einer tatbestandsmäßigen Handlung der Angeklagten (Vernichten, Beschädigen, Unterdrücken, Wegwerfen) erscheint bereits durch die vorstehenden Ausführungen widerlegt, wonach es bei der Rechtsfigur der Mittäterschaft nicht darauf ankommt, wer jede einzelne, etwa auch die letzte Ausführungshandlung setzt.

Sonach war die Beschwerde zu verwerfen, sofern sie sich gegen den Schuldspruch ob § 229 StGB richtet.

Hingegen kommt diesem Rechtsmittel, der Sache nach aus dem Grund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO, im Faktum A Berechtigung zu. Nach wiederholt ausgesprochener Ansicht des Obersten Gerichtshofs ist im Strafrecht in bezug auf den Begriff des Vermögens eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten (JBl. 1981 S. 551, LSK. 1983/157, 13 Os 179/79). Darnach trifft bei der Einlösung falscher oder verfälschter Schecks die Einbuße an Vermögenssubstanz infolge grundsätzlicher prompter Abbuchung zunächst den Kontoinhaber. Unbeschadet der formaljuristischen Eigentumsverhältnisse und der privatrechtlichen Haftungsregelungen ist es daher der Kontoinhaber, der, wenn auch (bei möglicher Schadensüberwälzung) etwa nur vorübergehend, geschädigt wird (siehe abermals JBl. 1981 S. 551,

LSK.

1983/157). Nach der Präsentation der Schecks mit den nachgemachten Unterschriften des Karl A durch Magistra Rudolfine F und Helene G hat die C mit dem an die beiden Frauen ausbezahlten Gesamtbetrag von 2.000 S unverzüglich das Konto des Vaters der Beschwerdeführerin belastet (Urteilsfeststellung S. 105).

Erst als Karl A nachwies, daß er die beiden Schecks nicht unterfertigt hat, wurde seinem Konto der Betrag von 2.000 S (übrigens nach vier Monaten: S. 97) wieder gutgeschrieben. Wendet man die angeführten Grundsätze der Rechtsprechung auf diesen Sachverhalt an, so bedarf es keiner weiteren Begründung, daß der durch das betrügerische Vorgehen der Beschwerdeführerin unmittelbar Geschädigte ihr Vater war. Claudia A hat das Vergehen des schweren Betrugs (§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1 StGB) zum Nachteil eines Verwandten in gerader Linie begangen. Gemäß § 166 Abs. 3 StGB ist in einem solchen Fall der Täter nur auf Verlangen des Verletzten zu verfolgen. § 43 Abs. 1 JGG. ordnet an, daß strafbare Handlungen, die sonst nur auf Verlangen des Verletzten geahndet werden können, auf dessen Antrag unter weiteren, hier nicht interessierenden Voraussetzungen der Staatsanwalt zu verfolgen hat. Der Geschädigte Karl A hat erklärt, keinen Antrag auf strafgerichtliche Verfolgung seiner Tochter zu stellen (S. 21).

Daraus ergibt sich zusammenfassend, daß der Jugendgerichtshof Wien die Strafverfolgung der Claudia A wegen des Vergehens des schweren Betrugs ohne den nach § 166 StGB, § 43 JGG.

erforderlichen Antrag eingeleitet (§ 2 Abs. 4 StPO) und durchgeführt hat. Das angefochtene Urteil ist darum insoweit gemäß § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO nichtig, weil Umstände vorhanden sind, durch welche die Verfolgung der Claudia A wegen Betrugs ausgeschlossen ist (Mangel des Antrags ist Verfolgungshindernis: vgl. § 2 Abs. 3 und 4 StPO und LSK. 1976/134).

Ohne, daß auf das übrige diesbezügliche Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte, war daher in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde Claudia A gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3, 259 Z. 3 StPO (siehe neuerlich LSK. 1976/134) vom Anklagevorwurf des Betrugs sofort freizusprechen.

Auf der Grundlage des § 229 Abs. 1 StGB (§ 11 Z. 1 JGG.) war über die Angeklagte eine neue Strafe zu verhängen. Dabei waren drei auf der gleichen schädlichen Neigung (siehe § 71 StGB: Beweggrund stets Vermögensschädigung) beruhende Verurteilungen erschwerend, das Geständnis der Angeklagten, die ungünstigen häuslichen und Erziehungsverhältnisse sowie die durch Bezahlung von 1.000 S (nicht 2.000 S: siehe S. 98) an ihre Eltern (zur Abgeltung des Einbruchschadens: S. 96, 105) bewiesene Einsicht in die Verwerflichkeit ihres Verhaltens waren mildernd. In Abwägung dieser Umstände erschien die ausgesprochene Strafe schuldangemessen. Eine bedingte Maßnahme kam im Hinblick auf drei Vorverurteilungen wegen (teils versuchten) Diebstahls nicht mehr in Betracht. Die Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg folgt nunmehr zwingend aus § 366 Abs. 1 StPO Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf die Strafneubemessung und auf den Ausspruch nach § 366 Abs. 1 StPO zu verweisen.

Der Kostenausspruch gemäß § 389 StPO blieb gleich dem Schuldspruch B von der teilweisen Urteilsaufhebung unberührt.

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