OGH 7Ob24/85

OGH7Ob24/854.7.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.Manfred A, Angestellter, Nußdorf, Waidach 25, vertreten durch Dr. Karl Friedrich Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei B C Versicherungs-Aktiengesellschaft, Wien 1., Brandstätte 7-9, vertreten durch Dr. Erich Meusburger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 27.892,39 s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 24.Jänner 1985, GZ. 32 R 4/85-17, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 27.September 1984, GZ. 17 C 1693/82-13, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger hatte im Jahre 1979 für sein Einfamilienhaus in Nußdorf bei der beklagten Partei eine vorerst prämienfreie Feuerversicherung (mit Rohbauklausel) abgeschlossen, die im Jahre 1982 durch eine Eigenheimversicherung ersetzt wurde. Diese umfaßt die Versicherungssparten Feuer-, Leitungswasserschaden-, Sturmschaden- und Haftpflichtversicherung, Versicherungsbeginn ist der 29.12.1981. Für die Zeit bis 9.7.1982 betrug die Prämie S 1.680, ab 9.7.1982 beträgt die Folgeprämie S 1.591 halbjährlich. Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS) 1971 und die Allgemeinen Bedingungen für Versicherungen gegen Leitungswasserschaden (D) 1971 zugrunde. Nach Art.4 Abs.2 der ABS beginnt der Versicherungsschutz mit der Einlösung der Polizze, jedoch nicht vor dem darin festgesetzten Zeitpunkt. Wird die erste Prämie erst nach diesem Zeitpunkt eingefordert, alsdann aber ohne Verzug bezahlt, beginnt der Versicherungsschutz zu dem in der Polizze festgesetzten Zeitpunkt. Für die Folgen nicht rechtzeitiger Prämienzahlung gelten die §§ 38, 39 bzw. 91 VersVG (Art.4 Abs.3 ABS). Nach Art.6 Abs.2 D übernimmt der Versicherungsnehmer die Verpflichtung, in nicht benutzten und nicht beaufsichtigten Baulichkeiten die Wasserleitungsanlagen und sonstige wasserführende Anlagen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten. Das gleiche gilt für vorübergehend außer Betrieb gesetzte Anlagen. In der Nacht vom 22. auf den 23.1.1982 entstand im Haus des Klägers ein Wasserrohrbruch, für den der Kläger die vereinbarte Versicherungsleistung begehrt. Die Prämie für die Zeit vom 29.12.1981 bis 9.7.1982 wurde vom Kläger am 23.2.1982 bezahlt. Die beklagte Partei beruft sich auf Leistungsfreiheit wegen nicht rechtzeitiger Bezahlung der Erstprämie und auf Verletzung der Obliegenheit nach Art.6 Abs.2 D. Die Polizze sei dem Kläger bereits am 1.2.1982 übermittelt worden. Der Wasserrohrbruch sei durch Frosteinwirkung entstanden. Da der Kläger sein Haus nur zum Wochenende bewohnt habe, wäre er gehalten gewesen, während seiner Abwesenheit die Wasserleitungsanlagen zu entleeren oder für eine konstante Raumtemperatur zwischen 5 und 7 Grad Celsius zu sorgen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen wurde die Versicherungspolizze von der beklagten Partei am 29.1.1982 mittels eines Computers erstellt und am 1. bzw.2.2.1982 samt Anhang II/01 (Beilage 3) dem Kläger übersandt. Das Erstgericht bejahte die Leistungsfreiheit der beklagten Partei nach § 38 Abs.2 VersVG, weil der Kläger die Erstprämie erst ca.3 Wochen nach Zustellung der Polizze bezahlt habe.

Nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes komme es im vorliegenden Fall nicht darauf an, wann der Kläger die Erstprämie bezahlt habe, weil eine Rückwärtsversicherung vorliege. Bei einer Rückwärtsversicherung komme die Verzugsfolge des § 38 Abs.2 VersVG nur dann zum Tragen, wenn der Versicherungsfall nach Fälligkeit der Erstprämie eintrete. Im vorliegenden Fall seien jedoch der Versicherungsfall und demnach die Leistungspflicht der beklagten Partei bereits vor Fälligkeit der Erstprämie eingetreten. Die bereits eingetretene Leistungspflicht könne nicht rückwirkend wegen eines späteren Prämienverzuges wieder beseitigt werden. Die beklagte Partei könne sich daher nicht auf Leistungsfreiheit wegen nicht rechtzeitiger Bezahlung der Erstprämie berufen. Das Erstgericht werde demgemäß den Einwand der Obliegenheitsverletzung zu prüfen und allenfalls auch Feststellungen über die Höhe des Schadens zu treffen haben.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes erhobene Revisionsrekurs der beklagten Partei ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Zwar steht die Qualifikation der für die Zeit vom 29.12.1981 bis 9.7.1982 geschuldeten Prämie als Erstprämie und des Versicherungsverhältnisses als Rückwärtsversicherung durch das Berufungsgericht mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im Einklang (zur Prämienqualifikation: 7 Ob 34/84, 7 Ob 65/83; zur Rückwärtsversicherung: 7 Ob 10/85, 7 Ob 65/83). Die die Deckungspflicht für einen vor dem Verzug des Versicherungsnehmers mit der Zahlung der Erstprämie eingetretenen Versicherungsfall betreffende Leitentscheidung des Obersten Gerichtshofes (7 Ob 10/85) erging jedoch erst nach der Entscheidung der zweiten Instanz, sodaß der Rechtskraftvorbehalt insoweit jedenfalls gerechtfertigt war (vgl.Petrasch, Die Zivilverfahrensnovelle 1983 in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in ÖJZ 1985, 298).

Die Qualifikation der Prämie als Erstprämie wird von den Parteien nicht in Zweifel gezogen. In den schon zitierten Entscheidungen 7 Ob 65/83 und 7 Ob 10/85 hat sich der Oberste Gerichtshof im Sinne der als überzeugend angesehenen Argumente von Prölss-Martin (VVG 23 40) der Rechtsprechung des BGH (VersR 1982, 841) angeschlossen, daß die Anführung eines zurückliegenden Zeitpunktes als Versicherungsbeginn im Versicherungsschein im Regelfall den Abschluß einer Rückwärtsversicherung bedeutet (vgl.auch SZ 37/98), weil der für den Versicherer erkennbare Wille des Versicherungsnehmers in der Tat nicht darauf gerichtet sein kann, ohne jede Gegenleistung nur die Prämienbelastung auf einen Zeitraum vor dem Versicherungsbeginn zu erweitern. Wenn daher der Versicherer einen früheren Versicherungsbeginn akzeptiert, gilt im Zweifel eine Rückwärtsversicherung als vereinbart, falls nicht die Vorverlegung des Versicherungsbeginns auch ohne Leistungspflicht des Versicherers für den Versicherungsnehmer von Vorteil ist (7 Ob 65/83). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß die ABS eine erweiterte Einlösungsklausel (Art.4 Abs.2) enthalten, die als Vereinbarung einer Rückwärtsversicherung anzusehen ist (vgl.Prölss-Martin aaO, 221). Damit ist aber auch bereits das Argument des Rekurswerbers entkräftet, daß eine Rückwärtsversicherung vereinbart sein muß. Der vom Rekurswerber aufgezeigte Vorteil, nämlich die Vorverlegung des Haftungszeitraumes, macht das Wesen der Rückwärtsversicherung aus. Wird die erste Prämie bei der Rückwärtsversicherung gezahlt, so wirkt diese Zahlung nicht nur wie sonst ex nunc, sondern sie wirkt auch zurück auf den Zeitpunkt des materiellen Versicherungsbeginnes (Bruck-Möller, VVG 8 I, 495). Für die vor Vertragsabschluß eingetretenen Versicherungsfälle gilt bei der Rückwärtsversicherung die Einlösungsklausel des § 38 Abs.2 VersVG nicht, da sie voraussetzt, daß die Prämie in Zeitpunkt des Versicherungsfalles schon geschuldet ist (Prölss-Martin aaO, 221; 7 Ob 65/83). Wie der Oberste Gerichtshof darüber hinaus bereits klargestellt hat, wird der Versicherer mit der Einlösung der Polizze rückwirkend für Versicherungsfälle deckungspflichtig, die zwischen dem vereinbarten Haftungsbeginn und dem Verzug des Versicherungsnehmers mit der Zahlung der Erstprämie eingetreten sind, weil ein später eintretender Verzug des Versicherungsnehmers mit der Zahlung der Prämie die auf Grund des Vertrages bereits einmal eingetretene Deckungspflicht nicht rückwirkend beseitigen kann (7 Ob 10/85). Im vorliegenden Fall haben die Parteien allerdings vereinbart, daß bei Einforderung der Prämie nach dem Versicherungsbeginn der Versicherungsschutz erst beginnt, wenn die Prämie ohne Verzug bezahlt wird (Art.4 Abs.2 ABS). Soweit § 38 Abs.2 VersVG nicht gilt, kann in dieser erweiterten Einlösungsklausel ein Verstoß gegen die halb zwingende Bestimmung des § 38 VersVG nicht erblickt werden. überdies ergibt sich aus ihr nur, daß eine gleich rasche Bezahlung der Erstprämie gefordert wird, wie sie auch ohne Vereinbarung einer Rückwärtsversicherung vorgeschrieben ist. Diese rasche Zahlungspflicht zur Vermeidung der Rechtsfolge des § 38 Abs.2 VersVG kann aber, wie sich aus den obigen Darlegungen ergibt, nur für Versicherungsfälle nach Eintritt des Verzuges des Versicherungsnehmers mit der Zahlung der Erstprämie Bedeutung haben ( so auch 7 Ob 10/85). Da vorliegend der Versicherungsfall schon vor Vertragsabschluß eingetreten ist, kommt dem Zeitpunkt der Zahlung der Erstprämie in der Tat keine Bedeutung zu. Dem Berufungsgericht ist daher darin beizupflichten, daß sich die beklagte Partei nicht auf Leistungsfreiheit wegen nicht rechtzeitiger Bezahlung der Erstprämie berufen kann. Es ist daher im Sinne des Auftrages des Berufungsgerichtes der Einwand der Obliegenheitsverletzung zu prüfen.

Demgemäß ist dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs.1 ZPO.

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