OGH 7Ob65/83

OGH7Ob65/8328.6.1984

SZ 57/123

Normen

ABGB §863
ABGB §1376
ABGB §1379
VersVG §2
VersVG §5
VersVG §38 Abs2
ABGB §863
ABGB §1376
ABGB §1379
VersVG §2
VersVG §5
VersVG §38 Abs2

 

Spruch:

Durch die Ausstellung einer neuen Versicherungspolizze wird nur bei Änderung der wesentlichen Vertragspunkte ein neues Versicherungsverhältnis begrundet. Im Falle einer Novation des Versicherungsvertrages durch Erweiterung des Risikos bleibt der mindere Versicherungsschutz aus dem alten Vertrag bis zum Inkrafttreten der höheren Deckung aus dem neuen Vertrag aufrecht. Die Differenzprämie ist nur für das erweiterte Risiko Erstprämie

In der Annahme einer verspäteten Erstprämie durch den Versicherer nach Eintritt des Versicherungsfalles liegt kein schlüssiger Verzicht auf die bereits eingetretene Leistungsfreiheit

Die Anführung eines vor dem Ausstellungsdatum liegenden Tages als Beginn der Versicherung in der Versicherungspolizze bedeutet im Zweifel den Abschluß einer Rückwärtsversicherung. Bei einer Rückwärtsversicherung sind Versicherungsfälle vor dem Zugang der Polizze bei jeder nachträglichen Zahlung der Erstprämie gedeckt, solche nach Zugang der Polizze mangels einer besonderen Vertragsbestimmung nur unter der Voraussetzung objektiv unverzüglicher Zahlung der Erstprämie. Einer besonderen Belehrung des Versicherungsnehmers über diese Folgen bedarf es nicht

OGH 28. 6. 1984, 7 Ob 65/83 (OLG Graz 3 R 133/83; LGZ Graz 13 Cg 67/82)

Text

Die klagende GesmbH begehrt Deckung des Verlustes von 12 Orientteppichen im Rahmen einer Einbruchsversicherung ihrer Büroeinrichtung. Sie stellt primär ein Leistungs- und hilfsweise ein Feststellungsbegehren. Die beklagte Partei wendete vor allem Leistungsfreiheit ein, weil die Erstprämie im Zeitpunkt des angeblichen Diebstahls am Sonntag, den 11. 10. 1981, noch nicht bezahlt gewesen sei.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen war die klagende Partei bei der beklagten Partei ursprünglich zur Polizze Nr. 1509/003553-7 mit der Vertragsdauer vom 15. 12. 1979 bis 1. 1. 1990 mit ihrer gesamten Büroeinrichtung auf eine Versicherungssumme von 500 000 S gegen Einbruch versichert. Über ihren Auftrag stellte am 20. 8. 1981 der Versicherungsmakler Josef G an die beklagte Partei den Antrag auf Abschluß einer Betriebs-Bundelversicherung, der vom früheren Vertrag insofern abwich, als zur Einbruchsversicherung eine Feuerversicherung dazukam und die Versicherungssumme auf 1.5 Mio. S erhöht wurde. Gegenstand der Versicherung war wiederum die gesamte Büroeinrichtung, jetzt aber ausdrücklich inklusive (17) Teppichen laut einer dem Antrag angeschlossenen Aufstellung. Am 16. 9. 1981 stellte die beklagte Partei entsprechend diesem Antrag eine neue Versicherungspolizze mit der in der Klage angeführten Nr. 1363/002179 aus. Diese Polizze wurde am 25. 9. 1981 an Josef G auf dem Postweg abgesandt und langte nach der in der Berufung bekämpften Feststellung des Erstrichters spätestens am 27. 9. 1981 bei der klagenden Partei ein. Am 11. 10. 1981 fand in den Büroräumlichkeiten der klagenden Partei der Einbruchsdiebstahl statt, bei dem angeblich 12 Orientteppiche entwendet wurden. Erst am folgenden Tag zahlte Josef G die bis 1. 1. 1982 berechnete Erstprämie von 856.30 S bei der beklagten Partei ein.

Nach der Rechtsansicht des Erstrichters handle es sich bei der erweiterten Versicherung infolge der grundlegenden Änderungen gegenüber der alten Polizze nicht bloß um eine Änderung des alten Vertrages, sondern um einen neuen Versicherungsvertrag, sodaß eine Deckung aus diesem Vertrag nicht vor Zahlung der Erstprämie eintrat.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstrichters als unbedenkliches Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und trat der rechtlichen Beurteilung mit der Ergänzung bei, daß eine vorläufige Deckung des erweiterten Umfanges der Versicherung auf die nun zu versichernden Teppiche nicht vereinbart worden sei, sodaß der Versicherungsschutz erst mit der Zahlung der Erstprämie eintrat. Die Geltendmachung eines Deckungsanspruches aus der früheren Versicherung sei als unzulässige Neuerung des Berufungsverfahrens unbeachtlich.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge, hob das Berufungsurteil auf und verwies die Rechtssache an die zweite Instanz zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Mängelrüge betreffend die Nichtvernehmung der Zeugin Elisabeth P darüber, daß die Polizze erst am Donnerstag oder Freitag vor dem Schadensfall bei der klagenden Partei eingelangt sei, bezieht sich auf einen angeblichen Mangel des Verfahrens in erster Instanz, den das Berufungsgericht vor allem aus rechtlichen Gründen verneint hat. Darauf wird bei Behandlung der Rechtsrüge eingegangen werden.

Bei der Prüfung der gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge ist davon auszugehen, daß die auf Grund des Antrages der klagenden Partei ausgestellte Versicherungspolizze schon vor dem strittigen Versicherungsfall bei der klagenden Partei eingelangt war. Damit war der Versicherungsvertrag im maßgeblichen Zeitpunkt des Einbruchsdiebstahls bereits abgeschlossen. Die von der beklagten Partei in Anspruch genommene Leistungsfreiheit hängt zunächst nach § 38 Abs. 2 VersVG davon ab, ob die zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles geschuldete Prämie eine Erstprämie war. Auf ein Verschulden des Versicherungsnehmers am Zahlungsverzug käme es dabei nicht an; der Versicherer ist bloß dann nicht leistungsfrei, wenn die nicht rechtzeitige oder nicht ordnungsgemäße Zahlung auf einem Umstand beruht, der ihm selbst zur Last fällt (Prölss-Martin, VVG[23] 220; SZ 27/328; VersR 1962, 339). Eine Erstprämie war geschuldet, wenn ein neuer Vertrag vorlag; bei einer bloßen Änderung des bestehenden Versicherungsvertrages würde es sich um eine Folgeprämie gehandelt haben (SZ 30/67 ua.). Zur Abgrenzung dieser beiden Fälle dient die Beurteilung, ob die Identität des Versicherungsverhältnisses gewahrt oder aber das bestehende Versicherungsverhältnis aufgehoben und ein neues begrundet wird. Für letzteres spricht es, wenn die für einen Versicherungsvertrag wesentlichen Punkte, wie das versicherte Objekt, die Gesamtversicherungssumme, die Prämienzahlung und die Versicherungsdauer, völlig neu vereinbart werden (Bruck-Möller, VVG[8] I 137). Dagegen ist die bloße Aushändigung eines neuen Versicherungsscheines kein entscheidendes Kriterium für die Begründung eines selbständigen neuen Vertrages, selbst wenn der alte Vertrag als erloschen bezeichnet wird; es kommt auf den einzelnen Fall an (Bruck-Möller aaO 141).

Im vorliegenden Fall kommt der Ausstellung einer neuen Polizze nach dem Gesagten keine entscheidende Bedeutung zu. Auch die Bezeichnung des Antrages als "Neuantrag" ist ohne Belang, zumal sie entgegen dem Vorbringen der beklagten Partei in der Revisionsbeantwortung nicht vom Versicherungsnehmer stammt, sondern erst bei ihr erfolgt sein dürfte. Inhaltlich blieb es bei einer Versicherung der Büroeinrichtung gegen Einbruchsdiebstahl. Wesentliche Änderungen waren aber einerseits die Erhöhung der gesamten Versicherungssumme von 500 000 S auf 1.5 Mio. S, die ausdrückliche Einbeziehung einer großen Zahl zum Teil wertvoller Teppiche "laut Aufstellung" und die Erweiterung des Vertrages auf die Versicherungssparte Feuerversicherung. Im ganzen kam es so von der bisherigen Einbruchsdiebstahlversicherung zu einer Betriebsbundelversicherung mit einem erheblich erhöhten Deckungsumfang. Diese Umstände sprechen nach der zutreffenden Ansicht der Vorinstanzen für die Begründung eines neuen Versicherungsvertrages. Die Änderungen gingen über eine bloß quantitative Erweiterung hinaus. Die Anpassung der Laufzeit an den alten Vertrag erfolgte auf Wunsch der klagenden Partei erst im nachhinein. Auch nach dem allgemeinen bürgerlichen Recht lag nicht bloß eine Vertragsänderung in Nebenpunkten iS des § 1379 ABGB vor, sondern ein Neuerungsvertrag nach § 1376 ABGB, weil der Rechtsgrund des Anspruches (jetzt Bundelversicherung) geändert wurde, ohne daß daneben der alte Vertrag bestehen bleiben sollte. Allerdings ist bei einer derartigen neuen Versicherung die für den Versicherer erkennbare Absicht des Versicherungsnehmers zu unterstellen, daß der (mindere) Versicherungsschutz aus dem alten Vertrag nicht vor dem Inkrafttreten der (höheren) Deckung aus dem neuen Vertrag verlorengehen soll (SZ 30/67). Die Differenzprämie ist deshalb nur für das erweiterte Risiko Erstprämie (vgl. Weingarten, VersR 1968, 232 f.). Damit ist aber für die Revisionswerberin nichts zu gewinnen, weil sie ihre Ansprüche nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichtes ausschließlich aus dem neuen Vertrag ableitet. Die Vorlage der verschiedenen Versicherungspolizzen in erster Instanz ändert nichts daran, daß der Klagsanspruch ausdrücklich auf Grund der mit der Nummer bezeichneten neuen Polizze geltend gemacht wurde. Es fehlte überdies jedes Sachvorbringen, daß die strittigen Teppiche, die erstmals in der Beilage zum neuen Versicherungsantrag angeführt wurden, auch schon im Rahmen des alten Vertrages versichert gewesen seien.

Nach der zutreffenden Ansicht der Vorinstanzen handelt es sich demnach im vorliegenden Fall um die Vorschreibung einer Erstprämie, die im Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles noch nicht bezahlt war. Nach dem oben Gesagten kommt es auf ein Verschulden des Versicherungsnehmers am Verzug nicht an. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin spricht auch nichts dafür, daß ihre verspätete Zahlung dem Versicherer zur Last falle. Ein solcher Haftungsgrund wurde vielmehr in erster Instanz nicht einmal behauptet. Der klagenden Partei kann auch nicht dahin gefolgt werden, daß die Annahme der Prämie durch den Versicherer einen rückwirkenden Versicherungsschutz bewirkte. Die Annahme einer fälligen ersten Prämie nach Eintritt des Versicherungsfalls steht der Leistungsfreiheit des Versicherers nicht entgegen, weil bei Überlegung aller Umstände iS des § 863 Abs. 1 ABGB in der Annahme des Geschuldeten keineswegs zweifelsfrei ein Verzicht auf die bereits eingetretene Leistungsfreiheit zu erblicken ist (Prölss-Martin aaO; SZ 24/126 ua.). Entgegen der Meinung der Revisionswerberin war die beklagte Partei schließlich auch nicht, wie etwa iS der Entscheidung ZVR 1976/376 bei einer vorläufigen Deckungszusage, zu einer besonderen Belehrung über den drohenden Fortfall eines "bereits bestehenden" Versicherungsschutzes verpflichtet. Die höhere Deckungspflicht der beklagten Partei aus dem neuen Vertrag war vielmehr von der Zahlung der Erstprämie abhängig und trat vor dieser Zahlung gar nicht ein; der geringere Versicherungsschutz aus dem alten Vertrag blieb aber nach dem oben Gesagten so lange erhalten.

Bei der allseitigen rechtlichen Überprüfung der angefochtenen Entscheidung hatte der OGH jedoch wahrzunehmen, daß eine Frage, der nach dem Akteninhalt Bedeutung zukommen kann, bisher unerörtert blieb. Es handelt sich darum, daß nach dem Inhalt der neuen Polizze - und zwar sowohl in der ersten Fassung vom 16. 9. 1981 als auch in der endgültigen Fassung vom 28. 11. 1981 - "diese Polizze ab 20. 8. 1981 gilt" und die Vertragsdauer ebenfalls "ab 20. 8. 1981" lief. Dieser Umstand erfordert die Prüfung, ob es sich um eine Rückwärtsversicherung iS des § 2 VersVG mit den einer solchen Versicherung eigenen Rechtsfolgen handelt. Die klagende Partei hat sich zwar hierauf nicht berufen; da sie aber behauptet hat, auf Grund der vorgelegten neuen Polizze für den Zeitpunkt des Versicherungsfalles Versicherungsschutz gehabt zu haben, kann der aktenkundige Inhalt der Polizze nicht übergangen werden.

Im Versicherungsverhältnis werden der Haftungszeitraum ab dem "materiellen Versicherungsbeginn", der prämienbelastete Zeitraum ab dem "technischen Versicherungsbeginn" und die Vertragsdauer ab dem "formellen Versicherungsbeginn" unterschieden. Diese drei Zeiträume müssen nicht zusammenfallen. Die Rückwärtsversicherung ist einer der Fälle, in denen Haftungszeitraum und Vertragsdauer sich nicht decken (Prölss-Martin aaO 39; SZ 22/3). Da im vorliegenden Fall der Versicherungsvertrag erst mit dem Zugang der Annahmeerklärung des Versicherers (Polizze) beim Versicherungsnehmer zustande kam (§§ 861 und 862 a ABGB), scheint die zweimalige Anführung des Versicherungsbeginnes 20. 8. 1981 in der Polizze den technischen und den materiellen Versicherungsbeginn zu betreffen. Damit würde auch der Haftungszeitraum ab dem 20. 8. 1981 festgelegt worden sein. An der Zustimmung der klagenden Partei zu diesem Vorgang wäre wohl ungeachtet des Fehlens einer eindeutigen Antragstellung ihrerseits nicht zu zweifeln, zumal es auch anläßlich der letzten Änderung der Polizze bei diesen beiden Eintragungen blieb. Für die beklagte Partei fiele es auch nicht ins Gewicht, wenn ihre Versicherungspolizze in diesem Punkt über den Versicherungsantrag hinausging. Einerseits handelte es sich wegen des Fehlens einer Erklärung des Versicherungsnehmers zum Versicherungsbeginn nicht um eine Abweichung vom Antrag iS des § 5 Abs. 1 VersVG; andererseits gilt die Hinweispflicht nach § 5 Abs. 2 VersVG nicht für Abweichungen, die für den Versicherungsnehmer günstig sind (Prölss-Martin aaO 60 f.).

Die Frage, ob bereits die Anführung eines vor dem Ausstellungsdatum liegenden Tages des Beginnes der Versicherung im Versicherungsschein bloß den prämienbelasteten Zeitraum betrifft oder zugleich den Abschluß einer Rückwärtsversicherung bedeutet, wurde früher überwiegend im ersteren Sinn beantwortet, ist aber nun vom Bundesgerichtshof iS der als überzeugend angesehenen Argumente von Prölss-Martin (aaO 40; ähnlich auch Hofmann, Privatversicherungsrecht[1] 52) für den Regelfall bejaht worden (BGHZ 84, 268, 273 ff.). Der OGH tritt dieser Rechtsansicht bei (vgl. auch schon SZ 37/98), weil der für den Versicherer erkennbare Wille des Versicherungsnehmers in der Tat nicht darauf gerichtet sein kann, ohne jede Gegenleistung nur die Prämienbelastung auf einen Zeitraum vor dem Vertragsbeginn zu erweitern. Wenn daher der Versicherer einen früheren Versicherungsbeginn akzeptiert, ist im Zweifel eine Rückwärtsversicherung anzunehmen, falls nicht die Vorverlegung des Versicherungsbeginnes auch ohne Leistungspflicht des Versicherers für den Versicherungsnehmer von Vorteil ist. Die von Wrabetz in VersR 1982, 942, befürchteten unerwünschten Auswirkungen dieses Rechtssatzes können nach seiner eigenen zutreffenden Meinung durch klarere Vertragsgestaltungen seitens der Versicherer abgewendet werden.

Auch im Fall einer Rückwärtsversicherung blieb allerdings die hier geschuldete Prämie eine Erstprämie, die nach der Aushändigung der Versicherungspolizze im Zeitpunkt des Versicherungsfalles bereits fällig geworden war. Damit ist der Rechtssatz, daß die Leistungsfreiheit des Versicherers wegen Verzugs mit der Erstprämie nach § 38 Abs. 2 VersVG für die Rückwärtsversicherung als solche nicht gilt, weil die Prämie im Zeitpunkt eines in diesem Zeitraum eingetretenen Versicherungsfalles noch nicht geschuldet war (Prölss-Martin aaO 221), hier nicht anwendbar.

Dennoch kann die Einlösungsklausel des § 38 Abs. 2 VersVG - wonach der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei ist, wenn die Erstprämie zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles noch nicht gezahlt ist - auch nach dem Ende der eigentlichen Rückwärtsversicherung nicht in voller Schärfe zur Anwendung kommen. Es würde einen Wertungswiderspruch bedeuten, wenn der Versicherungsnehmer für Versicherungsfälle vor der Zustellung der Polizze infolge der Rückwärtsversicherung voll gedeckt wäre, nach der Zustellung der Versicherungspolizze aber jede Minute bis zur Einzahlung der Prämie ohne Versicherungsschutz bliebe. Andererseits kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Rückwärtsversicherung eine Ausnahme von der Regel darstellt, wonach der materielle Versicherungsschutz erst mit der Einlösung der Polizze durch die Zahlung der Erstprämie eintritt. Es wäre deshalb ebenfalls nicht sachgerecht, jede nachträgliche Zahlung der Erstprämie genügen zu lassen (obwohl Bruck-Möller aaO 148 Rdz. 18 so verstanden werden könnten). In erster Linie kommt es auf den Inhalt einer Einzelvereinbarung, in zweiter Linie auf die vereinbarten allgemeinen Versicherungsbedingungen an. In diesem Sinn wäre bei Bejahung der Rückwärtsversicherung, falls dem vorliegenden Versicherungsverhältnis (auch) die Allgemeinen Einbruchdiebstahlsversicherungsbedingungen zugrunde gelegt wurden, deren Art. 9 Abs. 2 maßgebend, wonach der Versicherungsschutz zu dem in der Polizze festgesetzten Zeitpunkt beginnt, wenn die erste Prämie erst danach eingefordert, alsdann aber ohne Verzug bezahlt wird. Bei einer solchen "erweiterten Einlösungsklausel" ist der Versicherungsnehmer dafür beweispflichtig, daß er die geforderte Prämie ohne Verzug bezahlt hat (Prölss-Martin aaO 221 f. auch 218; EvBl. 1964/7 ua.). Eine gleich rasche Zahlung ist aus den schon angeführten Gründen für die Deckung von Versicherungsfällen nach Zustellung der Polizze zu fordern. Eine besondere Belehrung des Versicherungsnehmers ist hingegen auch in diesem Fall nicht zu fordern, weil der Versicherungsschutz hier anders als bei einer vorläufigen Deckungszusage vom Abschluß des Vertrages und der Zahlung der Erstprämie abhängig ist. Der Versicherungsnehmer einer Rückwärtsversicherung verliert, wenn er die Prämie nicht bezahlt, keinen Versicherungsschutz, den er schon unbedingt hatte, sondern er erwirbt den Versicherungsschutz, wenn auch rückwirkend, erst durch die Zahlung der Erstprämie.

Eine (nach österreichischer Rechtsansicht objektiv) unverzügliche Einlösung erfordert die Bezahlung in einer nach der Verkehrssitte üblichen, auch für den Vertragspartner abschätzbaren Frist von höchstens wenigen Tagen nach Zustellung der Versicherungspolizze (SZ 34/100 ua.). Die Bezahlung am dritten, zur Einzahlung der Versicherungsprämie zur Verfügung stehenden Tag wurde zuletzt in der Entscheidung 7 Ob 23/80 in einem Fall des Art. 10 II Abs. 1 letzter Satz AHVB als gerade noch unverzüglich anerkannt. Im gleichen Sinn würde hier eine rechtzeitige Einlösung noch zu bejahen sein, wenn die Versicherungspolizze nicht, wie vom Erstgericht festgestellt, schon 14 Tage vor dem Versicherungsfall zugestellt wurde, sondern erst, so wie von der klagenden Partei behauptet, am Donnerstag oder Freitag vor dem Einbruchsdiebstahl am Sonntag und Zahlung am Montag. In diesem Fall wären der klagenden Partei vor dem Versicherungsfall höchstens eineinhalb Tage zur Verfügung gestanden, weil bekanntermaßen am Samstag und Sonntag Bank- oder Postüberweisungen am Schalter nicht allgemein möglich und daher auch nicht üblich sind. Von einem Kaufmann ist andererseits selbst bei Ortsabwesenheit eine entsprechende Vorsorge für die unverzügliche Zahlung nach Erhalt der Polizze zu fordern (Wahle, Anm. zu VersR 1967, 789).

Die Behauptung der beklagten Partei in der Revisionsbeantwortung, maßgeblicher Zustellzeitpunkt der Polizze sei gar nicht das Einlangen bei der klagenden Partei, sondern beim Versicherungsmakler Josef G als des Versicherungsagenten der klagenden Partei gewesen, ist nicht zielführend. Abgesehen davon, daß eine entsprechende Einwendung in erster Instanz nicht erhoben wurde, sodaß es sich insoweit um eine unzulässige und unbeachtliche Neuerung handelt, und abgesehen weiters davon, daß Josef G nicht Versicherungsagent, sondern Versicherungsmakler (und übrigens wohl zugleich, laut seiner Zeugenaussage, freier Mitarbeiter der beklagten Partei) war, würde ein für den Versicherungsnehmer rechtswirksamer Zugang der Polizze beim Versicherungsmakler mit Auslösung der sofortigen Prämienzahlungspflicht eine besondere Vollmacht erfordert haben (vgl. Prölss-Martin 259, auch 210 und 241), von der hier in dem von der klagenden Partei selbst unterfertigten und vom Makler nur als Vermittler mitunterzeichneten Versicherungsantrag keine Rede ist.

Das Berufungsgericht hat allerdings auch die Tatsachenfeststellung des Erstrichters übernommen, wonach die Versicherungspolizze spätestens am 27. 9. 1981, also 14 Tage vor dem Versicherungsfall, bei der klagenden Partei eingelangt sei. Es hat aber zugleich eine Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens durch Nichtvernehmung der zum Beweis des Gegenteils beantragten Zeugin Elisabeth P mit der Begründung verneint, daß dem Datum der Zustellung der Versicherungspolizze rechtserhebliche Bedeutung nicht zukomme. Da letzteres nach den obigen Rechtsausführungen nicht zutrifft, steht die Übernahme der erstgerichtlichen Tatsachenfeststellung in einem unüberbrückbaren Widerspruch zur Verneinung des in der Berufung geltend gemachten Mangels des erstrichterlichen Verfahrens. Es wird daher zunächst das Berufungsgericht diese Rüge, ausgehend von der oben überbundenen Rechtsansicht, neuerlich zu prüfen haben. Sollte der behauptete Verfahrensmangel erster Instanz nicht aus anderen, für den OGH im Tatsachenbereich unüberprüfbaren Gründen wiederum verneint werden, dann ist die Erörterung der oben aufgezeigten Frage einer Rückwärtsversicherung mit den Parteien erforderlich, um die Streitteile nicht mit einer bisher unbeachteten Rechtsansicht zu überraschen. In beiden Punkten wird davon auszugehen sein, daß den klagenden Versicherungsnehmer die Beweislast für den Eintritt des Versicherungsfalles innerhalb der materiellen Versicherungsdauer und für die rechtzeitige Zahlung der Erstprämie trifft. Allenfalls werden sodann auch noch ergänzende Feststellungen zur Frage der teilweisen Zession der Klagsansprüche (mangelnde Aktivlegitimation), des Fremdeigentums an den versicherten Gegenständen (Erörterung der Versicherungsbedingungen), der Mehrfachversicherung der gestohlenen Gegenstände und der Höhe des Klagsbetrages erforderlich sein.

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