Spruch:
Für die Rückforderung einer dem Mitglied eines Verwaltungskörpers zu Unrecht ausbezahlten Entschädigung durch den Sozialversicherungsträger ist der Rechtsweg unzulässig
OGH 8. 3. 1983, 2 Ob 205/82 (OLG Linz 1 R 130/82; LG Salzburg 12 Cg 658/81)
Text
Die Klägerin forderte vom Beklagten jene Entschädigungen zurück, die er nach seinem Ausscheiden als Obmann des Landesstellenausschusses am 1. 9. 1979 in der Zeit von Jänner bis einschließlich Mai 1981 bezogen hat. Begrundet wurde diese Rückforderung mit dem vertraglichen Anerkenntnis des Beklagten vom 24. 7. 1979, daß der Klägerin ein derartiges Rückforderungsrecht bei Verletzungen von Melde- und Auskunftspflichten zustehe. Der Beklagte habe nämlich verschwiegen, daß er seit 1. 1. 1981 einen Pensionszuschuß vom Österreichischen Gewerkschaftsbund beziehe. Unter diesen Umständen könne ihm auf Grund der mit Erlaß des Bundesministeriums für Soziale Verwaltung vom 23. 1. 1975 aufgestellten Grundsätze für die Gewährung von Entschädigungen an die Mitglieder von Verwaltungskörpern der Sozialversicherungsträger nicht auch noch zusätzlich eine Entschädigung für die bis einschließlich August 1979 ausgeübte Funktion des Obmannes des Landesstellenausschusses gewährt werden. Subsidiär stützte die Klägerin ihren Rückforderungsanspruch auf § 1431 ABGB.
Der Beklagte wendete in erster Linie Unzulässigkeit des Rechtsweges und sachliche Unzuständigkeit ein und bekämpfte den Rückforderungsanspruch auch aus den Gesichtspunkten des materiellen Rechtes. Der Rechtsweg sei deshalb unzulässig, weil die Klägerin die Entschädigungen im Wege eines Bescheides zurückfordern müßte. Es handle sich um Sozialversicherungsleistungen im weiteren Sinn, zumal im Gegensatz zu den Leistungssachen die Verwaltungssachen im § 355 ASVG nur beispielsweise aufgezählt seien und daher auch der vorliegende Fall darunter zu subsumieren und auch schon das Schreiben der Klägerin vom 24. 9. 1979 betreffend die Zuerkennung der Entschädigung als Bescheid anzusehen sei. Auf jeden Fall habe aber der Beklagte wegen seiner Weisungsgebundenheit und temporären Anwesenheitspflicht und des daraus resultierenden Abhängigkeitsverhältnisses eine arbeitnehmerähnliche Funktion innegehabt.
Die Klägerin bestritt die Einwendungen des Beklagten. Die Entschädigungen stellten keine Sozialversicherungsleistungen dar und die Klägerin sei auch nicht befugt, zum Zwecke der Rückforderung einen Bescheid zu erlassen.
Das Erstgericht verwarf nach Einschränkung des Verfahrens auf die Einreden der Unzulässigkeit des Rechtsweges und der sachlichen Unzuständigkeit beide Einreden. Der im vorliegenden Fall geltend gemachte Rückforderungsanspruch könne nicht durch Erlassung eines Bescheides der Klägerin erledigt werden, zumal es sich dabei iS der §§ 354 f. und 410 ASVG weder um eine Leistungsnoch um eine Verwaltungssache handle. Nach § 420 Abs. 5 ASVG, wonach die Tätigkeit des Obmannes des Landesstellenausschusses kein Dienstverhältnis darstelle, sei aber auch die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes nicht gegeben.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges Folge gegeben, das bisherige Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Rückforderung der dem Beklagten als Obmann des Landesstellenausschusses im Jahre 1981 gewährten Entschädigungen als Verwaltungssache iS des § 355 ASVG behandelt werden könne. Entscheidende Bedeutung komme vielmehr den §§ 420 Abs. 5, 421 bis 423 ASVG zu. Danach versehen die sogenannten Versicherungsvertreter als Mitglied der Verwaltungskörper ihr Amt auf Grund einer öffentlich - rechtlichen Verpflichtung als Ehrenamt. Ihre Tätigkeit in Ausübung des Amtes begrunde im Gegensatz zu § 460 ASVG kein Dienstverhältnis zum Versicherungsträger. Den Mitgliedern der Verwaltungskörper könnten - offenbar in Ausübung eines verwaltungsbehördlichen Ermessens - Entschädigungen gewährt werden. Die Entscheidung über die Gewährung der Entschädigung sowie über das Ausmaß obliege dem Vorstand. Der Bundesminister für Soziale Verwaltung habe hiefür nach Anhörung des Hauptverbandes Grundsätze aufzustellen und für verbindlich zu erklären. Das sei mit Erlaß vom 23. 1. 1975 geschehen. Ob ein Dienstverhältnis zu einer Körperschaft öffentlichen Rechtes (wozu auch die Sozialversicherungsträger gehören) ein öffentlich-rechtliches oder ein privatrechtliches sei, richte sich ausschließlich danach, ob es durch einen Hoheitsakt oder durch einen Privatrechtsakt (Vertrag) begrundet werde. Das gelte aber auch für die Versicherungsvertreter, die nach § 421 ASVG von den örtlich und sachlich zuständigen öffentlichrechtlichen Interessenvertretungen der Dienstnehmer oder Dienstgeber, allenfalls vom Gewerkschaftsbund, Landeshauptmann und Bundesminister für Soziale Verwaltung in die Verwaltungskörper der Sozialversicherungsträger zu entsenden seien, was im Abs. 7 des § 421 ASVG ausdrücklich als Bestellung qualifiziert werde. Der Annahme eines privatrechtlichen Vertrages sei in diesem Zusammenhang durch § 422 ASVG die Grundlage entzogen, wonach das Amt eines Versicherungsvertreters nur aus wichtigen Gründen abgelehnt werden könne. Als Korrelat der öffentlich-rechtlichen Bestellung (§ 421 ASVG) behandle § 423 ASVG die Voraussetzungen, unter denen ein Versicherungsvertreter seines Amtes zu entheben sei. Gemäß § 432 ASVG seien die Obmänner der Versicherungsträger, die Vorsitzenden des Überwachungsausschusses sowie der Landesstellenausschüsse und deren Stellvertreter bei Antritt des Amtes von der Aufsichtsbehörde in Eid und Pflicht zu nehmen. Der Präsident und sein Stellvertreter im Vorsitz des Hauptverbandes seien vom Bundesminister für Soziale Verwaltung zu ernennen (§ 434 ASVG). Seien aber Bestellungs- und Enthebungsakte Erscheinungsformen des öffentlichen Rechtes, dann müsse dies auch für die Entschädigungsansprüche gelten, die in den Grundsätzen (Erlaß vom 23. 1. 1975) ausdrücklich als Funktionsgebühren bezeichnet werden. Das Amt des Versicherungsvertreters begrunde kein Dienstverhältnis zum Versicherungsträger, wohl abereinen öffentlich-rechtlichen Entschädigungsanspruch. Wenn gemäß § 420 Abs. 5 ASVG der Vorstand über die Gewährung der Entschädigung entscheide und der Bundesminister für Soziale Verwaltung hiefür Grundsätze aufstelle und für verbindlich erkläre, wäre etwa auch die Annahme verfehlt, daß die Gerichte sodann einen derartigen Entschädigungsanspruch zuerkennen könnten. Auch der Erlaß vom 23. 1. 1975 stelle wiederum einen Verwaltungsakt dar; es würde dem Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung widersprechen, hätten die Gerichte einen derartigen Erlaß anzuwenden. Die Entscheidung, also die Zuerkennung der Entschädigung nach § 420 Abs. 5 ASVG, sei vielmehr einer Körperschaft öffentlichen Rechtes übertragen. Sei aber das zugrunde liegende Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlicher Natur, so sei auch die Rückforderung des angeblich ohne Rechtsgrund Geleisteten kein Privatrechtsanspruch. Was nun die Erklärung des Beklagten vom 24. 7. 1979 anlange, die vom Bundesministerium für Soziale Verwaltung erlassenen Grundsätze für die Gewährung von Entschädigungen anzuerkennen und sich bewußt zu sein, daß zu Unrecht erbrachte Leistungen zurückgefordert werden, sei zu bemerken, daß ein Erlaß die Normadressaten schon unabhängig von ihrem Anerkenntnis binde und ein solches Anerkenntnis daher nur deklaratorischer Natur sei. Die Einwendung der Unzulässigkeit des Rechtsweges sei daher berechtigt. Ein Eingehen auf die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit erübrige sich.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Zulässigkeit des Rechtsweges hängt davon ab, daß es sich um eine bürgerliche Rechtssache handelt, und, falls ein bürgerlichrechtlicher Anspruch geltend gemacht wird, dieser nicht durch Gesetz ausdrücklich vor eine andere Behörde verwiesen wurde. Bürgerliche Rechtssachen sind jene, denen Privatrechtsverhältnisse zugrunde liegen. Maßgeblich ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruches, nicht aber, wie der Kläger den Anspruch rechtlich formt (vgl. Fasching I 63; Holzhammer, Zivilprozeßrecht 13; SZ 45/95; SZ 44/165 u a.). Privatrechtliche Ansprüche sind dadurch gekennzeichnet, daß sich gleichberechtigte Rechtssubjekte gegenüberstehen, während im öffentlichen Recht ein übergeordnetes Rechtssubjekt einseitige Gestaltungsakte setzen kann, denen das untergeordnete Rechtssubjekt unterworfen ist. Zum öffentlichen Recht gehören aber auch Ansprüche, denen zwar das Charakteristikum der einseitigen Rechtsunterworfenheit fehlt, die aber mit typisch öffentlich-rechtlichen Ansprüchen in so untrennbarem Zusammenhang stehen, daß auch sie dem öffentlichen Recht zugewiesen werden müssen. Im Einzelfall wird die Zuweisung zum Bereich des öffentlichen oder des Privatrechtes in der Regel durch gesetzliche Bestimmungen getroffen, die entweder das betreffende Rechtsgebiet ausdrücklich als öffentliches Recht bezeichnen oder eine Zuweisung an die Verwaltungsbehörden oder die Gerichte zum Ausdruck bringen (vgl. Fasching I 48, 61 ff; SZ 45/134; SZ 51/161 ua.). In dem vom Rekursgericht und vom Revisionsrekurs zitierten Erkenntnis Slg. 8065/1977 hat der VfGH darauf hingewiesen, daß für Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte nicht gegeben sei, soweit der Vermögenszuwachs auf einem öffentlich-rechtlichen Titel beruhe. Die Rückforderung sei dann kein Privatrechtsanspruch, wenn das der Leistung zugrunde liegende Rechtsverhältnis ein öffentlich-rechtliches sei, ohne daß es darauf ankäme, ob die Zahlung auf Grund einer bescheidmäßigen Verpflichtung erfolgte oder nicht. Ganz allgemein gehörten Ansprüche auf Rückforderung vor jene Stelle, die auch über das zugrunde liegende Rechtsverhältnis entschieden habe (vgl. hiezu auch SZ 13/105; SZ 12/296 ua.). Im vorliegenden Fall beruht die Zuerkennung der Entschädigung an den Beklagten auf § 420 Abs. 5 ASVG. Nach dieser Bestimmung versehen die Mitglieder der Verwaltungskörper ihr Amt auf Grund einer öffentlichen Verpflichtung als Ehrenamt; ihre Tätigkeit in Ausübung dieses Amtes begrundet kein Dienstverhältnis zum Versicherungsträger. Den Mitgliedern der Verwaltungskörper und den aus ihrer Funktion ausgeschiedenen Obmännern, Obmannstellvertretern, Vorsitzenden und Vorsitzendenstellvertretern der Landesstellenausschüsse sowie den Hinterbliebenen der genannten Funktionäre können Entschädigungen gewährt werden. Die Entscheidung über die Gewährung der Entschädigung sowie über das Ausmaß obliegt dem Vorstand. Der Bundesminister für Soziale Verwaltung hat hiefür nach Anhörung des Hauptverbandes Grundsätze aufzustellen und für verbindlich zu erklären. In diesen Grundsätzen ist unter anderem vorzusehen, daß auf die Entschädigung alle Einkünfte des ausgeschiedenen Funktionärs bzw. der Hinterbliebenen mit Ausnahme der Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung anzurechnen sind; nicht anzurechnen ist ferner ein Ruhe- oder Versorgungsgenuß von einer öffentlichrechtlichen Gebietskörperschaft, insoweit er nach Art und Ausmaß mit einer Pension aus der gesetzlichen Sozialversicherung vergleichbar ist. Derartige Grundsätze wurden vom Bundesministerium für Soziale Verwaltung mit Erlaß vom 23. 1. 1975 aufgestellt. Im § 421 ASVG ist die Bestellung der Versicherungsvertreter durch den Landeshauptmann bzw. den Bundesminister für Soziale Verwaltung geregelt; gemäß § 422 ASVG kann das Amt eines Versicherungsvertreters nur aus wichtigen Gründen abgelehnt werden; § 423 ASVG regelt die Amtsenthebung von Versicherungsvertretern. Gemäß § 432 Abs 1 ASVG sind die Obmänner der Versicherungsträger, die Vorsitzenden des Überwachungsausschusses sowie der Landesstellenausschüsse und deren Stellvertreter bei Antritt ihres Amtes von der Aufsichtsbehörde in Eid und Pflicht zu nehmen. Auf Grund dieser als Erscheinungsformen öffentlichen Rechtes zu wertenden Bestellungs- und Enthebungsakte ist aber zu schließen, daß die Funktion der Versicherungsvertreter öffentlich-rechtlicher und nicht privatrechtlicher Natur ist und diese Funktion zwar kein Dienstverhältnis zum Versicherungsträger begrundet, wohl aber eine auf Grund dieser Funktion zuerkannte Entschädigung öffentlich-rechtlicher Natur ist (vgl. Korinek in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechtes, 4.2.2.2.D.; Tomandl, Grundriß des österreichischen Sozialrechtes 165). Ist aber das der Leistung zugrunde liegende Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlicher Natur, ist der Anspruch auf Rückforderung des ohne Rechtsgrund Geleisteten nicht als Privatrechtsanspruch zu qualifizieren. Daran vermag, wie das Rekursgericht richtig erkannte, auch die Erklärung des Beklagten, die vom Bundesminister für Soziale Verwaltung erlassenen Grundsätze für die Gewährung von Entschädigungen anzuerkennen und sich bewußt zu sein, daß zu Unrecht erbrachte Leistungen zurückgefordert werden, nichts zu ändern. Der OGH hat auch wiederholt ausgesprochen, daß ein Rückforderungsanspruch dann nicht auf § 1431 ABGB gestützt werden kann, wenn die Prüfung des Rechtsbestandes der fraglichen Forderung der gerichtlichen Zuständigkeit entzogen ist, weil andernfalls auf diese Weise die ordentlichen Gerichte zur Überprüfung der Tätigkeit der Verwaltungsbehörde herangezogen werden könnten (vgl. SZ 43/3; SZ 14/178; SZ 12/296); dies würde aber der verfassungsmäßigen Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung zuwiderlaufen (vgl. SZ 51/161 ua.).
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