OGH 2Ob388/69

OGH2Ob388/698.1.1970

SZ 43/3

Normen

ABGB §1431
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §104
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §107
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §§354 ff
JN §1
ABGB §1431
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §104
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §107
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §§354 ff
JN §1

 

Spruch:

Der Anspruch des Sozialversicherten, der vorschußweise Krankengeld unter Verpflichtung zur Rückzahlung eines Überbezuges erhielt, auf Erstattung des irrig zurückgezahlten Übergenusses gehört nicht auf den ordentlichen Rechtsweg

OGH 8. Jänner 1970, 2 Ob 388/69 (OLG Graz 5 R 122/69; LGZ Graz 18 Cg 256/68)

Text

Nach seinem Vorbringen hat der Kläger von der Beklagten (Gebietskrankenkasse) in der Zeit vom 8. Jänner bis 29. November 1966 insgesamt 24.541.45 S an Krankengeld ausbezahlt erhalten. Dieser Betrag sei auf Grund einer von ihm rechtsirrtümlich erteilten Ermächtigung aus einer gegenüber seinem ehemaligen Dienstgeber in einem Arbeitsgerichtsprozeß ersiegten Forderung an die Beklagte refundiert worden, obwohl ein Rechtsanspruch der Beklagten auf Rückforderung des Krankengeldes nicht bestehe. Der Kläger begehrte daher, die beklagte Partei zur Zahlung dieses um die bisher fällig gewordenen Zinsen auf 25.031.45 S erhöhten Betrages zu verurteilen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht hob aus Anlaß der Berufung das Ersturteil und das voran gegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurs ist gemäß § 519 Z 2 ZPO zulässig, aber nicht begrundet.

Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichts war der Kläger von seinem Dienstgeber am 7. Jänner 1966 entlassen worden und bekämpfte diese Entlassung mit einer am 25. März 1966 beim Arbeitsgericht Graz eingebrachten Klage. Er ersiegte einen Betrag von 147.207.72 S an Kündigungsentschädigung, die auf der Grundlage eines halben Entgeltes durch zwei Monate (während derer eine krankheitsbedingte Dienstunfähigkeit des Klägers angenommen wurde) und eines vollen Entgeltes für die folgenden zehn Monate und unter Einschluß eines Entgeltes für die Zeit vom Dezember 1965 bis zur Entlassung des Klägers berechnet wurde. Ab 28. Dezember 1965 durchlaufend war der Kläger bei der Beklagten als arbeitsunfähig im Krankenstand gemeldet und erhielt vorerst ein Krankengeld im Ausmaß von 50% des zustehenden Krankengeldes unter der Annahme, daß er gegenüber seinem Dienstgeber bis zum 18. April 1966 einen 50%igen Entgeltanspruch habe. Am 26. April 1966 kam es zu einer Vorsprache des Klägers bei der Beklagten, bei der die Frage seines Anspruches auf Krankengeld erörtert und festgehalten wurde, daß es im Hinblick auf das schwebende Arbeitsgerichtsverfahren nicht abzusehen sei, ob der Kläger gegen seinen Dienstgeber für die Zeit ab 8. Jänner 1966 noch Entgeltansprüche haben wende oder nicht. Aus sozialen Erwägungen erklärte sich die Beklagte bereit, dem Kläger das volle Krankengeld ab 8. Jänner 1966 unter der Voraussetzung zu bezahlen, daß er ein allenfalls zu Unrecht bezogenes Krankengeld zurückerstatte. Der Kläger unterzeichnete eine solche Erklärung, worauf ihm unter der weiteren (mit den erwähnten im arbeitsgerichtlichen Verfahren getroffenen Feststellungen im Widerspruch stehenden) Annahme, daß seine Arbeitsunfähigkeit weiter bestehe, weitere 50% des Krankengeldes für die Zeit vom 8. Jänner bis 7. März 1966 und 100% Krankengeld ab 8. März bis 29. November 1966 ausbezahlt wurden. Nach Abschluß des arbeitsgerichtlichen Verfahrens nahm die Beklagte an, daß der Kläger mit Rücksicht auf § 143 Abs 1 Z 3 ASVG auf das ausbezahlte Krankengeld schon deshalb keinen Anspruch hatte, weil ihm für diese Zeit ein 50%iges bzw volles Entgelt gegenüber seinem Dienstgeber zuerkannt wurde. Ohne eine bescheidmäßige Grundlage für den von ihr angenommenen Rückforderungsanspruch zu schaffen, erwirkte die Beklagte mit Zustimmung des Klägers, daß dieser Betrag aus der Forderung des Klägers gegen seinen Dienstgeber von diesem an die beklagte Partei überwiesen werde, was auch geschah.

Das Erstgericht meinte, daß mangels einer bescheidmäßigen Grundlage die vorschußweisen Zahlungen der Beklagten nach dem bürgerlichen Recht zu beurteilen seien. Es komme daher nur auf die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung an, nicht aber auf § 107 ASVG; außerdem widerspreche das Begehren des Klägers den guten Sitten.

Das Berufungsgericht war jedoch der Ansicht, daß auch die vorschußweise Zahlung von Krankengeld eine von der Beklagten in Befolgung der ihr durch Gesetz übertragenen öffentlich rechtlichen Aufgaben erbrachte Geldleistung sei, deren Rückersatz eine vom Versicherungsträger durch Bescheid zu klärende Leistungssache sei. Über den Rechtsbestand des Rückforderungsanspruches der Beklagten sei also nicht im ordentlichen Rechtsweg zu erkennen. Über das auf § 1431 ABGB gestützte Klagebegehren könne nicht im ordentlichen Rechtsweg entschieden werden, weil es sich nicht um private Rechtsverhältnisse handle.

Der Rekurswerber weist darauf hin, daß ein Bescheid auf Rückzahlung von zuviel bezogenem Krankengeld nicht erflossen sei. Es treffe deshalb nicht zu, daß sein Anspruch auf Rückerstattung des irrtümlich gezahlten Betrages nicht vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden könne, weil über den Rechtsbestand des Krankengeldanspruches eine Verwaltungsbehörde zu erkennen habe.

Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß ein Rückforderungsanspruch dann nicht auf § 1431 ABGB gestützt werden könne, wenn die Prüfung des Rechtsbestandes der fraglichen Forderung der gerichtlichen Zuständigkeit entzogen ist, weil andernfalls auf diese Weise die ordentlichen Gerichte zur Überprüfung der Tätigkeit der Verwaltungsbehörden herangezogen werden könnten (SZ 14/178, SZ 12/296); dies würde aber der verfassungsmäßigen Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung zuwiderlaufen. Im vorliegenden Falle wurde zwar vom beklagten Sozialversicherungsträger kein Bescheid erlassen, da sich der Kläger zur Rückzahlung eines allfälligen Überbezuges verpflichtete und diesen auch tatsächlich erstattete. Dies ändert aber nichts daran, daß aus §§ 354 ff ASVG die Absicht des Gesetzgebers hervorgeht, Leistungssachen nur in dem dort geregelten besonderen Verfahren austragen zu lassen. Diese Auffassung liegt auf denselben Linie wie die Rechtsprechung zu § 1 ArbGG, nach der die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts für arbeitsrechtliche Ansprüche auch dann bestehen bleibt, wenn die Parteien über diesen Anspruch einen Vergleich oder eine sonstige Vereinbarung geschlossen haben (vgl SZ 22/83 und SZ 32/45); die besondere Zuständigkeit soll also dessen ungeachtet erhalten bleiben. Seinen vermeintlichen Anspruch auf eine Leistung des beklagten Sozialversicherungsträgers kann daher der Kläger nur in der im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz vorgesehenen Weise geltend machen.

Das Berufungsgericht hat also richtig erkannt, daß die vorliegende Klage nicht auf den ordentlichen Rechtsweg gehört (§ 477 Abs 1 Z 6 ZPO).

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