OGH 3Ob160/82 (3Ob161/82, 3Ob162/82, 3Ob163/82, 3Ob164/82, 3Ob165/82)

OGH3Ob160/82 (3Ob161/82, 3Ob162/82, 3Ob163/82, 3Ob164/82, 3Ob165/82)23.2.1983

SZ 56/31

Normen

AO §55c
AO §55c

 

Spruch:

Fehlende Verfügungsmacht des Sachwalters im Liquidationsausgleich vor Ausgleichsbestätigung, der den Zugriff von Gläubigern auf das ihm übergebene Vermögen des Ausgleichschuldners mit Klage abzuwehren versucht, kann nur zu Abweisung des Klagebegehrens, nicht aber zur Zurückweisung der Klage wegen Vollmachtsmangels führen

OGH 23. 2. 1983, 3 Ob 160 - 165/82 (KG Steyr R 53/82; BG Steyr 5 C 11/81)

Text

Das Kreisgericht Steyr hat am 3. 7. 1981 zu Sa 10/81 über das Vermögen der T GesmbH das Ausgleichsverfahren eröffnet und den Kläger zum Ausgleichsverwalter bestellt. Zur Hereinbringung vollstreckbarer, nach § 28 Abs. 1 Bauarbeiter-Urlaubsgesetz, BGBl. 1972/414, und § 23 Z 1 AO bevorrechteter und daher nach § 10 Abs. 4 AO von dem Ausgleichsverfahren nicht berührter Forderungen wurde der beklagten Bauarbeiter-Urlaubskasse vom Bezirksgericht Steyr zu E 5234/81 am 10. 6. 1981, zu E 6200/81 am 7. 7. 1981, zu E 7175/81 am 7. 8. 1981, zu E 7470/81 am 20. 8. 1981, zu E 7581/81 am 25. 8. 1981 und zu E 8973/81 am 9. 10. 1981 wider die verpflichtete Ausgleichsschuldnerin die Exekution bewilligt. Im Ausgleichsvorschlag unterwarf sich die Schuldnerin der Überwachung durch den Ausgleichsverwalter als Sachwalter der Gläubiger (§§ 55b bis 55 d AO) und erklärte, dem Sachwalter ihr gesamtes Vermögen zu übergeben (§ 55c Abs. 2 AO) und ihm unwiderruflich Vollmacht zum Verkauf und der Verwertung des Vermögens zu erteilen (§ 55c Abs. 1 AO). Der Ausgleichsvorschlag wurde am 29. 9. 1981 angenommen. Am 9. 10. 1981 erteilte die Ausgleichsschuldnerin dem Kläger die unwiderrufliche Sachwaltervollmacht zur Veräußerung und Verwertung ihres gesamten Vermögens zwecks Erfüllung des Liquidationsausgleichs. Die Bestätigung des Ausgleichs durch das Ausgleichsgericht erfolgte am 16. 12. 1981, die Aufhebung des Verfahrens nach § 55 Abs. 2 AO am 31. 3. 1982.

Der Kläger erhob am 21. 10. 1981 und 27. 10. 1981 gegen die betreibende Bauarbeiter- Urlaubskasse die auf Aufhebung der von ihr erwirkten Exekutionsbewilligungen zur Hereinbringung ihrer bevorrechteten Forderungen von 209 690 S sA, 177 101 S sA, 162 863 S sA, 339 964 S sA, 150 607 S sA und 120 020 S sA gerichteten Klagen. Die Einzelexekution auf das zur Liquidation bestimmte und ihm übertragene Vermögen der Ausgleichsschuldnerin sei bis zur Beendigung der Liquidation auch nicht zur Hereinbringung der bevorrechteten Forderungen zulässig.

Die Beklagte trat dem Begehren entgegen. Solange der Ausgleich nicht bestätigt sei, trete die Liquidation nicht ein. Die Sachwaltervollmacht sei noch nicht wirksam. Der Kläger könne vor Bestätigung des Ausgleichs nicht einschreiten. Die betriebenen Forderungen seien vom Ausgleichsverfahren unberührt geblieben.

Das Erstgericht hat am 10. 12. 1981 die Verhandlung geschlossen und in den zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen die Klagebegehren abgewiesen. Die gerichtliche Bestätigung des Ausgleichs stehe aus. Die Rechtsfolgen des Liquidationsausgleiches seien bei Schluß der Verhandlung daher noch nicht eingetreten. Erst nach der Ausgleichsbestätigung sei die Exekutionsführung auch zugunsten bevorrechteter Forderungen auf das zur Liquidation bestimmte Vermögen nicht mehr zulässig. Die Wirkungen des Ausgleichs und der Vollmacht an den Kläger könnten erst mit der Bestätigung durch das Ausgleichsgericht geltend gemacht werden. Bis dahin fehle dem Kläger die Legitimation zur Klagsführung.

Aus Anlaß der vom Kläger gegen das abweisende Urteil erhobenen Berufung hob das Berufungsgericht die Entscheidung und die ihr vorangegangenen Verfahren als nichtig auf und wies die Klagen zurück. Das Berufungsgericht war gleich dem Erstrichter der Ansicht, der Ausgleich bedürfe der Bestätigung durch das Ausgleichsgericht (§ 49 Abs. 1 AO) und werde daher erst dadurch wirksam. Die Rechtsstellung des Sachwalters erlange dieser erst mit der Ausgleichsbestätigung, gleich ob man in ihm ein Organ der Gläubigerschaft, einen Bevollmächtigten der Beteiligten oder einen Treuhänder erblicke. Bis zur Bestätigung des Ausgleichs mangle es ihm an der Vollmacht. Dieser Mangel könne nicht geheilt werden und bewirke die Nichtigkeit des abgeführten Verfahrens. Dies müsse zur Aufhebung des Urteiles des Gerichtes erster Instanz und des Verfahrens sowie zur Zurückweisung der Klagen führen.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Parteien Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem die Entscheidung über die Berufung des Klägers auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Kläger ist in dem Verfahren nicht als Machthaber der Ausgleichsschuldnerin aufgetreten. Er hat die Klagen gegen die Gläubigerin im eigenen Namen erhoben und für sich in Anspruch genommen, den Zugriff der Beklagten auf das ihm nach § 55c Abs. 2 AO (idF vor dem Inkrafttreten des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes, BGBl. 1982/370, nach dessen Art. XI § 2 weiter die früher in Geltung gestandenen Vorschriften anzuwenden sind, wenn das Verfahren vor Ablauf des Jahres 1982 eröffnet war) übergebene Vermögen der Ausgleichsschuldnerin abwehren zu können (Fasching II 109). Das Berufungsgericht durfte daher nicht einen Vollmachtsmangel annehmen. Der gesetzlich nur unvollkommen geregelte Typ des Liquidationsausgleiches (Jelinek, Der Liquidationsausgleich, Reimer-FS 185; Petschek - Reimer - Schiemer, 724), wobei der Ausgleichsschuldner sein gesamtes Vermögen einem Sachwalter zur Verwertung überträgt, ihn dazu ermächtigt und die notwendigen Vollmachten ausstellt, ist als Einrichtung der Ausgleichserfüllung anerkannt (SZ 47/14 ua.). Das Treugut kann dem Rechte nach beim Schuldner bleiben. Zufolge seiner Einwilligung kann aber auch die Verfügungsmacht des Sachwalters bestehen oder echte sachenrechtliche Treuhand vorliegen. In der Regel erwirbt der Sachwalter Eigenrechte zur Geltendmachung in fremdem Interesse, er ist nach nunmehr nahezu einhelliger Auffassung Treuhänder in der Erscheinungsform der Ermächtigungstreuhand (Jelinek, Der Liquidationsausgleich, Reimer-FS 193; vgl. Bley - Mohrbutter[3] II § 92 dVglO Anm. 22; Böhle - Stamschräder[10] Anm. 3 zu § 7 dVglO; SZ 41/91; SZ 49/55 ua.).

Der Kläger hat sich schon in seinen Klagen darauf berufen, daß ihm nicht nur unwiderruflich die Verkaufsvollmacht erteilt wurde, sondern auch, wie dies der Ausgleich in seinem Punkt 3 vorsah, das gesamte Vermögen der Ausgleichsschuldnerin übertragen (§ 55c Abs. 2 AO) wurde. Mit der Vermögensübertragung geht die sachenrechtliche Ermächtigung über das Liquidationsvermögen nach den vorstehenden Ausführungen auf den Sachwalter über, der aus dieser ihm treuhändisch für Gläubiger und Schuldner überlassenen Verfügungsmacht Eigenrechte innehat und daher zum Einschreiten in eigenem Namen berechtigt ist (SZ 49/55; SZ 47/14; SZ 45/16 ua.). Die vom Berufungsgericht vorgenommene Untersuchung der Vollmacht hat daher nicht stattzufinden, weil der Kläger als Träger behaupteter Sachwalterverfügungsmacht über ihm übertragenes Vermögen eingeschritten ist. Ob er dazu im konkreten Fall tatsächlich berechtigt ist, betrifft seine aktive Klagslegitimation, deren Verneinung nur zur Abweisung der Klagebegehren, nicht aber zu deren Zurückweisung der Klagebegehren führen kann.

Darauf, ob der Sachwalter die aktive Klagslegitimation auch dann erst mit der Ausgleichsbestätigung erlangt, wenn ihm das Liquidationsvermögen vorher - iS des § 50 Z 4 AO - bereits übergeben ist, ob die Exekutionssperre (SZ 49/55; SZ 47/14 ua.) nicht ausnahmslos erst mit der Rechtskraft der Bestätigung des Ausgleichs eintritt und ob sie auch den bevorrechteten Gläubiger an der Einzelexekution zugunsten ihrer Vorrechtsforderungen für die Dauer der Liquidation durch den Sachwalter hindert (SZ 49/55 SZ 47/14, aM Jelinek, Der Liquidationsausgleich, Reimer-FS, 199) ist vorerst nicht einzugehen. Das Berufungsgericht hat dazu noch nicht Stellung genommen, sondern ist, ausgehend von einer vom OGH nicht geteilten Rechtsansicht, mit der Nichtigerklärung und der Zurückweisung der Klagen vorgegangen.

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