OGH 3Ob9/74 (3Ob8/74)

OGH3Ob9/74 (3Ob8/74)19.2.1974

SZ 47/14

Normen

AO §55b
AO §55c
AO §55d
AO §55b
AO §55c
AO §55d

 

Spruch:

Falls der Schuldner im Rahmen eines Liquidationsausgleiches sein gesamtes Vermögen einem Sachwalter unwiderruflich zur Verwertung übergeben hat, ist bis zur Beendigung der Liquidation eine Einzelexekution - sei es hinsichtlich der bevorrechteten Forderungen zur Gänze, sei es hinsichtlich der nicht bevorrechteten Forderungen zur Hereinbringung bereits nominell fälliger Quoten - gegen den Verpflichteten nicht zulässig

OGH 19. Feber 1974, 3 Ob 8, 9/74 (OLG Graz 2 R 138, 139/73; LGZ Graz 9 Cg 55/73)

Text

Die betreibende Partei hatte den Verpflichteten unter Hinweis auf den vereinbarten Eigentumsvorbehalt auf Herausgabe verschiedener Fahrnisse geklagt und mit Urteil vom 13. Juni 1973 neben der Herausgabe auch Prozeßkosten von 5.009.40 S ersiegt. Da diese Kostenentscheidung zunächst nur hinsichtlich eines Teilbetrages von 4.199.40 S rechtskräftig war, beantragte die betreibende Partei zur Hereinbringung ihrer Kostenforderung zunächst hinsichtlich eines Betrages von 4.199.40 S samt Anhang und sodann hinsichtlich der restlichen Kosten von 810 S Fahrnisexekution gegen den Verpflichteten, in beiden Fallen bereits zu Handen des zu 20 S a 9/72 des Erstgerichtes bestellten Vorsitzenden des Sachwalterkomitees (im Ausgleich des Verpflichteten) Dr. S.

Das Erstgericht gab beiden Exekutionsanträgen statt, das Rekursgericht wies sie infolge des von Dr. S erhobenen Rekurses ab. Das Rekursgericht stellte auf Grund des Aktes 20 Sa 9/72 des Erstgerichtes folgenden Sachverhalt fest:

Der Verpflichtete schloß am 26. März 1973 mit seinen Gläubigern einen Ausgleich ab, nach dessen für die gegenständliche Entscheidung wesentlichen Inhalt - neben der Vereinbarung einer 40%igen Quote für die nicht bevorrechteten Gläubiger und der Zahlungsmodalitäten - der Verpflichtete sich der Überwachung der Ausgleicherfüllung durch ein Sachwalterkomitee mit Dr. S als "federführenden" Vorsitzenden unterwirft, diesem unwiderruflich sein gesamtes Aktivvermögen überträgt und ihm die unwiderrufliche Verkaufs- und Verwertungsvollmacht des übertragenen Vermögens sowie sämtliche zur Geltendmachung und Verwertung der Ansprüche notwendigen Urkunden übergibt. Dieser Ausgleich wurde mit Beschluß vom 30 Juli 1973 bestätigt (anschließend wurde die Bestätigung kundgemacht, das Ausgleichsverfahren gemäß § 55 Abs. 2 AO aufgehoben und die der Bestimmung des § 55b Abs. 1 AO entsprechenden Anmerkungen angeordnet).

Bei diesem Sachverhalt vertrat das Rekursgericht die Auffassung, der am 26. März 1973 rechtsgültig abgeschlossene Ausgleich sei als Liquidationsausgleich anzusehen und hindere als solcher bis zur Beendigung der Liquidation auch die gegenständliche Exekutionsführung.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zunächst war festzuhalten, daß der am 26. März 1973 abgeschlossene Ausgleich vom Rekursgericht richtig als sogenannter "Liquidationsausgleich" qualifiziert wurde und daher der "federführende" Vorsitzende des Sachwalterkomitees zum Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß berechtigt war (ebenso SZ 27/209; Rspr. 1931/334 u. a.).

Der von der betreibenden Partei hervorgehobene Umstand, daß ihr die gegenständlichen Prozeßkosten aus einem wegen Aussonderungsansprüchen (§ 21 AO) geführten Rechtsstreit zustehen, wäre nur bei Erörterung der Frage bedeutsam, ob diese Kosten - grundsätzlich - zur Gänze oder nur mit einer Quote exequierbar sind (gerade in dem im Revisionsrekurs zitierten Jud. 48 neu findet sich übrigens der Satz, daß § 24 AO auf Fälle, in welchen der Hauptanspruch weder in einer Geldforderung besteht noch nach § 14 AO in Geld umzuwandeln ist, keine Anwendung findet); hier ist jedoch allein entscheidungswesentlich, ob bei einem sogenannten Liquidationsausgleich unter der Voraussetzung, daß gleichzeitig das gesamte Vermögen des Ausgleichsschuldners unwiderruflich an einen Sachwalter (bzw. an ein Sachwalterkomitee) zur Durchführung der Liquidation übertragen wird, während der Dauer dieser Liquidation überhaupt eine Einzelexekution wegen Geldforderungen gegen den Verpflichteten zulässig ist (soweit kein dafür haftendes Absonderungsrecht besteht).

Das Wesen des sogenannten "Liquidationsausgleichs" findet zwar in der Ausgleichsordnung nur unvollkommen und mittelbar seinen Niederschlag (§§ 55b bis d AO), als Institut ist jedoch der Liquidationsausgleich auch für den österreichischen Rechtsbereich von Lehre (Bartsch - Pollak II, 4, Anm. 1 und 461 f.; Petschek - Reimer - Schiemer, 724 Anm. 17; Schiemer im Rechtslexikon unter Stichwort "Ausgleichsquote" D) und Rechtsprechung (SZ 13/168, 13/254, 31/13, 43/42; ZBl. 1933/247, 1934/103) anerkannt. Hat der Ausgleichsschuldner bei einem Liquidationsausgleich seine gesamten Aktiven einem Sachwalter (Sachwalterkomitee) zur Verwertung übertragen, so gehen damit die Rechte und Pflichten zur Verwertung des gesamten Vermögens des Ausgleichsschuldners auf den Sachwalter (das Sachwalterkomitee) über, der (das) bei der Liquidation für die Gläubigerschaft handelt und auf dessen Entschlüsse der Ausgleichsschuldner keinerlei Einfluß hat (ebenso Bartsch - Pollak II, 477; SZ 43/42; ZBl. 1933/247 u. a.). Abweichend vom "normalen" Ausgleich oder vom Fall der bloßen Überwachung des vom Ausgleichsschuldner selbst abzuwickelnden Liquidationsausgleiches (vgl. hiezu die bei § 55 Abs. 2 AO unter Nr. 1 abgedruckten Entscheidungen der GMA 5), kann daher der Schuldner, der wie im vorliegenden Fall im Rahmen eines Liquidationsausgleichs sein gesamtes Vermögen an ein Sachwalterkomitee zur Verwertung übergeben hat, ab diesem Zeitpunkt nicht mehr "in Verzug" geraten, was nicht bloß für das Wiederaufleben bei grundsätzlich quotenmäßig zu befriedigenden Forderungen (vgl. hiezu SZ 43/42 u. a.) bedeutsam ist, sondern zufolge § 7 EO auch die Voraussetzung jeder Exekutionsführung bildet. In derartigen Fällen ist daher bis zur Beendigung der Liquidation eine Einzelexekution - sei es hinsichtlich der bevorrechteten Geldforderungen zur Gänze, sei es hinsichtlich der nicht bevorrechteten Forderungen zur Hereinbringung bereits nominell fälliger Quoten - gegen den Verpflichteten nicht zulässig (ebenso Schiemer Rechtslexikon, Blatt 6; SZ 31/13; ZBl. 1933/247, 1934/103 u. a.).

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