OGH 5Ob38/70

OGH5Ob38/7018.2.1970

SZ 43/42

Normen

AO §53
AO §55c
AO §53
AO §55c

 

Spruch:

Rechtswirkungen eines sogenannten "Liquidationsausgleichs"

OGH 18. Februar 1970, 5 Ob 38/70 (OLG Wien 1 R 230/69; HG Wien 17 Cg 122/69)

Text

Über das Vermögen der Firma G wurde am 19. September 1967 zu Sa .../67 des HG Wien das Ausgleichsverfahren eröffnet. Bei der Ausgleichstagsatzung am 5. Dezember 1967 wurde der Ausgleichsvorschlag des Beklagten Franz G auf Zahlung einer Quote von 40% binnen Jahresfrist von den Gläubigern mit Stimmenmehrheit angenommen, nachdem sich der Beklagte, der Alleininhaber der Firma G ist, hinsichtlich der Überwachung der Ausgleichserfüllung einem Sachwalterkomitee unterworfen hatte. Gleichzeitig übergab der Beklagte dem Sachwalterkomitee zu Handen des Ausgleichsverwalters Dr Kurt F durch Erklärung das gesamte ausgleichsschuldnerische Vermögen und erteilte dem Sachwalterkomitee die gem § 55c AO bis zur Beendigung der Tätigkeit unwiderrufliche Vollmacht, das "ausgleichsschuldnerische Vermögen einschließlich des Unternehmens als Ganzes oder in einzelnen Teilen bestmöglich zu verwerten". Das Sachwalterkomitee wurde gleichzeitig ermächtigt, allfällige Erlöse aus Verwertungsmaßnahmen ohne Rücksicht auf die Fälligkeit der Quote auszuschütten. Der Ausgleichsschuldner verpflichtete sich sämtliche notwendigen Vollmachten zur Verwertung des Vermögens und sämtliche notwendigen Erklärungen dem Ausgleichsverwalter Dr F zu übergeben bzw abzugeben. Das Sachwalterkomitee hat eine allfällige Superquote aus der Verwertung des Vermögens an die Gläubiger anteilsmäßig auszuschütten. Dieser am 5. Dezember 1967 von den Gläubigern mit Mehrheit angenommene Ausgleichsvorschlag des Beklagten wurde mit Beschluß des HG Wien vom 23. Februar 1968 bestätigt und das Ausgleichsverfahren schließlich mit Beschluß des HG Wien vom 19. März 1968 aufgehoben.

Die von der Klägerin im Ausgleichsverfahren angemeldete Forderung von 26.162.20 S wurde in dieser Höhe anerkannt und in das Anmeldungsverzeichnis eingetragen. Die Quote von 40% wurde bis zum 5. Dezember 1968 nicht ausgezahlt, weil das Sachwalterkomitee die erforderlichen Mittel zu diesem Zeitpunkt nicht zur Verfügung hatte.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihr 15.697.32 S samt 5% Zinsen seit dem Klagetag (27. Jänner 1969) zu zahlen, Die Klage wird darauf gestützt, daß der Beklagte seiner Verbindlichkeit zur Zahlung der Ausgleichsquote von 40% bis zum 5. Dezember 1968 nicht nachgekommen sei. Auch einem an ihn nach § 53 AO gerichteten Mahnschreiben habe er nicht entsprochen. Dadurch sei die Forderung der Klägerin hinsichtlich des in der Klage geltend gemachten Teilbetrages von 15.697.32 S s A der im Ausgleich anerkannten Gesamtforderung in der Höhe von 26.162.20 S wieder aufgelebt.

Der Beklagte wendete ein, daß der über das Vermögen der Firma G eröffnete Ausgleich einen sog Liquidationsausgleich darstelle. Die Erfüllung des Ausgleichs durch Verwertung der Aktiven dieser Firma solle nämlich nach § 55c AO durch ein Sachwalterkomitee erfolgen; dieses Komitee habe seine Tätigkeit auch aufgenommen. Es könne aber nicht gesagt werden, wann die Ausschüttung einer Quote an die Gläubiger möglich sei. Da der Beklagte auf den Gang des Verwertungsverfahrens keinen Einfluß nehmen könne, liege auch kein Verzug seinerseits i S des § 53 Abs 4 AO vor.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging davon aus, daß ein Verzug des Beklagten in der Ausgleichserfüllung nicht gegeben sei. Die Mehrheit der Gläubiger habe beschlossen, den Beklagten von der Verwertung des Vermögens des Ausgleichsschuldners auszuschalten, das ihnen übertragene Vermögen zu Geld zu machen und damit den Ausgleich zu erfüllen. Die Sachwalter seien keine Organe des Ausgleichsverfahrens, sondern Bevollmächtigte der Gläubiger, auf deren Geschäftsführung der Schuldner keinen Einfluß besitze. Dem Beklagten sei daher von den Gläubigern die Möglichkeit genommen worden, den Ausgleich selbst zu erfüllen. Daraus sei aber zu folgern, daß der Beklagte so lange nicht im Verzug sei, als die Liquidation seines (an die Sachwalter übertragenen) Vermögens nicht beendet sei. Dabei sei noch auf die Bestimmungen des Ausgleichs hinzuweisen, daß eine allfällige Superquote anteilsmäßig auszuzahlen sei. Das bedeute aber, daß bis zur Beendigung der Verwertungsmaßnahmen nicht feststehe, ob die Klägerin vom Beklagten die restlichen 60% ihrer unbestrittenen Forderung begehren könne.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Prozeßgedichts; es billigte die vom Prozeßgericht vertretene Rechtsauffassung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, daß ein Liquidationsausgleich vorliegt. Der Ausgleichsschuldner verpflichtete sich nach dem Inhalt das Ausgleichs zur Liquidation seiner gesamten Aktiven; es wurde ein Sachwalterkomitee bestellt. Der Ausgleichsschuldner erteilte dem Sachwalterkomitee unwiderruflich Vollmacht zur Veräußerung seines, "gesamten" Vermögens einschließlich seines Unternehmens. Die Gläubiger sollten aus dem Liquidationserlös der gesamten Aktiven befriedigt werden. Es sollte die Abwicklung des Unternehmens erfolgen. Eine Ausschüttung an die Gläubiger hatte auch dann zu erfolgen, wenn sich eine höhere Quote als die Ausgleichsquote von 40% ergeben sollte. Auf Grund der angeführten Umstände, insb aber aus der Übertragung des gesamten Vermögens des Ausgleichsschuldners an das Sachwalterkomitee mit der Ermächtigung zur gänzlichen Verwertung und ausschließlichen Befriedigung der Ausgleichsgläubiger, ergibt sich, wie der OGH in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Bartsch - Pollak, KO[3] II 4 Anm 1, 93 Anm 21; Reimer, Die AO und ihre Anwendung auf die OHG und ihre persönlich haftenden Gesellschafter 111) ausgesprochen hat (ZBl 1934/103; 3 Ob 260/59; SZ 31/13), der Zweck der Geschäftsabwicklung unter gleichzeitiger Lastenbereinigung.

Entgegen dem von der Revisionswerberin eingenommenen Standpunkt liegt aber auch kein Verzug des Ausgleichsschuldners vor. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde dem Sachwalterkomitee die unwiderrufliche Vollmacht zur Veräußerung des gesamten Vermögens des Ausgleichsschuldners erteilt. Die Vollmacht wurde von der Gläubigerversammlung angenommen und vom Ausgleichsgericht bestätigt. Dadurch sind alle Rechte zur Verwertung des Vermögens des Ausgleichsschuldners auf das Sachwalterkomitee übergegangen. Das Sachwalterkomitee aber ist kein Organ des gerichtlichen Ausgleichsverfahrens, sondern Bevollmächtigter der Gläubigerschaft, auf deren Geschäftsführung der Ausgleichsschuldner nach dem Willen der Mehrheit der Gläubiger keinen Einfluß hat (ZBl 1933/247). So lange aber das Sachwalterkomitee seine Verwertungsmaßnahmen nicht abgeschlossen hat, kann, wie der OGH ausgesprochen hat (ZBl 1933/247; ZBl 1934/103; 3 Ob 260/59), nicht davon ausgegangen werden, daß ein Verzug in der Ausgleichserfüllung eingetreten sei. Dem Ausgleichsschuldner steht eine Ingerenz auf die Verwertung nicht zu. Daß aber das Sachwalterkomitee bei der Versilberung des Vermögens säumig gewesen wäre, wurde nicht behauptet. Ein wiederaufleben des eingeklagten Teils der Forderung der Klägerin ist daher nicht eingetreten.

Ob auch im Fall der Nichterfüllung der Ausgleichsquote von 40% der eingeklagte Teil der Forderung der Klägerin wieder auflebt, bedarf nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens mangels eines Verzuges des Gemeinschuldners keiner Erörterung.

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