OGH 3Ob47/76

OGH3Ob47/7627.4.1976

SZ 49/55

Normen

AO §55c
AO §60
AO §55c
AO §60

 

Spruch:

Unter "Rechtswirkungen des Ausgleiches" im Sinne des § 60 Abs. 2 AO sind nur die im 8. Abschnitt der AO (§§ 53, 53 a und 54 AO) bezeichneten Rechtswirkungen zu verstehen, während die im 9. Abschnitt der AO geregelte Überwachung der Ausgleichserfüllung durch Sachwalter (§ 55b AO) nicht darunter fällt. Beim Liquidationsausgleich hat der Ausgleichsschuldner nach Übergabe des gesamten Vermögens an den Sachwalter auf dessen Entschlüsse keinen Einfluß und kann daher nicht mehr "in Verzug" geraten

OGH 27. April 1976, 3 Ob 47/76 (OLG Wien 2 R 326/75; HG Wien 26 Cg 183/75)

Text

Auf Grund seines Anerkenntnisurteiles vom 21. März 1975 und anderer Exekutionstitel bewilligte das Erstgericht der betreibenden Gläubigerin antragsgemäß zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderungen von 498 491.55 S samt Anhang die Exekution durch Pfändung mehrerer Forderungen der beiden Verpflichteten und des den Verpflichteten gegen den Rechtsanwalt Dr. B auf Grund der Übergabe des Firmenvermögens angeblich zustehenden Herausgabeanspruches. Die Entscheidung über den Überweisungsantrag wurde dem Exekutionsgericht vorbehalten.

Das Rekursgericht wies den Exekutionsantrag infolge des Rekurses der Verpflichteten und des für die Erstverpflichtete gemäß § 55c AO bestellten Sachwalters ab. Es stellte auf Grund des Aktes Sa 3/75 des Erstgerichtes folgenden Sachverhalt fest: Die Ausgleichsschuldnerin (die Erstverpflichtete) unterwarf sich in dem bei der Ausgleichstagsatzung am 7. April angenommen und vom Ausgleichsgericht mit Beschluß vom 22. Oktober 1975 bestätigten Ausgleich bis zur Ausgleichserfüllung der Überwachung durch den Ausgleichsverwalter Dr. Franz B als Sachwalter der Gläubiger, übergab diesem das gesamte Firmenvermögen und erteilte ihm die unwiderrufliche Verkaufsvollmacht zur Verwertung des gesamten übergebenen Firmenvermögens. Der Ausgleich enthält ferner die Bestimmung, daß der die vereinbarte Ausgleichsquote von 40% übersteigende Erlös aus der Verwertung des Firmenvermögens zur anteilsmäßigen Befriedigung der Gläubiger zu verwenden ist. Die Zweitverpflichtete ist Komplementärin der Erstverpflichteten. Mit Beschluß des Ausgleichsgerichtes vom 27. November 1975, ON 45 wurde das Ausgleichsverfahren gemäß § 55 Abs. 2 AO aufgehoben.

Bei diesem Sachverhalt vertrat das Rekursgericht die Auffassung, daß der von der Erstverpflichteten mit ihren Gläubigern geschlossene Ausgleich als Liquidationsausgleich anzusehen und als solcher bis zur Beendigung der Liquidation Einzelexekutionen auf das zur Liquidation bestimmte Vermögen auch zugunsten bevorrechteter Forderungen hindere.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei teilweise Folge. Er bestätigte die Antragsabweisung in Ansehung der Erstverpflichteten; in Ansehung der Zweitverpflichteten stellte er den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Bei einem Liquidationsausgleich bleibt das Ausgleichsvermögen, das zur Erfüllung des Ausgleiches dient, weiter ein Vermögen des Ausgleichsschuldners, aber der Ausgleichsschuldner verliert für die Dauer der Überwachung durch den Sachwalter seine Verfügungsberechtigung über dieses Vermögen. Die Verfügungsberechtigung geht auf den Sachwalter über, auf dessen Entschlüsse der Ausgleichsschuldner keinen Einfluß hat (Bartsch - Pollak[3] II, 474, 476, 477; SZ 43/42 SZ 47/14; 3 Ob 263/75). Daraus wird in Lehre und Rechtsprechung abgeleitet, daß der Ausgleichsschuldner im Falle der Übergabe seines gesamten Vermögens an den Sachwalter ab dem Zeitpunkt der Übergabe nicht mehr "in Verzug" geraten kann, was nicht bloß für das Wiederaufleben grundsätzlich quotenmäßig zu befriedigender Forderungen (vgl. hiezu SZ 43/42 u. a.) bedeutsam ist, sondern infolge § 7 Abs. 2 EO auch die Voraussetzung jeder Exekutionsführung bildet. In derartigen Fällen ist daher nach den zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes bis zur Beendigung der Liquidation eine Einzelexekution, sei es hinsichtlich der bevorrechteten Geldforderungen zur Gänze, sei es hinsichtlich der nicht bevorrechteten Forderungen zur Hereinbringung bereits nominell fälliger Quoten gegen den Verpflichteten nicht zulässig (ebenso Schiemer im Rechtslexikon unter Stichwort "Ausgleichsquote" D Blatt 6; SZ 31/13; ZBl.1933/247, 1934/103; SZ 47/14; 3 Ob 263/75). Einen anderen Standpunkt hat der OGH entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin auch in der in EvBl. 1975/175 veröffentlichten Entscheidung 4 Ob 55, 56/74 nicht eingenommen, sondern dort ausdrücklich ausgesprochen, daß ein gegen den Ausgleichsschuldner erwirktes Urteil dem Gläubiger bis zur Beendigung des Ausgleichsverfahrens (der Tätigkeit des Sachwalters) keinen Zugriff auf das Ausgleichsvermögen verschafft.

Eine Verletzung des Neuerungsverbotes kann dem Rekursgericht nicht zum Vorwurf gemacht werden, weil die Eröffnung des Ausgleichsverfahrens aus dem Titelakt des Erstgerichtes, das auch Ausgleichsgericht ist, zu ersehen war und die Übergabe des Firmenvermögens an Dr. B von der betreibenden Gläubigerin im Exekutionsantrag behauptet wurde, so daß darauf schon vom Erstgericht Bedacht zu nehmen war (vgl. EvBl. 1972/208).

Der Antrag auf Bewilligung der Exekution gegen die Erstverpflichtete wurde daher mit Recht abgewiesen. Hingegen ist die Abweisung des gegen die Zweitverpflichtete gestellten Exekutionsantrages nicht begrundet. Richtig ist, daß die Rechtswirkungen des Ausgleiches einer Handelsgesellschaft, soweit der Ausgleich nichts anderes bestimmt, sämtlichen persönlich haftenden Gesellschaftern gegenüber den Gesellschaftsgläubigern zu statten kommen (§ 60 Abs. 2 AO). Unter den Rechtswirkungen des Ausgleiches im Sinne des § 60 Abs. 2 AO sind aber nur die im 8. Abschnitt der AO (§ 53, 53 a und 54 AO) bezeichneten Rechtswirkungen zu verstehen, während die im 9. Abschnitt der AO geregelte Überwachung der Ausgleichserfüllung durch Sachwalter § 55b AO) nicht unter die vorgenannten Rechtswirkungen des Ausgleiches fällt. Ein Ausgleichsverfahren wurde nur gegen die erstverpflichtete Partei eröffnet. Die Überwachung der Ausgleichserfüllung durch Sachwalter betrifft daher nur das Firmenvermögen der erstverpflichteten Partei. Die Exekutionsführung gegen die Zweitverpflichtete als persönlich haftende Gesellschafterin der Erstverpflichteten daher grundsätzlich zulässig. Die Zulässigkeit der Exekution gegen die Zweitverpflichtete ist nicht von einer Behauptung der betreibenden Gläubigerin abhängig, daß die Zweitverpflichtete über ein nicht in die erstverpflichtete Gesellschaft eingebrachtes eigenes Vermögen verfügt.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte