OGH 6Ob149/68

OGH6Ob149/683.7.1968

SZ 41/91

Normen

ABGB §358
AO §55c (2)
ABGB §358
AO §55c (2)

 

Spruch:

Durch die Übertragung des Vermögens des Ausgleichsschuldners an den Sachwalter i. S. des § 55c (2) AO. wird ein Treuhandverhältnis begrundet.

Entscheidung vom 3. Juli 1968, 6 Ob 149/68.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 11. November 1966 wurde über das Vermögen des Beklagten als Alleininhaber der reg. Firma "Pl., Erzeugung von Kunststoffartikeln" sowie als persönlich haftenden Gesellschafter der reg. Firma "St. Kunststoffvertrieb" das Ausgleichsverfahren eröffnet und der Steuerberater Dkfm. Otto B. zum Ausgleichsverwalter bestellt.

Mit Beschluß desselben Gerichtes vom 12. Mai 1967 wurde der zwischen dem Beklagten und seinen Gläubigern bei der Tagsatzung vom 6. Februar 1967 beschlossene Ausgleich bestätigt. Nach diesem sollten die bevorrechteten Forderungen voll befriedigt werden und die übrigen Gläubiger eine 40%ige Quote, und zwar 8% binnen 14 Tagen nach Rechtskraft der Bestätigung, 9% bis spätestens 7. August 1967 und 23% bis spätestens, 6. Februar 1968 erhalten. Gemäß Punkt 6 des Ausgleiches unterwarf sich der Ausgleichsschuldner nach § 55 (2) AO. bis zur Erfüllung des Ausgleichs der Überwachung durch Dkfm. B. als Sachwalter der Gläubiger und erteilte ihm gemäß § 55c (1) AO. die bis 6. Februar 1969 unwiderrufliche Vollmacht das ausgleichsschuldnerische Vermögen einschließlich des Unternehmens als Ganzes oder in einzelne Teile aufgelöst bestmöglich zu veräußern; gleichzeitig wurde ihm dieses Vermögen per sofort übergeben. Sollte sich aus der Veräußerung eine Summe ergeben, die eine höhere als 40%ige Befriedigung der Gläubiger ermöglicht, so soll auch dieser höhere Erlös an die Gläubiger verteilt werden. Zufolge Punkt 8 des Ausgleichs trat Franz Josef Sp. gemäß § 53a AO. dem Ausgleich bis zu einer Gesamtquote von 35% als Bürge und Zahler bei.

Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 2. Juni 1967 wurde der Bestätigungsbeschluß für rechtskräftig erklärt, das Ausgleichsverfahren gemäß § 55 (2) AO. aufgehoben und ausgesprochen, daß das Amt des Ausgleichsverwalters erloschen sei. Die Überwachung der Erfüllung des Ausgleichs durch Dkfm. B. wurde gemäß § 55b (1) AO. im Firmenregister des Handelsgerichtes Wien und im Pfändungsprotokoll des Exekutionsgerichtes Wien angemerkt.

Der Kläger behauptet, der Beklagte habe ihn im Jänner 1967 im Zuge des über sein Vermögen eingeleiteten Ausgleichsverfahrens beauftragt, für die dem Beklagten gehörige Firma "Pl." einen Kaufinteressenten zu suchen, und ihm für den Erfolgsfall eine Provision in der Höhe von 3% des Firmenwertes von 1.500.000 S versprochen. Der Kläger habe Franz Josef Sp. für das Unternehmen interessiert und mit dem Beklagten in Verbindung gebracht. Es sei zum Geschäftsabschluß gekommen, wobei allerdings Sp. nach außenhin den Gläubigern gegenüber nur die Bürgschaft für die Erfüllung der Ausgleichsquoten übernommen habe, im Innenverhältnis sei jedoch die Firma "Pl." in sein Eigentum übergegangen.

Aus dieser Vereinbarung stehe dem Beklagten gegen Sp. noch eine Forderung auf Zahlung von 80.000 S zu.

Das Erstgericht wies das auf Zahlung der Provision von 45.000 S gerichtete Klagebegehren ab.

Da der Beklagte sein ganzes Vermögen am 6. Februar 1967 dem Dkfm. B. zwecks Durchführung eines Liquidationsausgleiches übergeben und ihm zur bestmöglichen Verwertung des Vermögens eine bis 6. Februar 1969 unwiderrufliche Vollmacht erteilt hat, könne er während der Dauer der Sachwalterschaft über das Vermögen nicht verfügen. Der Sachwalter habe alle das Vermögen betreffenden Rechte und Pflichten zwar im Interesse des Ausgleichsschuldners und der Gläubiger aber im eigenen Namen auszuüben. Leistungsklagen seien gegen den Sachwalter selbst zu richten. Es gebe keinen anderen Weg, seine Pflichterfüllung zu erzwingen, da die Gläubiger sich nicht an die Ausgleichsorgane wenden können. Rechtskraft, Tatbestandswirkung und Vollstreckbarkeit des Urteils richten sich gegen den Sachwalter, der allerdings nicht zur Leistung aus eigenen Mitteln, sondern nur aus dem ihm übertragenen Vermögen verurteilt werden dürfe. Falls sich die Prozeßführung auf das dem Sachwalter übertragene Gut beziehe, sei es gleichgültig, ob sie sich auf Rechtsgeschäfte des Sachwalters grunde oder auf frühere Rechtsgeschäfte.

Es bedürfe daher keiner Prüfung, ob und wann die vom Kläger behauptete Provisionsvereinbarung geschlossen wurde, ob dem Kläger eine Provisionsforderung zustehe und ob er eine solche Forderung im Ausgleich angemeldet habe, da keinesfalls der Ausgleichsschuldner, sondern nur der Sachwalter geklagt werden könne.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es ist der Revision zwar einzuräumen, daß das Treuhandverhältnis im österreichischen Recht nirgends ausdrücklich und eingehend geregelt ist und daß dieses Institut von Lehre und Rechtsprechung heraus gebildet wurde (vgl. die wiederholten Abhandlungen Kastners in JBl. 1948 S. 305 ff., 1949 S. 90 ff., 420 ff. und 537 ff., 1954 S. 138 ff., 1958 S. 109 ff. u. a.) es ist aber einhellige Meinung, daß durch die Übertragung des Vermögens des Ausgleichsschuldners an den Sachwalter im Sinne § 55c (2) AO. ein Treuhandverhältnis begrundet wird, Bartsch - Pollak führen unter Bezugnahme auf andere Autoren auf S. 467 des II. Bandes aus:

"Das Sachwalterverhältnis ist ein Treuverhältnis, der Sachwalter ein Treuhänder, und zwar ein offener Treuhänder, der selbständige Rechte im fremden Interesse mit der Wirkung auch für und gegen Dritte auszuüben hat; die Interessenten sind die Schuldner und seine Ausgleichsgläubiger; die Dritten sind die anderen Personen, die im Rechtsverhältnis zum Ausgleichsschuldner stehen, z. B. seine neuen Kunden nach der Aufhebung des Ausgleichsverfahrens."

Weiter auf Seite 474 Anmerkungen 32 und 33:

".......... Bei der Vermögensübertragung bleibt er (der Schuldner)

Eigentümer, Besitzer, Gläubiger, verliert aber seine

Verfügungsbefugnis. Das Ziel der Entziehung dieser Befugnis, dieser

Vermögensübertragung, ist die Erfüllung des Ausgleichs ..........

Das übertragene Vermögen umfaßt das ganze Vermögen des

Ausgleichschuldners, aber nur dieses; ... das nach Verfahrensende

erworbene Vermögen des Ausgleichsschuldners umfaßt es nicht."

Und schließlich auf Seite 478 f. Anmerkung 43:

"Klagen der auf das übertragene Vermögen verwiesenen Gläubiger sind

gegen den Sachwalter persönlich zu richten .......... Darum trifft

die Rechtskraft, Tatbestandswirkung und Vollstreckbarkeit eines

solchen Urteils den Sachwalter, der freilich nicht verurteilt werden

darf, aus eigenen Mitteln, sondern nur dazu, aus dem übertragenen

Vermögen zu leisten. Will der Gläubiger Urteilswirkungen auch gegen

den Ausgleichsschuldner erzielen, so hat er diesen als

Streitgenossen des Sachwalters zu klagen ..... Der Sachwalter darf

infolgedessen hinsichtlich des übertragenen Vermögens im eigenen

Namen Kläger oder Beklagter sein, Aktiv- und Passivprozeß führen,

daher auch Klagen ohne eine besondere gerichtliche Ermächtigung

erheben, gerichtliche Vergleiche schließen und die Abwehr von

Exekutionen in das Vorbehaltsgut durchführen ......... Des

Sachwalters prozessuale Tätigkeit berechtigt und verpflichtet den Ausgleichsschuldner, und zwar ihn unbeschränkt, aber nur ihn, nicht den Sachwalter; nicht diesen, lediglich jenen erfassen die Rechtskraft und die Tatbestandswirkung des Urteils. Es ist dabei unerheblich, ob diese Prozeßführung auf vom Sachwalter als solchem abgeschlossenen Rechtsgeschäft fußt oder auf Rechtshandlungen aus der Zeit vor der Sachwaltung, die auf das (dann) übertragene Gut bezüglich sind."

Die vom Kläger geltend gemachte Provisionsforderung beruht nach seinem eigenen erstinstanzlichen Vorbringen darauf, daß er den Verkauf der vordem dem Beklagten gehörigen Firma "P." an Franz Josef S. vermittelte. Da S. auf Grund der zwischen ihm und dem Beklagten bzw. dem Sachwalter Dkfm. B. zustandegekommenen Vereinbarung im Ausgleichsverfahren als Bürge aufgetreten ist, ist die Forderung des Klägers während des Ausgleichsverfahrens entstanden, wie dies der Kläger auch selbst auf Seite 2 seiner Klage vorbringt. Seine Forderung fällt daher unter den Ausgleich und ist vom Sachwalter zu erfüllen, ohne Rücksicht darauf, ob der Kläger sie im Ausgleichsverfahren angemeldet hat oder nicht (Bartsch - Pollak a. a. O. Seite 479 Anmerkung 44).

Der Kläger kann somit Erfüllung seiner Forderung, sofern sie zu Recht besteht, nur aus dem Ausgleichsvermögen verlangen. Dieses wurde aber zur Gänze dem Sachwalter übertragen, der allein darüber verfügungsberechtigt ist. Da dem Beklagten selbst jede Verfügungsberechtigung hierüber fehlt, kann die Klage nicht gegen ihn, sie muß vielmehr gegen den Sachwalter gerichtet werden.

Der Revision kann auch nicht darin beigepflichtet werden, daß eine Provisionsforderung für die Vermittlung des Unternehmens des Ausgleichsschuldners sich nicht auf das dem Sachwalter gemäß § 55c AO. übertragene Vermögen beziehe, sondern "außerhalb des Betriebes des Handelsgewerbes des Beklagten entstanden sei und eine persönliche Verpflichtung des Beklagten darstelle." Dies kann umsoweniger gesagt werden, als die Übertragung das ausgleichsschuldnerische Vermögen, einschließlich des Unternehmens umfaßte. Da der Beklagte im Punkt 6 des Ausgleichs dem Sachwalter nicht nur gemäß § 55c (1) AO. die bis 6. Februar 1969 unwiderrufliche Vollmacht zur Veräußerung des Vermögens erteilte, sondern ihm dieses Vermögen auch übergab, bedarf es auch keiner Zession der einzelnen Forderungen, so auch nicht etwa einer, nach den Behauptungen des Klägers dem Beklagten gegen Franz Josef S. aus dem Verkauf des Unternehmens zustehenden Forderung von 80.000 S. Es ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß eine solche Forderung unter das dem Sachwalter übertragene Vermögen fallen würde und daß es daher keiner Feststellung hinsichtlich dieser angeblichen Forderung bedarf.

Mit Recht haben daher die Untergerichte den Standpunkt eingenommen, daß die Klagsforderung nur gegen den Sachwalter geltend gemacht werden kann.

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