European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1980:0120OS00111.80.1124.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Entscheidungsart: Verstärkter Senat
Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Durch die im September 1979 in gewinnsüchtiger Absicht versuchte Einfuhr nachgenannter unzüchtiger Schriften, nämlich der Druckwerke mit den Titeln
„Color Climax“ Nr. 86, 87, 88, 90, 95, 97 und 99,
„Anal Sex“ Nr. 30,
„Sex Bizarre“ Nr. 23 und 25,
„Blue Climax“ Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 7, 8 und 9,
„Teenager Sex“ Nr. 3, 4, 5, 8 und 10,
„Exciting“ Nr. 2, 4, 7, 8 und 9,
wurde objektiv das Vergehen nach §§ 1 Abs. 1 lit. b PornG, 15 StGB erfüllt.
Gemäß §§ 1 Abs. 3 PornG, 42 PresseG wird auf den Verfall dieser Druckwerke erkannt.
Gemäß § 42 Abs. 2 PresseG fallen dem Verleger dieser Druckwerke die Kosten des Verfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft abgewiesen, die vom Jugendgerichtshof Wien beschlagnahmten und in gerichtliche Verwahrung (Standblatt Nr. 749/79 des Jugendgerichtshofes Wien) genommenen, infolge ihres unter anderem intensive gleichgeschlechtliche Unzucht darstellenden Inhalts unzüchtigen Druckwerke gemäß § 42 Abs. 1 PresseG im selbständigen Verfahren für verfallen zu erklären.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen wurden die im Spruch aufgezählten, für die Wiener Fa. R* GesmbH, Handel mit Zeitschriften, bestimmten Druckwerke von dem dänischen Zeitschriftenverlag R* Trading, Kopenhagen, im Postweg nach Wien übersendet und langten am 13. September 1979 am Zollamt Wien, Zweigstelle Donaulagerhaus, ein, wo sie wegen ihres – (absolut) unzüchtigen – Inhalts vom Gericht beschlagnahmt wurden. Das Verfahren gegen den verantwortlichen Geschäftsführer der Fa. R* GesmbH, Hubert R*, wegen Verdachts des Vergehens nach § 1 Abs. 1 (lit. b) PornG (in der Erscheinungsform des Versuchs nach § 15 StGB) wurde eingestellt, sodaß im Zusammenhang mit diesen (unzüchtigen) Druckschriften die Verfolgung einer bestimmten Person im Inland nicht durchführbar bzw. eine Verurteilung infolge Vorliegens von die Bestrafung ausschließenden Gründen nicht möglich war, und somit die prozessualen Voraussetzungen für ein selbständiges Verfallsverfahren nach dem – hier insoweit maßgeblichen – § 41 Abs. 1 PresseG vorlagen.
Zum Inhalt dieser vom Verfallsantrag des öffentlichen Anklägers betroffenen Druckwerke stellte das Erstgericht im angefochtenen Urteil unter näherer Beschreibung der hier in Betracht kommenden, jeweils in den einzelnen Heften enthaltenen Abbildungen fest, daß darin – auch – Darstellungen von intensiven gleichgeschlechtlichen Unzuchtshandlungen zwischen Frauen, so unter anderem durch Betasten und Lecken am Geschlechtsteil, teilweise auch durch Einführen von Gegenständen in den weiblichen Geschlechtsteil, aufscheinen (vgl. S. 58 bis 67 d.A.).
Die Abweisung des von der Staatsanwaltschaft gemäß § 42 Abs. 1 PresseG im selbständigen Verfahren gestellten Verfallsantrages begründete das Erstgericht im wesentlichen damit, es sei nicht erweisbar, daß die in den verfahrensgegenständlichen Druckschriften enthaltenen unzüchtigen Darstellungen (lesbischer Natur) eine dem § 220 StGB entsprechende propagandistische Wirkung entfalten. Eine solche setze nämlich voraus, daß mit dem Verkauf dieser unzüchtigen Druckschriften eine Massenbeeinflussung in dem Sinn eintrete, daß eine große Menge bisher heterosexuell eingestellter Menschen zur gleichgeschlechtlichen Betätigung hingeführt werden. Eine solche Massenbeeinflussung könnte im vorliegenden Fall schon im Hinblick auf die nicht besonders große Stückzahl der hier in Rede stehenden Hefte nicht erzielt werden. Außerdem sei bei Prüfung dieser Frage der präsumtive Abnehmerkreis für diese Druckschriften von wesentlicher Bedeutung. Ist dieser Personenkreis nur klein, oder besteht er nur aus Personen, die entweder schon gleichgeschlechtlich veranlagt sind oder lediglich zur Befriedigung ihres persönlichen Interesses an Darstellungen gleichgeschlechtlicher Betätigung solche Druckwerke erwerben, scheide die Möglichkeit einer Massenbeeinflussung von vornherein aus. Gegenteilige Feststellungen über den präsumtiven Abnehmerkreis sowie über ein mit der Verbreitung dieser Druckschriften verbundenes, auf eine Massenbeeinflussung in Richtung einer gleichgeschlechtlichen Betätigung abzielendes Vorhaben könnten aber im vorliegenden Fall nicht getroffen werden.
Dieses Urteil bekämpft die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Z. 4 und 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in der sie in rechtlicher Beziehung die Ansicht vertritt, daß pornographische Darstellungen von gleichgeschlechtlicher Unzucht generell, ohne daß damit eine propagandistische, auf Massenbeeinflussung in Richtung gleichgeschlechtlicher Betätigung abzielende Wirkung verbunden sein müsse, als unzüchtig anzusehen seien.
Die vorliegend entscheidende Rechtsfrage wurde in den letzten Jahren in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs –jeweils ausgehend von der Entscheidung des verstärkten Senats vom 6. Juni 1977, 13 Os 39/77 (EvBl. 1977/286 = RZ. 1977/95 = ÖJZ‑LSK. 1977/253–255) – nicht einheitlich beantwortet. In mehreren Entscheidungen wurde die Auffassung vertreten, die Darstellung von im allgemeinen dem Bereich der sogenannten “harten“ Pornographie zuzuzählenden gleichgeschlechtlichen Betätigungen sei nicht schlechthin, sondern nur unter der Voraussetzung als absolut unzüchtig anzusehen, daß die betreffende Darstellung eine propagandistische Wirkung entfaltet (9 Os 168/78 = EvBl. 1979/163, 11 Os 154/79, 13 Os 27/79, 11 Os 2/80 u.a.), wobei vielfach darüber hinaus gefordert wurde, daß mit dem Verkauf der Druckwerke eine große Menge von Menschen („Massen“), die bislang heterosexuell eingestellt waren, der gleichgeschlechtlichen Betätigung zugeführt werden können und tatsächlich zugeführt werden sollen (10 Os 61/79 = EvBl. 1980/115 = ÖJZ‑LSK. 1980/33, 10 Os 63/79, 10 Os 180/79, 10 Os 83/80), die Darstellung mithin geeignet sein müsse, Menschen zur gleichgeschlechtlichen Unzucht zu verleiten (so zuletzt 13 Os 147/80).
In anderen Entscheidungen hat der Oberste Gerichtshof hingegen ausgesprochen, daß die Annahme absoluter Unzüchtigkeit gleichgeschlechtlicher Darstellungen keineswegs eine Aufforderung zu oder ein Gutheißen von gleichgeschlechtlicher Unzucht erfordere (10 Os 30/78, 12 Os 71/78 = ÖJZ‑LSK. 1978/354, 13 Os 45/79 = EvBl. 1979/231) und daß derartige Darstellungen generell und ohne Rücksicht auf den angesprochenen Personenkreis unzüchtig sind, weshalb es keiner Erörterungen einer möglichen propagandistischen Wirkung dieser Darstellungen und deren Eignung, eine zur gleichgeschlechtlichen Unzucht anregende, massenbeeinflussende Wirkung zu erzielen, bedarf (9 Os 74/80, 9 Os 89/80, 9 Os 100/80 = ÖJZ‑LSK. 1980/177, 9 Os 106/80).
Im Hinblick auf diese Divergenzen in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung hat der zuständige (einfache) Senat des Obersten Gerichtshofs am 25. September 1980 beschlossen, die Strafsache gemäß § 8 Abs. 1 Z. 2 OGHG zur Entscheidung durch einen verstärkten Senat zu bringen.
Rechtliche Beurteilung
Dieser Senat hat folgendes erwogen:
Auszugehen ist von den vom Obersten Gerichtshof bereits in der Entscheidung des verstärkten Senats vom 6. Juni 1977, 13 Os 39/77 (EvBl. 1977/186), entwickelten Grundsätzen, von welchen abzugehen kein Anlaß besteht. Darnach sind als unzüchtig im Sinne des § 1 PornG unter anderem solche Abbildungen und Laufbilder anzusehen, die den herrschenden Wertvorstellungen der Gesellschaft in geschlechtlicher Hinsicht widersprechen und solcherart das Zusammenleben grob stören; eine solche Störung ist im Sinne der Einheit der Rechtsordnung (zunächst) überall dort anzunehmen, wo es sich um auf sich selbst reduzierte und von Zusammenhängen mit anderen Lebensäußerungen gelöste, anreißerisch verzerrte Darstellungen von Unzuchtsakten handelt, die als solche ihrer Art nach verboten und strafbar sind, worunter sexuelle Gewalttätigkeiten, insbesondere sadistischer oder masochistischer Natur, und Unzuchtsakte mit Unmündigen fallen, ferner aber auch derartige Darstellungen gleichgeschlechtlicher Unzucht oder Unzucht mit Tieren, welche Unzuchtsakte – wenn auch als Handlungen nicht oder nur beschränkt strafbar – nicht propagiert werden dürfen, und daher im Sinne der heterosexuellen Orientierung der rechtlich geordneten Gesellschaft und ihres Schutzes generell als unzüchtig angesehen werden müssen.
Handelt es sich – wie im vorliegenden Fall – somit um die anreißerisch verzerrte Wiedergabe von Unzuchtsakten mit Personen des gleichen Geschlechts, ist die für die Beurteilung einer Darstellung als unzüchtig essentielle grobe Störung des Zusammenlebens in der rechtlich geordneten Gesellschaft nach dem in der zitierten Entscheidung des verstärkten Senats vom 6. Juni 1977 geprägten und aus der Einheit der Rechtsordnung abgeleiteten absoluten Unzüchtigkeitsbegriff generell und – anders als in den nicht der sogenannten „harten“ Pornographie zuzuordnenden Fällen – ohne Rücksicht auf den angesprochenen Personenkreis und deren Eignung, Menschen zur gleichgeschlechtlichen Unzucht zu verleiten, gegeben. Denn gleichgeschlechtliche Unzucht – die jedenfalls beschränkt strafbar ist (§§ 209, 210 StGB) und im übrigen nicht propagiert werden darf (§ 220 StGB) – widerspricht der heterosexuellen Orientierung der rechtlich geordneten Gesellschaft und steht zu dieser – auch bei Fehlen einer allgemeinen Strafsanktion – jedenfalls in einem Spannungsverhältnis, wie dies gleichermaßen auch für Unzucht mit Tieren gilt, deren Darstellung nach der vorerwähnten Entscheidung des verstärkten Senats ebenfalls absolut, unabhängig vom angesprochenen Personenkreis und der Eignung der Darstellung, Menschen zur Unzucht mit Tieren zu verleiten, unzüchtig ist.
Damit erweist sich, daß die im angefochtenen Urteil angestellten Erwägungen über das Erfordernis einer propagandistischen Wirkung der urteilsgegenständlichen Druckwerke in Ansehung der darin enthaltenen Darstellungen lesbischer Unzuchtsakte im Sinne einer Eignung, Menschen, die bislang heterosexuell eingestellt waren, zur gleichgeschlechtlichen Unzucht dieser Art zu verleiten und insoweit massenbeeinflussend zu wirken, unter dem Gesichtspunkt des § 1 PornG nicht zielführend und nach der Entscheidung des verstärkten Senats vom 6. Juni 1977 auch nicht anzustellen sind. Denn eine solche Wirkung der Darstellung ist – anders als beim Vergehen nach § 220 StGB, wo sie im Falle der Begehung durch „Gutheißen“ zum Tatbestand gehört – für die Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 1 lit. a bis e PornG nicht erforderlich. Unter anderem dadurch unterscheidet sich – wie auch vom Schutzzweck der beiden Strafnormen her – das Vergehen nach § 1 Abs. 1PornG von jenem nach § 220 StGB. § 220 StGB ist allerdings (wie schon früher der entsprechende Tatbestand des § 517 StG 1945 in der Fassung des Art. I Z. 25 StRÄG 1971) insoweit für die Auslegung des normativen Begriffs der Unzucht von Bedeutung, als der Gesetzgeber darin – gleichgeschlechtliche Handlungen damit wertend und für sie das Merkmal der Unzucht prägend – ausdrücklich (und generell) von gleichgeschlechtlicher Unzucht spricht; darin erschöpft sich jedoch der Einfluß, den diese Strafnorm auf die Auslegung des Tatbestands des § 1 Abs. 1 PornG hat.
Nichts anderes kommt in der Entscheidung des verstärkten Senats vom 6. Juni 1977 zum Ausdruck. Darin wird (lediglich) zur Wertung gleichgeschlechtlicher Betätigung als (aus der Gesamtschau der Rechtsordnung absolut) unzüchtig darauf verwiesen, daß die Propagierung gleichgeschlechtlicher Unzucht nach § 220 StGB ausnahmslos strafbar ist, obgleich gleichgeschlechtliche Handlungen (als solche) nur beschränkt strafbar sind. Im übrigen aber wird in diesem Urteil unmißverständlich klargestellt, daß es für die Beurteilung einer Darstellung als absolut unzüchtig nur auf deren Inhalt, nicht aber auf andere Kriterien, wie den angesprochenen Personenkreis und die Eignung, andere Menschen in einer bestimmten Richtung zu beeinflussen, ankommt.
Allerdings kann – was gleichfalls der schon mehrfach erwähnten Entscheidung des verstärkten Senates zu entnahmen ist – eine Schrift und dergleichen nicht allein schon deswegen als unzüchtig im Sinne des § 1 PornG beurteilt werden, weil sie eine Darstellung gleichgeschlechtlicher Vorgänge enthält. Als unzüchtig ist sie vielmehr nur dann zu werten, wenn sie eine anreißerisch verzerrte – das Obszöne betonende – Wiedergabe von geschlechtlichen Betätigungen zum Gegenstand hat, die eine ins Auge fallende unzüchtige Ausstrahlung entfaltet und insoweit – wegen der dieser erfahrungsgemäß innewohnenden stimulierenden Wirkung – eine (nach objektiven Kriterien zu beurteilende) „Werbekomponente“ beinhalte, die bei Druckwerken und Laufbildern in der Regel gegeben ist. Einer darüber hinausgehenden (tätergewollten) Massenbeeinflussung mit dem Ziel, eine große Menschenmenge von ihrer bisherigen heterosexuellen Einstellung abzubringen, bedarf es hingegen nach dem Vorgesagten – entgegen der Auffassung des Erstgerichtes – nicht. Im übrigen verlangt nicht einmal der (auf abstrakte Werbungseignung abstellende) Tatbestand des § 220 StGB eine solche Massenbeeinflussung, und es können auch Personen, die bereits der homosexuellen Betätigung zuneigen, durch Propaganda in ihrer Einstellung fixiert werden (vgl. auch SSt. 47/69).
Da die verfahrensgegenständlichen Druckschriften nach ihrem im Urteil festgestellten Inhalt absolut unzüchtige Darstellungen enthalten, erweist sich die Nichtigkeistbeschwerde der Staatsanwaltschaft im Ergebnis schon aus dem geltendgemachten Nichtigkeitsgrund der Z. 11 des § 281 Abs. 1 StPO als begründet.
Ihr war sohin Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO in der Sache selbst dahin zu erkennen, daß die im Verfallsantrag der Staatsanwaltschaft näher bezeichneten, infolge der darin enthaltenen Darstellungen gleichgeschlechtlicher Unzucht der sogenannten „harten“ Pornographie zuzuordnenden Druckwerke, durch deren in gewinnsüchtiger Absicht erfolgten (versuchten) Einfuhr das Vergehen nach § 1 Abs. 1 lit. b PornG (in der Erscheinungsform des Versuchs nach § 15 StGB) verwirklicht wurde, gemäß § 42 Abs. 1 PresseG für verfallen erklärt werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 42 Abs. 2 PresseG.
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