OGH 9Os106/80

OGH9Os106/8021.10.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Oktober 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr.Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hausenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gourge A wegen des Vergehens nach § 1 Abs. 1 lit. a und c PornG. über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 13.Mai 1980, GZ. 1 b Vr 1415/79-17, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, Verlesung der Rechtsmittelschrift der Staatsanwaltschaft und der Gegenausführungen hiezu, sowie Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem Ausspruch, wonach der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verfall des Magazins 'B' Nr. 7 vom Juli 1979

abgewiesen wird, aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Dadurch, daß am 18.Juni 1979 in Wien in gewinnsüchtiger Absicht das Magazin 'B' Nr. 7 vom Juli 1979, beinhaltend Darstellungen gleichgeschlechtlicher Unzucht, zum Zwecke der Verbreitung vorrätig gehalten und anderen angeboten worden ist, wurde das Vergehen nach § 1 Abs. 1

lit. a und c PornG. verwirklicht.

Dieses Magazin wird gemäß § 42 Abs. 1 PresseG. für verfallen

erklärt.

Gemäß § 42 Abs. 2 PresseG. fallen dem Herausgeber der bezeichneten periodischen Druckschrift die Kosten des Verfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 28-jährige ägyptische Staatsbürger Gourge A von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 18.Juni 1979 in Wien in gewinnsüchtiger Absicht unzüchtige Druckwerke, nämlich je ein Exemplar der Magazine 'B' Nr. 7 vom Juli 1979, 'C' vom Juni 1979 und 'D', Vol. 5, Nr. 3 zum Zwecke der Verbreitung vorrätig gehalten und anderen angeboten, und hiedurch das Vergehen nach § 1 Abs. 1 lit. a und c PornG. begangen, gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen;

der Antrag der Staatsanwaltschaft, gemäß § 1 Abs. 3 PornG. in Verbindung mit § 41 PresseG. auf den Verfall der Tatgegenstände zu erkennen, wurde abgewiesen.

Zum Inhalt des Magazins 'B' Nr. 7 vom Juli 1979 stellte das Erstgericht fest, daß dieses Magazin - anders als die beiden anderen Magazine - in mehreren bildlichen Darstellungen intensives lesbisches Unzuchttreiben (insbesondere durch Betasten und Küssen des Geschlechtsteils der jeweiligen gleichgeschlechtlichen Partnerin) zeigt, und daß der Angeklagte dieses Magazin am 18.Juni 1979 zusammen mit anderen Druckwerken in einer Hauseinfahrt in Wien 1., Kärntnerstraße 47, feilhielt und seinen Kunden anbot, wobei ihm allerdings der Inhalt des Magazins nicht bekannt war und er die inkriminierten Magazine nicht an Jugendliche verkauft hätte (S. 61- 63 d.A.).

Ausgehend von den getroffenen Feststellungen sah das Erstgericht den subjektiven Tatbestand des dem Angeklagten angelasteten Vergehens als nicht erfüllt an. Darüber hinaus lehnte es eine Verurteilung und den beantragten Verfall aber auch deshalb ab, weil nicht erweisbar sei, daß die inkriminierten bildlichen Darstellungen lesbischen Unzuchttreibens eine propagandistische Wirkung in dem Sinne entfalten konnte, daß mit ihrem Verkauf eine Massenbeeinflussung, nämlich die Zuführung einer großen Menge bisher heterosexuell eingestellter Menschen zu gleichgeschlechtlicher Betätigung, erfolgen sollte, zumal nicht auszuschließen sei, daß als Abnehmer nur ein kleiner Personenkreis oder Personen, die ohnedies bereits gleichgeschlechtlich veranlagt sind, oder Käufer, die nur ein persönliches Interesse an der visuellen Darstellung gleichgeschlechtlicher Sexualität befriedigen wollen, in Betracht kamen, womit es (auch) am objektiven Tatbestand fehle.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil, soweit damit (auch) der Antrag auf Verfall des Magazins 'B' Nr. 7 vom Juli 1979 abgewiesen wurde, bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 4 und 11 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der (schon) aus rechtlichen Gründen Berechtigung zukommt.

Auszugehen ist von den vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung des verstärkten Senats vom 6.Juni 1977, 13 Os 39/77 (EvBl. 1977/186 = RZ. 1977/95 =

ÖJZ-LSK. 1977/253-255), von der abzugehen weder Anlaß noch zufolge der gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 OGHG. normierten Bindung Berechtigung besteht, entwickelten Grundsätzen.

Darnach sind als unzüchtig im Sinne des § 1 PornG. unter anderem solche Abbildungen anzusehen, die den herrschenden Wertvorstellungen der Gesellschaft in geschlechtlicher Hinsicht widersprechen und solcherart das Zusammenleben grob stören; eine solche Störung ist im Sinne der Einheit der Rechtsordnung (zunächst) überall dort anzunehmen, wo es sich um auf sich selbst reduzierte und von Zusammenhängen mit anderen Lebensäußerungen losgelöste, anreißerisch verzerrte Darstellung von Unzuchtsakten handelt, die als solche ihrer Art nach verboten und strafbar sind (worunter sexuelle Gewalttätigkeiten, insbesondere sadistischer oder masochistischer Natur, und Unzuchtsakte mit Unmündigen fallen), weiters aber (auch) bei pornographischer Darstellung gleichgeschlechtlicher Unzucht oder Unzucht mit Tieren, welche Unzuchtsakte - wenn auch als Handlungen nicht oder nur beschränkt strafbar - nicht propagiert werden dürfen und im Sinne der heterosexuellen Orientierung der rechtlich geordneten Gesellschaft und ihres Schutzes generell als unzüchtig angesehen werden müssen.

Bei (anreißerisch verzerrten) Darstellungen von Unzuchtsakten mit Personen des gleichen Geschlechts, wie sie vorliegend im Magazin 'B' Nr. 7 vom Juli 1979 enthalten sind, ist daher die für die Beurteilung als unzüchtig essentielle grobe Störung des Zusammenlebens in der rechtlich geordneten Gesellschaft nach dem in der zitierten Entscheidung des verstärkten Senats geprägten und aus der Einheit der Rechtsordnung abgeleiteten absoluten Unzüchtigkeitsbegriff generell und - anders als in jenen Fällen, die nicht der sogenannten 'harten' Pornographie zuzuordnen sind - ohne Rücksicht auf den angesprochenen Personenkreis und deren Eignung, Menschen zur gleichgeschlechtlichen Unzucht zu verleiten, gegeben (9

Os 89/80, 9 Os 100/80, 9 Os 74/80; a.M. 10 Os 61/79 = EvBl. 1980/115

= ÖJZ-LSK.

1980/33, 10 Os 63/79, 13 Os 27/79, 13 Os 147/80). Denn gleichgeschlechtliche Unzucht - die jedenfalls beschränkt strafbar ist (§§ 209, 210 StGB.) und im übrigen nicht propagiert werden darf (§ 220 StGB.) - widerspricht der heterosexuellen Orientierung der rechtlich geordneten Gesellschaft und steht zu dieser - auch bei Fehlen einer allgemeinen Strafsanktion für derartige Handlungen - jedenfalls in einem Spannungsverhältnis, wie dies gleichermaßen auch für Unzucht mit Tieren gilt, deren Darstellung nach der zitierten Entscheidung des verstärkten Senats ebenfalls absolut, unabhängig vom angesprochenen Personenkreis und der Eignung der Darstellung, Menschen zur Unzucht mit Tieren zu verleiten, unzüchtig ist. Daraus folgt, daß die im angefochtenen Urteil angestellten Erwägungen über das Erfordernis einer möglichen propagandistischen Wirkung des urteilsgegenständlichen Magazins 'B' in Ansehung der darin enthaltenen Darstellungen lesbischer Unzucht im Sinne einer Eignung, eine große Zahl von Menschen, die bislang heterosexuell eingestellt waren, zur gleichgeschlechtlichen Unzucht dieser Art zu verleiten und somit massenbeeinflussend zu wirken, unter dem Gesichtspunkt des § 1 Abs. 1 PornG.

nicht zielführend sind. Denn eine solche Wirkung der Darstellung ist - anders als beim Vergehen nach § 220 StGB., wo sie im Falle der Begehung durch 'Gutheißen' Tatbestandsmerkmal ist - für die Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 1 PornG. nicht erforderlich. Unter anderem dadurch unterscheidet sich - wie auch vom Schutzzweck der beiden Strafnormen her - das Vergehen nach § 1 Abs. 1 PornG. von jenem nach § 220 StGB. § 220 StGB. ist allerdings (wie schon früher der entsprechende Tatbestand des § 517 StG. 1945 in der Fassung des Art. I Z. 25 StRÄG.

1971) insoweit für die Auslegung des normativen Begriffs 'unzüchtig' in § 1 Abs. 1 PornG. von Bedeutung, als der Gesetzgeber darin - gleichgeschlechtliche Handlungen damit wertend und für sie das Merkmal der Unzucht prägend -

ausdrücklich (und generell) von gleichgeschlechtlicher Unzucht spricht; darin erschöpft sich jedoch der Einfluß, den diese Strafnorm auf die Auslegung des § 1 Abs. 1 PornG. hat. Nichts anderes bringt aber die Entscheidung des verstärkten Senats vom 6.Juni 1977, 13 Os 39/77, zum Ausdruck, indem darin (lediglich) zur Wertung von Darstellungen gleichgeschlechtlicher Unzucht (vgl. hiezu ÖJZ-LSK. 1979/161) als aus der Gesamtschau der Rechtsordnung (absolut) unzüchtig darauf verwiesen wird, daß die Propagierung gleichgeschlechtlicher Unzucht nach § 220 StGB. strafbar ist, mögen auch gleichgeschlechtliche Handlungen (als solche) nur beschränkt strafbar sein, während anderseits unmißverständlich klargestellt wurde, daß es für die absolute Unzüchtigkeit einer Darstellung nur auf deren Inhalt, nicht aber auf andere Kriterien, somit auf den angesprochenen Personenkreis und die Eignung der Darstellung, eine große Zahl anderer Menschen in einer bestimmten Richtung zu beeinflussen, ankommt.

Selbst wenn man aber der - nach dem Gesagten abzulehnenden - Argumentation des Erstgerichts folgte, könnte ein von Darstellungen gleichgeschlechtlicher Unzucht anreißerisch verzerrter Art (erfahrungsgemäß) ausgehender Anreiz zur Nachahmung - somit die im Ersturteil erwähnte propagandistische (werbende) Wirkung - insbesondere auf labile Personen bei im Massenvervielfältigungsverfahren hergestellten, zur Verbreitung bestimmten Druckwerken, wie es das in Rede stehende Magazin darstellt, füglich nicht bezweifelt werden, sodaß Feststellungen in diese Richtung auch aus diesem Grunde entbehrlich wären (vgl. abermals 9 Os 100/80).

Bezüglich des Magazins 'B' Nr. 7 vom Juli 1979 wurde daher - ausgehend von den Urteilskonstatierungen - jedenfalls objektiv der Tatbestand des Vergehens nach § 1 Abs. 1 lit. a und c PornG. verwirklicht, sodaß im Hinblick auf § 42 Abs. 3 PresseG. der Verfall dieses Druckwerks nach § 42 Abs. 1 PresseG. auszusprechen gewesen wäre.

Es war demnach der Nichtigkeitsbeschwerde des öffentlichen Anklägers Folge zu geben und spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte