OGH 10Os63/79

OGH10Os63/7919.12.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Dezember 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Racek, in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Walenta und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mayerhofer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Otto A wegen Vergehens nach § 1 Abs. 1 lit. a und c des Bundesgesetzes vom 31. März 1950, BGBl. Nr.97, über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien als Schöffengericht vom 9. Jänner 1979, GZ. 1 b Vr 1302/78-11, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Granner und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß § 290 Abs. 1 StPO. das angefochtene Urteil aufgehoben sowie die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 4. Juli 1942 geborene Verkäufer und Geschäftsführer Otto A des Vergehens nach § 1 Abs. 1 lit. a und c des Bundesgesetzes vom 31. März 1950, BGBl. Nr. 97, schuldig erkannt. Nach dem Inhalt des Urteilsspruchs hat er am 6. September 1978 in Wien in gewinnsüchtiger Absicht unzüchtige Schriften und Abbildungen, nämlich 35 Exemplare im Urteil einzeln bezeichneter Sexmagazine, zum Zweck der Verbreitung vorrätig gehalten und anderen angeboten. Dazu hat das Jugendschöffengericht festgestellt, daß die Druckwerke Darstellungen geschlechtlicher Betätigung aller Art in exzessiver, aufdringlicher und abstoßender Form enthalten. Da u.a. gleichgeschlechtliche Unzucht dargeboten wird, ordnete das Gericht die Druckwerke der sogenannten harten und darum absolut strafbaren Pornographie zu.

Otto A ficht den Schuldspruch aus den Nichtigkeitsgründen des § 281 Abs. 1 Z. 5, 9 lit. c und 10 StPO. an.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof überzeugt, daß das Gesetz zum Nachteil des Angeklagten unrichtig angewendet worden ist (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO.). Der Jugendschöffensenat hat nämlich die oben angeführten Konstatierungen betreffend den Inhalt aller im Urteilsspruch aufgezählten Druckwerke auf Grund einer nur stichprobenweisen Besichtigung derselben getroffen (Urteil S. 67). Soweit aber die Abbildungen und Schriften nicht eingesehen wurden, waren sie - selbst im Fall eines Verzichts der Parteien auf die gerichtliche Einsichtnahme - nicht Gegenstand der Beweiserhebungen in der Hauptverhandlung (§ 258 Abs. 1 StPO.) und bildeten darum keine Entscheidungsgrundlage. Da weder aus dem Urteil noch aus den Akten hervorgeht, welche der inkriminierten Magazine vom Gericht auf die eine und welche auf die andere Weise behandelt wurden, ist im Ergebnis überhaupt nicht festgestellt, daß irgendein bestimmtes, im Urteilsspruch bezeichnetes Druckwerk die dort unterstellte unzüchtige Eigenschaft aufweist.

Dem Urteil haftet somit ein dessen Nichtigkeit gemäß § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. bewirkender Feststellungsmangel bezüglich des im § 1 Abs. 1 lit. a und c PornG. vorausgesetzten Tatbestandsmerkmals der Unzüchtigkeit an. Da diese Nichtigkeit vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht wird, war sie gemäß § 290 Abs. 1 StPO. von Amts wegen wahrzunehmen und demnach wie im Spruch zu erkennen, ohne daß auf die Beschwerdeausführungen eingegangen werden mußte. Daß in der erneuerten Hauptverhandlung jede einzelne Abbildung vom Jugendschöffensenat eingesehen und jede einzelne Schrift vorgelesen werden muß (§ 258 Abs. 1 StPO.), bedarf nach dem vorstehend Gesagten keiner Betonung. Darüber hinaus wird das Schöffengericht aber zu beachten haben, daß die im nunmehr aufgehobenen Urteil für die Qualifizierung als absolut unzüchtig, mithin als sogenannte harte Pornographie, gegebene Begründung, daß nämlich die Druckwerke (auch) gleichgeschlechtliche Handlungen darbieten, für eine solche Beurteilung keineswegs ausreicht.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung eines verstärkten Senats vom 6. Juni 1977, EvBl. 1977

Nr. 186 = RiZ. 1977 S. 178, zum Ausdruck gebracht und worauf er seither mehrmals (9 0s 168/78 vom 27. Februar 1979 und 13 0s 47/79 vom 22. Juni 1979) deutlich verwiesen hat, erfordert die Beurteilung der Darstellung von Homosexualität und Sodomie als unter allen Umständen unzüchtig (harte Pornographie), daß die betreffende Darstellung eine propagandistische Wirkung entfaltet. Propaganda ist der Versuch der Massenbeeinflussung (Duden, Etymologie, 1963, S. 533). Es wird also darauf ankommen, ob mittels der optischen und verbalen Darbietungen gleichgeschlechtlicher Akte eine Massenbeeinflussung überhaupt stattfinden kann. Bei der Beantwortung dieser Frage wird wiederum entscheidend sein, wer als Abnehmer der inkriminierten Magazine in Betracht kam. War es nur ein kleiner Personenkreis oder waren es Personen, die ohnehin bereits homophil sind oder der homosexuellen Betätigung zuneigen, so scheidet eine Massenbeeinflussung der gedachten Art von vornherein aus. Gleiches gilt für jene Käufer der Druckwerke, die offenbar nur ein Interesse ihrer eigenen Person an der visuellen oder an der verbalen Darstellung der gleichgeschlechtlichen Sexualität befriedigen wollen. Eine propagandistische Wirkung, wie sie die aufgezeigte Judikatur verlangt, macht die Feststellung notwendig, daß mit dem Verkauf der Druckwerke eine große Menge von Menschen ('Massen'), die bislang heterosexuell eingestellt waren, der homosexuellen Betätigung zugeführt werden können und tatsächlich zugeführt werden sollen. Erst wenn diese beiden Konstatierungen - auf verläßlicher Sachverhaltsgrundlage - getroffen werden können, wäre auf die übrigen, schon im aufgehobenen Urteil angestellten Erwägungen zur Tatbestandserfüllung einzugehen.

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