OGH 1Ob2/77

OGH1Ob2/774.5.1977

SZ 50/65

Normen

JN §1
Wasserrechtsgesetz §18 Abs6
Wasserrechtsgesetz §26 Abs1
Wasserrechtsgesetz §26 Abs6
Wasserrechtsgesetz §38
Wasserrechtsgesetz §42 Abs1
Wasserrechtsgesetz §117
JN §1
Wasserrechtsgesetz §18 Abs6
Wasserrechtsgesetz §26 Abs1
Wasserrechtsgesetz §26 Abs6
Wasserrechtsgesetz §38
Wasserrechtsgesetz §42 Abs1
Wasserrechtsgesetz §117

 

Spruch:

Ersatzansprüche für Schäden aus Regulierungswasserbauten, mit denen die Wasserrechtsbehörde bei Bewilligung der Regulierungsarbeiten nicht rechnete, sind im Rechtswege geltend zu machen

OGH 4. Mai 1977, 1 Ob 2/77 (OLG Graz 5 R 153/76; LG Klagenfurt 18 Cg 61/76)

Text

Der Kläger begehrt die Verurteilung der beklagten Partei, der Gemeinde Q, zur Zahlung von 39 498 S samt Anhang und die Feststellung, daß die Beklagte ihm für alle künftigen Schäden an seinen Ufergrundstücken zum F-Bach als Folge der Regulierung des F-Bachs im Oberauf hafte. Er brachte hiezu vor, er sei Eigentümer der land- und forstwirtschaftlich genutzten Liegenschaft EZ 23 KG A. Die beklagte Partei habe auf Grund des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 14. Juli 1966, Zl. 7 B-3/65, Regulierungsarbeiten am Oberlauf des F-Baches im Abschnitt S vorgenommen. Durch die Regulierung habe der Kläger Folgeschäden, durch Überflutung und durch Vermehrung der Wasserführung im F-Bach, erlitten.

Die beklagte Partei wendete Unzulässigkeit des Rechtsweges ein. Der Kläger mache Ansprüche geltend, die im Wasserrechtsverfahren geltend zu machen seien.

Das Erstgericht erklärte nach Einschränkung des Verfahrens auf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges das Verfahren für nichtig, wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück und führte hiezu aus: Mit Bescheid vom 14. Juli 1966, Zl. 7 B-3/65, habe die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt der beklagten Partei nach Maßgabe des von Dipl.-Ing. Johann K verfaßten Projektes unter bestimmten im Bescheid enthaltenen Auflagen die wasserrechtliche Bewilligung erteilt, den F-Bach im Abschnitt S zu regulieren und die im Projekt vorgesehenen Regulierungsbauwerke zu errichten. Der Kläger habe am 30. September 1966 seine Berufung gegen diesen Bescheid zurückgezogen. Schutz- und Regulierungsbauten seien zufolge § 42 Abs. 1 WRG 1959 Bauten gegen die schädliche Einwirkung des Wassers. Gemäß § 26 Abs. 1 WRG 1959. sei die Verpflichtung des Wasserberechtigten zum Ersatz des Schadens aus dem Bestand oder Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage, soweit das Wasserrechtsgesetz nichts anderes bestimme, nach den Vorschriften des 30. Hauptstückes des II. Teiles des ABGB zu beurteilen. Der vom Kläger geltend gemachte Schadenersatzanspruch fiele in die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde, weshalb die Beschreitung des Rechtsweges unzulässig sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge, verwarf die von der beklagten Partei erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges und führte aus, der Kläger mache geltend, daß die beklagte Partei um die Genehmigung von Regulierungsarbeiten im Oberlauf des F-Baches angesucht und nach der Bewilligung durchgeführt habe, obwohl ihr als Bauherrin und Eigentümerin hätte bekannt sein müssen, daß die Regulierung im Oberlauf unabsehbare Schäden im Bereiche des Unterlaufes zur Folge haben werde. Durch entsprechende Vorsichtsmaßnahmen und durch Ablehnung der Regulierung im Oberlauf vor der Regulierung im Unterlauf hätten diese Schäden vermieden werden können. Durch die Regulierung im Oberlauf würden die Grundstücke des Klägers im Bereiche des Unterlaufes so stark beeinträchtigt, daß hiedurch die ortsübliche Benützung der Grundstücke wesentlich beeinträchtigt und zum Großteil Grundstücksflächen überhaupt in ein Bachbett umgewandelt oder unproduktiv gemacht würden. Bei der Wasserrechtsverhandlung am 19. April 1966 habe der Sachverständige Schäden in der Höhe von 3698 S festgestellt. Obwohl diese bereits festgestellten Schäden von der Beklagten wiederholt anerkannt worden seien, sei letzten Endes eine Zahlung nicht erfolgt. Der Kläger mache mit der vorliegenden Klage lediglich Schäden seit dem 1. Jänner 1973 geltend, da hinsichtlich früherer Schäden möglicherweise Anspruchsverjährung eingetreten sei. In dem Verfahren vor der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt sei die Verantwortlichkeit der beklagten Partei festgestellt worden. In diesem Verfahren habe die beklagte Partei zum Teil auch Schadenersatzansprüche anerkannt. Der Kläger beziehe sich auf dieses Anerkenntnis, aber auch darauf, daß die beklagte Partei als Bauherrin für die Regulierung des F-Baches im Teilbereich von S für alle Folgeschäden im Bereiche der Unterliegerliegenschaft hafte. Der Kläger mache somit Schadenersatzansprüche, allenfalls Ausgleichsansprüche nach § 364a ABGB geltend. Mangels einer anderen gesetzlichen Regelung müsse jeder Schadenersatzanspruch als privatrechtlicher Anspruch vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden. Die Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörden zur Entscheidung über Schadenersatzansprüche sei nur dann gegeben, wenn das Wasserrechtsgesetz eine solche Zuständigkeit ausdrücklich normiere. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes fände sich im Wasserrechtsgesetz keine positive Norm, die Entschädigungen im Zusammenhang mit Flußregulierungen in die Kompetenz der Wasserrechtsbehörde verweise. Die Bestimmung des § 26 WRG 1959 regle die Verpflichtung des Wasserberechtigten zum Ersatz des Schadens, der aus dem Bestand oder Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage entstehe. Hingegen seien Schutz- und Regulierungsbauten zufolge § 42 Abs. 1 WRG Vorrichtungen und Bauten gegen die schädlichen Einwirkungen des Wassers. Da es sich im vorliegenden Fall nach den Klagsbehauptungen um ein Regulierungsvorhaben handle, seien die Bestimmungen des § 26 Abs. 1 WRG 1959 nicht anwendbar. Aber selbst wenn man die Schadenersatzregelung unter die Bestimmung des § 26 Abs. 1 WRG 1959 subsumieren wollte, wäre nach Ansicht des Rekursgerichtes, für die Beklagte nichts gewonnen. In dieser Gesetzesstelle sei nämlich der Grundsatz enthalten, daß der Geschädigte für einen Schaden, der durch den Bestand oder Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage entstehe, vom Wasserberechtigten nur nach Maßgabe der Bestimmungen des 30. Hauptstückes des ABGB Ersatz verlangen könne. Dieser Schadenersatzanspruch sei zufolge § 26 Abs. 6 WRG im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen. Die Anrufung der Gerichte sei nur dann ausgeschlossen, wenn das Wasserrechtsgesetz etwas anderes bestimme. Unter diese Fälle falle der vorliegend geltend gemachte Schadenersatzanspruch nicht. Im Hinblick darauf, daß es sich bei den geltend gemachten Schäden nach den Klagsbehauptungen um nicht vorausgesehene Nachteile im Rahmen des Bewilligungsverfahrens handle, sei auch die Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde nach § 117 WRG 1959 nicht gegeben. Mangels einer gesetzlichen Bestimmung habe es daher bei dem Grundsatz zu bleiben, daß über Schadenersatzansprüche nach Flußregulierungen die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges sind in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend (SZ 19/199; SZ 23/81; SZ 36/79; EvBl. 1967/23; 1 Ob 227/71; 1 Ob 251/71 u. a.;, Fasching I, 63). Maßgeblich ist die Natur (4 Ob 339/71), das Wesen des geltend gemachten Anspruches (JBl. 1931, 18), wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist (JBl. 1948, 17). Ohne Einfluß ist es hingegen, was der Beklagte einwendet (ZBl. 1948, 17), ebensowenig aber auch, ob der behauptete Anspruch begrundet ist; darüber ist erst in der Sachentscheidung abzusprechen. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges kommt es hingegen nur darauf an, ob nach Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (EvBl. 1972/204 u. a.). Soweit nicht das Wasserrechtsgesetz anders verfügt, sind für seine wasserrechtlichen Bestimmungen die Wasserrechtsbehörden, für seine anderen Bestimmungen die Gerichte bzw. die nach den einschlägigen Bestimmungen berufenen Behörden zuständig (Hartig - Grabmayr, Das österreichische Wasserrecht, 287). Für die gerichtliche Zuständigkeit kommt es darauf an, ob der Kläger seinen Anspruch auf einen Privatrechtstitel stützt oder nicht.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Kläger nach den Klagsbehauptungen Schadenersatzansprüche geltend macht, wobei er diese Ansprüche daraus ableitet, daß die beklagte Partei Regulierungsarbeiten am Oberlauf des F-Baches durchführte, wodurch Folgeschäden im Bereiche der im Eigentum des Klägers stehenden Unterliegenschaften eingetreten seien, bzw. in Zukunft noch eintreten könnten.

Unter Schutz- und Regulierungswasserbauten im Sinne der Bestimmungen der §§ 41 ff. WRG 1959 sind wasserbauliche Maßnahmen zu verstehen, deren ausschließliche oder hauptsächliche Aufgabe es ist, das Gerinne eines Gewässers in dem durch § 42 Abs. 1 WRG 1959 bestimmten Sinne (Abwehr der schädlichen Einwirkungen des Wassers) zu beeinflussen (VwGH 31. März 1960, Zl. 2519/58 = Grabmayr, Wasserrechtliche Entscheidungen 1958 bis 1968, Nr. 167). Davon sind die Wasserbenutzungsanlagen zu unterscheiden, die die Nutzung der Wasserwelle oder des Wasserbettes zum Gegenstand haben. Der übergeordnete Begriff ist der Wasserbau, der neben den Wasserbenutzungsanlagen auch noch Anlagen zum Schutze, zur Abwehr und zur Pflege der Gewässer (z. B. Schutz- und Regulierungsbauten, Wasserversorgungsanlagen und dergleichen) umfaßt (Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, 58 f.).

Während nun § 26 WRG 1959 die Verpflichtung des Wasserberechtigten zum Ersatz des Schadens der aus dem Bestand oder Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage entsteht, der Beurteilung nach den Vorschriften des 30. Hauptstückes des II. Teiles des ABGB unterwirft - soweit das Wasserrechtsgesetz 1959 nichts anderes bestimmt (siehe hiezu Krzizek a. a. O., 123) - und in Abs. 6 ausdrücklich ausgesprochen wird, daß Schadenersatzansprüche nach den Abs. 1 bis 3 im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen sind (es sei denn, daß sich die Wasserrechtsbehörde gemäß § 117 Abs. 1 die Nachprüfung und anderweitige Festsetzung einer anläßlich der Bewilligung zugesprochenen Entschädigung für die voraussichtlich eintretenden Nachteile vorbehalten hat), fehlt ein derartiger ausdrücklicher Hinweis im Wasserrechtsgesetz 1959 hinsichtlich allfälliger Schäden, die als Folge der Durchführung von Regulierungswasserbauten an den Unterliegerliegenschaften auftreten. Das Wasserrechtsgesetz 1959 enthält aber im § 117 eine Bestimmung über "Entschädigungen und Beiträge" und spricht im Abs. 1 aus, daß über die Pflicht zur Leistung von Entschädigungen, Ersätzen, Beiträgen und Kosten, die entweder in diesem Bundesgesetz oder in dem für die Pflege und Abwehr bestimmter Gewässer geltenden Sondervorschriften vorgesehen sind, sofern dieses Bundesgesetz (§§ 18 Abs. 6 und 26) oder die betreffende Sondervorschrift nichts anderes bestimmt, die Wasserrechtsbehörde entscheidet.

Die vom Wasserrechtsgesetz getroffene Regelung geht dahin, daß über vorausschaubare vermögensrechtliche Nachteile, die durch die Errichtung einer Wasserbenutzungsanlage entstehen, die Wasserrechtsbehörden, über nicht vorausgesehene Nachteile dieser Art dagegen die Gerichte entscheiden (VwGH 16. April 1959, Slg. 4941/A). Diese für das Verfahren bei Erteilung eines Wasserbenutzungsrechtes aufgestellten Grundsätze haben auch bei der Bewilligung besonderer baulicher Herstellungen nach § 38, bei Entwässerungsanlagen nach § 40 und schließlich auch bei Schutz- und Regulierungsbauten nach § 41 WRG 1959 sinngemäß Anwendung zu finden (Krzizek a. a. O., 468 f.).

Um die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Rechtsweges beurteilen zu können, bedarf es der Behauptung, daß die Wasserrechtsbehörde mit der nachteiligen, zum Schadenersatz verpflichtenden Wirkung nicht gerechnet hat, denn die Tatsache, daß mit dem Eintritt des Schadens seinerzeit nicht gerechnet wurde, ist Tatbestandserfordernis gleichermaßen für die Zulässigkeit des Rechtsweges wie für den Schadenersatzanspruch selbst (SZ 29/61). Nach dem Vorbringen des Klägers haben sich in der Folge, insbesondere in den letzten drei Jahren, die zunächst harmlosen Schäden erheblich vermehrt. Daraus läßt sich schließen, daß nach Ansicht des Klägers im Zeitpunkt der Bewilligung mit dem Eintritt erheblicher Schäden nicht gerechnet wurde.

Es handelt sich somit bei dem geltend gemachten Ersatzanspruch um die Abgeltung von Schäden, deren Eintritt bei der Bewilligung der Regulierungsarbeiten nicht vorausgesehen wurde, über den sohin nach dem oben Gesagten die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben. In diesem Sinne hat auch Fasching in seinem Kommentar zur Zivilprozeßordnung, I, 95 ausgeführt, daß zur Entscheidung über Ansprüche wegen Schäden, die bei Flußregulierungen entstehen, die Gerichte zuständig sind.

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