OGH 1Ob369/56

OGH1Ob369/5612.9.1956

SZ 29/61

Normen

JN §1
Wasserrechtsgesetz §27
Wasserrechtsgesetz §45
Wasserrechtsgesetz §99
JN §1
Wasserrechtsgesetz §27
Wasserrechtsgesetz §45
Wasserrechtsgesetz §99

 

Spruch:

Zur Verschuldenshaftung nach § 27 Abs. 1 WRG. und zur Erfolgshaftung nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle.

Fälle, in denen die Wasserrechtsbehörde mit dem Eintritt der in Frage stehenden nachteiligen Wirkung gerechnet hat, gehören nicht auf den ordentlichen Rechtsweg.

Entscheidung vom 12. September 1956, 1 Ob 369/56.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Nach den Feststellungen der Untergerichte ist der Beklagten mit dem Bescheid des damaligen Bezirksamtes Z. vom 23. November 1867 die Bewilligung erteilt worden, anläßlich der Errichtung ihrer Zuckerfabrik in H. einen Reinwasserkanal von der March in die Fabrik zu führen. Der Kläger, der Eigentümer der an den Kanal grenzenden Grundstücke ist, verlangt von der Beklagten Schadenersatz in der Höhe von 39.316 S 41 g mit der Begründung, daß die Anlage des Kanals, der zur Zeit der Rübenkampagne bespannt (gefüllt) werde, seit Jahren eine leichte Steigerung des Grundwasserspiegels zur Folge gehabt habe, wodurch die Bewirtschaftung der angrenzenden Grundstücke unmöglich geworden sei (Erfolgshaftung nach dem § 27 Abs. 2 WRG.). Außerdem hätten es die Beklagte und deren Rechtsvorgängerin, die L.-A. G., konsenswidrig unterlassen, die der Entwässerung dienenden, unter dem Kanal hindurchgeleiteten Unterführungsrohre in der Zeit zwischen den Jahren 1942 und 1948 instandzuhalten, obwohl die klagende Partei die Beklagte dazu wiederholt aufgefordert habe. Auch hiedurch sei der Grundwasserspiegel erheblich zum Steigen gebracht worden (Verschuldenshaftung nach dem § 27 Abs. 1 WRG.). Im Punkt X des Tausch- und Kaufvertrages vom 6. Juni 1942 habe sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die L.-A. G., dem Kläger gegenüber überdies verpflichtet, die Kanaldurchstiche (Unterführungsrohre) stets in benützungsfähigem Zustand zu erhalten. Dennoch habe die Beklagte ihrer vertraglichen Verpflichtung zuwidergehandelt (vertragliche Verschuldenshaftung). Ursprünglich hatte der Kläger Schadenersatz auch mit der Begründung verlangt, daß die im Jahre 1949 den österreichischen Bundesbahnen bewilligte ganzjährige Bespannung des Reinwasserkanals zur Steigerung des Grundwasserspiegels maßgebend beigetragen habe. Da aber das damit im Zusammenhang stehende wasserrechtliche Entschädigungsverfahren nach dem § 99 WRG. noch nicht beendet ist und daher der Rechtsweg für diesen Anspruch nicht offensteht, ließ der Kläger diesen Rechtsgrund fallen.

Das Erstgericht, das die Verhandlung auf den Grund des Anspruchs eingeschränkt hatte, wies die Klage ab. Der Rechtstitel der schuldhaften Vertragsverletzung sei vom Kläger bei der Streitverhandlung vom 16. November 1955 nicht mehr aufrechterhalten worden. Was die Verschuldenshaftung nach dem § 27 Abs. 1 (§ 45 Abs. 1) WRG. betreffe, stehe der der wasserrechtlichen Bewilligung vom Jahre 1867 entsprechende Zustand des Reinwasserkanals fest. Danach hätten die in Frage stehenden Unterführungsrohre zum konsensmäßigen Bestand des von der Beklagten betriebenen Reinwasserkanals nicht gehört. Dies ergebe sich daraus, daß in den Verwaltungsakten kein Hinweis auf diese Rohre zu finden sei und daß sich der Kläger und die L.-A.G. im Tausch- und Kaufvertrag vom 6. Juni 1942 bemüßigt gefühlt hätten, die Erhaltungspflicht des Wasserberechtigten ausdrücklich zu vereinbaren. Im übrigen könnte die Beklagte nach dem § 27 Abs. 1 WRG. nur für Schäden herangezogen werden, die in der Zeit zwischen dem November 1946 (faktische Rückgabe der von der L.- A.G. entzogenen Zuckerfabrik an die Beklagte) und 1948 entstanden seien. Denn trotz der Rückstellung hafte die Beklagte nicht für persönliche Verpflichtungen ihrer Rechtsvorgängerin. Bei dieser Rechtslage sei es nicht nötig gewesen, festzustellen, ob und inwieweit Versumpfungsschäden auf den dem Kläger gehörigen Wald- und Wiesengrundstücken infolge der Zerstörung des Unterführungsrohres entstanden seien.

Was die Erfolgshaftung der Beklagten nach dem § 27 Abs. 2 WRG. betreffe, läge eine solche nach der Meinung des Erstgerichtes an sich vor. Denn die Beklagte habe nicht einmal behauptet, daß schon im Jahre 1867 bzw. 1895 auf Grund der konsensmäßigen zeitweiligen Bespannung des Kanals mit dem Eintritt der nachteiligen Wirkung der Versumpfung gerechnet worden sei. Nur auf diese Weise hätte sich die Beklagte nach der Bestimmung des § 27 Abs. 2 letzter Nebensatz WRG. von der Erfolgshaftung befreien können. Es müsse aber als erwiesen angenommen werden, daß eine die Vegetation ungünstig beeinflussende Versumpfung der dem Reinwasserkanal anliegenden, dem Kläger gehörigen Wald- und Wiesengrundstücke höchstens erst in den letzten zehn Jahren eingetreten sei. Damit sei klargestellt, daß die Ursache der Versumpfungserscheinungen nicht die zeitweilige Bespannung des Reinwasserkanals für die Fabrikszwecke der Beklagten sein könne, weil der Kanal auf diese Art schon seit dem Jahre 1868 benützt werde und bis vor zehn Jahren Versumpfungserscheinungen noch nicht aufgetreten seien.

Infolge Berufung des Klägers hob das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Urteilsfällung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht billigte den Standpunkt des Erstgerichtes, daß der Rechtsweg zulässig sei. Es handle sich um Schadenersatz nach dem § 27 Abs. 1 und 2 WRG. und auf Grund eines Vertrages und nicht um eine im Zusammenhang mit einem wasserrechtlichen Verfahren stehende Entschädigung, für deren Festsetzung nach § 99 WRG. allerdings die Wasserrechtsbehörde zuständig wäre. Dem Erstgericht müsse auch darin zugestimmt werden, daß dem Kläger ein Schadenersatzanspruch auf Grund der Erfolgshaftung des § 27 Abs. 2 WRG. nicht zustehe. Die Haftung nach der angeführten Gesetzesstelle trete nur ein, wenn bei der Erteilung der (wasserrechtlichen) Bewilligung mit dem Eintritt einer nachteiligen Wirkung überhaupt nicht oder nur in einem geringeren Umfange gerechnet worden sei. Die Behauptungs- und Beweislast habe entgegen der Meinung des Erstgerichtes nicht die Beklagte, sondern den die Schadenersatzpflicht behauptenden Kläger getroffen. Der Kläger habe aber keine beweiskräftigen Tatumstände vorgebracht. Der Inhalt der Wasserrechtsakten der Bezirkshauptmannschaft G. reiche zu einer entsprechenden Feststellung nicht aus. Mangels Nachweises eines tatbestandsmäßigen Umstandes der Erfolgshaftung nach dem § 27 Abs. 2 WRG. könne der Kläger diese Haftung nicht in Anspruch nehmen.

Was die Verschuldenshaftung nach den §§ 27 Abs. 1, 45 Abs. 1 WRG. anlange, habe das Erstgericht richtig festgestellt, daß die Unterführungsrohre nicht zum konsensmäßigen Bestand des Reinwasserkanals gehörten. Dem Kläger sei daher der Beweis, daß der konsensmäßige Bestand der Kanalanlage nicht feststellbar sei (§ 45 Abs. 1 WRG. arg. verb.: "wenn dieser - der Bewilligung entsprechende Zustand - nicht erweislich ist") nicht gelungen. Das Erstgericht habe aber zu Unrecht angenommen, daß der Kläger den aus der Verletzung des Punktes X des Tausch- und Kaufvertrages vom 6. Juni 1942 abgeleiteten Schadenersatzanspruch fallen gelassen habe. Denn aus dem Protokoll über die Streitverhandlung vom 16. November 1955, bei der der Kläger von ihm geltend gemachte Klagegrunde präzisiert habe, gehe nicht hervor, daß er nur diese Klagegrunde beibehalten habe und den Klagegrund der Vertragsverletzung fallen lassen wollte. Der erwähnte Vertrag verpflichte nicht nur die L.-A.G. als unmittelbare Vertragspartnerin, sondern auch die Beklagte. Denn die Liegenschaft, mit der die vertragliche Erhaltungspflicht sachlich im Zusammenhang stehe, sei auf Grund des Teilerkenntnisses der Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien vom 24. August 1948, 50 Rk 9/48-13, der Beklagten zurückgestellt worden. Deshalb könnten schon die Schäden des Jahres 1946 (Beginn der letzten zehn Jahre) Grundlage des Schadenersatzanspruches sein. Das Erstgericht habe festzustellen unterlassen, ob schon seit 1946 Vegetationsschäden aufgetreten seien. Es habe nur als erwiesen angenommen, daß die Versumpfung höchstens erst in den letzten zehn Jahren, nicht aber in welchem der zehn Jahre sie eingetreten sei. Es müsse auch geklärt werden, ob und inwieweit eine Ertragsminderung durch die Vegetationsänderung bedingt worden sei. Hiebei werde auf die Bestimmung des § 273 ZPO. Bedacht zu nehmen sein.

Der Oberste Gerichtshof gab den von beiden Streitteilen sowie vom Nebenintervenienten Eduard B., dem Masseverwalter im Konkurs der L.- A.G., erhobenen Rekursen nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der vorliegende Rechtsstreit hat ein Schadenersatzbegehren zum Gegenstand, das auf Schädigungen gestützt wird, die durch den Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage (Reinwasserkanal zu industriellen Zwecken) hervorgerufen worden sein sollen. Nach der Vorschrift des § 99 Abs. 1 WRG. hat über die Pflicht zur Leistung derartiger Entschädigungen zwar grundsätzlich die Wasserrechtsbehörde zu entscheiden. Dies gilt aber nur insoweit, als nicht in anderen Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes oder in sonstigen Vorschriften etwas Abweichendes normiert ist. Eine solche Ausnahme bildet der § 27 WRG. Schadenersatzansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 dieser Gesetzesstelle sind nämlich gemäß dem Absatz 7 im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen. Im vorliegenden Fall kommen nur die Haftungsgrunde nach den Absätzen 1 (Schadenersatz nach den allgemeinen bürgerlichrechtlichen Bestimmungen) und 2 (Erfolgshaftung für nachteilige Wirkungen, mit deren Eintritt bei der Erteilung der Wasserrechtsbewilligung überhaupt nicht oder nur in einem geringeren Umfange gerechnet wurde) in Betracht.

Fälle, in denen die Wasserrechtsbehörde mit dem Eintritt der in Frage stehenden nachteiligen Wirkung gerechnet hat, gehören nicht auf den ordentlichen Rechtsweg. Falls sie dessenungeachtet bei Gericht anhängig gemacht werden, sind sie wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen. Um die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Rechtsweges beurteilen zu können, bedarf es daher der Feststellung, ob die Wasserrechtsbehörde in jedem einzelnen Fall mit der nachteiligen, zum Schadenersatz verpflichtenden Wirkung gerechnet hat. Freilich hat das Gericht in derartigen Fällen von den Behauptungen des Klägers auszugehen, denn die Tatsache, daß mit dem Eintritt des Schadens seinerzeit nicht gerechnet wurde, ist Tatbestandserfordernis gleichermaßen für die Zulässigkeit des Rechtsweges wie für den Schadenersatzanspruch selbst. Wie der Oberste Gerichtshof in einem ähnlich beschaffenen Fall des arbeitsgerichtlichen Verfahrens ausgesprochen hat (SZ. XXVI 109), ist die Klage, wenn sich die Behauptung im Verfahren als unrichtig oder unbeweisbar herausstellt, nicht zurück-, sondern abzuweisen. Der behauptete Tatbestand gehört eben auf den Rechtsweg.

In der vorliegenden Rechtssache hat sich der Kläger schon in der Klage auf den Haftungsgrund des § 27 Abs. 2 WRG. berufen und dazu ausgeführt, daß die Beklagte als Wasserrechtsberechtigte für die vorher beschriebenen Grundwasserschäden hafte, mit denen bei Bewilligung der Anlage nicht gerechnet werden konnte. Das Berufungsgericht hat dessenungeachtet ausgeführt, daß der Kläger im Verfahren eine derartige Behauptung nicht aufgestellt habe. Es handelt sich aber, wie sich aus dem Zusammenhang der Ausführungen des Berufungsgerichtes ergibt, um eine ungenaue Ausdrucksweise, mit der darauf hingewiesen werden sollte, daß dem Kläger der Beweis in dieser Richtung nicht gelungen sei. Das Berufungsgericht vertritt nämlich den Standpunkt, daß der Inhalt der Wasserrechtsakten der Bezirkshauptmannschaft G. allein als Beweisgrundlage nicht ausreiche. Der Oberste Gerichtshof ist an diese Annahme tatsächlicher Art gebunden.

Die Rechtsfolgen, die sich an das Nichtgelingen des Beweises knüpfen, hat das Berufungsgericht richtig beurteilt. Das Gericht hat zwar die Voraussetzungen für das Offenstehen des Rechtsweges von Amts wegen zu prüfen. Darum war auch die dafür wichtige Frage, ob bei der Erteilung der Wasserrechtsbewilligung mit dem Eintritt der Vegetationsschäden überhaupt nicht oder nur in einem geringeren Umfange gerechnet worden ist, von Amts wegen zu erörtern. Trotz Heranziehung der verfügbaren Beweise (außer den Wasserrechtsakten stand mit Rücksicht auf die lange verstrichene Zeit naturgemäß ein weiterer Beweis nicht zur Verfügung) war aber dem Berufungsgericht eine eindeutige Feststellung nicht möglich. Dem Kläger ist der volle Nachweis des Bestehens seines Klagegrundes und damit auch der Zulässigkeit des Rechtsweges nicht gelungen. Dies mußte nach dem früher Gesagten die meritorische, abweisende Entscheidung über den auf Grund der Erfolgshaftung des § 27 Abs. 2 WRG. geltend gemachten Schadenersatzanspruch zur Folge haben. Der Hinweis des Klägers in seinem Rekurs, es müsse eine Schlechterstellung des Wasserrechtsgeschädigten gegenüber dem vor der Einführung des Wasserrechtsgesetzes vom 19. Oktober 1934 geltenden Rechtszustand auf Grund des § 364a ABGB. mit seiner auch den vorhergesehenen Schaden umfassenden Erfolgshaftung vermieden werden, ist nicht zutreffend. Denn der zusätzlich zu fordernde Beweis in der früher angegebenen Richtung beruht nicht auf einer Schlechterstellung der Geschädigten, sondern war einfach dadurch notwendig geworden, daß die Entschädigungsbefugnis der Wasserrechtsbehörde und jene des Gerichtes gegeneinander abgegrenzt wurden.

Was die von den Untergerichten gleichfalls verneinte Verschuldenshaftung der Beklagten nach den §§ 27 Abs. 1 und 45 Abs. 1 WRG. betrifft, vertritt der Kläger im Rekurs die Meinung, daß die Frage, was als feststehender konsensmäßiger Zustand bezeichnet werden könne, zur rechtlichen Beurteilung gehöre. Dieser Ansicht kann sich der Oberste Gerichtshof nicht anschließen. Denn die Beurteilung, ob eine Wasserbenutzungsanlage in dem der Bewilligung entsprechenden Zustand (§ 45 Abs. 1 WRG.) erhalten wurde, ist eine Tatfrage, die vom Vergleich des von der Wasserrechtsbehörde angeordneten und des dann tatsächlich vorhandenen Zustandes der Anlage in der Natur abhängt. Insoweit die Untergerichte aus der Nichterwähnung der Unterführungsrohre in den seinerzeitigen Wasserrechtsakten den Schluß gezogen haben, diese Rohre gehörten nicht zum konsensmäßigen Zustand der Anlage, waren sie beweiswürdigend tätig. Der Oberste Gerichtshof ist nicht in der Lage, diese Feststellung zu ändern. Wenn aber erklärt ist, daß der der Bewilligung entsprechende Zustand mit dem angeführten Ergebnis erwiesen werden konnte, trifft die gesetzliche Voraussetzung des § 45 Abs. 1 WRG., der Zustand sei "nicht erweislich", auf den vorliegenden Fall nicht zu. Die Beklagte hatte daher auf Grund der Wasserrechtsbewilligung nicht die Pflicht, die Unterführungsrohre zu erhalten. Es kann ihr ein Verschulden in dieser Richtung nicht zur Last gelegt werden, das zum Schadenersatz nach dem § 27 Abs. 1 WRG. und den Bestimmungen der §§ 1293 ff. ABGB. verpflichtete.

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