OGH 7Ob148/75

OGH7Ob148/754.9.1975

SZ 48/87

 

 

Spruch:

Die Deckungspflicht des Kfz-Haftpflichtversicherers setzt nicht voraus, daß der VN (oder Mitversicherte) selbst den Personen- oder Sachschaden herbeigeführt hat, sondern nur, daß gegen den VN wegen dieses Schadens auf Grund des Gesetzes ein begründeter Ersatzanspruch besteht

Die Obliegenheit des Art. 8 Abs. 1 Z. 1 letzter Halbsatz AKHB gehört zu den elementaren Geboten, die ein in einen Verkehrsunfall verwickelter Kraftfahrer zu beachten hat, so daß ihre Mißachtung, wenn nicht besonders entschuldigende Umstände gegeben sind, schwer ins Gewicht fällt

Stillschweigender Verzicht des Versicherers auf die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung durch vorbehaltlose Gewährung von Rechtsschutz trotz Kenntnis dieser Verletzung

Bei berechtigten Haftpflichtforderungen eines Dritten kann der Versicherungsnehmer, sofern er diese nicht bereits befriedigt hat, nur Zahlung des Versicherers an diesen Dritten, nicht aber an sich selbst verlangen

 

OGH 4. September 1975, 7 Ob 148, 149/75 (OLG Innsbruck 2 R 130/75; LG Innsbruck 6 Cg 319/74)

 

Begründung:

Am 17. Oktober 1970 fuhr der Kläger in einem von ihm gelenkten PKW, dessen Halter er war, auf der Gerlos-Bundesstraße von Fügen in Richtung Uderns; neben ihm auf dem rechten Vordersitz saß die zu seinem Bekanntenkreis zählende Margarethe C. Es war etwa 17.45 Uhr, als unweit von Uderns aus der Gegenrichtung ein LKW vorbeifuhr, von dessen Ladefläche in diesem Augenblick ein Bitumenbrocken herabfiel und die Windschutzscheibe des PKW durchschlug.

Dadurch wurde Margarethe C schwer verletzt. Ohne anzuhalten, setzte der LKW seine Fahrt fort. Seine polizeiliche Kennzeichennummer konnte der Kläger nicht mehr ablesen. Nachdem dieser die Verletzte zu einem Bauernhof in Uderns gebracht hatte, telefonierte er von einem benachbarten Haus aus um eine Rettungsambulanz in Zell am Ziller, die ungefähr eine halbe Stunde später Margarethe C abholte. Dem Kläger, der nicht alkoholisiert war, wäre es möglich gewesen, unmittelbar nach diesem Fernruf die nächste talauswärts oder taleinwärts befindliche Gendarmeriedienststelle von dem Unfall zu verständigen oder verständigen zu lassen. Dies verabsäumte er aber, weil er daran zunächst überhaupt nicht dachte, und dann, weil er meinte, daß eine solche Verständigung ohnehin zwecklos wäre. Erst gegen 21.15 Uhr meldete er den Unfall dem Gendarmeriepostenkommando Zell am Ziller. Obwohl sodann alle in Betracht kommenden Frächter überprüft wurden, konnte der Lenker des fraglichen LKW nicht mehr ausfindig gemacht werden, weshalb das gegen ihn als Unbekannten eingeleitete Strafverfahren gemäß § 412 StPO abgebrochen wurde. Hätte der Kläger, ein im Zillertal bediensteter Postbeamter, die ihm zweifellos bekannt gewesene zuständige Gendarmeriedienststelle von dem Unfall sogleich telefonisch benachrichtigt, so hätte der gesuchte LKW möglicherweise ausgeforscht werden können, zumal an jenem Tag, einem Samstag, wegen des ab 16 Uhr für LKW bestehende Fahrverbotes ein beladener LKW im Straßenverkehr aufgefallen wäre. Da es der Kläger unterlassen hatte, von dem Unfall die nächste Gendarmeriedienststelle alsbald zu verständigen, wurde er von der Bezirkshauptmannschaft Schwaz wegen der Übertretung nach § 4 Abs. 2 StVO bestraft. Zur Unfallszeit war der Kläger hinsichtlich seines PKW bei der Beklagten gegen Haftpflicht versichert. Am 2. September 1971 erfuhr die Beklagte durch Einsichtnahme in den Akt Z 92/71 des Bezirksgerichtes Zell am Ziller, daß der Kläger am 17. Oktober 1970 erst gegen 21.15 Uhr die Unfallsanzeige an die Gendarmerie erstattet hatte und daß er deshalb im Hinblick auf § 4 StVO angezeigt werden sollte. Margarethe C stellte im Zusammenhang mit dem Unfall zunächst Ersatzansprüche an die Beklagte, welche diese aber mit der Begründung ablehnte, daß ein unabwendbares Ereignis vorliege. Eine Durchschrift ihres diesbezüglichen Schreibens übersandte die Beklagte dem Kläger, der ihr den Unfall rechtzeitig gemeldet hatte, und wies ihn für den Fall, als er von der Unfallsgeschädigten geklagt werden würde, an, ihr dann sofort die Klage zu übermitteln, damit sie für seine anwaltliche Vertretung vorsorgen könne. In ihrem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 8. März 1972 wiederholte die Beklagte diese Aufforderung mit dem Bemerken, daß ihn, den Kläger, in der fraglichen Angelegenheit keinerlei Kostenrisiko treffe. Außerdem bestellte sie den Rechtsanwalt Dr. Kurt W zum Vertreter des Klägers in einem allfälligen Prozeß, den Margarethe C gegen ihn anstrengen würde. Davon setzte Dr. W den Kläger in Kenntnis und ließ sich von ihm eine Prozeßvollmacht unterschreiben. Am 16. August 1972 brachte die Beklagte bei der Bezirkshauptmannschaft Schwaz in Erfahrung, daß der Kläger wegen der erwähnten Verwaltungsübertretung bestraft worden war, wovon er ihr keine Mitteilung gemacht hatte. Am 15. September 1972 schrieb die Beklagte an den Kläger, daß ihrer Ansicht nach von einem deckungspflichtigen Schaden im Sinne der AKHB keine Rede sein könne, sie aber bis zur Klärung der Deckungsfrage für die anlaufenden Anwaltskosten in Vorlage trete, wobei sie sich die Rückforderung dieser Auslagen vorbehalte. Am 22. Juni 1972 brachte Margarethe C gegen den nunmehrigen Kläger beim Landesgericht Innsbruck zu 7 Cg 328/72 (in der Folge 7 Cg 105/74) eine Schadenersatzklage ein, in der sie geltend machte, er habe durch Verletzung der Anzeigepflicht nach § 4 Abs. 2 StVO 1960 eine Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB übertreten und habe somit für die Unfallsfolgen einzustehen; hiebei wurde auch darauf hingewiesen, daß der nunmehrige Kläger damals mit "seinem" PKW gefahren sei. In diesem Haftpflichtprozeß wurde der dort Beklagte verurteilt, an die Unfallsgeschädigte 25.736 S samt 4 % Zinsen seit 22. Juni 1972 und die mit 17.333 S bestimmten Verfahrenskosten zu bezahlen; weiters wurde ihm gegenüber festgestellt, daß er der Klägerin Margarethe C für allfällige künftige Folgen aus dem Unfall vom 17. Oktober 1970 zu haften habe. Diese Prozeßerledigung beruht auf der Auffassung, daß die nach § 4 Abs. 2 StVO als verspätet zu beurteilende Erstattung der Unfallsanzeige durch den Lenker für den eingetretenen Schaden ursächlich gewesen sei und die Übertretung einer Schutznorm darstelle, woraus sich die Ersatzpflicht des beklagten Fahrers ergebe. Ob er auch als Halter seines Fahrzeuges nach dem EKHG für den Schaden aufzukommen habe, könne unter diesen Umständen unerörtert bleiben. Für die Vertretung des Beklagten im Vorprozeß stellte Dr. W 9.468.96 S in Rechnung.

Gegenstand des vorliegenden Klagebegehrens ist die Verurteilung der Beklagten, an den Kläger (zu dessen Schadloshaltung für die ihm aus dem Haftpflichtprozeß erwachsenen Verbindlichkeiten) 52.537.96 S (= 25.736 S + 17.333 S + 9.468.96 S) samt 4 % Zinsen seit 2. Mai 1974 zu zahlen; ferner die Feststellung, daß die Beklagte dem Kläger im Zusammenhang mit dem Schadensereignis vom 17. Oktober 1970 Versicherungsschutz zu leisten habe. Dem Klagsvorbringen zufolge sei die Unterlassung der sofortigen Unfallsanzeige an die Sicherheitsbehörde darauf zurückzuführen, daß der Kläger zuerst die Verletzte habe versorgen und ihre Angehörigen verständigen müssen und auch in der Folge noch unter Schockeinwirkung gestanden sei. Der Beklagten aber habe der Kläger den Schadensfall ordnungsgemäß gemeldet, die ihm dann auch für den Schadenersatzprozeß einen Rechtsanwalt beigestellt habe mit der Zusage, daß er, Kläger, kein Kostenrisiko zu tragen haben werde. An einer allfälligen Obliegenheitsverletzung treffe den Kläger kein grobes Verschulden. Auch habe die Beklagte den Versicherungsvertrag bisher nicht gemäß § 6 Abs. 1 VersVG gekündigt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger, so führte sie aus, trage an dem Unfall überhaupt kein Verschulden. Der Klage im Vorprozeß sei stattgegeben worden, weil infolge der verspäteten Unfallsanzeige der in erster Linie Ersatzpflichtige nicht mehr habe ausgeforscht werden können und der nunmehrige Kläger solcherart, nämlich durch Verletzung der Schutznorm des § 4 Abs. 2 StVO, den Schaden der Margarethe C verursacht habe. Abgesehen davon, daß die Beklagte an dieses im Haftpflichtprozeß ergangene Urteil nicht gebunden sei, falle die Verpflichtung des Klägers zum Schadenersatz auch gar nicht unter das versicherte Risiko der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, sei doch der Schaden nicht durch die Verwendung des PKW, sondern durch die vom Kläger nach dem Unfall begangene Übertretung einer Verwaltungsvorschrift entstanden. Aber selbst wenn der gegenständliche Schadensfall vom versicherten Risiko erfaßt wäre, bestünde Leistungsfreiheit des Versicherers, da dem Kläger mehrere Obliegenheitsverletzungen nach Art. 8 AKHB anzulasten seien. Er habe es nämlich verabsäumt, sogleich nach dem Unfall, die nächste Gendarmeriedienststelle zu benachrichtigen (Abs. 1 Z. 1 dieser Bedingungen); er habe weiters die wegen dieser Unterlassung gegen ihn erfolgte Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens nicht gemeldet (Abs. 2 Z. 1 lit. c); ferner sei er seiner Verpflichtung, nach Möglichkeit zur Sachverhaltsfeststellung beizutragen, nicht nachgekommen (Abs. 2 Z. 2) und schließlich habe er die zur Vermeidung oder Minderung von Schäden notwendigen Maßnahmen unterlassen (Abs. 2 Z. 3). Daß sie, Beklagte, dem Kläger mit Schreiben vom 8. März 1972 für einen allfälligen Prozeß die Gewährung von Rechtsbeistand angeboten habe, sei damit zu erklären, daß ihr damals aus dem Verschulden des Beklagten die wirkliche Sachlage noch nicht bekannt gewesen sei. Doch habe sie dem Kläger mit Schreiben vom 15. September 1972 mitgeteilt, daß ihrer Ansicht nach kein deckungspflichtiger Schaden gegeben sei und daß sie sich die Rückforderung der von ihr nur vorläufig zu bezahlenden Anwaltskosten vorbehalte. Dr. W habe den Kläger im Vorprozeß wohl auf ihre Anregung hin vertreten, nicht aber in ihrem Namen und auch nicht auf ihre Kosten. Überdies sei das eingeklagte Zahlungsbegehren insoweit verfehlt, als der Kläger seinerseits die ihm auferlegten Zahlungen an Margarethe C noch nicht geleistet habe; demgemäß sei ihm auch noch kein Ersatzanspruch erwachsen.

Das Erstgericht gab der Klage zur Gänze statt. Nach seinen Rechtsausführungen unterliege der festgestellte Schadensfall der Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge. Die AKHB stellten nämlich auch auf versicherungspflichtige Ereignisse ab, die auf eine Übertretung des § 4 Abs. 2 StVO zurückgingen. Die nach dieser Vorschrift zur Pflicht gemachte Meldung gehöre noch zum Betrieb eines Kraftfahrzeuges. Die Obliegenheitsverletzung, bestehend in der Verspätung dieser Meldung, sei nicht grob fahrlässig geschehen. Eine frühere Kenntnis von dem gegen den Kläger eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren aber hätte an der Leistungspflicht der Beklagten nichts geändert. Diese habe nicht bewiesen, daß sich ohne den geringfügigen Verstoß des Klägers gegen seine Aufklärungspflicht der Schaden hätte vermeiden oder vermindern lassen, der in Frage stehende LKW-Fahrer also hätte ausgeforscht werden können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge, indem sie das Ersturteil in Ansehung des Feststellungsbegehrens als Teilurteil bestätigte. Im übrigen aber, nämlich in bezug auf das Zahlungsbegehren und im Kostenpunkt unter Rechtskraftvorbehalt aufhob und die Rechtssache im Umfang der Aufhebung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwies. Die rechtlichen Überlegungen, von denen sich das Berufungsgericht leiten ließ, besagen im wesentlichen folgendes: Die "Verwendung des Fahrzeuges" im Sinne des Art. 1 Abs. 1 AKHB, der die von der Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge betroffenen Ersatzansprüche umschreibt, sei begrifflich gleichbedeutend mit dem "Gebrauch" im Sinne des § 10 AKB (Stiefel-Wussow-Hofmann 9, Anm. 18 zu § 10 AKB) oder mit dem "Betrieb" eines Kraftfahrzeuges im Sinne des § 1 EKHG (Grubmann, ZVR 1966, 5) und sei nach herrschender Meinung sehr weit gefaßt (Geigel 15, 642); er setze lediglich einen gewissen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung voraus. Letzteres treffe auf den umstrittenen Fall zu, sei doch die Insassin C während der Verwendung des Fahrzeuges durch den Kläger verletzt worden, woraus sich für diesen nach § 4 Abs. 2 StVO die Pflicht zur sofortigen Verständigung der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ergeben habe. Die gegen dieses Gebot verstoßende Unterlassung des Klägers stehe sohin mit der Verwendung des versicherten Fahrzeuges in so enger Verbindung, daß auch ein auf die vorzitierte Gesetzesstelle gestützter Ersatzanspruch den in Art. 1 Abs. 1 AKHB angeführten Risken zuzuordnen sei. Damit sei etwa der der Entscheidung EvBl. 1963/308 zugrunde liegende Fall vergleichbar, in welchem der Fahrzeughalter wegen Verletzung der Abmeldepflicht für den von einem späteren Fahrzeugbenützer verursachten Schaden haftbar gemacht worden sei. Für den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der vom Kläger begangenen Verwaltungsübertretung und dem Schaden der Margarethe C bedürfe es im Hinblick auf § 1311 ABGB keiner strengen Beweisführung, vielmehr habe der Übertreter der Schutznorm zu beweisen, daß auch ohne deren Verletzung (hier: des § 4 Abs. 2 StVO) der Schadensfall eingetreten wäre. Demnach hafte der Kläger nach § 1311 ABGB, wobei festzuhalten sei, daß auch die Schadenersatzbestimmungen des ABGB "gesetzliche Haftpflichtbestimmungen" seien, von denen in Art. 1 Abs. 1 AKHB die Rede sei (VersSlg. 52 u.a.). Daneben bestehe die Ersatzpflicht des Klägers aber auch nach § 5 Abs. 1 EKHG. Was die eingewendeten Obliegenheitsverletzungen anlange, so könne in der verspäteten Unfallsmeldung an die Gendarmerie eine grobe Fahrlässigkeit, eine auffallende Sorglosigkeit also, die sich von der Menge der unvermeidlichen Fahrlässigkeiten des täglichen Lebens auffallend abhebe und die nur bei besonders nachlässigen und leichtsinnigen Menschen vorkomme, nicht erblickt werden. In Wahrheit sei dem Kläger lediglich ein Versehen unterlaufen, dessen sich auch ein sonst normgerecht handelnder Kraftfahrer schuldig machen könne. Einem Nichtjuristen wie dem Kläger stelle sich der vorliegende Fall nicht als typische Situation eines Verkehrsunfalles dar mit auf der Fahrbahn stehenden Autos der Unfallsbeteiligten und mit am Boden liegenden Verletzten sowie mit der augenfälligen Notwendigkeit, Spuren zu sichern, und ähnlichem mehr. Auch habe der Kläger zuerst die Verletzte versorgen müssen, so daß ihm eine gewisse Ablenkung in der Konzentration auf die Erfüllung aller ihm als Fahrer damals oblegenen Pflichten zuzubilligen sei. Seine Saumsal sei daher bloß als leichte Fahrlässigkeit einzustufen. Soweit es aber um die Obliegenheit des Klägers gehe, der Beklagten längstens innerhalb einer Woche die Einleitung des verwaltungsbehördlichen Verfahrens wegen Übertretung nach § 4 Abs. 2 StVO anzuzeigen (Art. 8 Abs. 2 Z. 1 lit. c AKHB), habe

das Unterbleiben dieser Maßnahme weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung der vom Versicherer zu erbringenden Leistung und ihres Umfanges Einfluß gehabt und daher auch keine Leistungsfreiheit bewirkt (§ 6 Abs. 3 VersVG). Vorsätzlichkeit der Nichtanzeige habe jedoch die Beklagte selbst nicht behauptet. Auch falle hiebei ins Gewicht, daß die Beklagte festgestelltermaßen durch Akteneinsicht ohnehin schon Kenntnis von der diesbezüglichen Übertretung des Klägers gehabt habe und wissen habe müssen, daß es zu dem Verwaltungsstrafverfahren kommen werde. Nach all dem habe die Beklagte dem Kläger die Leistungen zu ersetzen, zu denen er gegenüber Margarethe C verpflichtet sei (§ 149 VersVG), ferner auch die ihm im Haftpflichtprozeß entstandenen Kosten (§ 150 VersVG). Doch stehe dem Versicherungsnehmer aus einer Haftpflichtversicherung gegen den Versicherer nur ein Befreiungsanspruch zu. Er könne somit nach seiner Inanspruchnahme auf Schadenersatz den Versicherer nur auf Feststellung des Versicherungsschutzes klagen und, sobald die Ersatzforderung festgestellt sei, auf Leistung an den geschädigten Dritten. Erst wenn er selbst den Dritten befriedigt habe, könne er vom Versicherer die Erstattung des an den Dritten Geleisteten verlangen (Ehrenzweig, 355; Geigel 15, 357; Bruck-Möller-Johannsen 8, Anm. B 33 S. 62; Stiefel-Wussow-Hofmann 9 Anm. 3 zu § 10 AKB; VersRdSch 1958 366; SZ 30/2, SZ 31/27; SZ 34/171). Sohin sei die Streitsache zwar bezüglich des Feststellungsbegehrens im Sinne einer Bestätigung des Ersturteils spruchreif, denn selbst wenn der Kläger bereits alle Ansprüche der Margarethe C erfüllt haben sollte, bliebe doch der Umstand zu berücksichtigen, daß die Genannte nach dem Ergebnis des Vorprozesses auch künftige Unfallschäden vom Kläger ersetzt verlangen könne. Hinsichtlich des Leistungsbegehrens aber leide das Ersturteil an einem Feststellungsmangel, da bisher nicht erörtert worden sei, ob der Kläger die Beträge, zu deren Zahlung an Margarethe C er verurteilt worden sei, an diese auch wirklich schon gezahlt und die Honorarforderung des Rechtsanwaltes Dr. W beglichen habe. Letzterer sei nämlich zur Vertretung des nunmehrigen Klägers von der Beklagten direkt beauftragt worden, so daß auch ihm, und zwar auf Grund dieses Auftragsverhältnisses, ein Zahlungsanspruch unmittelbar gegen die Beklagte zustehe, und für den Kläger lediglich ein Anspruch auf Refundierung dessen in Betracht komme, was er allenfalls bereits an Dr. W gezahlt habe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten gegen das Teilurteil und den Rekursen beider Teile gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zu Revision und Rekurs der Beklagten:

Da die Beklagte als Rechtsmittelwerberin Abweisungsgründe geltend macht, die sich ihrer Natur nach auf das Feststellungsbegehren und das Zahlungsbegehren beziehen, schadet es nicht, daß sich ihre Rechtsmittelausführungen, ausgenommen die Anfechtungserklärungen und die Entscheidungsanträge, der Form nach nur als solche der Revision darstellen, denn inhaltlich setzen sie sich mit dem klägerischen Versicherungsanspruch in seiner Gesamtheit auseinander, betreffen also auch das Zahlungsbegehren und damit den Gegenstand des Rekurses.

Unter dem Gesichtspunkt der Aktenwidrigkeit rügt die Beklagte, daß sich das Berufungsgericht die Auffassung des Erstgerichtes zueigen machte, wonach einerseits bei sofortiger Verständigung der Gendarmerie durch den Kläger die Ermittlung des am Unfall beteiligten LKW-Fahrers im Bereiche der Möglichkeit gestanden wäre, anderseits aber sie, die Beklagte, nicht bewiesen habe, daß dieser Fahrer hätte ausgeforscht werden können, wenn der Kläger die Gendarmerie sofort von dem Unfall benachrichtigt hätte. Beides stehe nach Ansicht der Beklagten zueinander in Widerspruch. Dem ist entgegenzuhalten, daß, auch wenn dies der Fall wäre, von einer Aktenwidrigkeit nicht gesprochen werden könnte, da eine solche ihrem Wesen nach die unrichtige Annahme eines bestimmten Akteninhaltes voraussetzt. Tatsächlich läuft indes jenes Rechtsmittelvorbringen darauf hinaus, daß die darin wiedergegebene Erwägung der Vorinstanzen unschlüssig sei, mithin gegen die Denkgesetze verstoße. Das aber wäre zutreffendenfalls unrichtige rechtliche Beurteilung. Doch ist auch eine Denkwidrigkeit nicht gegeben, denn daß die Ermittlung des LKW-Fahrers im Falle sofortiger Unfallsanzeige möglich gewesen wäre, bedeutet ja noch nicht, daß dann die Nachforschungen auch wirklich zum Ziel geführt hätten. Letzteres hat somit die Beklagte tatsächlich nicht bewiesen.

Bei Darlegung ihres Rechtsstandpunktes bestreitet die Rechtsmittelwerberin, daß die den Kläger gegenüber der Margarethe C treffende Haftung der gegenständlichen Haftpflichtversicherung zu unterstellen sei, da die Genannte nicht durch die Verwendung des Kraftfahrzeuges verletzt worden sei, sie den Kläger auch nicht wegen des Unfalls, für den er nicht verantwortlich gemacht werden könne, sondern deshalb in Anspruch genommen habe, weil er ihr durch sein Verhalten die Möglichkeit vereitelt habe, vom schuldtragenden Lenker des LKW oder von dessen Halter Schadenersatz zu erlangen. Durch die Unterlassung der rechtzeitigen Verständigung der Gendarmerie sei der Kläger gewissermaßen an die Stelle des "eigentlich Haftenden" getreten. Dem kann nicht beigestimmt werden. Die Behauptung, Margarethe C sei nicht durch die Verwendung des klägerischen PKW verletzt worden, wird durch die Tatsache widerlegt, daß sich der Unfall in diesem Fahrzeug zutrug, als es an einem aus der Gegenrichtung kommenden LKW vorbeifuhr. Richtig ist, daß der Kläger den Unfall selbst nicht verschuldete, daß er aber die sich für ihn aus dem Unfall nach § 4 Abs. 2 StVO ergebende Rechtspflicht, sofort die nächste sicherheitsbehördliche Dienststelle zu verständigen, nicht erfüllte. Dieses rechtswidrige Verhalten des Klägers steht mit dem Schadensereignis in engstem Zusammenhang, was schon daraus hervorgeht, daß er nach dem Gesetz die Verständigung "sofort" vorzunehmen gehabt hätte. Art. 1 Abs. 1 AKHB setzt nicht voraus, daß der Versicherungsnehmer (oder Mitversicherte) selbst den Personen- oder Sachschaden herbeigeführt hat, vielmehr ist für die Deckungspflicht des Versicherers wesentlich, daß gegen den Versicherungsnehmer wegen dieses Schadens auf Grund des Gesetzes ein begründeter Ersatzanspruch besteht. Das trifft hier zu. Der Kläger hat zwar den Unfallschaden nicht schuldhaft verursacht, hat aber gleichwohl für ihn einzustehen, weil davon auszugehen ist, daß er durch sein rechtswidriges, nämlich gegen § 4 Abs. 2 StVO verstoßendes Verhalten die Durchsetzung des Schadenersatzanspruches der Margarethe C gegen den Fahrer oder Halter des LKW unmöglich machte. Die Berichtigung dieses gesetzlichen Haftpflichtanspruches der Unfallsgeschädigten gegen den Kläger steht mit Rücksicht auf den Ausgang des Vorprozesses (7 Cg 105/74 des Landesgerichtes Innsbruck) im gegenwärtigen Rechtsstreit fest, und zwar entgegen ihrer Meinung auch für die Beklagte, da der Haftpflichtprozeß, wie festgestellt, vom Versicherungsnehmer als Beklagten unter dem Rechtsbeistand des ihm vom Versicherer beigestellten Rechtsanwaltes Dr. W geführt wurde, die nunmehrige Beklagte also genug Gelegenheit hatte, auf diesen Prozeß Einfluß zu nehmen (3 Ob 358/59 = VersR 1960, 935). Bei dieser Rechtslage kann die vom Berufungsgericht und von der Rechtsmittelwerberin erörterte Frage, ob der Kläger im Verhältnis zur Geschädigten C auch nach den Bestimmungen des EKHG haftet, dahingestellt bleiben.

Von den eingewendeten Obliegenheitsverletzungen liegen angesichts des festgestellten Sachverhaltes nur die des Abs. 1 Z. 1 letzter Halbsatz (Unterlassung der sofortigen Verständigung der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle) und die des Abs. 2 Z. 1 lit. c (Unterlassung der Benachrichtigung des Versicherers von der Einleitung des verwaltungsbehördlichen Verfahrens) des Art. 8 AKHB erkennbar vor. Nur mit diesen setzen sich denn auch das Berufungsgericht und die Rechtsmittelwerberin auseinander. Daß nun die erstangeführte Obliegenheitsverletzung, wie die Beklagte betont, die Feststellung des Versicherungsfalles beeinträchtigte, auf diese also Einfluß hatte, unterliegt keinem Zweifel. Auch kann angesichts der gegebenen Sachlage entgegen der Meinung der Vorinstanzen dem Kläger nicht lediglich als leichte Fahrlässigkeit zugerechnet werden, daß er den Unfall erst dreieinhalb Stunden nach dessen Ereignung der Gendarmerie meldete. Solange er mit der Versorgung der Verletzten befaßt war, mag es noch hingehen, daß er diese Benachrichtigung unterließ. Immerhin wurde aber die Verunglückte bereits eine halbe Stunde nach dem Unfall vom Rettungsdienst abgeholt, weshalb von da an kein erkennbarer Grund mehr dafür vorlag, daß der Kläger dann nicht weniger als noch drei Stunden verstreichen ließ, ehe er sich zur Unfallsmeldung entschloß. Nicht zugute gehalten kann ihm werden, daß er zunächst an seine Meldepflicht nicht dachte und später es nicht mehr für zielführend hielt, ihr zu entsprechen, gehört doch gerade diese Obliegenheit zu den elementaren Geboten, die ein in einen Verkehrsunfall verwickelter Kraftfahrer zu beobachten hat, so daß ihre Mißachtung, wenn nicht besonders entschuldigende Umstände gegeben sind, an denen es hier jedoch fehlt, schwer ins Gewicht fällt. Das den Kläger in diesem Zusammenhang treffende Verschulden ist daher, sofern es nicht überhaupt Vorsatz ist, zumindest als grobe Fahrlässigkeit zu werten. Dennoch kann aber die Beklagte nunmehr Leistungsfreiheit wegen dieser Obliegenheitsverletzung nicht mit Erfolg geltend machen. Von ihr hatte sie nämlich festgestelltermaßen bereits am 2. September 1971 gelegentlich der ihrerseits erfolgten Einsichtnahme in den Akt Z 92/71 des Bezirksgerichtes Zell am Ziller erfahren. Die Obliegenheitsverletzung war ihr also längst bekannt, als sie am 8. März 1972 im Hinblick auf die damals zu gewärtigende Einbringung der Haftpflichtklage der Margarethe C dem Kläger nicht nur Rechtsbeistand zusagte, ohne dem die Einschränkung hinzuzufügen, daß die Forderung nach Rückersatz der diesbezüglichen Aufwendungen vorbehalten bleibe, sondern ihm darüber hinaus noch ausdrücklich zusicherte, daß er kein wie immer geartetes Kostenrisiko zu tragen haben werde. Letzteres ließ sich aber nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs (§ 863 ABGB) füglich dahin verstehen, daß die Beklagte wegen der in Frage stehenden Obliegenheitsverletzung, um die sie damals bereits wußte, den Versicherungsschutz nicht verweigern werde, der eben bei jenem Stand der Dinge in der "Verteidigung gegen den von einem Dritten geltend gemachten Anspruch" (§ 150 Abs. 1 VersVG) oder, was das gleiche ist, in der "Abwehr (vermeintlich) unbegründeter Ersatzansprüche" (Art. 1 Abs. 1 AKHB) bestand. Die Beklagte hat sohin mindestens dem Anschein nach, den sie nun aber gegen sich gelten lassen muß, stillschweigend darauf verzichtet, von ihrer durch die Obliegenheitsverletzung eingetretenen Leistungsfreiheit Gebrauch zu machen (vgl. Prölß-Martin, VersVG19, 99; Bruck-Möller, Versicherungsvertragsrecht8 I, 203/204; Stiefel-Wussow-Hofmann, Kraftfahrversicherung9, 362/363). Für die zweite Obliegenheitsverletzung aber ist ausschlaggebend, daß sich überhaupt nicht ersehen läßt, inwiefern die Leistungspflicht der Beklagten im Falle der Erfüllung dieser Obliegenheit eine geringere gewesen wäre. Daß etwa der Kläger die Übertretung nach § 4 Abs. 2 StVO nicht begangen hätte, er also zu Unrecht von der Verwaltungsbehörde bestraft worden wäre, behauptet ja die Beklagte selber nicht, sondern leitet im Gegenteil gerade auch aus dieser Übertretung die von ihr geltend gemachte Leistungsfreiheit ab. Hinzu kommt, daß sie von der bevorstehenden Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens, wenn auch nicht durch Mitteilung seitens des Klägers, ohnedies Kenntnis hatte. Da somit die Beklagte auch keinen Rechtsirrtum des Berufungsgerichtes aufzuzeigen vermochte, der am Ergebnis seiner Entscheidung etwas ändern könnte, war ihren Rechtsmitteln nicht Folge zu geben.

Zum Rekurs des Klägers:

Dieser hat, wie aus seinen Rekursausführungen hervorgeht, den Aufhebungsbeschluß völlig mißverstanden. Weder wurde darin nämlich die Rechtsansicht vertreten, daß vor der Geltendmachung des Leistungsanspruches auf Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten geklagt werden müsse, noch wurde dem Kläger die Anspruchsberechtigung abgesprochen. Doch hat das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, daß der Versicherungsnehmer nach § 149 VersVG, wenn es sich um eine berechtigte Haftpflichtforderung des geschädigten Dritten handelt, gegen den Versicherer einen Befreiungsanspruch hat. Das aber heißt, daß er, soweit der Dritte nicht bereits durch ihn, den Versicherungsnehmer, befriedigt wurde, nicht Zahlung an sich, sondern nur Zahlung an den Dritten verlangen kann. Andernfalls könnte es geschehen, daß der Versicherer, der an einen unredlichen Versicherungsnehmer zahlt, auch noch vom Dritten, dem er und der Versicherte als Gesamtschuldner haften (§ 63 Abs. 1 KFG), auf Zahlung belangt werden könnte. Da nach den bisherigen Verfahrensergebnissen nicht feststeht, ob und in welcher Höhe der Kläger an die Haftpflichtgläubigerin C und an Dr. W bereits Zahlungen leistete, hat das Berufungsgericht das Ersturteil hinsichtlich des Zahlungsbegehrens mit Recht aufgehoben. Der Rekurs muß daher erfolglos bleiben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte