OGH 7Ob44/58

OGH7Ob44/5820.2.1958

SZ 31/27

Normen

EO §294
EO §308
KO §1
KO §95
VersVG §149
VersVG §156
VersVG §157
EO §294
EO §308
KO §1
KO §95
VersVG §149
VersVG §156
VersVG §157

 

Spruch:

Der geschädigte Haftpflichtgläubiger muß zur Erlangung der vom Versicherer geschuldeten Leistung den dem Versicherungsnehmer zustehenden Befreiungsanspruch auf Grund eines gegen ihn erwirkten Exekutionstitels pfänden und sich überweisen lassen.

Der dem Versicherungsnehmer gegen den Versicherer zustehende Anspruch ist ein Bestandteil des Vermögens des Gemeinschuldners und fällt in die Konkursmasse.

Solange der Konkurskommissär oder das Konkursgericht von ihrem Untersagungsrecht keinen Gebrauch machen, hat das Gericht den Beschluß des Gläubigerausschusses seinen Entscheidungen zugrunde zu legen.

Entscheidung vom 20. Februar 1958, 7 Ob 44/58.

I. Instanz: Kreisgericht Krems; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Mit Beschluß des Kreisgerichtes Krems vom 7. Juni 1957, S 5/57-2, wurde über das Vermögen der Verlassenschaft nach Ing. Friedrich Z. auf Antrag des Schuldners der Konkurs eröffnet. Der Betrieb des dem Erblasser und seiner Gattin gehörigen PKWs. war bei der E.-Unfall- und Schadenversicherungsgesellschaft gegen Haftpflicht versichert. Die genannte Gesellschaft hat nunmehr unter Berufung auf § 156 Abs. 3 VersVG. und § 1425 ABGB. die Versicherungssumme von 40.000 S bei Gericht hinterlegt und behauptet, daß der Erblasser als Lenker seines PKWs. den Verkehrsunfall, bei dem er, seine Gattin und Herbert S. tödlich verunglückten, mit größter Wahrscheinlichkeit allein verschuldet habe. Der Erlag wurde unter anderem zugunsten der Verlassenschaft nach Ing. Friedrich Z. und zugunsten des Ferdinand S., des Vaters des Herbert S., der ebenso wie eine Reihe weiterer Haftpflichtgläubiger Schadenersatzansprüche erhoben hatte, vorgenommen und mit Beschluß des Bezirksgerichtes Krems vom 29. März 1957, 1 Nc 6/57-3, zu Gericht angenommen. Ferdinand S. hat in der 3. Klasse der Konkursgläubiger eine Forderung für den Ersatz der bei dem Unfall des Herbert S. beschädigten Kleidungsstücke angemeldet, die mit einem Betrage von 1000 S festgestellt wurde. Zur Hereinbringung dieser festgestellten Forderung begehrte Ferdinand S. nunmehr gegen die Verlassenschaft nach Ing. Z. als verpflichtete Partei die Bewilligung der Exekution durch Pfändung des der Verpflichteten gegen das Bezirksgericht Krems als Verwahrschaftsgericht (Erlagsgericht) zustehenden Anspruches auf Ausfolgung des Erlages hinsichtlich eines Betrages von 1000 S s. A.

Das Erstgericht bewilligte mit Beschluß vom 28. November 1957, S 5/57-29, diese Exekution und erließ gegen den Drittschuldner ein Zahlungsverbot, gegen die Verpflichtete ein Verfügungsverbot.

Das Rekursgericht änderte den Beschluß dahin ab, daß es den Exekutionsantrag abwies. Es vertrat die Auffassung, daß der gepfändete Anspruch der Gemeinschuldnerin ein Bestandteil des Konkursvermögens sei und daß daher im Hinblick auf die Bestimmungen der §§ 1, 10 und 61 KO. nach Konkurseröffnung an den zur Konkursmasse gehörigen Sachen kein richterliches Pfand- oder Befriedigungsrecht erworben werden könne. Der Beschluß des Gläubigerausschusses, daß der beim Bezirksgericht Krems erlegte Betrag von 40.000 S nicht zur Konkursmasse gehöre, besage keineswegs, daß auch der Anspruch auf Ausfolgung des dem Gemeinschuldner zukommenden Teiles dieses Erlages nicht zur Masse gehöre und demnach ihm zur freien Verfügung stehe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Durch die Schadenersatzforderung des Geschädigten wird das Vermögen des Haftpflichtigen belastet. Der mit dem Versicherten abgeschlossene Versicherungsvertrag gibt dem Versicherungsnehmer den Anspruch, ihn von dieser Schuld zu befreien - sogenannter Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers (BGHZ. 15, 154; RGZ. 93, 212 u. a.; Ehrenzweig, Deutsches (Österreichisches) Versicherungsvertragsrecht, S. 355 ff.; Prölss, VersVG., 10. Aufl. S.412 Anm. 1 zu § 149). Da zwischen dem geschädigten Haftpflichtgläubiger und dem Versicherer keine Rechtsbeziehungen bestehen, muß jener den dem Versicherungsnehmer zustehenden Befreiungsanspruch auf Grund eines gegen ihn erwirkten Exekutionstitels pfänden und sich überweisen lassen, um die vom Versicherer geschuldete Leistung zu erlangen. Diese Pfändung wandelt ebenso wie die Konkurseröffnung den Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers in einen Leistungsanspruch um (BGHZ. 15, 154; RGZ. 93, 210 u. a.; Ehrenzweig a. a. O. S. 374 f.; Prölss a. a. O., ferner S. 431 Anm. 1 zu § 156 und S. 434 Anm. 5 zu § 156 sowie S. 441 Anm. 3 zu § 157). Die Pfändungsmöglichkeit des Befreiungsanspruches und das dem Haftpflichtgläubiger im Konkurse des Versicherungsnehmers vom Gesetze eingeräumte Recht auf abgesonderte Befriedigung (§ 157 VersVG.) lassen keinen Zweifel aufkommen, daß der dem Versicherungsnehmer gegen den Versicherer zustehende Anspruch ein Bestandteil des Vermögens des Gemeinschuldners ist, das der Exekution unterliegt und daher in die Konkursmasse fällt (§ 1 KO.).

Nun hat allerdings der Gläubigerausschuß in seiner Sitzung vom 25. Oktober 1957 festgestellt, daß die vom Versicherer erlegte Versicherungssumme nicht zur Konkursmasse gehöre. Die darin zum Ausdruck kommende Rechtsansicht des Gläubigerausschusses, daß die Entschädigungsforderung des Gemeinschuldners und daher auch ein ihm allenfalls gegenüber den anderen Erlagsberechtigten und dem Erlagsgerichte zustehender Anspruch auf Ausfolgung der erlegten Versicherungssumme oder eines Teiles derselben zu seinem konkursfreien Vermögen zu zählen sei, ist nach den oben angestellten Überlegungen nicht haltbar. Es wäre daher Sache des Konkurskommissärs gewesen, den Beschluß des Gläubigerausschusses zu sistieren (§ 95 Abs.2 KO.). Nach dem Protokoll über die Sitzung des Gläubigerausschusses wäre dem oben erwähnten Beschluß des Ausschusses vom Konkurskommissär die Zustimmung erteilt worden. Der Konkurskommissär hat jedoch das erwähnte Protokoll nicht unterfertigt. Selbst wenn eine solche Zustimmung in dem Beschluß vom 24. November 1957 läge, mit dem der Bericht des Masseverwalters zur Kenntnis genommen wurde, der das Protokoll über die Sitzung beigelegt hatte, wäre damit nichts gewonnen, weil das Gesetz eine Genehmigung des in Rede stehenden Beschlusses des Gläubigerausschusses nicht vorsieht. Es steht im Gegenteil dem Konkurskommissär und allenfalls dem Konkursgerichte, wie aus § 95 KO. zu entnehmen ist, ein Untersagungsrecht zu. Solange der Konkurskommissär oder das Konkursgericht von ihrem Untersagungsrechte keinen Gebrauch machen, hat das Gericht den Beschluß des Gläubigerausschusses seinen Entscheidungen zugrunde zu legen. Es ist daher davon auszugehen, daß die Versicherungssumme zu dem konkursfreien Vermögen zählt, über das der Gemeinschuldner zu verfügen berechtigt ist. Daher war der erstrichterliche Beschluß wiederherzustellen.

Es sei noch bemerkt, daß der durch die Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis geschaffene Exekutionstitel dem Ferdinand S. nur zur Hereinbringung der festgestellten Konkursforderung, nicht aber zur Realisierung des ihm wegen der gleichen Forderung oder eines Teiles derselben nach § 157 VersVG. zustehenden Rechtes auf abgesonderte Befriedigung an die Hand gegeben ist (vgl. SZ. XXVII 180 = JBl. 1954 S. 594).

Stichworte