VwGH Ra 2023/09/0148

VwGHRa 2023/09/014812.12.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen Dr. Koprivnikar und Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.Rieder, über die außerordentliche Revision der Disziplinaranwältin der Stadt Wien, gegen das am 28. April 2023 verkündete und am 22. Mai 2023 ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, VGW‑171/024/5448/2022‑17, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe nach der Dienstordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarkommission der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Partei: A B in C), zu Recht erkannt:

Normen

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023090148.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird dahingehend abgeändert, dass die Beschwerde der Disziplinaranwältin gegen das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission der Stadt Wien vom 23. März 2023, DK‑244381/22, abgewiesen wird.

Begründung

1 Mit dem nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 9. März 2022 ergangenen Disziplinarerkenntnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde wurde der Mitbeteiligte als Fachbeamter des Verwaltungsdienstes der Magistratsabteilung 24 ‑ Strategische Gesundheitsversorgung, einer Verletzung der in § 18 Abs. 2 zweiter Satz Dienstordnung 1994 (DO 1994) genannten Dienstpflichten schuldig erkannt, weil er außer Dienst nicht alles vermieden hatte, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht wird, untergraben könnte, indem er am 26. Oktober 2021 in Wien bei seiner Teilnahme an einer Demonstration gegen die Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 ein Schild mit der Aufschrift „Mückstein ist Mengele mit Sneakers!“ getragen und damit den damaligen Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz mit dem nationalsozialistischen Kriegsverbrecher Josef Mengele, dem Lagerarzt des Konzentrationslagers Auschwitz‑Birkenau, gleichgesetzt hatte.

2 Wegen dieser Dienstpflichtverletzung wurde über den Mitbeteiligten gemäß § 76 Abs. 1 Z 3 DO 1994 eine Geldstrafe in Höhe des fünffachen Monatsbezugs unter Ausschluss der Kinderzulage verhängt. Der Ersatz von Kosten des Disziplinarverfahrens wurde ihm gemäß § 106 Abs. 1 DO 1994 nicht auferlegt.

3 Ein Strafverfahren gegen den Mitbeteiligten wegen Verstoßes gegen das Verbotsgesetz 1947 wurde nicht eingeleitet, jenes nach § 111 Abs. 1 iVm § 117 Abs. 2 StGB mangels Erteilung der Ermächtigung zur Verfolgung durch den Gesundheitsminister eingestellt.

4 Rechtlich begründete die belangte Behörde das Disziplinarerkenntnis wie folgt (Schreibweise im Original):

„Gemäß § 18 Abs. 2 zweiter Satz DO 1994 hat der Beamte auch außer Dienst alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht wird, untergraben könnte.

Der [Mitbeteiligte] hat die ihm angelastete Tat nicht bestritten.

Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gilt auch für Beamte. Laut VwGH endet dieses, wenn der Rahmen sachlicher Kritik durch ‚bedenkliche Wortwahl, Beleidigung, Schmähung oder massiven Vorwurf gesprengt wird und somit das zulässige Maß angemessener Kritik überschritten wird‘ (s VwGH 28.7.2000, Zl. 97/09/0106 m.w.N.).

Der Vergleich des damaligen Gesundheitsministers Dr. Wolfgang Mückstein mit dem ehemaligen KZ‑Arzt Dr. Josef Mengele überschreitet massiv den Rahmen einer angemessenen und sachlichen Kritik. Wie aus der Geschichte bekannt, hat der Josef Mengele als Arzt im KZ Auschwitz‑Birkenau die Vergasung der überwiegend jüdischen Opfer überwacht und durch Selektion von KZ‑Häftlingen sowie durch menschenverachtende medizinische Experimente an Zwillingspaaren den qualvollen Tod zahlreicher, wehrloser Menschen zu verantworten.

Die wiederholt als Rechtfertigung vorgebrachten Todesfälle in der Familie bzw. im Bekanntenkreis des [Mitbeteiligten], als Folge von Impfschäden bedingt durch eine Impfung gegen den COVID 19‑Virus, vermag nicht annähernd zu überzeugen. Ziel der von der Bundesregierung gesetzten COVID 19‑Maßnahmen war es stets das Leben und die Gesundheit der österreichischen Bevölkerung zu schützen und zu erhalten.

Der Vergleich mit dem KZ‑Arzt Dr. Mengele ist in keinster Weise nachvollziehbar als die österreichische Bevölkerung in sämtlichen Medien über die möglichen schweren Folgen einer COVID 19‑Erkrankung und die mögliche Gegenstrategie in Form einer Impfung informiert wurde.

Die vom Beschuldigten getätigte Aussage hat auch auf dem sozialen Medium ‚Twitter‘ für massive Empörung gesorgt.

Der vorgenommene Vergleich stellt ohne Zweifel eine unsachliche, exzessive und aufsehenerregende Kritik dar, die nicht im Einklang mit dem Standesansehen eines Beamten vereinbar ist und nicht tolerierbar ist.

Ein Beamter hat das Standesansehen zu wahren, welches schon auf Grund seiner speziellen Regelung die Anlegung eines höheren Maßstabes an korrekten Verhalten bedingt als in Bezug auf Personen, die nicht im öffentlichen Dienst stehen, der Fall ist. Auch nach der Judikatur des VwGH sind bei der Strafbemessung die Schädigung des Standesansehens und die Beeinträchtigung der Vertrauenswürdigkeit des Beamten von Bedeutung (s z.B. VwGH 18.4.2002, Zl. 2000/09/0176).

Der [Mitbeteiligte] ist Mitarbeiter der MA 24, deren wesentliche Aufgabe es ist Maßnahmen im Bereich der strategischen Gesundheitsversorgung zu treffen. Im Rahmen dieser Aufgaben ist die MA 24 wesentliche auch mit der Bekämpfung und der Setzung von Maßnahmen zur Eindämmung des COVID 19‑Virus befasst, weshalb das vorgeworfene Fehlverhalten ohne Zweifel geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die pflichtgemäße und ordnungsgemäße Dienstverrichtung erheblich zu erschüttern. Durch das vom [Mitbeteiligten] in der Öffentlichkeit gesetzte Verhalten sind auch Rückwirkungen auf den Dienst jedenfalls gegeben.

Der Umstand, dass der [Mitbeteiligte] bei der Demonstration die verpönte Aufschrift in mehrfacher Kopie (zusätzlich 2 A4‑Blätter) bei sich trug, lässt erkennen, dass es sich bei dem Protest des [Mitbeteiligten] nicht um eine spontane vereinzelte emotionale Unmutsäußerung, sondern vielmehr um eine überlegte und vorsätzliche Aktion des [Mitbeteiligten] gehandelt hat.

Die von der Disziplinaranwältin vorgebrachte ‚kriminelle Energie des [Mitbeteiligten]‘ konnte vom Senat nicht erkannt werden, insbesondere nicht im Hinblick auf den Vorwurf der Verbreitung von nationalsozialistischem Gedankengut und Verhetzung. So ist der [Mitbeteiligte] dem Vorwurf des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz, sowohl in der Verhandlung als auch aktenkundig, energisch entgegengetreten und hat glaubhaft seine Ablehnung des nationalsozialistischen Gedankenguts durch sein gesetztes Verhalten dargetan.

Zur Strafbemessung:

[...]

Als mildernd wurden die disziplinäre Unbescholtenheit des [Mitbeteiligten] und die Schuldeinsicht gewertet, erschwerend war die vorsätzliche Begehung (zumindest in Form des bedingten Vorsatzes) der Tat und die durch das gesetzte Verhalten schwere Schädigung des Standesansehens.

Die Verhängung einer Geldstrafe ist aus spezial‑ und generalpräventiven Gründen jedenfalls erforderlich. Es ist notwendig dem [Mitbeteiligten] klar vor Augen zu führen, dass derartige extreme verbale Entgleisungen, die klar die Grenzen der verfassungsrechtlich geschützten Meinungsfreiheit gemäß Art. 10 EMRK übersteigen, keinesfalls als Bagatellverfehlungen anzusehen sind. Die Verhängung einer Geldstrafe ist auch notwendig, um den [Mitbeteiligten] in Zukunft vor weiteren derartigen Fehltritten abzuhalten, zumal auch in Zukunft weitere Demonstrationen wegen gesetzter COVID 19‑Maßnahmen nicht ausgeschlossen werden können.

Eine bedingte Strafnachsicht gemäß § 78 DO 1994 kam demnach nicht in Betracht.“

5 Diesen Bescheid bekämpfte die Disziplinaranwältin mit ihrer Beschwerde insoweit, als anstelle der Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe des fünffachen Monatsbezugs jene der Entlassung zu verhängen sei.

6 Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28. April 2023 verkündeten Erkenntnis erklärte das Verwaltungsgericht Wien die ausschließlich gegen die Höhe der Disziplinarstrafe gerichtete Beschwerde der Disziplinaranwältin „mit der Maßgabe [für] abgewiesen“, als die gemäß § 76 Abs. 1 Z 3 DO 1994 verhängte Geldstrafe in Höhe des fünffachen Monatsbezugs unter Ausschluss der Kinderzulage gemäß § 78 Abs. 1 DO 1994 im Ausmaß von zwei Monatsbezügen unter Ausschluss der Kinderzulage unter Setzung einer Bewährungsfrist von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Eine „ordentliche“ Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.

7 Das Verwaltungsgericht traf Feststellungen, von welchen die folgenden zur inneren Tatseite hervorzuheben sind:

„5. Der [Mitbeteiligte] hat vor Teilnahme an der Demonstration und vor Setzen des inkriminierten Verhaltens insgesamt drei Schilder mit der inkriminierten Wortfolge ‚Mückstein ist Mengele mit Sneakers‘ vorbereitet und diese zur Demonstration mitgebracht. Der [Mitbeteiligte] hatte Vorsatz betreffend die ihm angelastete Handlung. Bei der Demonstration hat der eines dieser Schilder hochgehalten und sich damit bewusst fotografieren lassen. Das Foto wurde anschließend auf Twitter verbreitet. Hinsichtlich der hohen Publizität seines Verhaltens hatte der [Mitbeteiligte] Vorsatz.

6. Der [Mitbeteiligte] hat die AHS im Jahr 1985 mit Matura abgeschlossen. Dem [Mitbeteiligten] war bekannt, dass es sich bei Josef Mengele um einen berüchtigten (im Protokoll versehentlich mit ‚berühmt‘ bezeichneten) Lagerarzt der NS‑Zeit gehandelt hat. [...]

7. Dem [Mitbeteiligten] war im Tatzeitpunkt nicht bewusst, dass er mit dem von ihm gesetzten Verhalten den Rahmen einer angemessenen und sachlichen Kritik überschreitet und damit eine Dienstpflichtverletzung begeht. Er war sich der Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nicht bewusst.‘

8 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht fallbezogen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass die belangte Behörde ihrer Entscheidung die vorsätzliche Begehung als Erschwerungsgrund zugrunde gelegt habe. Der erkennende Senat sei jedoch der Ansicht, der Mitbeteiligte sei einem grob fahrlässigen Rechtsirrtum unterlegen, weil er ‑ entsprechend der Feststellungen ‑ das Unrecht seiner Tat nicht erkannt habe. Es liege daher ein Milderungsgrund im Sinn des § 77 Abs. 1 Z 3 DO 1994 iVm § 34 Abs. 1 Z 12 StGB vor, der den Erschwerungsgrund der vorsätzlichen Tatbegehung aufwiege. Der erkennende Senat habe daher sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der Disziplinarkommission gesetzt.

9 Den Ausführungen der Disziplinaranwältin, der Mitbeteiligte habe durch sein Verhalten die Verbrechen des Nationalsozialismus verharmlost und gegen den damaligen Gesundheitsminister oder die Bundesregierung aufgehetzt, hielt das Verwaltungsgericht die Rechtskraft des Schuldspruchs des Disziplinarerkenntnisses entgegen. Darin sei der Mitbeteiligte für die Gleichsetzung des damaligen Gesundheitsministers mit dem NS‑Arzt Mengele schuldig gesprochen und dieses Verhalten unter § 18 Abs. 2 Satz 2 DO 1994 subsumiert worden. Aus der damit in Zusammenhang stehenden Begründung ergebe sich, dass die Bestrafung wegen Verlassens des Rahmens sachlicher Kritik am damaligen Gesundheitsminister erfolgt sei. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sei allein die Frage der Strafbemessung, nicht aber eine (andere) rechtliche Subsumtion des Verhaltens.

10 Schutzzweck des § 18 DO 1994 sei die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und die Aufrechterhaltung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sorgfältige, pflichtbewusste, verlässliche und unparteiische Wahrnehmung der dem Bediensteten übertragenen Aufgaben. Es liege sowohl im Interesse der Stadt Wien als auch der Allgemeinheit, sich auf die Bediensteten verlassen zu können. § 18 DO 1994 diene somit dem Schutz des Ansehens der Beamtenschaft und seien diese Interessen als sehr hoch einzustufen. Die Beurteilung der Schwere der Rechtsgutverletzung hänge jedoch nicht davon ab, ob das Verhalten des Mitbeteiligten theoretisch (auch) unter einen Straftatbestand des gerichtlichen Strafrechts subsumiert werden könne.

11 Zur Strafbemessung im engeren Sinn führte das Verwaltungsgericht sodann aus, dass der Unrechtsgehalt der Tat schwer wiege, aber eine Verhetzung nicht zu erkennen sei, habe der Mitbeteiligte doch nicht zu Gewalt aufgerufen und die Kritik am Gesundheitsminister auch nicht auf dessen Zugehörigkeit zur Bundesregierung gestützt. Dies sei im rechtskräftigen Schuldspruch auch nicht angelastet worden. Ebenso wenig könne eine Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts erblickt oder eine allfällige Teilnahme (auch) Rechtsextremer oder von Menschen mit nationalsozialistischer Gesinnung an der Demonstration gegen die COVID‑Maßnahmen dem Mitbeteiligten zur Last gelegt werden. Auch ein Leugnen des NS‑Völkermords oder der Verbrechen des Nationalsozialismus sei nicht zu erkennen und im Schuldspruch auch nicht angelastet worden. Jedoch habe der Mitbeteiligte mit seinem Verhalten den Rahmen einer angemessenen und sachlichen Kritik massiv überschritten und durch die Gleichsetzung des damaligen Gesundheitsministers mit dem NS‑Lagerarzt Josef Mengele den Rahmen der Sachlichkeit verlassen. Er habe durch sein Verhalten den Gesundheitsminister in einer für Dritte wahrnehmbaren Weise einer verächtlichen Eigenschaft bzw. Gesinnung geziehen. Diese von ihm vorgenommene Gleichsetzung sei geeignet, auch als Einordnung der schrecklichen Verbrechen des Holocausts verstanden zu werden, wenngleich dies dem Mitbeteiligten im Schuldspruch nicht angelastet worden sei.

12 Zusammenfassend ‑ so führte das Verwaltungsgericht Wien weiter aus ‑ habe der Mitbeteiligte mit seinem Verhalten die Achtung und das Vertrauen der Allgemeinheit, die ihm in seiner Stellung entgegengebracht werde und die Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes seien, stark erschüttert, sodass die Schädigung als schwer einzustufen sei. Dabei sei bereits im Rahmen der Schädigung der dienstlichen Interessen auch zu berücksichtigen, dass sein Verhalten zunächst auf der Demonstration selbst und sodann durch die Verbreitung des Fotos auf Twitter eine hohe Publizität erreicht habe, die nach den Feststellungen von seinem Vorsatz umfasst gewesen sei. Diese Schwere der Schädigung des Standesansehens sei bereits bei der Ermittlung des objektiven Gewichts der Tat zu berücksichtigen, nicht als eigener Erschwerungsgrund.

13 Das Verhalten des Mitbeteiligten habe auch das Vertrauen des Dienstgebers in ihn zweifelsfrei erheblich erschüttert und sei auch objektiv geeignet gewesen, dies zu tun. So sei das derartige Überschreiten der zulässigen Kritik an Maßnahmen des damaligen Bundesministers bzw. des Gesetzgebers zur Eindämmung des Corona‑Virus geeignet, Bedenken dahingehend auszulösen, ob der Mitbeteiligte ‑ abgesehen von dieser Pandemie ‑ auch in zukünftigen Ausnahmezeiten bzw. ‑situationen, welche im Widerspruch zu seinen eigenen Moralvorstellungen stehen, seine Aufgaben in sachlicher Weise wahrnehme. Dabei falle auch ins Gewicht, dass er zur Tatzeit in einer Dienststelle, nämlich dem Wiener Gesundheitsfonds, tätig gewesen sei, deren Aufgaben durchaus in einem Zusammenhang mit dem Schutz der Gesundheit der Wiener Bevölkerung stehen würden.

14 Das Verschulden des Mitbeteiligten sei trotz der unzweifelhaft vorliegenden emotionalen Ausnahmesituation nicht als geringfügig einzustufen. Der Mitbeteiligte habe hinsichtlich der Tathandlung vorsätzlich gehandelt, sodass trotz des vom Verwaltungsgericht zu Grunde gelegten grob fahrlässigen Rechtsirrtums daher von Vorsatz auszugehen sei. Es liege jedoch der Milderungsgrund des § 77 Abs. 1 Z 3 DO 1994 iVm § 34 Abs. 1 Z 12 StGB vor, der den von der belangten Behörde zu Grunde gelegten Erschwerungsgrund der vorsätzlichen Tatbegehung aufwiege. Es sei dem Mitbeteiligten zuzumuten gewesen, sich vor der Teilnahme an der Demonstration mit den Auswirkungen seines Auftretens auf die Achtung und das Vertrauen der Allgemeinheit sowie auf das Vertrauen des Dienstgebers und ‑ auf Grund des weiten Beurteilungsspielraums der verletzten Norm ‑ mit der einschlägigen Rechtsprechung zum zulässigen Ausmaß sachlicher Kritik näher auseinanderzusetzen. Der vom Mitbeteiligten vorgebrachte Rechtsirrtum sei trotz der emotional herausfordernden Situation, in der er sich befunden habe, grob fahrlässig gewesen und wirke daher nicht schuldbefreiend.

15 Zu der von der Disziplinaranwältin thematisierten mangelnden Identifikation des Mitbeteiligten mit dem Aufgabenbereich seiner Dienststelle und dessen Verantwortung dazu, dass er „das COVID‑Thema“ „eigentlich“ nicht auf seine Dienststelle, sondern auf „die Politik“ bezogen habe, führte das Verwaltungsgericht sodann aus, dass eine kritische Haltung gegenüber den Maßnahmen des Gesetzgebers bzw. der Verwaltungsorgane per se noch nicht darauf schließen lasse, dass jemand rechtlich geschützten Werten gleichgültig gegenüberstehe, sei doch auch Kritik an der eigenen Behörde, der ganzen Beamtenschaft, der Bundesregierung oder einem Bundesminister durch die Meinungsfreiheit geschützt. Maßgeblich sei vielmehr, dass der Mitbeteiligte mit seiner Wortwahl bzw. dem angezogenen Vergleich den Rahmen einer angemessenen und schlichen Kritik überschritten habe und das diesbezügliche Verschulden zumindest nicht als geringfügig einzustufen sei.

16 Wegen der Schuldeinsicht des Mitbeteiligten sei mit einer geringeren als der unter dem Gesichtspunkt des Unrechtsgehalts der Tat und des Verschuldens beabsichtigten Strafhöhe das Auslangen zu finden. Dennoch sei die Verhängung einer ausreichend hohen Geldstrafe jedenfalls erforderlich, um dem Mitbeteiligten klar vor Augen zu führen, dass derartige verbale Entgleisungen bzw. die inkriminierte Gleichsetzung eine schwere Dienstpflichtverletzung darstelle.

17 Mildernd berücksichtigte das Verwaltungsgericht sodann den bisher ordentlichen Lebenswandel des Mitbeteiligten und den Umstand, dass die Tat zu diesem in einem auffallenden Widerspruch stehe. Die Schuldeinsicht sei bereits im Rahmen der Spezialprävention berücksichtigt worden. Eine ‑ vom Mitbeteiligten ins Treffen geführte ‑ überlange Verfahrensdauer liege nicht vor. Ebenso wenig sei als Milderungsgrund zu berücksichtigen, dass er bei der Demonstration nicht als Beamter zu erkennen gewesen sei.

18 Die Schwere der Schädigung der Achtung und des Vertrauens der Allgemeinheit insbesondere auch vor dem Hintergrund der vom Vorsatz des Mitbeteiligten umfassten hohen Publizität der Tat sei bereits im Rahmen des Unrechtsgehalts der Tat berücksichtigt worden. Die von der belangten Behörde als erschwerend gewertete vorsätzliche Begehung der Tat werde durch den vom Verwaltungsgericht angenommenen Milderungsgrund des Rechtsirrtums aufgewogen.

19 Vor diesem Hintergrund kam das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass auch nach eigener Ermessensübung die verhängte Strafe als angemessen zu beurteilen sei. Hingegen sei die Dienstpflichtverletzung nicht so schwer gewesen, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Mitbeteiligten und der Dienstgeberin oder das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben so grundlegend zerstört gewesen wäre, dass er für eine Weiterbeschäftigung in seiner bisherigen Verwendung untragbar sei.

20 Vor dem Hintergrund der Art der Dienstpflichtverletzung, die einmalig und nicht über einen langen Zeitraum erfolgt sei, der Schuldeinsicht des Mitbeteiligten und seinem bisherigen ordentlichen Lebenswandel sei die teilbedingte Nachsicht von zwei Monatsbezügen unter Setzung einer Bewährungsfrist von drei Jahren ausreichend. In generalpräventiver Hinsicht reiche die verhängte empfindliche Geldstrafe aus, um andere von der Begehung gleichartiger Taten abzuhalten.

21 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen einer grundsätzlichen Rechtsfrage.

22 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende außerordentliche Revision der Disziplinaranwältin. Revisionsbeantwortungen wurden in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

23 Schon im Hinblick auf die in den Zulässigkeitsgründen der Revision unter anderem gerügte Annahme eines Rechtsirrtums des Mitbeteiligten durch das Verwaltungsgericht ist die Revision zulässig und auch begründet.

24 Das Gesetz über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Dienstordnung 1994 ‑ DO 1994), LGBl. Nr. 56/1994, lautet in der hier maßgeblichen Fassung Nr. 60/2022, auszugsweise:

„Allgemeine Dienstpflichten

§ 18. (1) ...

(2) Der Beamte hat gegenüber den Vorgesetzten, den Mitarbeitern, den Parteien und Kunden ein höfliches und hilfsbereites Verhalten an den Tag zu legen. Er hat im Dienst und außer Dienst alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden, untergraben könnte.

(3) ...

Disziplinarstrafen

§ 76. (1) Disziplinarstrafen sind:

1. der Verweis,

2. die Geldbuße bis zum 1,5fachen des Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage,

3. die Geldstrafe bis zum 7fachen des Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage,

4. die Entlassung.

(2) In den Fällen des Abs. 1 Z 2 und 3 ist die verhängte Strafe in einem Vielfachen des Monatsbezuges (auf Zehntel genau) nach den in § 77 festgelegten Grundsätzen zu bemessen. Bei der Berechnung der betragsmäßigen Höhe der Geldbuße oder Geldstrafe ist von dem Monatsbezug auszugehen, der der besoldungsrechtlichen Stellung entspricht, die der Beamte im Zeitpunkt der mündlichen Verkündung des Disziplinarerkenntnisses durch die Disziplinarkommission, im Fall einer Disziplinarverfügung im Zeitpunkt der Ausfertigung derselben, erreicht hat.

Strafbemessung

§ 77. (1) Maßgebend für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist insbesondere Rücksicht zu nehmen

1. inwieweit das Vertrauen des Dienstgebers in die Person des Beamten durch die Dienstpflichtverletzung beeinträchtigt wurde,

2. inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten,

3. sinngemäß auf die gemäß §§ 32 bis 35 StGB, für die Strafbemessung maßgebenden Gründe.

(2) ...

(3) Hat sich der Beamte einer derart schweren Dienstpflichtverletzung schuldig gemacht, dass das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Dienstgeber oder das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben so grundlegend zerstört ist, dass er für eine Weiterbeschäftigung in seiner bisherigen Verwendung untragbar ist, ist ohne Rücksichtnahme auf die in Abs. 1 Z 2 und 3 genannten Strafbemessungsgründe jedenfalls die Disziplinarstrafe der Entlassung zu verhängen, es sei denn, die Tat ist auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen könnte.

Bedingte Strafnachsicht

§ 78. (1) Wenn anzunehmen ist, dass die bloße Androhung der Vollziehung der Strafe genügen wird, um den Beamten von weiteren Dienstpflichtverletzungen abzuhalten und es nicht der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere entgegenzuwirken, kann die Disziplinarbehörde unter Bestimmung einer Bewährungsfrist von einem bis zu drei Jahren eine Disziplinarstrafe gemäß § 76 Abs. 1 Z 2 und 3 ganz oder teilweise bedingt nachsehen, wenn über den Beamten bisher keine solche Strafe im Ausmaß von mehr als einem halben Monatsbezug verhängt wurde. § 108 Abs. 5 ist anzuwenden.

(2) Bei Anwendung des Abs. 1 ist insbesondere auf die Art der Dienstpflichtverletzung, die Person des Beamten, den Grad seines Verschuldens und auf sein dienstliches Verhalten Bedacht zu nehmen.

...“

25 Vorweg ist festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht entgegen der Ansicht der revisionswerbenden Partei keineswegs mit der schriftlichen Ausfertigung des angefochtenen Erkenntnisses gegen das Prinzip der Unwiederholbarkeit und Unabänderlichkeit (res iudicata) verstoßen hat, weicht diese vom mündlich verkündeten Spruch des Erkenntnisses doch nicht ab (siehe hiezu etwa VwGH 11.11.2022, Ro 2020/10/0036, mwN). Ein solcher Verstoß lässt sich jedenfalls nicht mit dem erkennbar bei der Protokollierung der Begründung des mündlich verkündeten Erkenntnisses unterlaufenen Schreibfehler, wonach das Vertrauen des Dienstgebers „ebenfalls erheblich erschüttert, aber gänzlich zerstört“ sei, begründen. Jeder verständige Leser dieses Satzes erkennt zweifelsfrei das irrtümliche Fehlen der Negation der gänzlichen Zerstörung des Vertrauens des Dienstgebers, und dass das Verwaltungsgericht das Vertrauen als zwar erheblich erschüttert, aber nicht gänzlich zerstört beurteilte. An der leichten Erkennbarkeit dieses Schreibfehlers ändert auch der Umstand nichts, dass ein weiterer Schreibfehler im Protokoll berichtigt wurde, dieser jedoch nicht.

26 Zu Recht wird in der Revision jedoch geltend gemacht, dass das Verwaltungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Überprüfung der behördlichen Strafbemessung inhaltlich rechtswidrig vorgegangen ist.

27 Der Ausspruch über Schuld und Strafe in einer Disziplinarsache ist trennbar. Hinsichtlich nicht bekämpfter Teile eines Disziplinarerkenntnisses tritt Teilrechtskraft ein. Wird allein der Ausspruch über die Strafe bekämpft, so erwächst der Schuldspruch in Rechtskraft (siehe VwGH 21.10.2022, Ra 2022/09/0043, u.a., Rn. 23, mwN).

28 Die Beschwerde der Disziplinaranwältin richtete sich ausschließlich gegen die Strafbemessung, sodass der Schuldspruch des behördlichen Disziplinarerkenntnisses rechtskräftig wurde und nur die Strafbemessung Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht war.

29 Die zu beachtende Teilrechtskraft bezieht sich, wenn nur die Strafe bekämpft wird, auf die disziplinäre Vorwerfbarkeit der Dienstpflichtverletzung. Die durch die Einschränkung der Beschwerde auf die Strafhöhe bewirkte Teilrechtskraft des Schuldspruchs entbindet das Verwaltungsgericht jedoch nicht von der aus dem Grund des § 77 Abs. 1 DO 1994 gebotenen Prüfung der dem Beschuldigten zur Last liegenden Schuldform als Ermessensdeterminante im Zuge der Strafbemessung (vgl. VwGH 18.1.2007, 2005/09/0097, zu einem behördlichen Disziplinarverfahren nach dem BDG 1979).

30 Bei der Entscheidung über ein behördliches Disziplinarerkenntnis handelt es sich nicht um eine Verwaltungsstrafsache im Sinn des Art. 130 Abs. 3 B‑VG. Kommt das Verwaltungsgericht zur selben sachverhaltsmäßigen und rechtlichen Beurteilung, darf es vor dem Hintergrund des Art. 130 Abs. 3 B‑VG nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle der Ermessensübung durch die Disziplinarbehörde setzen. Jedoch ist das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung über die Bemessung einer Disziplinarstrafe nicht von der Verpflichtung zur Beurteilung entbunden, ob die Ermessensübung durch die Disziplinarbehörde auf gesetzmäßige Weise erfolgte. Das Verwaltungsgericht hat im Fall einer gesetzwidrigen Entscheidung der Verwaltungsbehörde im Fall des § 28 Abs. 2 VwGVG (Art. 130 Abs. 4 B‑VG) in der Sache selbst zu entscheiden und dabei auch eine Ermessensentscheidung zu treffen (vgl. VwGH 21.10.2022, Ro 2022/09/0007, Rn. 26, mwN).

31 Die Disziplinarbehörde legte dem gegenständlichen Fall eine vorsätzliche Begehung der Dienstpflichtverletzung durch den Mitbeteiligten zugrunde. Das Verwaltungsgericht ging zunächst ebenso von einer Vorsatztat aus, vermeinte sodann jedoch, dass der Mitbeteiligte einem grob fahrlässig herbeigeführten Rechtsirrtum unterlegen sei, weil er das Unrecht seiner Tat nicht erkannt habe, worin es den nach § 77 Abs. 1 Z 3 DO 1994 bei der Strafbemessung zusätzlich zu berücksichtigenden Milderungsgrund des § 34 Abs. 1 Z 12 StGB zu erblicken vermeinte, sodass es sich befugt sah, seine Ermessensübung an die Stelle jener der belangten Behörde zu setzen.

32 Diese Begründung ist nicht tragfähig:

33 Zur Schuld gehört das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit (VwGH 30.8.2006, 2005/09/0048). Das mangelnde Unrechtsbewusstsein auf Grund von Rechtsirrtum regelt (für das Strafrecht) § 9 StGB. Danach handelt nicht schuldhaft, wer das Unrecht der Tat wegen eines Rechtsirrtums nicht erkennt, wenn ihm der Irrtum nicht vorzuwerfen ist. Vorzuwerfen ist der Rechtsirrtum nach § 9 Abs. 2 StGB dann, wenn das Unrecht für den Täter wie für jedermann leicht erkennbar war oder wenn sich der Täter mit den einschlägigen Vorschriften nicht bekannt gemacht hat, obwohl er seinem Beruf, seiner Beschäftigung oder sonst den Umständen nach dazu verpflichtet gewesen wäre.

34 Nach dem Gesagten stand im Hinblick auf die Rechtskraft des behördlichen Schuldspruchs das Verschulden des Mitbeteiligten an der vorgeworfenen Dienstpflichtverletzung fest. Die Prüfung eines Schuldausschließungsgrundes kam daher bei der vom Verwaltungsgericht ausschließlich vorzunehmenden Strafbemessung nicht mehr in Betracht. Indem das Verwaltungsgericht dennoch einen Rechtsirrtum des Mitbeteiligten prüfte und annahm, griff es in die Teilrechtskraft des behördlichen Disziplinarerkenntnisses ein und belastete seine Entscheidung bereits aus diesem Grund mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

35 Das Bejahen eines Rechtsirrtums im vorliegenden Fall wäre aber auch inhaltlich verfehlt. Dies widerspricht zunächst bereits den übrigen Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur subjektiven Tatseite. So attestierte das Verwaltungsgericht dem Mitbeteiligten bei der Anfertigung gleich dreier gleichlautender Tafeln und dem sich fotografieren Lassen vorsätzliches Vorgehen, das auch die dadurch herbeigeführte hohe Publizität seines Verhaltens umfasste.

36 Die Annahme, dass dem Mitbeteiligten nicht bewusst gewesen sein soll, dass er mit seinem hanebüchenen Vergleich den Rahmen angemessener und sachlicher Kritik verließ, ist zudem schon mangels näherer Begründung im angefochtenen Erkenntnis, weshalb der Mitbeteiligte davon hätte ausgehen können, dass der unerhörte Vergleich des damaligen österreichischen Gesundheitsministers mit einem grausamen Kriegsverbrecher eines menschenverachtenden Unrechtsregimes als sachlich oder angemessen einzuschätzen wäre, objektiv nicht nachvollziehbar. Im Gegenteil war dem Mitbeteiligten nach den unstrittigen Feststellungen einerseits bekannt, dass es sich bei Josef Mengele um einen berüchtigten Lagerarzt der NS‑Zeit handelte. Andererseits betrifft die verletzte Dienstpflicht nach § 18 Abs. 2 zweiter Satz DO 1994, wonach der Beamte im Dienst und außer Dienst alles zu vermeiden hat, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden, untergraben könnte, eine zentrale Pflicht eines jeden Beamten. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb deren Kenntnis ‑ wobei für Unrechtsbewusstsein die „Wertung in der Laiensphäre“ ausreicht (siehe Höpfel in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch2 [2012] § 9 Rz 10), bei dem seit 1991 im öffentlichen Dienst stehenden Mitbeteiligten nicht vorhanden gewesen sein sollte.

37 Da das Verwaltungsgericht die eigene Ermessensübung ausschließlich daran festmachte, dass ein Rechtsirrtum vorgelegen sei, die Annahme eines solchen aber aus den ausgeführten Gründen verfehlt war, hätte es sein Ermessen nicht an die Stelle der Disziplinarkommission setzen dürfen. Es wäre daher die Strafbemessung an Hand der Beschwerdeausführungen der Disziplinaranwältin zu prüfen gewesen.

38 Der § 18 DO 1994 legt allgemeine Dienstpflichten fest und sieht unter anderem vor, dass der Beamte im Dienst und außer Dienst alles zu vermeiden hat, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden, untergraben könnte (vgl. Abs. 2 zweiter Satz). Der in § 18 Abs. 2 DO 1994 geregelte ‑ das dienstliche wie auch das außerdienstliche Verhalten betreffende ‑ Maßstab weist (wie auch der insoweit vergleichbare § 43 Abs. 2 BDG 1979) auf die allgemeine Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt bzw. nach dem Willen des Gesetzgebers genießen soll, hin. Das zu schützende Rechtsgut liegt dabei in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft. Mit dem in § 18 Abs. 2 zweiter Satz DO 1994 enthaltenen Gebot, „alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen“, die der „Stellung [des Beamten] entgegengebracht werden“, untergraben könnte“, wird dem Beamten ‑ wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2007, 2005/09/0044, zur gleichartigen Bestimmung des § 43 Abs. 2 BDG 1979 dargelegt hat ‑ ganz allgemein ein dienstliches oder außerdienstliches Verhalten untersagt, das bei der Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben das Einfließenlassen anderer als dienstlicher Interessen vermuten lässt. Diese Rückschlüsse können nur aus einem Verhalten gezogen werden, das mit seinem Aufgabenbereich in Zusammenhang steht (so genannter Dienstbezug). Dieser Dienstbezug kann ein allgemeiner sein, der sich aus jenen Aufgaben ergibt, die jeder Beamte zu erfüllen hat, er kann sich aber auch aus den besonderen Aufgaben des betroffenen Beamten ergeben (besonderer Dienstbezug; vgl. VwGH 10.12.1996, 93/09/0070; 21.12.1999, 93/09/0122). Eine Rückwirkung des Verhaltens des Beamten auf den Dienst (Dienstbezug) ist dann gegeben, wenn das Verhalten des Beamten bei objektiver Betrachtung geeignet ist, Bedenken auszulösen, er werde seine dienstlichen Aufgaben ‑ das sind jene konkreten ihm zur Besorgung übertragenen Aufgaben (besonderer Funktionsbezug), aber auch jene Aufgaben, die jedem Beamten zukommen ‑ nicht in sachlicher (rechtmäßig und korrekt sowie unparteiisch und in uneigennütziger) Weise erfüllen. Dabei ist von einer typischen Durchschnittsbetrachtung auszugehen (siehe zum Ganzen VwGH 22.2.2018, Ra 2017/09/0049, Rn. 16 f, mwN).

39 Bezüglich eines ‑ wie hier gegebenen ‑ Falles der Strafbemessung nach § 77 DO 1994 ist zu beachten, dass nach der (aus den Erläuterungen ersichtlichen) Intention des Gesetzgebers zur Anfügung des (neuen) Absatz 3 dieser Bestimmung, der sogenannte „Untragbarkeitsgrundsatz“ weiterhin als selbständiges Zumessungskriterium für eine Entlassung gelten soll. Im Absatz 3 wurde in diesem Sinn normiert, dass diesfalls ohne Rücksichtnahme auf die in Abs. 1 Z 2 und 3 genannten Strafbemessungsgründe jedenfalls die Disziplinarstrafe der Entlassung zu verhängen ist, aber als Ausnahmetatbestand vorgesehen, wenn die Tat auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen könnte (ausführlich VwGH 10.9.2015, Ra 2015/09/0053).

40 Ist der Beamte für eine Weiterbeschäftigung in seiner bisherigen Verwendung durch die angelastete Dienstpflichtverletzung nicht untragbar geworden, ist die Strafe entsprechend § 77 Abs. 1 DO 1994 ausgehend von der Schwere der Dienstpflichtverletzung danach auszumessen, inwieweit das Vertrauen des Dienstgebers in die Person des Beamten durch die Dienstpflichtverletzung beeinträchtigt wurde und inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, wobei sinngemäß auf die gemäß §§ 32 bis 35 StGB für die Strafbemessung maßgebenden Gründe Rücksicht zu nehmen ist.

41 Zunächst war daher zu prüfen, ob der Mitbeteiligte durch die von ihm begangene Dienstpflichtverletzung für eine Weiterbeschäftigung in seiner bisherigen Verwendung untragbar wurde.

42 Wie bereits die belangte Behörde bei der Prüfung der Schwere der Dienstpflichtverletzung richtig ausführte, ist dazu zunächst in Ansatz zu bringen, dass der Mitbeteiligte in der für „Strategische Gesundheitsversorgung“ zuständigen Magistratsabteilung beschäftigt ist. Diese war auch mit dem Setzen von Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des COVID‑19‑Virus befasst. Wenn auch zu den dienstlichen Aufgaben des Mitbeteiligten selbst nicht unmittelbar die Pandemiebekämpfung zählte und er bloß eine nachgeordnete Tätigkeit bei der Abrechnung von Leistungen des Wiener Gesundheitsverbundes zu besorgen hatte, wurde das vorgeworfene Fehlverhalten ausgehend von der gebotenen typischen Durchschnittsbetrachtung dennoch zu Recht als geeignet eingestuft, das Vertrauen der Allgemeinheit in die pflichtgemäße und ordnungsgemäße Dienstverrichtung erheblich zu erschüttern.

43 Der revisionsführenden Disziplinaranwältin ist auch dahingehend zuzustimmen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Ablehnung und das Verbot des Nationalsozialismus und der Verbreitung von nationalsozialistischem Gedankengut für das Wiedererstehen der Republik Österreich ab 1945 und die österreichische Rechtsordnung von wesentlicher Bedeutung sind. Diese Zielsetzung geht aus Art. 9 des Staatsvertrages von Wien, der §§ 3g und 3h Verbotsgesetz und des Art. III Abs. 1 Z 4 EGVG 2008 klar und eindeutig hervor. Eine relativierende oder verharmlosende Äußerung gerade der in diesen Vorschriften zum Ausdruck kommenden Werte erfordert daher auch dann eine disziplinarrechtliche Reaktion, wenn der Beamte nicht nach diesen Bestimmungen bestraft worden ist (vgl. VwGH 20.5.2015, Ro 2014/09/0053).

44 Ebenso entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass es zulässig ist, einen Beamten, der nach dem Inhalt seiner Behauptungen das zulässige Maß angemessener Kritik und dabei die in § 18 Abs. 2 zweiter Satz DO 1994 gezogene, dem Schutz des guten Rufes anderer dienende Grenze überschritten hat, dafür disziplinarrechtlich zur Verantwortung zu ziehen (siehe für viele VwGH 6.6.2001, 98/09/0140, mwN). Dass der vom Mitbeteiligten in der Öffentlichkeit gezogene Vergleich diese Grenze bei weitem überschritt, braucht mit Blick auf das oben Ausgeführte an dieser Stelle nicht nochmals dargelegt werden. Die für die Beurteilung der Schwere der Dienstpflichtverletzung erforderliche Einordnung der Äußerung des Mitbeteiligten stellt ‑ entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ‑ auch kein Überschreiten des Schuldspruchs dar.

45 Nach dem Gesagten ist daher von einer erheblichen Schwere der ‑ schon aufgrund der Rechtskraft des Schuldspruchs feststehenden ‑ schuldhaften Dienstpflichtverletzung des Mitbeteiligten auszugehen, die auch bereits von der Disziplinarkommission und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren attestiert wurde. Schon bei der Beurteilung der Schwere der Dienstpflichtverletzung war jedoch ebenfalls in Anschlag zu bringen, dass der Mitbeteiligte die vorgeworfene Handlung einmalig und außerdienstlich setzte.

46 Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn das Disziplinarvergehen von der Disziplinarkommission als noch nicht so schwer eingestuft wurde, dass der Mitbeteiligte dadurch für eine Weiterbeschäftigung in seiner bisherigen Verwendung untragbar geworden wäre.

47 Die von der Disziplinaranwältin in diesem Zusammenhang für die Erforderlichkeit einer Entlassung ins Treffen geführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein gegenteiliges Ergebnis schon mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte nicht begründen. So war im Erkenntnis vom 3. Oktober 2013, 2013/09/0080, disziplinär über einen wegen in seinem Dienst begangener Handlungen bereits strafgerichtlich wegen der Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls und des Missbrauchs der Amtsgewalt verurteilten Polizisten zu befinden. Den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Juli 2000, 2000/09/0006, und vom 15. März 2000, 97/09/0182, lagen jeweils disziplinäre Äußerungen von Berufsschullehrern gegenüber ihren Schülern im Dienst zugrunde. Auch mit dem Erkenntnis vom 5. September 2013, 2013/09/0114, ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar, betätigte sich dort doch der bereits wegen der Verbrechen nach § 3g Verbotsgesetz 1947 und des Vergehens der Verhetzung nach § 283 Abs. 2 StGB strafgerichtlich verurteilte Beamte während der Dienstzeit und von seinem Dienstcomputer in mehreren Fällen im nationalsozialistischen Sinn (siehe auch die Darstellung verhängter Strafen in verschiedenen Fällen der Überschreitung der Grenzen sachlicher Kritik in VwGH 3.10.2013, 2013/09/0077).

48 Demgegenüber liegt hier ein einmaliges außerdienstliches ‑ wenn auch besonders öffentlichkeitswirksames ‑ Fehlverhalten vor, und folgten sowohl die belangte Behörde wie auch das Verwaltungsgericht der von diesen als glaubwürdig eingestuften Ablehnung von nationalsozialistischem Gedankengut durch den Mitbeteiligten. Diese Beurteilung wird zudem von der vom Verwaltungsgericht ferner herangezogenen Einschätzung des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Wien zum Mitbeteiligten gestützt.

49 Da über die nach dem Gesagten (dennoch) als sehr schwer einzuschätzende Dienstpflichtverletzung nicht im Sinn des § 77 Abs. 3 DO 1994 jedenfalls auf eine Entlassung zu erkennen war, war an Hand der Kriterien des § 77 Abs. 1 Z 1 bis 3 DO 1994 eine Disziplinarstrafe im Rahmen des § 76 Abs. 1 DO 1994 auszumessen. Dabei war im Hinblick auf die Schwere der vorgeworfenen Tathandlung jedenfalls zumindest eine empfindliche Geldstrafe auszusprechen. Ausgehend davon und dem Rahmen von einem bis sieben Monatsbezügen kann unter Berücksichtigung der vorliegenden Strafzumessungsgründe, welchen in der Beschwerde nicht konkret entgegengetreten wurde, vom Verwaltungsgerichtshof ein Ermessensfehler nicht konstatiert werden, wenn die belangte Behörde (wie auch das Verwaltungsgericht) eine Geldstrafe in der Höhe von fünf Monatsbezügen ausmaß.

50 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur bedingten Nachsicht nach § 139 Abs. 3 Ärztegesetz 1998 bereits ausgesprochen, dass bei dieser ‑ wie nach § 43 Abs. 1 StGB ‑ die Entscheidung über die Gewährung der bedingten Nachsicht der Strafe strikt von der davor zu treffenden Entscheidung über die Höhe der Strafe zu trennen ist. So können Umstände spezial‑ oder generalpräventiver Natur, die schon für die Bemessung der Strafe maßgeblich waren, auch bei der Entscheidung über die bedingte Nachsicht Bedeutung haben (vgl. VwGH 10.12.2014, Ro 2014/09/0056). Gleiches gilt für § 78 DO 1994. Danach ist die Disziplinarstrafe nach § 76 Abs. 1 Z 2 und 3 DO 1994 nur dann, wenn anzunehmen ist, dass die bloße Androhung der Vollziehung der Strafe genügen wird, um den Beamten von weiteren Dienstpflichtverletzungen abzuhalten und es nicht der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere entgegenzuwirken, unter der Bestimmung einer Bewährungsfrist von einem bis zu drei Jahren ganz oder teilweise bedingt nachzusehen, sofern über den Beamten bisher keine solche Strafe im Ausmaß von mehr als einem halben Monatsbezug verhängt wurde.

51 Da nicht zu erkennen ist, dass die belangte Behörde, indem sie von der bedingten Strafnachsicht nicht Gebrauch machte, das ihr hinsichtlich der Strafbemessung eingeräumte Ermessen in einer Weise ausgeübt hat, durch die der ihr eingeräumte Ermessensspielraum überschritten worden wäre, war es dem Verwaltungsgericht gemäß Artikel 130 Abs. 3 B‑VG verwehrt, eine davon abweichende Ermessensübung in Form des Ausspruchs einer teilweise bedingten Strafnachsicht vorzunehmen. Damit hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung mit einer Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet.

52 Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Das ‑ wie aufgezeigt inhaltlich rechtswidrige ‑ angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 4 VwGG dahin abzuändern, dass die gegen die Strafhöhe gerichtete Beschwerde der Disziplinaranwältin gegen das behördliche Disziplinarerkenntnis abzuweisen war.

Wien, am 12. Dezember 2023

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