VwGH 2005/09/0097

VwGH2005/09/009718.1.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Chlup, über die Beschwerde des J J in G, vertreten durch Dr. Günther Gsellmann, Rechtsanwalt in 8041 Graz, Raiffeisenstraße 138 A, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 2. Mai 2005, Zl. 10/8-DOK/05, betreffend die Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Disziplinarerkenntnis der beim Bundesministerium für Finanzen eingerichteten Disziplinarkommission vom 21. Dezember 2004 wurde über den Beschwerdeführer die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt, weil er am 8. Oktober 2003 seinem Dienst als Gesamtzusteller bei der Zustellbasis G unentschuldigt ferngeblieben sei und durch dieses Verhalten gegen die Pflicht des Beamten, die im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden einzuhalten, wenn er nicht vom Dienst befreit oder enthoben oder gerechtfertigt abwesend sei (§ 48 Abs. 1 BDG 1979), sowie gegen die Pflicht des Beamten, der vom Dienst abwesend sei, ohne vom Dienst befreit oder enthoben worden zu sein, den Grund seiner Abwesenheit unverzüglich seinem Vorgesetzten zu melden und seine Abwesenheit zu rechtfertigen (§ 51 Abs. 1 BDG 1979), verstoßen und dadurch Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG begangen zu haben.

Begründet wurde dieser Bescheid im Wesentlichen dahingehend, der Beschwerdeführer habe am 8. Oktober 2003 seinen Dienst als Gesamtzusteller bei der Zustellbasis G nicht angetreten und es auch unterlassen, der Dienststelle den Grund seines Fernbleibens bekanntzugeben. Der Beamte sei an diesem Tag um 14.00 Uhr von einem Gesamtzusteller dieser Zustellbasis, der sich auf seinem Zustellgang befunden habe, in einem näher bezeichneten Cafe gesehen worden. Dies sei von diesem Bediensteten unmittelbar nach Beendigung seines Zustellganges den Vorgesetzten gemeldet worden, woraufhin sich diese, zwei namentlich genannte Distributionsleiter, um etwa 15.00 Uhr in das genannte Cafe begeben und dort den Beschuldigten in alkoholisiertem Zustand angetroffen hätten. Der Beschwerdeführer habe - zu diesem Sachverhalt am 9. Oktober 2003 niederschriftlich einvernommen - angegeben, er habe am 7. Oktober 2003 um ca. 17.00 Uhr seinen Bruder besucht, um über private Probleme zu reden und jeder hätte dabei drei Flaschen Bier konsumiert. Sie hätten dann weitere Lokale besucht und weiterhin Alkohol konsumiert. Er habe dann einen Freund angerufen und diesen gebeten, ihn nach Hause zu bringen. Durch den starken Alkoholkonsum habe er jedoch nicht gemerkt, dass es bereits der Abend des nächsten Tages (8. Oktober 2003) gewesen wäre.

In der Verhandlung habe der Beschwerdeführer angegeben, er hätte die Wirkung des Alkohols unterschätzt, weil er zu dieser Zeit eine von ihm bisher unerkannte Alkoholallergie gehabt habe. Die Wirkungen dieser Alkoholallergie träten bei ihm erst ab 0,4 Promille ein.

Zur Klärung der Frage einer zeitlichen und örtlichen Desorientierung und einer allenfalls vorliegenden krankhaften Reaktion auf Alkohol sei ein Sachverständigengutachten Dris. W. eingeholt worden, welches zu dem medizinischen Kalkül gekommen sei, dass beim Beschwerdeführer ein "intermittierender kompensatorischer Alkoholabusus bei burn-out-Syndrom und reaktiver Depression bei instabiler Persönlichkeit und Zustand nach Wegweisung wegen Aggressivität" bestünde. Eine Alkoholallergie bestünde "sicher nicht". Eine übermäßige Reaktion auf Alkohol auch bei geringen Alkoholmengen wäre nicht anzunehmen. Eine nicht vorhersehbare Reaktion könnte bei gleichzeitiger Einnahme von Antidepressiva in adäquater Dosis verbunden mit Alkoholüberkonsum vorgelegen haben.

Aus einer vom Beschwerdeführer vorgelegten weiteren medizinischen Begutachtung Dris. B.-H. sei hervorgegangen, dass der Beschwerdeführer an einer "depressiven Störung bei instabil dependenter Persönlichkeit" sowie an einer "Störung mit kompensiertem Alkoholabusus" leide und im Zeitpunkt der Begutachtung mit Antidepressiva und "anticraving-Substanzen" behandelt werde. Am 8. Oktober 2003 sei der Beschwerdeführer wieder "dekompensiert" gewesen, habe sich aber ab dem 13. Oktober 2003 in ärztliche Behandlung begeben.

Im Zuge der am 14. Dezember 2004 vor der Disziplinarkommission abgehaltenen mündlichen Verhandlung habe der Beschwerdeführer darüber hinaus dargelegt, seit dem Tod seines Vaters depressiv zu sein und Medikamente gegen Depressionen in unregelmäßigen Abständen einzunehmen. Schon vor dem Tattag und auch nachher habe er Medikamente eingenommen. Am 8. Oktober 2003 sei er nach Einnahme der Medikamente weder zeitlich noch örtlich orientiert gewesen.

Die Disziplinarkommission stellte ferner fest, dass über den Beschwerdeführer bereits mit Erkenntnis der Disziplinaroberkommission beim Bundesministerium für Öffentliche Leistung und Sport vom 18. Juni 2001 wegen ungerechtfertigter Abwesenheit vom Dienst in der Zeit vom 21. Februar 1999 bis 15. August 1999 eine Geldstrafe in der Höhe von fünf Monatsbezügen und weiters mit Disziplinarverfügung des Personalamtes G der Österreichischen Post AG vom 10. Juli 2003 wegen Beschimpfung und verbaler Bedrohung seines Vorgesetzten die Disziplinarstrafe eines Verweises verhängt worden sei.

Die Behörde erster Instanz kam rechtlich zu dem Ergebnis, dass den Beschwerdeführer ein Verschulden an der Dienstabwesenheit vom 8. Oktober 2003 treffe. Das pünktliche und zuverlässige Erscheinen zum Dienst gehöre zu den elementarsten Pflichten eines Beamten und biete die Voraussetzung für einen geordneten Dienstbetrieb. Das unentschuldigte Fernbleiben stelle eine eklatante Verletzung der Treuepflicht eines Beamten gegenüber seinem Dienstgeber dar. Durch eine solche Handlungsweise werde aber, vor allem auch im Hinblick auf die einschlägige Vorstrafe, die für die Aufrechterhaltung eines Dienstverhältnisses unumgänglich notwendige Vertrauensbasis restlos und unwiederbringlich zerstört. Die Österreichische Post AG als ein im Wettbewerb stehendes Unternehmen müsse sich auf das pünktliche und verlässliche Erscheinen ihrer Bediensteten verlassen können, widrigenfalls der Beamte für das Unternehmen untragbar geworden sei. Die Disziplinarstrafe der Entlassung sei keine Strafe, die der Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder gar der Vergeltung diene, sondern eine dienstrechtliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Dienstes. Im Vordergrund stehe dabei die Frage des durch die Verfehlung eingetretenen Vertrauensverlustes. Die Gründe für eine solche Unvereinbarkeit ließen sich nur den Anforderungen entnehmen, die das Dienstrecht an einen Beamten stelle. Werde dieser überhaupt nicht mehr der Achtung und dem Vertrauen gerecht, die die Stellung eines Beamten erforderten, habe er das Vertrauensverhältnis zwischen sich und dem Dienstgeber zerstört, so könne er auch nicht mehr im Dienst verbleiben. Sei das gegenseitige Vertrauensverhältnis zerstört, fehle es an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Bemessungsabwägungen. Der primäre, wenn auch nicht der einzige Zweck der Disziplinarstrafe der Entlassung bestehe darin, das Dienstverhältnis von Beamten aufzulösen, deren Vertrauenswürdigkeit zerstört sei, um damit die Funktionsfähigkeit des Dienstes zu sichern.

Als erschwerend wertete die Behörde erster Instanz die disziplinären Vorstrafen, als mildernd keinen Umstand.

Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens und beantragte, anstelle der ausgesprochenen Entlassung eine angemessene Geldstrafe zu verhängen. Dabei verwies er im Wesentlichen auf seinen, durch die vorliegenden Gutachten dokumentierten psychischen Ausnahmezustand sowie auf seine Behauptung, er sei am Morgen des 8. Oktober 2003 zeitlich und örtlich in solcher Art desorientiert gewesen, dass er angenommen habe, es sei noch immer der 7. Oktober 2003 und damit sein dienstfreier Tag. Ihm sei die Wechselwirkung zwischen Antidepressiva und Alkohol nicht vorhersehbar gewesen, das Nichterscheinen zum Dienst am 8. Oktober 2003 könne ihm daher nicht als Verschulden zugerechnet werden. Ihm sei lediglich der Alkoholkonsum am Vortag seines Dienstantrittes vorwerfbar, weshalb eine Entlassung im gegenständlichen Fall zu Unrecht ausgesprochen worden sei, zumal sein Verschulden an der gegenständlichen Dienstpflichtverletzung gering sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 105 BDG 1979 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Ausspruch der Entlassung.

Nach Darstellung des Verfahrensganges führte die belangte Behörde begründend aus, vorab sei festzustellen, dass sich die Berufung des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers im klar formulierten Antrag, 'anstelle der ausgesprochenen Entlassung eine angemessene Geldstrafe zu verhängen', ausschließlich gegen die Strafbemessung richte und das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis hinsichtlich der Feststellungen zum Sachverhalt, zur subjektiven Tatseite und zur Frage der Schuld bzw. dem Grad des Verschuldens nicht angefochten worden sei. Gegenstand der Berufungsentscheidung sei daher lediglich die Frage der Strafbemessung. Hinsichtlich der übrigen Spruchteile sei Teilrechtskraft eingetreten. Dem Hinweis des Beschwerdeführers auf sein lediglich geringfügiges Verschulden an der von ihm begangenen Dienstpflichtverletzung sei entgegen zu halten, dass die Berufungsbehörde an den in Rechtskraft erwachsenen Ausspruch der Erstinstanz hinsichtlich der Feststellung des Sachverhaltes und des Abspruches über die Schuldfrage gebunden sei. Diese Bindung der Disziplinarbehörde erstrecke sich auf alle Feststellungen zur subjektiven Tatseite und damit zur Frage eines schuldhaften Fehlverhaltens im Sinne des § 91 BDG. Dies gelte auch für die Frage der Schuldfähigkeit bzw. Unzurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers. Zutreffenderweise sei das Verhalten des Beschwerdeführers als Dienstpflichtverletzung gewertet worden. Doch auch die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung sei rechtens, weil auch die belangte Behörde der Ansicht sei, dass die dem Beschwerdeführer angelastete Verfehlung des ungerechtfertigten Fernbleibens vom Dienst, welche den Kernbereich der Dienstpflichten eines Beamten, nämlich die Einhaltung der im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden, betreffe, auf Grund ihrer Schwere seine Entlassung rechtfertige. Die Entlassung als schwerste Disziplinarstrafe gegen aktive Bedienstete solle im Hinblick auf ihre Auswirkung nur dann verhängt werden, wenn keine andere Strafart der Schwere der als erwiesen angenommenen Dienstpflichtverletzungen entspreche. Naturgemäß komme ihr zum Unterschied von den anderen Strafmitteln keine Erziehungsfunktion in Bezug auf den Beschuldigten zu, sie sei vielmehr als Instrument des im Beamtendienstrechtsgesetz enthaltenen sogenannten "Untragbarkeitsgrundsatzes" zu sehen. Zweck dieser Strafe sei, dass sich die Dienstbehörde von einem untragbar gewordenen Bediensteten unter Auflösung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses trennen könne. Im vorliegenden Fall sei insbesondere zu berücksichtigen gewesen, dass über den Beschwerdeführer bereits im Jahr 2001 von der Disziplinarkommission die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt worden sei, weil der Beschwerdeführer schon damals in der Zeit vom 21. Februar 2001 bis zum 15. August 2001 unentschuldigt vom Dienst ferngeblieben sei. Auf Grund einer Berufung des Beschuldigten habe die belangte Behörde dieses Disziplinarerkenntnis jedoch aus der Erwägung heraus, dem Beschwerdeführer noch einmal die Chance zu geben, sich im Dienst zu bewähren, in eine Geldstrafe in der Höhe von fünf Monatsbezügen umgewandelt. Diese Chance habe der Beschwerdeführer, über den am 10. Juli 2003 eine weitere Disziplinarstrafe des Verweises verhängt worden sei, weil er seinen unmittelbaren Vorgesetzten unflätig beschimpft und verbal bedroht hatte, nicht genutzt, sodass er in der Zusammenschau mit diesen Vorstrafen als Beamter nicht mehr tragbar sei, weil durch ein derartiges Verhalten nicht nur das für die Erfüllung der Aufgaben unerlässliche Vertrauensverhältnis zu seinen Vorgesetzten und zu seinem Dienstgeber, sondern auch das Vertrauen der Allgemeinheit wesentlich zerstört worden sei. Beim Ausspruch der Disziplinarstrafe der Entlassung sei auf spezialpräventive Erwägungen nicht Bedacht zu nehmen. Milderungsgründe könnten in Ansehung der Untragbarkeit des Beschwerdeführers für den öffentlichen Dienst nicht zum Tragen kommen. Auch in der Privatwirtschaft führten bereits geringere Verfehlungen zum Verlust des Arbeitsplatzes. Auch sei nicht außer Acht zu lassen, dass die Strafe lediglich Folge der vom Beschwerdeführer selbst zu verantwortenden Handlungen sei und eine unangebrachte Milde der Disziplinarbehörde in der Öffentlichkeit und in der Kollegenschaft kein Verständnis fände.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtwidrigkeit seines Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht verletzt, dass die Entlassung als strengste der möglichen Disziplinarstrafen nur verhängt werde, wenn eine gelindere Strafe nicht in Betracht komme.

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer geltend, maßgebliches Kriterium bei der Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung sei die Schwere der Dienstpflichtverletzung und damit das Ausmaß der Schuld des Beschuldigten. Es mache einen wesentlichen Unterschied, ob die Dienstpflichtverletzung vorsätzlich, auffallend sorglos, leicht fahrlässig oder lediglich durch eine entschuldbare Fehlleistung begangen worden sei. Die als Begründung für die Entlassung herangezogene Untragbarkeit sei nicht als solche schlechthin, sondern mit Bezug auf die bisherige Verwendung des Beschwerdeführers zu beurteilen. Die dem Beschwerdeführer vorgeworfene ungerechtfertigte Dienstabwesenheit betreffe lediglich einen Tag und nicht den Kern seiner eigentlichen Dienstpflichten in Erfüllung seiner speziellen Aufgaben und Tätigkeiten als Gesamtzusteller. Unter Berücksichtigung seiner depressiven Grunderkrankung, seiner psychischen Ausnahmesituation, ausgelöst durch Angst um seinen Arbeitsplatz und immer wiederkehrende Streitigkeiten mit seinem im selben Hause lebenden Schwager, sowie die nicht vorhersehbare Wechselwirkung zwischen Antidepressiva und Alkoholüberkonsum ließen das Verschulden des Beschwerdeführers an der gegenständlichen Dienstpflichtverletzung so gering erscheinen, dass es nur als entschuldbare Fehlleistung zu werten sei. Ein generelles Alkoholverbot vor Dienstantritt bestehe nicht, er habe sich auch nicht selbstverschuldet derart berauscht, dass er ohne Wechselwirkung mit den Medikamenten seinen Dienst am darauffolgenden Tag nicht ordnungsgemäß um 6.00 Uhr hätte antreten können. Das Fernbleiben vom Dienst von nur einem Tag begründe auch keine so schwer wiegende Beeinträchtigung des Dienstbetriebes, dass die Fortsetzung des öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses dadurch unzumutbar geworden wäre. Im Übrigen könne neben dem Vorwurf der ungerechtfertigen Abwesenheit vom Dienst nicht auch noch der Vorwurf erhoben werden, diese Abwesenheit nicht unverzüglich gemeldet zu haben, wie dies im Spruch des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses vorgeworfen werde. Unberücksichtigt sei auch geblieben, dass die einschlägige Vorstrafe mehr als vier Jahre zurückliege, und der Beschwerdeführer im Übrigen seine Dienstpflichten in einer mehr als zwanzigjährigen Gesamtdienstzeit stets pünktlich erfüllt habe. Unter Hinweis auf die behauptete Teilrechtskraft habe die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage ein Eingehen auf das Berufungsvorbringen, auf die "benutzten Beweismittel" sowie auf die wesentliche Frage nach dem Grad des den Beschwerdeführer treffenden Verschuldens unterlassen. Dieser Umstand wird auch unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gerügt. Gerade die Schuldfrage sei Gegenstand der Berufungsausführungen gewesen. Auch hätte die belangte Behörde zur Klärung der Sach- und Rechtsfragen eine mündliche Verhandlung durchführen müssen. Die belangte Behörde habe sich somit unter rechtsirriger Berufung auf das Vorliegen einer Teilrechtskraft mit den die Schuld an der vorliegenden Dienstpflichtverletzung betreffenden Berufungsausführungen nicht in ausreichender Weise auseinandergesetzt und die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen, die Vornahme einer schlüssigen Beweiswürdigung und eine darauf aufbauende rechtliche Beurteilung zum Nachteil des Beschwerdeführers unterlassen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 91 BDG 1979 ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach diesem Abschnitt (das ist der achte Abschnitt "Disziplinarrecht") zur Verantwortung zu ziehen.

Gemäß § 92 Abs. 1 BDG 1979 sind Disziplinarstrafen

  1. 1. der Verweis,
  2. 2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage,

    3. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluss der Kinderzulage, und

    4. die Entlassung.

    Nach § 93 Abs. 1 leg. cit. ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

    Gemäß § 48 Abs. 1 BDG 1979 hat der Beamte die im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden einzuhalten, wenn er nicht vom Dienst befreit oder enthoben oder gerechtfertigt vom Dienst abwesend ist. Die tatsächlich erbrachte Dienstzeit ist, sofern nicht wichtige dienstliche Interessen entgegenstehen, automationsunterstützt zu erfassen.

    Gemäß § 51 Abs. 1 BDG 1979 hat der Beamte, der vom Dienst abwesend ist, ohne vom Dienst befreit oder enthoben zu sein, den Grund seiner Abwesenheit unverzüglich seinem Vorgesetzten zu melden und seine Abwesenheit zu rechtfertigen.

    Wie bereits die Behörde erster Instanz zutreffend erkannt hat, lag der Schwerpunkt der von der Disziplinarkommission zu beurteilenden Rechtsfrage in der Feststellung des Ausmaßes des dem Beschwerdeführer vorzuwerfenden Verschuldens, zumal er die Tatsache, an dem im erstinstanzlichen Straferkenntnis genannten Tag (nämlich dem auf einen dienstfreien Tag folgenden 8. Oktober 2003) seinen Dienst nicht angetreten zu haben, zugestanden und seine Verteidigung lediglich auf die Behauptung gestützt hatte, diese ungerechtfertigte Abwesenheit vom Dienst sei ihm nicht oder nur zu einem geringen Teil vorwerfbar, sein Verschulden an der Dienstpflichtverletzung daher im Sinne des § 93 BDG 1979 bloß gering gewesen. Diese Behauptung wurde in der Berufung wiederholt und im Sinne der zitierten Norm daran die Schlussfolgerung geknüpft, mangels Vorliegens eines beträchtlichen Verschuldens komme auch der Ausspruch der schwersten Disziplinarstrafe, nämlich jener der Entlassung, nicht mehr in Betracht.

    Die dieser Verantwortung des Beschwerdeführers von der belangten Behörde entgegengehaltene Rechtsansicht, ein Eingehen auf die Frage der Schuld bzw. der dem Beschwerdeführer vorwerfbaren Verschuldensform sei infolge Eintritts der Teilrechtskraft durch Bekämpfung lediglich der Strafbemessung im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG nicht mehr Gegenstand der Berufungsentscheidung gewesen, ist verfehlt.

    Es trifft zwar zu, dass den Berufungsbehörden auch im Disziplinarverfahren lediglich in dem durch die Berufungsanträge gestellten Rahmen eine Sachentscheidungsbefugnis zukommt und der Berufungsantrag im Sinne des § 63 Abs. 3 des gemäß § 105 BDG 1979 auch im Disziplinarverfahren anwendbaren AVG die Abänderungsbefugnis der Behörde zweiter Instanz umgrenzt und Maßstab für den Umfang deren rechtlicher Überprüfung ist. Eine Überschreitung des durch den Berufungsantrag gezogenen Überprüfungsrahmens würde daher grundsätzlich einen Eingriff in die Teilrechtskraft dargestellt haben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Juli 2001, Zl. 99/09/0194). Die von der Berufungsbehörde zu beachtende Teilrechtskraft bezieht sich aber richtigerweise lediglich auf die grundsätzliche disziplinäre Vorwerfbarkeit der Dienstpflichtverletzung und damit nur auf die grundsätzliche Strafbarkeit des vom Beschuldigten zu verantwortenden Verhaltens. Die durch die Einschränkung der Berufung auf die Strafhöhe bewirkte Teilrechtskraft des Schuldspruches entbindet die Berufungsbehörde jedoch nicht von der aus dem Grunde des § 93 BDG 1979 gebotenen Prüfung der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Schuldform als Ermessensdeterminante im Zuge der Strafbemessung. Es hätte daher zur Feststellung des Grades des dem Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall vorwerfbaren Verschuldens einer eingehenderen Auseinandersetzung mit den im konkreten Fall zu berücksichtigenden Bemessungskomponenten, wie etwa der psychischen Verfassung des Beschwerdeführers und dem Vorliegen der behaupteten Alkoholunverträglichkeit, bedurft.

    In diesem Zusammenhang hat die belangte Behörde jedoch zu Unrecht vermeint, Milderungsgründe könnten "in Ansehung der Untragbarkeit des Beschuldigten für den öffentlichen Dienst nicht zum Tragen kommen", offenkundig davon ausgehend, dass auch bei Berücksichtigung sämtlicher in Frage kommender Milderungsgründe die Schwere der Dienstpflichtverletzung allein den Ausspruch der Entlassung rechtfertige (vgl. dazu insbesondere die hg. Erkenntnisse vom 30. August 2006, Zl. 2005/09/0075, und vom 18. Dezember 2006, Zl. 2005/09/0080).

    Da die belangte Behörde - ausgehend von einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht - den angefochtenen Bescheid mit wesentlichen sekundären Feststellungs- und Begründungsmängeln behaftete, war dieser gemäß § 43 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

    Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.

    Wien, am 18. Jänner 2007

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