Normen
EURallg
MRK Art6
UVPG 2000 §24 Abs5
VwGG §42 Abs2 Z3
VwGVG 2014 §24 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §24 Abs4
VwGVG 2014 §28
VwGVG 2014 §31
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47
32011L0092 UVP-RL Anh1 Z7 litb
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023060160.L00
Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Burgenland hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Am 25. August 2022 beschloss der Gemeinderat der Marktgemeinde G. (im Folgenden: Gemeinderat) eine Änderung des Digitalen Flächenwidmungsplanes der Marktgemeinde G. (13. Änderung) und legte diese der Burgenländischen Landesregierung als Aufsichtsbehörde zur Genehmigung vor.
Der ‑ im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof relevante ‑ Änderungspunkt 1 beinhaltet (nach den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland [LVwG]) „die Ausweisung eines besonders zu kennzeichnenden Aufschließungsgebietes ‑ Sondergebiet, Verkehrsfläche und Grüngürteln im Zusammenhang mit einem geplanten Krankenhaus“ und betrifft Flächen, die zur Gänze im nach der Flora‑Fauna‑Habitat‑Richtlinie 92/43/EWG (FFH‑Richtlinie) und der Vogelschutz‑Richtlinie 2009/147/EG ausgewiesenen Natura 2000 Schutzgebiet „Neusiedler See ‑ Nordöstliches Leithagebirge“ (Europaschutzgebiet) liegen.
2 Ebenfalls am 25. August 2022 beschloss der Gemeinderat, einen Antrag gemäß § 22e Burgenländisches Naturschutz‑ und Landschaftspflegegesetz 1990 (NG 1990) für die Änderung des Digitalen Flächenwidmungsplanes betreffend eine Naturverträglichkeitsprüfung (NVP) zu stellen, weil eine erhebliche Beeinträchtigung des Europaschutzgebietes nicht ausgeschlossen werden könne. Der Gemeinderat übermittelte diesen Antrag samt einer Naturverträglichkeitserklärung (NVE) und weiteren Unterlagen der Burgenländischen Landesregierung (belangte Behörde).
3 Die belangte Behörde setzte verschiedene Verfahrensschritte im Rahmen der NVP (Kundmachung des Verfahrens gemäß § 22e Abs. 1, 3 und 5 NG 1990 und gemäß § 52a Abs. 2 NG 1990 im elektronischen Informationssystem im September 2022, Auflage der NVE ebenfalls im September 2022, Einholung einer naturschutzfachlichen Stellungnahme und Veröffentlichung derselben auf der „Aarhus‑Plattform“ im September 2022, Anhörung des Naturschutzbeirates im Oktober 2022 und des Raumplanungsbeirates im November 2022).
4 Die Revisionswerberin ist eine gemäß § 19 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP‑G 2000) anerkannte Umweltorganisation. Sie erstattete mit Schriftsatz vom 27. September 2022 im oben angeführten Verfahren eine schriftliche Stellungnahme gemäß § 52a Abs. 4 Z 2 NG 1990, in der sie unter Berufung auf die beigelegte Stellungnahme des biologischen Fachexperten Dr. E.Z. vorbrachte, es lägen mehrere massive Verstöße gegen die FFH‑Richtlinie und die Vogelschutz‑Richtlinie vor, sodass „sämtliche Anträge der KAGES abzuweisen“ wären.
5 Mit Bescheid vom 17. November 2022 genehmigte die belangte Behörde nach Anhörung des Raumplanungsbeirates „[g]emäß § 5 Abs. 4 in Verbindung mit § 2 Abs. 11 Burgenländisches Raumplanungseinführungsgesetz, LGBl. Nr. 50/2019, i.d.g.F., in Verbindung mit § 22e Abs. 3 bis 5 und § 22d Abs. 1 Burgenländisches Naturschutz‑ und Landschaftspflegegesetz, LGBl. Nr. 27/1991, i.d.g.F., [...] die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde G[...] vom 25.08.2022, mit der der Digitale Flächenwidmungsplan geändert wird (13. Änderung), nach Maßgabe der mit der Genehmigungsklausel versehenen Naturverträglichkeitserklärung samt Anhängen“. Den vorgelegten Verfahrensunterlagen zufolge wurde dieser Bescheid nur der mitbeteiligten Partei, der Burgenländischen Landesumweltanwaltschaft und der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See, nicht jedoch der Revisionswerberin zugestellt.
6 Die Revisionswerberin erhob ‑ unter Hinweis auf eine Kundmachung vom 21. November 2022 [offenbar gemäß § 52b Abs. 2 NG 1990, die den Verfahrensunterlagen jedoch nicht zu entnehmen ist] ‑ dagegen Beschwerde an das LVwG).
7 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das LVwG die Beschwerde der Revisionswerberin als unzulässig zurück und erklärte eine Revision für unzulässig.
Begründend führte das LVwG zusammengefasst aus, mit dem angefochtenen Bescheid sei nach dem eindeutigen Wortlaut seines Spruchs weder eine naturschutzrechtliche Bewilligung für eine Flächenwidmungsplanänderung nach § 22e Abs. 1, 2 und 4 in Verbindung mit § 22d Abs. 1 bis 4 NG 1990 erteilt noch die beantragte Naturverträglichkeitsgenehmigung versagt worden. Gemäß § 52b Abs. 1 Z 1 (gemeint: Z 2) NG 1990 hätten Umweltorganisationen im Sinne des § 52a Abs. 1 leg. cit. das Recht, gegen Bescheide gemäß § 22e Abs. 1 und 2 NG 1990 eine Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht zu erheben. Ein solcher Bescheid liege gegenständlich aber nicht vor, weshalb die Beschwerde zurückzuweisen gewesen sei.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe ‑ so das LVwG disloziert unter der Überschrift „Beweiswürdigung“ ‑ in Hinblick auf § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen können, weil die Beschwerde zurückzuweisen sei. Eine zurückweisende Entscheidung, in der nur darüber abgesprochen werde, ob ein Rechtsmittel zulässig sei, nicht aber über die Sache selbst, sei aus Sicht des Art. 6 MRK keine (inhaltliche) Entscheidung „über eine strafrechtliche Anklage“ oder „über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen“. Die Verfahrensgarantie des „fair hearing“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 MRK komme nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse entgegenstünden (Hinweis auf VwGH 15.11.2011, 2010/05/0065; 30.09.2015, Ra 2015/06/0073).
8 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
9 Die belangte Behörde beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben. Die mitbeteiligte Partei beantragte ebenfalls die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
10 Zunächst wird angemerkt, dass die Revisionswerberin ‑ entgegen der von der belangten Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht ‑ zu „4. Revisionspunkte“ zutreffend unter anderem eine Verletzung in ihrem Recht auf eine inhaltliche Entscheidung geltend macht.
11 In der Zulässigkeitsbegründung wird vorgebracht, der angefochtene Beschluss widerspreche näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insofern, als das LVwG keine mündliche Verhandlung durchgeführt und den Bescheidspruch abweichend von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausgelegt habe. Darüber hinaus fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Rechtsfrage, ob ausschließlich jene Rechtsgrundlagen, welche im Spruch eines angefochtenen Bescheids explizit erwähnt würden, als Prüfmaßstab für die Parteistellung und Beschwerdelegitimation bei der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung berücksichtigt werden dürften und ob der Umstand, dass jene die Parteistellung regelnde Norm nicht explizit im Spruch, sondern nur in der Begründung des Bescheids angeführt sei, zu einem Ausschluss der Parteistellung führen könne.
12 Die Revision ist zulässig.
13 §§ 22e, 52a und 52b Burgenländisches Naturschutz‑ und Landschaftspflegegesetz (NG 1990), LGBl. Nr. 27/1991, § 52a und § 52b in der hier relevanten Fassung https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=LgblAuth&Lgblnummer=70/2020&Bundesland=Burgenland&BundeslandDefault=Burgenland&FassungVom=&SkipToDocumentPage=True , und § 22e in der maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 70/2020 lauten (auszugsweise):
„§ 22e
Naturverträglichkeitsprüfung (NVP)
(1) Für sämtliche Pläne oder Projekte innerhalb und außerhalb eines Europaschutzgebietes, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung eines Europaschutzgebietes in Verbindung stehen oder hiefür nicht notwendig sind, und die ein solches Gebiet einzeln oder in Zusammenhang mit anderen Plänen oder Projekten im Sinne des § 22c Abs. 2 beeinträchtigen könnten (zB Pläne der Infrastruktur, Flächenwidmungspläne und dgl.), haben natürliche und juristische Personen, die solche Pläne oder Projekte erstellen, in Auftrag geben oder sonst verwirklichen wollen ‑ unbeschadet des Abs. 5 ‑ bei der Behörde einen Bewilligungsantrag einzubringen.
(2) Die Behörde hat in einem Vorverfahren zu prüfen, ob es sich bei dem Plan oder Projekt um ein Vorhaben des Abs. 1 handelt. Die Betreiberin oder der Betreiber hat der Behörde sämtliche Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die zur Beurteilung des Sachverhaltes und der Frage, ob es sich um ein Vorhaben gemäß Abs. 1 handelt, notwendig sind. Auf Antrag der Projektwerberin oder des Projektwerbers oder der Burgenländischen Landesumweltanwaltschaft hat die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob es sich bei dem Plan oder dem Projekt um einen solchen bzw. ein solches gemäß Abs. 1 handelt. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen.
(3) Die Behörde kann im Verfahren nach Abs. 1 die Betreiberin oder den Betreiber eines Planes oder Projektes auffordern, eine Naturverträglichkeitserklärung vorzulegen. Das Verfahren ist entsprechend dem Leitfaden (Anlage), der einen wesentlichen Bestandteil dieses Gesetzes bildet, durchzuführen.
(4) Die Behörde hat Pläne oder Projekte gemäß Abs. 1 unter Anwendung des § 22d Abs. 1 bis 4 zu prüfen und nach Maßgabe dieser Bestimmung eine Entscheidung zu treffen. In Verfahren gemäß § 3 lit. d zweiter Fall (verpflichtende Maßnahmen auf Grund des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die Regelung der wasserwirtschaftlichen Fragen im Grenzgebiet) ist ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden.
(5) Sind Flächenwidmungspläne Prüfungsgegenstand, hat die Behörde die Prüfung und Entscheidung im Sinne der Abs. 3 bis 5 im Rahmen des Verfahrens gemäß § 42 Abs. 8 und 9 Burgenländisches Raumplanungsgesetz 2019, https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=LgblAuth&Lgblnummer=49/2019&Bundesland=Burgenland&BundeslandDefault=Burgenland&FassungVom=&SkipToDocumentPage=True , durchzuführen.
...
§ 52a
Beteiligung von Umweltorganisationen
(1) Umweltorganisationen, die gemäß § 19 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 ‑ UVP‑G 2000, https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1993_697_0/1993_697_0.pdf , in der Fassung des Bundesgesetzes https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/I/2018/80 , anerkannt und für Burgenland zugelassen sind, haben in Bewilligungsverfahren gemäß § 22e Abs. 1 und Feststellungsverfahren gemäß § 22e Abs. 2 die Stellung eines Beteiligten im Sinne des § 8 AVG, um einen möglichen Verstoß gegen die in Umsetzung der FFH‑Richtlinie und VS‑Richtlinie getroffenen Bestimmungen dieses Gesetzes geltend zu machen.
(2) Das Einlangen eines Antrags gemäß § 22e Abs. 1 und 2 ist von der Behörde im elektronischen Informationssystem bekannt zu machen (Verfahrenskundmachung). In der Verfahrenskundmachung sind Art, Lage, Umfang und Verwendung des Vorhabens anzugeben und auf die in Abs. 3 und 4 sowie § 52b Abs. 1 Z 2 und Abs. 4 festgelegten Rechte hinzuweisen. Dies gilt auch für Antragsänderungen.
(3) ...
(4) Umweltorganisationen können
1. ab Verfahrenskundmachung Akteneinsicht nehmen und
2. binnen vier Wochen ab Verfahrenskundmachung oder Bereitstellung eines naturschutzfachlichen Sachverständigengutachtens eine schriftliche Stellungnahme zu dem Vorhaben oder den Sachverständigengutachten abgeben. Begründete Stellungnahmen sind bei der Entscheidung über Anträge gemäß Abs. 2 zu berücksichtigen.
§ 52b
Rechtsmittelbefugnis von Umweltorganisationen
(1) Umweltorganisationen im Sinne des § 52a Abs. 1 haben das Recht,
1. gegen Bescheide gemäß § 5, § 23 Abs. 7 und § 18 Abs. 1 (Ausnahmen von den artenschutzrechtlichen Verboten), sofern jeweils geschützte Tier‑ und Pflanzenarten betroffen sind, die in Anhang IV der FFH‑Richtlinie aufgelistet sind, oder es sich um wildlebende Vogelarten gemäß Anhang 1 VS‑Richtlinie handelt, und
2. gegen Bescheide gemäß § 22e Abs. 1 und 2
eine Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht zu erheben, um einen möglichen Verstoß gegen die in Umsetzung der FFH‑Richtlinie und VS‑Richtlinie getroffenen Bestimmungen dieses Gesetzes geltend zu machen.
(2) Die Bescheide im Sinne des Abs. 1 sind von der Behörde im elektronischen Informationssystem bereitzustellen. Mit dem Ablauf von zwei Wochen ab dem Tag der Bereitstellung gilt der Bescheid den berechtigten Umweltorganisationen als zugestellt.
(3) ...“
§ 24 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, lautet auszugsweise:
„Verhandlung
§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist ...“
14 Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG sprach der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt aus, dass es sich bei einer zurückweisenden Entscheidung, in der nur darüber abgesprochen wird, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, nicht jedoch über die Sache selbst, um keine inhaltliche Entscheidung im Sinn des Art. 6 EMRK handelt und die Verfahrensgarantie des „fair hearing“ daher nicht zur Anwendung kommt, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse - wie etwa der Verlust der Parteistellung - entgegenstehen. Dabei wird nicht verkannt, dass auch prozessuale Entscheidungen in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK fallen können, wenn sie sich auf materielle Rechte auswirken, etwa weil die Zurückweisung einer Beschwerde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit nimmt, die Entscheidung der Behörde inhaltlich überprüfen zu lassen (vgl. etwa VwGH 13.12.2021, Ra 2021/04/0190, Rn. 20, mit Hinweisen auf Literaturstellen).
Der EGMR hielt in seiner Judikatur unter anderem fest, dass der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung in Fällen gerechtfertigt sein könne, in welchen lediglich Rechtsfragen beschränkter Natur oder von keiner besonderen Komplexität aufgeworfen würden (vgl. EGMR 18.12.2008, Saccoccia/Österreich, 69917/01, Z 76, unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung; 13.3.2012, Efferl/Österreich, 13556/07; und 7.3.2017, Tusnovics/Österreich, 24719/12, Z 21). Etwa bei der Frage, ob Anhang I Z 7 lit. b UVP‑Richtlinie vollständig in nationales Recht umgesetzt wurde, ob das UVP‑G 2000 diesbezüglich einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist oder das innerstaatliche Recht verdrängt wird und die relevanten Bestimmungen der UVP‑Richtlinie unmittelbar anzuwenden sind, handelt sich um eine komplexe Rechtsfrage im Sinn der oben dargestellten Judikatur des EGMR. Die Verdrängung nationalen Rechts kann (in diesem Zusammenhang) nicht als Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität angesehen werden (vgl. zum Ganzen VwGH 20.12.2021, Ra 2021/06/0110, mwN).
15 Bezogen auf den vorliegenden Revisionsfall bedeutet das Folgendes:
Das LVwG sprach der Revisionswerberin eine Beschwerdelegitimation gemäß § 52b Abs. 1 Z 1 NG 1990 deshalb ab, weil im Spruch des Bescheides vom 17. November 2022 nach dessen ‑ aus Sicht des LVwG ‑ eindeutigem Wortlaut weder eine naturschutzrechtliche Bewilligung für eine Flächenwidmungsplanänderung gemäß § 22e Abs. 1, 2 und 4 in Verbindung mit § 22d Abs. 1 bis 4 NG 1990 erteilt noch die beantragte Naturverträglichkeitsgenehmigung versagt worden sei. Darüber hinaus habe sich die belangte Behörde in der Begründung nicht inhaltlich mit dem naturschutzrechtlich relevanten Sachverhalt auseinandergesetzt und die von der Revisionswerberin erstattete Stellungnahme gemäß § 52a Abs. 4 Z 2 NG 1990 im Bescheid zwar erwähnt, das Vorbringen aber nicht berücksichtigt oder gewürdigt. Die von der Revisionswerberin vorgelegte „Naturschutzfachliche Beurteilung“ des Dr. E.Z. vom 23. Oktober 2020 sei im Bescheid nicht einmal erwähnt worden; eine Beweiswürdigung dieses Gutachtens sei nicht erfolgt.
16 Der Gemeinderat vertrat in seiner Beschwerdebeantwortung vom 5. Juni 2023 die Rechtsansicht, dass „in Ansehung von § 22e Abs. 5 NG 1990 richtigerweise gemeinsam die Bewilligung nach dem Bgld. RPEG sowie nach NG 1990 erteilt“ worden sei und der Revisionswerberin „insoweit Beschwerdelegitimation zukommt, als sie sich auf Gründe stützt, die die Übereinstimmung mit dem NG 1990 bzw. Auswirkungen auf die Umwelt betreffen“.
17 Was die komplexe Rechtsfrage der Beschwerdelegitimation der revisionswerbenden Umweltorganisation im vorliegenden aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahren nach § 22a Abs. 5 NG 1990 anlangt, wird seitens des Verwaltungsgerichtshofes auf die Erläuterungen zum Burgenländischen Aarhus‑Beteiligungsgesetz, LGBl. Nr. 89/2019, mit welchem die §§ 52a und 52b NG 1990 eingeführt wurden (Nr. 1443 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Burgenländischen Landtages, 21. Gesetzgebungsperiode, 8f) hingewiesen. Demnach dienen diese Paragrafen der Umsetzung des Übereinkommens von Aarhus und der Schaffung einer unionsrechtskonformen Rechtslage.
18 Das LVwG verneinte die Beschwerdelegitimation der Revisionswerberin jedoch, ohne dieser Gelegenheit zu geben, im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu dieser komplexen Rechtsfrage Stellung zu nehmen. Das LVwG stützte seine Entscheidung auf die nunmehr strittige Frage der Auslegung des Bescheidspruches, die Einfluss auf die Beschwerdelegitimation der Revisionswerberin hat, ohne dass sich diese während des Verfahrens dazu äußern konnte. Vor dem Hintergrund der in Rn. 14 zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hätte das LVwG fallbezogen jedoch nicht von der Durchführung einer Verhandlung absehen dürfen.
19 Angesichts dessen war der angefochtene Beschluss bereits aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 lit. c VwGG aufzuheben.
20 Darüber hinaus wird auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen, wonach das Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund des § 17 VwGVG seine Entscheidung im Sinne des § 58 AVG zu begründen hat. Im Sinne des § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen, sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dies erfordert in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. Die bloße Zitierung von Beweisergebnissen wie z. B. von Zeugenaussagen ist weder erforderlich noch hinreichend (vgl. VwGH 12.9.2017, Ra 2017/02/0030, Rn. 8, mwN).
21 Der angefochtene Beschluss genügt den dargestellten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung nicht und entzieht sich dadurch auch der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes. Welche Ermittlungen in Hinblick auf die entscheidende Rechtsfrage, ob nämlich der Revisionswerberin Parteistellung und somit eine Beschwerdelegitimation zukommt, das LVwG anstellte und welchen Sachverhalt es angesichts der abweichenden Ausführungen der mitbeteiligten Partei in der Beschwerdebeantwortung ‑ eine Stellungnahme der Revisionswerberin dazu wurde ja nicht eingeholt ‑ aus welchem Grund als erwiesen ansah und somit seiner Entscheidung zugrunde legte, geht aus dem angefochtenen Beschluss nämlich nicht hervor.
22 Auch aus diesem Grund war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
23 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 11. Dezember 2023
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