VwGH Ra 2017/02/0030

VwGHRa 2017/02/003012.9.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision der S in W, vertreten durch Mag. Stephan Hemetsberger, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Hietzinger Hauptstraße 158, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 10. November 2016, Zl. VGW- 101/073/3532/2016-9, betreffend Bewilligung nach dem TSchG (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §17;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Wien hat der Revisionswerberin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin stellte am 22. Oktober 2015 beim Magistrat der Stadt Wien einen Antrag auf Verlängerung einer ihr mit Bescheid befristet erteilten Bewilligung zur Verwendung von Schafen und Kaninchen im Rahmen eines näher bezeichneten Adventmarktes. In diesem Antrag führte die Revisionswerberin näher aus, dass sie die Erteilung einer Dauerbewilligung begehrte.

2 Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 15. Jänner 2016 wurde der Revisionswerberin eine bis 31. Dezember 2018 befristete Bewilligung unter Vorschreibung mehrerer Bedingungen und Auflagen erteilt.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin, die sich gegen die Befristung der Bewilligung richtete, wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 10. November 2016 als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

4 Im angefochtenen Erkenntnis stellte das Verwaltungsgericht zunächst den Verfahrensgang dar und gab die Aussagen der Verfahrensparteien in der mündlichen Verhandlung wieder.

Im Anschluss daran führte das Verwaltungsgericht nach Zitierung der relevanten rechtlichen Vorschriften wörtlich aus wie folgt (Schreibweise im Original, Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Zunächst ist festzuhalten, dass gegenständlich im Hinblick auf die Untrennbarkeit der Befristung vom Abspruch über die Bewilligung auch die ausdrücklich nicht bekämpften Teile des Bescheides zu prüfen waren (vgl. VwGH vom 9.9.2015, Ro 215/03/0032).

Das im Zuge eines Verfahrens betreffend eine tierschutzrechtliche Bewilligung zu beurteilende Projekt umfasst unter anderem die Art und Anzahl der Tiere sowie deren Unterbringung bzw. Versorgung.

Mit Bescheid vom 18.11.2014, GZ (...), bewilligte die belangte Behörde aufgrund eines Antrags der Bf die Verwendung von Kaninchen und Schafen im Rahmen eines Adventmarktes am Standort (...) bis 31.12.2015. Der Antrag umfasste vier Kaninchen und zwei Schafe. Für die Kaninchen stand ein 2,2m x 70 cm großes Kaninchenhaus nebst freier Fläche von rd. 6m2 zur Verfügung. Für die Schafe war ein 5m2 großes Schafhaus mit einer freien Fläche von rd. 30 m2 vorgesehen.

Der verfahrensgegenständliche Verlängerungsantrag bezog sich auf nunmehr ca. 10 Kaninchen und die optionale Haltung von zwei bis vier Schafen. Das Areal für die Kaninchen betrug mittlerweile 4m x 6m, zudem gab es als mehrgeschossiges Kaninchenhaus eine Holzhütte mit dem Maßen von 3m x 3m x 2,5m. Das für die Schafe vorgesehen Areal war unverändert.

Zwischen dem ursprünglich genehmigten Projekt und dem Verlängerungsantrag bestehen somit Unterschiede sowohl in der Anzahl der Tiere als auch der deren Unterbringung.

Somit hat sich sowohl die - zumindest theoretisch beabsichtigte - Haltung von Schafen, als auch die Anzahl sowie Unterbringung der Kaninchen im Verlängerungsantrag gegenüber dem Erstantrag optional verdoppelt bzw. mehr als verdoppelt. Aufgrund der gleichen Tierarten und der noch auf ein Gehege begrenzten Unterbringung der Kaninchen und deren noch überschaubarer Anzahl ist (noch) nicht von einer Änderung des Wesens der Art der Veranstaltung auszugehen, weshalb der Antrag auf Verlängerung zulässig ist.

Hinsichtlich der Befristung ist auszuführen, dass die Bf - wie aus ihren Anträgen sowie dem Vorbringen in der Verhandlung zu entnehmen - kein festes Konzept bezüglich der Veranstaltung hat, da die Anzahl der Tiere und damit deren Unterbringung variiert bzw. sie über die tatsächliche Verwendung der Schafe keine konkrete Vorstellung hat. Offenbar strebt die Bf eine Art dauerhafte ‚Grundgenehmigung' einer Veranstaltung mit beliebig variierender Anzahl und Art der verwendeten Tiere an, deren Änderungen die Behörde nach Bekanntgabe durch die Bf mit Bescheid zur Kenntnis nehmen möge.

Entgegen der Ansicht der Bf dient die Bestimmung des § 23 Z. 5 Tierschutzgesetz nicht dazu, flexibel nachträglich willkürliche Änderungen von bewilligten Projekten mit Bescheid zur Kenntnis zu nehmen. Vielmehr handelt es sich dabei um ein Instrumentarium zur Behebung von Mängeln (...), falls die bewilligte Tierhaltung nicht mehr dem Konsens entspricht.

In Anbetracht des Umstandes, dass der Verlängerungsantrag vom Erstantrag abweicht, somit keine Kontinuität vorliegt, diese nach den Aussagen der Bf offenbar auch nicht unbedingt beabsichtigt ist und nicht alleine aufgrund der Vermehrungsfreudigkeit von Kaninchen auszuschließen ist, dass die Anzahl und Art der verwendeten Tiere sowie dadurch bedingt deren Unterbringung sich verändern wird, erfolgte die Befristung der Bewilligung durch die belangte Behörde zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufheben und der Revisionswerberin die Verfahrenskosten zusprechen. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht sowie der Bundesminister für Gesundheit und Frauen erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung.

 

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7 Die vorliegende Revision ist zulässig und - im Ergebnis - auch berechtigt:

8 Vorweg ist auf die ständige hg. Rechtsprechung hinzuweisen, wonach das Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund des § 17 VwGVG seine Entscheidung im Sinne des § 58 AVG zu begründen hat. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, sind im Sinne des § 60 AVG in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen, sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dies erfordert in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. Die bloße Zitierung von Beweisergebnissen wie z. B. von Zeugenaussagen ist weder erforderlich noch hinreichend (vgl. u.a. VwGH vom 23. Oktober 2015, Ra 2015/02/0029 mwH).

9 Das angefochtene Erkenntnis genügt den dargestellten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung nicht und entzieht sich dadurch der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes. Es enthält keinen getrennten Aufbau im Sinne der obigen Darlegung. Feststellungen finden sich lediglich vereinzelt im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung, wobei dem angefochtenen Erkenntnis insbesondere auch nicht zu entnehmen ist, aufgrund welcher beweiswürdigender Überlegungen das Verwaltungsgericht zu den nur rudimentär getroffenen Feststellungen gelangte. Es ist somit nicht klar, von welchem gesamten Sachverhalt das Verwaltungsgericht ausgeht.

10 Infolge der fehlenden Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes ist auch die Darstellung der rechtlichen Erwägungen im Sinne der angeführten hg. Rechtsprechung ungenügend geblieben. Es ist insbesondere für den Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang nicht ausreichend nachvollziehbar, weshalb davon ausgegangen wird, dass im vorliegenden Fall eine Befristung des Antrages iSd § 23 Tierschutzgesetz erforderlich erscheint. Aus welchen Gründen die "Vermehrungsfreudigkeit" der Kaninchen eine Befristung der Bewilligung notwendig macht, erschließt sich aus dem angefochtenen Erkenntnis mangels näherer Begründung ebenso wenig wie die vom Verwaltungsgericht angesprochene, jedoch nicht näher dargelegte Abweichung des Erstantrages vom Folgeantrag. Auch erscheint mangels entsprechender Feststellungen unklar, wie das Verwaltungsgericht zu dem Schluss kommt, die Revisionswerberin strebe "eine Art dauerhafte ‚Grundgenehmigung' einer Veranstaltung mit beliebig variierender Anzahl und Art der verwendeten Tiere an, deren Änderungen die Behörde nach Bekanntgabe zur Kenntnis nehmen möge".

11 Da der Verwaltungsgerichtshof mangels ordnungsgemäßer Begründung des angefochtenen Erkenntnisses gehindert ist, seine Rechtskontrollaufgabe im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG wahrzunehmen, war das Erkenntnis bereits aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c leg. cit. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

12 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 12. September 2017

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