VwGH Ra 2022/10/0138

VwGHRa 2022/10/013822.2.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Stoisser, über die Revision 1. des Mag. S N und 2. der Mag. (FH) I N, beide in T, beide vertreten durch Mag. Michael Bodmann, MSc, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Heinrichsgasse 4/5B, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 21. Juli 2022, Zl. LVwG‑AV‑24/006‑2021, betreffend eine Rodungsbewilligung nach dem Forstgesetz 1975 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Pölten; mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde T, vertreten durch Dr. Peter Gatternig und Mag. Karl Gatternig, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Renngasse 9), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §45 Abs2
AVG §46
AVG §59 Abs1
B-VG Art133 Abs4
ForstG 1975 §14 Abs2
ForstG 1975 §14 Abs5
ForstG 1975 §17 Abs3
VwGG §28 Abs1 Z5
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022100138.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 25. Februar 2019 wurde der mitbeteiligten Partei die dauernde Rodung auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG T. im Ausmaß von 4.583 m² zum Zweck des Ausbaus der Unterführung W.‑Straße und der neuen Einbindung der E.‑Straße unter Vorschreibung von Auflagen bewilligt.

2 Mit dem angefochtenen ‑ im zweiten Rechtsgang nach dem hg. Erkenntnis vom 24. März 2022, Ra 2021/10/0172 bis 0174 ergangenen ‑ Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 21. Juli 2022 wurden die Beschwerden der Revisionswerber (und eines weiteren, hier nicht revisionswerbenden Beschwerdeführers) ‑ nach ergänzender Beweisaufnahme und Fortsetzung der öffentlichen mündlichen Verhandlung ‑ mit der Maßgabe einer Einschränkung der Rodungsfläche auf 2.920 m² (inklusive bildlicher Darstellung der Rodungsfläche) als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision (gesondert) vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Soweit in der Zulässigkeitsbegründung der Revision eine Aktenwidrigkeit im Zusammenhang mit dem „Mindestabstand für den Deckungsschutz“ geltend gemacht wird, bringt die Revision damit einen Verfahrensmangel vor, ohne jedoch dessen Relevanz aufzuzeigen. Wird das Vorliegen von Verfahrensmängeln behauptet, setzt die Zulässigkeit der Revision neben einem - eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufwerfenden - Verfahrensmangel voraus, dass die Revision auch von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Fall eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. etwa VwGH 24.2.2022, Ra 2021/10/0029; 25.1.2021, Ra 2020/10/0157; 25.1.2021, Ra 2020/10/0177). Die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels wird in der Zulässigkeitsbegründung aber nicht konkret dargelegt.

8 Darüber hinaus verneinte das Verwaltungsgericht den Bedarf eines Deckungsschutzes nicht nur im Hinblick auf die mit der „Mindestentfernung“ angesprochene Bestimmung des § 14 Abs. 2 Forstgesetz 1975, sondern stützte sich dabei auch auf § 14 Abs. 5 leg. cit., weil auf Grund der Altersstruktur auf den angrenzenden Waldflächen eine Fällung der Rodungsfläche nach den gesetzlichen Bestimmungen bis zur Grundgrenze möglich wäre. Dagegen bringt die Revision nichts vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass sich eine Revision als unzulässig erweist, wenn das angefochtene Erkenntnis - wie hier - auf einer tragfähigen Alternativbegründung beruht und im Zusammenhang damit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufgezeigt wird (vgl. etwa VwGH 5.12.2022, Ra 2021/10/0067; 28.10.2022, Ra 2022/10/0135; 20.6.2022, Ra 2022/10/0038, mwN).

9 Im Zusammenhang mit der Interessenabwägung nach § 17 Abs. 3 Forstgesetz 1975 machen die Revisionswerber zum einen geltend, das Verwaltungsgericht habe keine entsprechende Interessenabwägung durchgeführt und zum anderen das von den Revisionswerbern vorgelegte Gutachten des verkehrstechnischen Sachverständigen völlig ignoriert und keiner Beweiswürdigung unterzogen. Das Ignorieren des einzigen Beweismittels zur Feststellung des Verkehrsinteresses, das Angelpunkt der vom Forstgesetz dem Verwaltungsgericht abverlangten Interessenabwägung sei, lasse die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht nur willkürlich erscheinen, sondern verletze auch die Verfahrensgrundsätze nach § 45 Abs. 2 und § 46 AVG iVm § 17 VwGVG in eklatanter Weise.

10 Weiters müsse die Entscheidung dem Gebot der hinreichenden Bestimmtheit entsprechen, was im vorliegenden Fall im Hinblick auf die nicht maßstabsgerechte Darstellung des im Spruch dargestellten Plans nicht gewährleistet sei, weshalb von einer fehlerhaften Anwendung des § 59 Abs. 1 AVG auszugehen sei.

11 Zunächst ist festzuhalten, dass damit Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) dargestellt werden, jedoch keine konkrete Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt wird, was dem Gebot der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe nach § 28 Abs. 3 VwGG nicht entspricht (vgl. etwa VwGH 14.6.2022, Ra 2020/10/0121; 24.2.2022, Ra 2021/10/0160; 24.1.2022, Ra 2021/10/0168, mwN).

12 Darüber hinaus können Eigentümer von Waldflächen, die an die zur Rodung beantragten Waldflächen angrenzen, im Rodungsverfahren im Rahmen der Interessenabwägung nur geltend machen, dass durch die Rodung in ihr subjektives Recht auf Erhaltung der ihnen gehörenden nachbarlichen Waldflächen bzw. auf Abwehr von diesen Waldbestand beeinträchtigenden Maßnahmen eingegriffen wird. Dem Eigentümer eines angrenzenden Waldgrundstückes ist es daher verwehrt, eine Beeinträchtigung anderer als der mit seinem Wald im Zusammenhang stehenden öffentlichen Interessen geltend zu machen (vgl. etwa VwGH 8.8.2022, Ra 2022/10/0113; 29.11.2018, Ra 2018/10/0173; 3.10.2008, 2008/10/0196; 24.11.2003, 2002/10/0058).

13 Davon ausgehend zeigen die Revisionswerber mit ihrem Vorbringen, die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung sei fehlerhaft erfolgt, weil das öffentliche Interesse am Siedlungswesen und das Verkehrsinteresse nicht nachvollziehbar dargelegt worden seien, nicht auf, inwiefern damit in ihr die Parteistellung im Rodungsverfahren begründendes subjektives Recht auf Erhaltung ihres nachbarlichen Waldes eingegriffen wird (vgl. neuerlich VwGH 29.11.2018, Ra 2018/10/0173).

14 Gleiches gilt für das Vorbringen zur mangelnden inhaltlichen Bestimmtheit des Spruchs. Auch damit bewegen sich die Revisionswerber außerhalb des ihnen zukommenden subjektiven Rechts (vgl. Rz 12).

15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 22. Februar 2023

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte