VwGH Ro 2021/12/0006

VwGHRo 2021/12/00065.4.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und Hofrätin Mag.a Nussbaumer‑Hinterauer sowie Hofrat Mag. Cede als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Binder, über die Revision der R K in E, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz‑Josefs‑Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Februar 2021, W257 2234845‑1/5E, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 5. April 2021, betreffend Feststellung der besoldungs‑ und pensionsrechtlichen Stellung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Oberlandesgerichtes Linz), zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §136a
BDG 1979 §136a Abs4
BDG 1979 §136a Abs5
BDG 1979 §234
MRK Art6
MRK Art6 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §24 Abs4
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RO2021120006.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Antrag vom 13. September 2017 begehrte die Revisionswerberin die „Entlohnung entsprechend der für die Bundesbeamten geltenden besoldungs‑ und pensionsrechtlichen Bestimmungen“. Sie brachte vor, sie sei mit Bescheid des Bundesministeriums für Justiz vom 31. Mai 2005 in das öffentlich‑rechtliche Dienstverhältnis der Verwendungsgruppe A 2 überstellt worden. Gleichzeitig sei (als Hinweis, Anmerkung des Verwaltungsgerichtshofes) ausgesprochen worden, dass § 136b Abs. 4 Beamten‑Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) zur Anwendung zu gelangen habe, weil die Ausnahmebestimmung des § 136a Abs. 5 BDG 1979 nicht zum Tragen komme. Diesem Argument werde mit folgender Begründung entgegengetreten: Den Ernennungsvoraussetzungen der Verwendungsgruppe A 2 (Absolvierung der Grundausbildung in der Verwaltung) lägen die positive Absolvierung der Gerichtskanzleiprüfung sowie der Verwaltungsakademie des Bundes zu Grunde. Die Gerichtskanzleiprüfung habe sie am 27. April 1999 und „die Verwaltungsakademie des Bundes am 2. Dezember 1999 abgelegt“. Da sie am 24. März 1998 den Antrag auf Zulassung zur Grundausbildung (Gerichtskanzleiprüfung) im Sinne des § 136a Abs. 5 BDG 1979 ‑ somit vor dem 1. Juli 1998 ‑ gestellt habe, komme die Ausnahmebestimmung mit der längeren Frist (31. Dezember 1999) zum Tragen und das mit der Konsequenz, dass auf sie die für die Bundesbeamten geltenden besoldungs‑ und pensionsrechtlichen Bestimmungen anzuwenden seien. Dass sie erst im September 1998 als VB I/b überstellt worden sei, könne ihr nicht zum Nachteil gereichen, weil sie die Voraussetzungen ‑ mit Ausnahme der Fünf‑Jahresfrist ‑ zur Überstellung in das öffentlich‑rechtliche Dienstverhältnis sowohl für A 4 als auch A 2 mit ihrem Antrag vom 24. März 1998 erfüllt habe.

2 Diesen Antrag wies der Präsident des Oberlandesgerichtes mit Bescheid vom 13. Dezember 2018 ab, wobei er ihn in einen Antrag auf Feststellung der besoldungs‑ und pensionsrechtlichen Stellung umdeutete.

3 Festgestellt wurde, die Revisionswerberin sei mit Wirksamkeit vom 17. August 1992 als vollbeschäftigte Vertragsbedienstete der Entlohnungsgruppe d des Entlohnungsschemas I, Vertragsbedienstetengesetz 1948 (VBG), auf bestimmte Zeit beim Bezirksgericht L aufgenommen worden. Das Dienstverhältnis sei mit Wirkung vom 1. Jänner 1993 auf unbestimmte Zeit umgewandelt, mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1995 sei die Revisionswerberin zur Staatsanwaltschaft L versetzt worden.

4 Am 24. März 1998 habe sie einen Antrag auf Zulassung „zum Ausbildungslehrgang zur Vorbereitung auf die Gerichtskanzleiprüfung 1998/99 beim Oberlandesgericht“ gestellt und die Gerichtskanzleiprüfung am 27. April 1999 erfolgreich abgelegt.

5 Tags darauf, am 28. April 1999 habe sie den Antrag auf Zulassung „zur Grundausbildung für die Verwendungsgruppe A 2“ an der Verwaltungsakademie des Bundes gestellt, welche sie am 2. Dezember 1999 mit der Ablegung der Dienstprüfung für die Verwendungsgruppe B/A 2 erfolgreich abgeschlossen habe.

6 Bereits zuvor, mit Wirksamkeit vom 15. September 1998, sei sie zum Oberlandesgericht versetzt und in die Entlohnungsgruppe b des Entlohnungsschemas I, VBG, überstellt worden.

7 Mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1999 sei die Überleitung der Revisionswerberin in das Entlohnungsschema v gemäß § 89 VBG erfolgt.

8 Ab 1. August 2002 sei sie in der Personaleinsatzgruppe beim Oberlandesgericht tätig.

9 Schließlich sei die Revisionswerberin mit Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 31. Mai 2005 gemäß § 2 Abs. 1 iVm § 136b Abs. 2 bis 4 BDG 1979 auf Grund ihrer Verwendung als Rechtspflegeranwärterin für das Arbeitsgebiet in Verlassenschafts‑ und Pflegschaftssachen sowie Angelegenheiten des Gerichtserlages und der Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse beim Oberlandesgericht (Personaleinsatzgruppe) mit Wirksamkeit vom 1. Juni 2005 auf eine Planstelle des Allgemeinen Verwaltungsdienstes in der Grundlaufbahn der Verwendungsgruppe A 2 (gehobener Dienst) im Planstellenbereich Bundesministerium für Justiz ‑ Justizbehörden in den Ländern ernannt worden.

10 Seit 1. November 2013 stehe die Revisionswerberin als Revisorin in Verwendung.

11 In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, gemäß § 136a Abs. 1 Z 1 iVm § 136b Abs. 2 BDG 1979 sei die Aufnahme von Vertragsbediensteten als Rechtspfleger in das öffentlich‑rechtliche Dienstverhältnis auf einer Planstelle des Allgemeinen Verwaltungsdienstes (A‑Schema) bei sonstiger Unwirksamkeit der Verleihung der Planstelle nur bis zum Ablauf einer tatsächlichen Bundesdienstzeit von fünf Jahren nach dem erstmaligen Eintritt in ein Dienstverhältnis zum Bund zulässig. Bei Überschreitung der fünfjährigen Höchstdienstzeit zum Bund sei gemäß § 136b Abs. 3 BDG 1979 eine Ernennung in das öffentlich‑rechtliche Dienstverhältnis dennoch zulässig, es seien jedoch, sofern nicht die Ausnahmebestimmungen des § 136a Abs. 4 BDG 1979 zuträfen, gemäß § 136b Abs. 4 BDG 1979 auf das öffentlich‑rechtliche Dienstverhältnis anstelle der für die Bundesbeamten geltenden besoldungs‑ und pensionsrechtlichen Vorschriften die für tätigkeitsmäßig vergleichbare Vertragsbedienstete des Bundes maßgebenden besoldungs‑ und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften anzuwenden.

12 Nach der Ausnahme‑ und Übergangsbestimmung des § 136a Abs. 4 Z 2 BDG 1979 sei § 136a Abs. 1 BDG 1979 nicht auf Vertragsbedienstete des Bundes anzuwenden, die die Grundausbildung für die ihrer Entlohnungsgruppe entsprechende Verwendungsgruppe oder für eine höhere Verwendungsgruppe des Allgemeinen Verwaltungsdienstes vor dem Ablauf des 31. Dezember 1998 erfolgreich abgeschlossen hätten. Nach § 136a Abs. 5 Z 1 BDG 1979 seien bei Vertragsbediensteten des Bundes die Voraussetzungen des Abs. 4 Z 2 BDG 1979 auch dann erfüllt, wenn der Antrag auf Zulassung zu einer Grundausbildung im Sinne des § 136a Abs. 4 Z 2 BDG 1979 vor dem 1. Juli 1998 bei der für die Durchführung der Ausbildung zuständigen Stelle eingelangt sei.

13 Nachdem die Revisionswerberin die Fünf‑Jahresfrist des § 136a Abs. 1 BDG 1979 im Pragmatisierungszeitpunkt (Bundesdienst seit 17. August 1992 ‑ Pragmatisierung am 31. Mai 2005) bereits überschritten gehabt habe, sei entscheidend, wann sie die Grundausbildung für die Verwendungsgruppe A 2 (als die ihrer Entlohnungsgruppe v 2 entsprechende Verwendungsgruppe) abgeschlossen oder zumindest die Zulassung dazu beantragt habe. Den Antrag auf Zulassung zur Grundausbildung für die Verwendungsgruppe A 2 habe die Revisionswerberin jedoch erst am 28. April 1999 (und somit nach dem Stichtag 1. Juli 1998) gestellt und die Dienstprüfung für die Verwendungsgruppe B/A 2 erst am 2. Dezember 1999 (also nach dem Stichtag 31. Dezember 1998) abgelegt. Es komme hingegen nicht darauf an, wann die Revisionswerberin den Antrag auf die Zulassung zum (ihrer Entlohnungsgruppe nicht entsprechenden) Ausbildungslehrgang zur Vorbereitung auf die Gerichtskanzleiprüfung eingebracht habe (Einbringungsdatum: 24. März 1998). Dieser (positiv absolvierte) Ausbildungslehrgang sei Voraussetzung für die Zulassung zur Ausbildung zum Rechtspfleger, keineswegs aber Teil letzterer Ausbildung (vgl. § 23 Rechtspflegergesetz). Nichts Anderes sei freilich auch den Verordnungen des Bundesministers für Justiz betreffend die Grundausbildungen für die Verwendungsgruppe C und D in den Geschäftsstellen der Gerichte und Staatsanwaltschaften vom 15. April 1987 (BGBl. Nr. 182 und 183/1987) und den diese abändernden/ersetzenden Rechtsnormen zu entnehmen.

14 Ebensowenig greife die Ausnahmebestimmung des § 136a Abs. 4 Z 1 BDG 1979, wonach § 136a Abs. 1 BDG 1979 auf Vertragsbedienstete des Bundes der Entlohungsschemata I und II nicht anzuwenden sei, schon mit Blick auf das mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1999 erfolgte Optieren der Revisionswerberin in das „neue“ Entlohnungsschema v.

15 Zum Zeitpunkt der Ernennung auf eine Planstelle des Allgemeinen Verwaltungsdienstes in der Grundlaufbahn der Verwendungsgruppe A 2 (gehobener Dienst) seien daher gemäß § 136b Abs. 4 BDG 1979 auf das öffentlich‑rechtliche Dienstverhältnis anstelle der für die Bundesbeamten geltenden besoldungs‑ und pensionsrechtlichen Vorschriften die für tätigkeitsmäßig vergleichbare Vertragsbedienstete des Bundes maßgebenden besoldungs‑ und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften anzuwenden.

16 In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte die Revisionswerberin unter anderem vor gemäß § 136a Abs. 5 BDG 1979 würden bei Vertragsbediensteten des Bundes die Voraussetzungen des Abs. 4 Z 2 leg. cit. auch dann als erfüllt gelten, wenn der Antrag auf Zulassung zu einer Grundausbildung im Sinne des Abs. 4 Z 2 vor dem 1. Juli 1998 bei der für die Durchführung der Ausbildung zuständigen Stelle eingelangt sei und diese Grundausbildung vor dem Ablauf des 31. Dezember 1999 erfolgreich abgeschlossen worden sei.

17 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde beschäftige sich bei ihrer Prüfung der Voraussetzungen lediglich mit ihrer Ausbildung zur Rechtspflegerin und lasse ihre zuvor absolvierte Verwaltungsausbildung für A 2 völlig unberücksichtigt. Sie sei mit Wirksamkeit vom 17. August 1992 als Vertragsbedienstete der Entlohnungsgruppe d aufgenommen worden und habe am 24. März 1998 (sohin vor dem Stichtag 1. Juli 1998) um Zulassung „zum Ausbildungslehrgang zur Vorbereitung auf die Gerichtskanzleiprüfung“ angesucht. Diese Ausbildung habe der Grundausbildung für ihre damalige Entlohnungsgruppe d entsprochen und sei entgegen der Ansicht der belangten Behörde ebenso Teil der A 2/Verwaltungsausbildung (und nicht Voraussetzung für deren Zulassung) gewesen. Zum selben Ergebnis gelange man über die Bestimmung des § 234 BDG 1979 zu den Ernennungs‑ und Definitivstellungserfordernissen, wonach für den gehobenen Dienst bei Gericht die Gerichtskanzleiprüfung erforderlich sei. Im Übrigen werde diese Ansicht auch im eigenen Haus vertreten und sei „in vielen Fällen in der Vergangenheit so behandelt“ worden.

18 Umgelegt auf § 136a Abs. 5 BDG 1979 erhelle somit, dass sie vor dem 1. Juli 1998 um die Zulassung zur Grundausbildung angesucht und diese Ausbildung auch vor Ablauf des 31. Dezember 1999 erfolgreich abgeschlossen habe. Ebenso habe sie die auf Grund ihrer mit 15. September 1998 erfolgten Überstellung in die Entlohnungsgruppe b vorgesehene Grundausbildung für die Verwendungsgruppe A 2 am 2. Dezember 1999 und somit ebenfalls vor dem Stichtag 31. Dezember 1999 absolviert. Die Ausnahmebestimmung der Absätze 4 und 5 leg.cit. träfen auf sie somit zu, mit der Konsequenz, dass die für die Bundesbeamten geltenden besoldungs‑ und pensionsrechtlichen Vorschriften auf sie anzuwenden seien.

19 Überdies habe sie bereits mit ihrer Überstellung in „b“ um Übernahme in das öffentlich‑rechtliche Dienstverhältnis ‑ ihrer Erinnerung nach im Frühjahr 1999 ‑ angesucht. Bereits zu diesem Zeitpunkt habe sie die Ernennungserfordernisse erfüllt und habe bereits die Zulassung zur Verwendungsgruppe „A 2“ im Herbst 1999 in Händen gehabt. Der Antrag um Überstellung in das öffentlich‑rechtliche Dienstverhältnis sei jedenfalls ohne konkrete Angabe der Verwendungsgruppe gestellt worden. Die Dienstbehörde habe ihr daraufhin mitgeteilt, dass derzeit keine freie (Beamten‑)Planstelle vorhanden sei. Sie habe sich mit Wirkung vom 15. September 1998 auf eine freie (unbefristete) Planstelle der Verwendungsgruppe B ans Oberlandesgericht versetzen lassen.

20 Mit Schriftsatz am 4. Juli 2019 beantragte die Revisionswerberin beim Bundesverwaltungsgericht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Einholung und Einsichtnahme in ihren physischen Personalakt samt bezughabenden Jv‑Akt und ihre Parteieneinvernahme.

21 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für zulässig.

22 Das Bundesverwaltungsgericht führte aus, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden können, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine und eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lasse. Dem Entfall der Verhandlung stünden auch weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen. Die mündliche Verhandlung hätte keine weitere Klarheit gebracht, denn die gegenläufigen Interessen der Parteien seien nicht durch die Erhebung weiterer Beweise bzw. deren Würdigung zu lösen, sondern ausschließlich aufrechtlicher Ebene zu klären.

23 Hinsichtlich des Antrages auf Beischaffung des Personalaktes sei auszuführen, dass sich im Verwaltungsakt ein Standesausweis befinde, aus dem jede dienstliche Änderung erkenntlich sei. Die Vorlage des ganzen Personalaktes würde auch keine weitere Erhellung bringen, zudem seien die Ausbildung, die Abschlüsse, die Antragsdaten und sonstigen gesetzesrelevanten Umstände unstrittig.

24 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, es sei zu klären, ob auf die Revisionswerberin die Ausnahmebestimmung des § 136a Abs. 4 Z 2 (iVm Abs. 5) BDG 1979 zum Tragen komme.

25 Die Wendung „sonstige Vertragsbedienstete des Bundes“ im Einleitungssatz des § 136a Abs. 4 Z 2 BDG 1979 umfasse ‑ im Vergleich zu Z 1 leg. cit. ‑ jene Vertragsbediensteten, die nicht im (alten) Entlohnungsschema I und II befindlich seien. Für Vertragsbedienstete des Entlohnungsschemas I und II würden nach wie vor die Bestimmungen des § 4 Abs. 1 Z 4 BDG 1979 mit der Nachsichtmöglichkeit gemäß § 4 Abs. 4 BDG 1979 gelten. Die Wortwendung „die Grundausbildung für die ihrer Entlohnungsgruppe entsprechende Verwendungsgruppe“ könne sich konkret nur auf die antragstellende Person beziehen, indem ein Vergleich anzustellen sei zwischen der Entlohnungsgruppe zu der angestrebten Verwendungsgruppe.

26 Auf den gegenständlichen Fall bezogen bedeute dies, dass die Revisionswerberin am 24. März 1998, zum Zeitpunkt der Antragstellung zur Gerichtskanzleiprüfung, sich in der Entlohnungsgruppe I/b befunden habe. Mit der angestrebten Gerichtskanzleiprüfung sei allerdings nicht die Änderung der Rechtsstellung, nämlich die Aufnahme in das öffentlich‑rechtliche Dienstverhältnis verbunden. Dies sei erst mit der Grundausbildung zu A 2 gegeben. Die Gerichtskanzleiprüfung sei keine Voraussetzung für die Verwendungsgruppe A 2, auch wenn Teile dieser Ausbildung angerechnet worden seien. Entscheidend sei somit ‑ und hier sei der Behörde Recht zu geben ‑ nicht die Gerichtskanzleiprüfung, sondern die Grundausbildung zu A 2, denn erst diese Prüfung führe zu einer „Verwendungsgruppe“, so wie es das Gesetz in § 136a Abs. 4 Z 2 BDG 1979 verlange.

27 So könne auch nur die Wortwendung des § 136a Abs. 5 BDG 1979 verstanden werden. Die Wortwendung „zu einer Grundausbildung im Sinne des Abs. 4 Z 2“ grenze Grundausbildungen im Hinblick auf die „Verwendungsgruppen“ ab. Eine extensive Auslegung, so wie es die Revisionswerberin sehe, würde dazu führen, dass jede Grundausbildung, auch jene, die nicht zur Übernahme in das öffentlich‑rechtliche Dienstverhältnis führten, herangezogen werden würden. Diese stünden aber nicht in einem inhaltlichen Zusammenhang mit der Übernahme in das öffentlich‑rechtliche Dienstverhältnis und wären somit sachfremd, gehe es ja in § 136a BDG 1979 um die Übernahme in das öffentlich‑rechtliche Dienstverhältnis. Fallbezogen habe die Revisionswerberin den Antrag zur Grundausbildung für die Verwendungsgruppe A 2 am 28. April 1999 gestellt, und somit nach dem 1. Juli 1998 des § 136a Abs. 5 BDG 1979. Die Ausnahmen des Abs. 4 (Abschluss der Grundausbildung A 2) und die Ausnahme des Abs. 5 (Antragstellung zur Grundausbildung A 2) kämen daher nicht in Betracht. Damit seien gemäß § 136b Abs. 4 BDG 1979 auf die Revisionswerberin die für tätigkeitsmäßig vergleichbare Vertragsbedienstete des Bundes maßgebenden besoldungs‑ und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften anzuwenden.

28 Die Zulässigkeit der Revision begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle.

29 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis dahin abzuändern, dass der Revision Folge gegeben und (feststellend) ausgesprochen werde, dass auf das öffentlich‑rechtliche Dienstverhältnis der Revisionswerberin die für die Bundesbeamten geltenden besoldungs‑ und pensionsrechtlichen Vorschriften anzuwenden seien; in eventu das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

30 Mit Beschluss vom 5. April 2021 berichtigte das Bundesverwaltungsgericht die Geschäftszahl des angefochtenen Erkenntnisses und sprach aus, dass die Revision zulässig sei. In der Begründung wurde allerdings ausgeführt, dass die Revision unzulässig sei, weil keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorlägen, da es sich schlicht um einen Schreibfehler handle.

31 Die Revisionswerberin erstattete einen Schriftsatz, in dem sie ausführte, dass sie ihre Revision aufrechterhalte.

32 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird ausgeführt, zentrales Thema sei vorliegend die Frage, ob der Antrag der Revisionswerberin auf Zulassung zum Ausbildungslehrgang zur Vorbereitung auf die Gerichtskanzleiprüfung vom 24. März 1998 fristwahrend im Sinne des § 136a Abs. 4 Z 2 BDG 1979 gewesen sei. Die Revisionswerberin stehe auf dem Standpunkt, dass dies der Fall sei, zumal diese Ausbildung der Grundausbildung für ihre damalige Entlohnungsgruppe derer entsprochen habe und ebenso ein Teil der A 2/Verwaltungsausbildung (und nicht Voraussetzung für deren Zulassung) gewesen sei. Zum selben Ergebnis gelange man über die Bestimmung des § 234 BDG 1979 zu den Ernennungs‑ und Definitivstellungserfordernissen, wonach für den gehobenen Dienst bei Gericht die Gerichtskanzleiprüfung erforderlich sei. Dies sei auch in vielen Fällen in der Vergangenheit so behandelt worden.

33 Im Übrigen habe sie vorgebracht, bereits mit ihrer Überstellung in die Entlohnungsgruppe b um Übernahme in das öffentlich‑rechtliche Dienstverhältnis angesucht zu haben. Besagter Antrag sei jedenfalls ohne konkrete Angabe der Verwendungsgruppe gestellt worden. Die Dienstbehörde habe ihr daraufhin mitgeteilt, dass derzeit keine (Beamten)Planstelle vorhanden sei. Diesfalls wäre ihr noch die Ausnahmebestimmung des § 134a Abs. 4 Z 1 BDG 1979 zugutegekommen, weil sie zum damaligen Zeitpunkt noch nicht optiert gehabt habe.

34 Zum Beweis dafür und hinsichtlich des Absolvierungszeitpunktes des Eignungstests für A 2/v 2 habe sie ihre Parteieneinvernahme im Rahmen einer mündlichen Verhandlung sowie die Einholung ihres physischen Personalakts samt bezughabender Jv‑Akten beantragt. Daraus hätte sich ergeben, dass der Ausnahmefall des § 136a Abs. 4 BDG 1979 vorliege und die für die Bundesbeamten geltenden besoldungs‑ und pensionsrechtlichen Vorschriften auf sie anwendbar seien. Das Bundesverwaltungsgericht habe es aber unterlassen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, wozu es zufolge des von ihr gestellten Antrages verpflichtet gewesen wäre. Es habe damit gegen elementare Verfahrensgrundsätze sowie die ständige höchstgerichtliche Rechtsprechung zu „civil rights“ ‑ Angelegenheiten verstoßen. Die Zulässigkeit der Revision sei gegenständlich evident und die Befassung des Verwaltungsgerichtshofes wegen fehlender sowie abweichender Rechtsprechung erforderlich.

35 Die Revision ist schon wegen der Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung zulässig. Sie ist auch berechtigt.

36 Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen, soweit durch Bundes‑ oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Verhandlung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um „civil rights“ oder um „strafrechtliche Anklagen“ im Sinne des Art. 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird. Bei einem rechtswidrigen Unterlassen der nach Art. 6 EMRK erforderlichen mündlichen Verhandlung ist keine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels vorzunehmen (vgl. etwa VwGH 29.9.2021, Ra 2020/12/0063, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat (unter Bezugnahme auf die Judikatur des EGMR zu Art. 6 EMRK) bereits ausgesprochen, dass in einer Beschwerde aufgeworfene Rechtsfragen, die nicht bloß beschränkter Natur oder von keiner besonderen Komplexität sind, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erfordern können (vgl. VwGH 25.2.2020, Ro 2019/03/0029, mwN).

37 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ferner wiederholt ausgesprochen, dass dienstrechtliche Streitigkeiten öffentlich Bediensteter unter den Begriff der „civil rights“ im Verständnis des Art. 6 Abs. 1 EMRK fallen, insoweit derartige Streitigkeiten durch die innerstaatliche Rechtsordnung geregelte, subjektive Rechte oder Pflichten des jeweils betroffenen Bediensteten zum Gegenstand haben (vgl. zum Ganzen VwGH 3.10.2018, Ra 2017/12/0130, mwN).

38 Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur bereits mehrfach dargelegt hat, führt ein Verstoß des Verwaltungsgerichts gegen die aus Art. 6 Abs. 1 EMRK abgeleitete Verhandlungspflicht auch ohne nähere Prüfung einer Relevanz dieses Verfahrensmangels zur Aufhebung des Erkenntnisses gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG (vgl. etwa VwGH 18.9.2015, Ra 2015/12/0012; 13.9.2017, Ra 2016/12/0104).

39 Wenn das Bundesverwaltungsgericht meinte, eine mündliche Verhandlung sei nicht durchzuführen gewesen, weil die gegenläufigen Interessen der Parteien nicht durch die Erhebung weiterer Beweise bzw. deren Würdigung zu lösen, sondern ausschließlich auf rechtlicher Ebene zu klären seien, ist dem zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf § 24 Abs. 4 VwGVG wiederholt festgehalten hat, dass der Gesetzgeber als Zweck einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör sowie darüber hinaus auch die mündliche Erörterung einer nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Gericht vor Augen hatte. Zweck einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist grundsätzlich nicht nur die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör zu diesem, sondern auch das Rechtsgespräch und die Erörterung der Rechtsfragen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auf das Urteil des EGMR vom 19. Februar 1998 im Fall Jacobsson gegen Schweden (Nr. 2), Nr. 8/1997/792/993, Rn. 49 (ÖJZ 1998, 4), hingewiesen, in welchem der Entfall einer mündlichen Verhandlung als gerechtfertigt angesehen wurde, weil angesichts der Beweislage vor dem Gerichtshof und angesichts der Beschränktheit der zu entscheidenden Fragen „das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte“. Der Verwaltungsgerichtshof hat eine mündliche Verhandlung dann nicht für erforderlich erachtet, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind und in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen wurden, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl. etwa VwGH 20.2.2023, Ra 2022/03/0122 mit Hinweis auf 28.1.2021, Ra 2020/03/0138, mwN).

40 Im vorliegenden Revisionsfall fehlt allerdings sowohl nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts als auch der Revisionswerberin Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu hier zu lösenden Rechtsfragen. Dies trifft im vorliegenden Fall schon deshalb zu, weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung des § 136a BDG 1979, insbesondere auch zu dessen Absätzen 4 und 5 nicht vorliegt. Dass es sich bloß um Rechtsfragen beschränkter Natur oder ohne besondere Komplexität gehandelt hätte, geht aus der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses nicht hervor.

41 Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß der bereits wiedergegebenen Rechtsprechung im Falle der Beurteilung von „civil rights“ im Verständnis des Art. 6 EMRK ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ die Relevanz des geltenden Verfahrensmangels der Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zu prüfen.

42 Durch das Unterlassen der Durchführung einer mündlichen Verhandlung belastete das Verwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis daher mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG, weshalb es aufzuheben war.

43 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 5. April 2023

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