VwGH Ra 2017/12/0130

VwGHRa 2017/12/01303.10.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision des W K in S, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2017, Zl. W213 2121967- 2/2E, betreffend Vergütung von Nebentätigkeiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz), zu Recht erkannt:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47 Abs2;
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
BDG 1979 §37 Abs1;
GehG 1956 §13b;
GehG 1956 §25;
MRK Art6 Abs1;
MRK Art6;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017120130.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist als Leiter der Abteilung Fortbildung an der Strafvollzugsakademie tätig.

2 Mit Bescheid vom 26. Dezember 2015 wies die Dienstbehörde den Antrag des Revisionswerbers vom 8. April 2015 auf Erstattung von seit September 2009 entgangenen Nebentätigkeitsvergütungen, allenfalls in Form von pauschaliertem Ersatz, ab.

3 Die Behörde vertrat die Auffassung, Vortragstätigkeiten gingen zwangsläufig mit den Aufgaben der Dienststelle des Revisionswerbers und somit auch mit den diesem übertragenen Aufgaben einher und seien daher schon aus diesem Grund nicht als Nebentätigkeit im Sinne von § 25 Gehaltsgesetz 1956, BGBl. Nr. 54 (GehG), zu qualifizieren.

4 Mit Beschluss vom 11. März 2016 hob das vom Revisionswerber im Beschwerdeweg angerufene Bundesverwaltungsgericht den Bescheid der Dienstbehörde vom 26. Dezember 2015 gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Dienstbehörde zurück.

5 Begründend hielt das Gericht unter anderem fest, die Behörde habe keine Feststellungen zu den vom Revisionswerber ins Treffen geführten Vortragstätigkeiten getroffen. Konkrete Feststellungen zu diesen Vortragstätigkeiten seien im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im vorliegenden Fall erforderlich. Demnach sei beispielsweise relevant, ob ein Beamter eine ihm übertragene Tätigkeit anstelle seiner ihm sonst obliegenden Dienstpflichten oder neben seiner ihn voll beanspruchenden Haupttätigkeit ausübe. Weiters sei beachtlich, ob eine zusätzlich übertragene Tätigkeit einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Summe aller in einem Arbeitsplatz zusammengefassten Tätigkeiten aufweise, ob sie also dem Aufgabenbereich der Organisationseinheit zuzuordnen und im Wirkungsbereich der Dienststelle gelegen sei, was gegen das Vorliegen einer Nebentätigkeit spreche.

6 Bei der im Hinblick auf den geltenden gemachten Anspruch vorzunehmenden Einzelfallbeurteilung sei immer ein Bezug zu dem konkreten Arbeitsplatz und den damit verbundenen Stammdienstpflichten herzustellen. Dabei werde neben den Aufgaben der Dienststelle auch der Arbeitsplatzbeschreibung entsprechende Bedeutung zukommen, in der im vorliegenden Fall unter Punkt 7. "Katalog der Tätigkeiten" auch die "Leitung von Projektgruppen, Gestaltung von Tagungen" sowie "Tätigkeiten als Trainer und Berater" bei besonderen "Train-the-Trainer-Veranstaltungen, Veranstaltungen für Multiplikatoren und Schlüsselprojekten" mit jeweils 10 % des Gesamtbeschäftigungsausmaßes angeführt seien.

7 Die Behörde habe daher Ermittlungen anzustellen, zu welchem Zeitpunkt der Revisionswerber welche konkreten Vortragstätigkeiten in welchem Ausmaß zu welcher Tageszeit (im Rahmen oder außerhalb der Normaldienstzeit) und für welches Zielpublikum erbracht habe, um daran anschließend für die konkreten Tätigkeiten beurteilen zu können, ob diese erbrachten Dienstleistungen vor dem Hintergrund des konkreten Arbeitsplatzes des Revisionswerbers und der mit diesem verbundenen Aufgaben Nebentätigkeiten im Sinne des § 37 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333 (BDG 1979) darstellten und gemäß § 25 GehG gesondert zu vergüten seien.

8 In der Folge wies die Dienstbehörde nach Durchführung weiterer Ermittlungsschritte den Antrag des Revisionswerbers vom 8. April 2015 unter Spruchpunkt I. betreffend die Abgeltung von im Zeitraum von 6. Mai 2009 bis einschließlich 9. Februar 2012 erbrachten Nebentätigkeiten gemäß § 13b GehG zurück sowie unter Spruchpunkt II. betreffend die Abgeltung von im Zeitraum von 2. Mai 2012 bis einschließlich 12. November 2015 erbrachten Nebentätigkeiten gemäß § 25 GehG als unbegründet ab.

9 Der Revisionswerber erhob gegen Spruchpunkt II. dieses Bescheides Beschwerde, in welcher er unter Hinweis auf diverse sachverhaltsbezogene Umstände näher darlegte, aus welchen Gründen die von ihm ausgeübten Vortragstätigkeiten nicht dem Kreis der ihm übertragenen Arbeitsplatzaufgaben zuzurechnen seien. Zum Beweis seines Vorbringens bot der Revisionswerber seine Einvernahme als Partei an.

10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde des Revisionswerbers gemäß § 13b Abs. 1 und § 25 GehG in Verbindung mit § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet ab. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Gericht für nicht zulässig.

11 Das Bundesverwaltungsgericht traf u.a. Feststellungen zu den Arbeitsplatzaufgaben des Revisionswerbers sowie zu den von ihm ausgeübten, tabellarisch aufgelisteten Vortragstätigkeiten.

12 Die Abstandnahme von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung begründete das Gericht unter Bezugnahme auf § 24 Abs. 4 VwGVG. Die Feststellungen hätten auf Basis der Aktenlage getroffen werden können. Es sei hervorzuheben, dass die mit dem Arbeitsplatz des Revisionswerbers verbundenen Aufgaben und die tabellarische Darstellung der von ihm geleiteten Veranstaltungen nicht bestritten worden seien.

13 Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe auf seinem Arbeitsplatz unbestritten näher aufgezählte Tätigkeiten zu verrichten. Ein Vergleich dieser Tätigkeiten mit den vom Revisionswerber zur Begründung seines auf § 25 GehG gestützten Anspruchs aufgezählten Vortragstätigkeiten zeige, dass letztere zum weitaus überwiegenden Teil als Leitung von Projektgruppen bzw. als Gestaltung von Tagungen qualifiziert werden könnten. Im Hinblick auf näher dargestellte Erwägungen zu den vom Revisionswerber ausgeübten Vortragstätigkeiten und zu den ihm an seinem Arbeitsplatz übertragenen Aufgaben kam das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, der Revisionswerber habe vorwiegend Vortragstätigkeiten erbracht, die in seiner Arbeitsplatzbeschreibung enthalten seien. Damit fehle ein für eine Nebentätigkeit essenzielles Tatbestandsmerkmal, nämlich dass der Beamte eine Tätigkeit ausübe, die nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den ihm nach seinem Arbeitsplatz im Rahmen des Wirkungskreises seiner Dienststelle obliegenden Pflichten stehe.

14 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften verbunden mit dem Antrag geltend gemacht werden, der Verwaltungsgerichtshof möge aus den genannten Gründen in der Sache selbst entscheiden, hilfsweise das angefochtene Erkenntnis aufheben.

15 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit beruft sich die Revision - unter dem Gesichtspunkt eines Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - u.a. auf eine Verletzung der Verhandlungspflicht. Der Revisionswerber habe in seiner Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht zu den ihm übertragenen, im vorliegenden Fall strittigen Arbeitsplatzaufgaben sowie zu den Lehrtätigkeiten, welche er darüber hinausgehend ausgeübt habe, ein sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet, weshalb ein Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht vorliege. Im Hinblick auf Art. 6 EMRK wäre somit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine mündliche Verhandlung zwingend durchzuführen gewesen.

16 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

17 Die Revision erweist sich im Sinne ihrer Zulassungsbegründung als zulässig und berechtigt.

18 Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um "civil rights" oder um "strafrechtliche Anklagen" im Sinn des Art. 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird. Bei einem rechtswidrigen Unterlassen der nach Art. 6 EMRK erforderlichen mündlichen Verhandlung ist keine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels vorzunehmen (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/09/0042, mwN).

19 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass dienstrechtliche Streitigkeiten öffentlich Bediensteter unter den Begriff der "civil rights" im Verständnis des Art. 6 Abs. 1 EMRK fallen, insoweit derartige Streitigkeiten (wie die vorliegende) durch die innerstaatliche Rechtsordnung geregelte, subjektive Rechte oder Pflichten des jeweils betroffenen Bediensteten zum Gegenstand haben (vgl. VwGH 13.9.2017, Ro 2016/12/0024, mwN).

20 Im vorliegenden Verfahren waren im Hinblick auf die dem Revisionswerber konkret übertragenen Arbeitsplatzaufgaben (welche das Bundesverwaltungsgericht entsprechend dem zurückverweisenden Beschluss vom 11. März 2016 als entscheidungswesentlich bezeichnet hatte und in deren Anbetracht die mit dem angefochtenen Erkenntnis erfolgte Abweisung des Antrags auf Nebentätigkeitsvergütungen zentral begründet wurde) klassische Tatsachenfragen strittig. Anders als im angefochtenen Erkenntnis dargestellt hatte der Revisionswerber in seiner Beschwerde die Feststellungen der Behörde betreffend die ihm übertragenen Arbeitsplatzaufgaben ausdrücklich bestritten, diesbezüglich ein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet und darüber hinaus seine Einvernahme als Partei angeboten. Davon ausgehend lag ein Verzicht auf die Durchführung einer Verhandlung nicht vor.

21 Das Bundesverwaltungsgericht hätte somit nicht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen dürfen. Da das Verwaltungsgericht dies verkannte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Das angefochtene Erkenntnis war daher ohne nähere Prüfung einer Relevanz des Verfahrensmangels gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben (vgl. VwGH 18.9.2015, Ra 2015/12/0012).

22 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am 3. Oktober 2018

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