VwGH Ra 2021/10/0122

VwGHRa 2021/10/012221.11.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Prendinger, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Villach‑Land gegen das am 3. März 2021 mündlich verkündete und am selben Tag schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten, Zl. KLVwG‑2101/13/2020, betreffend einen Antrag auf Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung (mitbeteiligte Partei: DI I H in G, vertreten durch Dr. Andreas Bernegger, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Lederergasse 16/3), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56
AVG §58
AVG §58 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG 2014 §28 Abs1
VwGVG 2014 §28 Abs2
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021100122.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Eingabe vom 4. Juli 2018 ersuchte die Mitbeteiligte, die Eigentümerin einer an den Wörthersee angrenzenden Liegenschaft ist, die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde (im Folgenden: Revisionswerberin) um „Kenntnisnahme beziehungsweise Zustimmung“ zu der Sanierung ihres im Wörthersee befindlichen Badesteges, da diese aus sicherheitstechnischen Gründen notwendig geworden sei.

2 Die Revisionswerberin teilte ihr mit Schreiben vom 13. September 2018 mit, dass es sich bei dem geplanten Vorhaben um eine Sanierung der Steganlage handle, für die keine Bewilligungspflicht nach dem Kärntner Naturschutzgesetz 2002 (K‑NSG 2002) bestehe.

3 Nachdem bei einem Ortsaugenschein am 1. August 2019 hervorgekommen war, dass die durchgeführten Maßnahmen über das ursprünglich dargestellte Vorhaben hinausgegangen waren, stellte die Mitbeteiligte ‑ auf Anraten der Revisionswerberin ‑ noch am selben Tag einen Antrag auf naturschutz- und wasserrechtliche Bewilligung der (bereits durchgeführten) „Sanierung des Badestegs“.

4 Mit Bescheid vom 2. November 2020 wies die Revisionswerberin diesen Antrag ab. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass seitens der Eigentümerin des durch die Sanierung in Anspruch genommenen Seegrundstücks (Republik Österreich, vertreten durch die Österreichische Bundesforste AG) die Zustimmung zu den durchgeführten Maßnahmen nicht erteilt worden sei.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis entschied das Landesverwaltungsgericht Kärnten (im Folgenden: Verwaltungsgericht) über die Beschwerde der Mitbeteiligten gegen die Versagung der naturschutzrechtlichen Bewilligung (die wasserrechtliche Bewilligung war Gegenstand eines gesonderten Beschwerdeverfahrens bzw. einer gesonderten Entscheidung vor dem Verwaltungsgericht) dahingehend, dass es der Beschwerde Folge gab und den Bescheid vom 2. November 2020 ersatzlos behob. Gleichzeitig wurde eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig erklärt.

6 Begründend führte das Verwaltungsgericht ‑ soweit hier maßgeblich ‑ aus, sowohl der ursprüngliche Antrag der mitbeteiligten Partei vom 4. Juli 2018 als auch der weitere Antrag vom 1. August 2019 hätten Maßnahmen zur Sanierung des Badestegs zum Inhalt gehabt, wobei der jüngere Antrag im Sanierungsumfang unwesentlich über den ursprünglichen Antrag hinausgegangen sei (wird näher ausgeführt). Die Revisionswerberin habe bereits mit dem als Bescheid zu wertenden Schreiben vom 13. September 2018 über den Antrag der Mitbeteiligten vom 4. Juli 2018 abgesprochen, weshalb entschiedene Sache vorgelegen sei. Das Schreiben der Revisionswerberin vom 13. September 2018 weise sämtliche notwendige Bescheidmerkmale auf, weshalb es als Bescheid zu qualifizieren sei. Anhand der Formulierung dieses Schreibens sei zudem klar erkennbar, dass die Revisionswerberin mit Bescheidwillen über den Antrag der Mitbeteiligten vom 4. Juli 2018 habe entscheiden wollen. Aus dem „Spruch“ dieses Bescheides ergebe sich, dass der Antrag der Mitbeteiligten vom 4. Juli 2018 mangels Bewilligungspflicht zurückgewiesen worden sei. Der zweite ‑ inhaltlich gleiche ‑ Antrag der Mitbeteiligten vom 1. August 2019 habe daher keine weitere Entscheidungspflicht der Revisionswerberin auslösen können. Das Verwaltungsgericht habe den Bescheid vom 2. November 2020 im Ergebnis daher wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG ersatzlos zu beheben gehabt.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat ‑ nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem die anwaltlich vertretene Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete ‑ erwogen:

9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit unter anderem vor, das Verwaltungsgericht weiche von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, wann entschiedene Sache im Sinn des § 68 Abs. 1 AVG vorliege, ab. In diesem Zusammenhang tritt die Revision insbesondere der Ansicht des Verwaltungsgerichtes entgegen, dass es sich bei dem Schreiben der Revisionswerberin vom 13. September 2018 um einen Bescheid handle; darauf könne somit keine „entschiedene Sache“ gestützt werden.

10 Zunächst wird darauf hingewiesen, dass die Qualifikation eines behördlichen Schreibens eine einzelfallbezogene Beurteilung darstellt, der regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Anderes gilt nur dann, wenn die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung als geradezu unvertretbare Anwendung der vom Verwaltungsgerichtshof geprägten Rechtsprechung anzusehen wäre (vgl. VwGH 7.9.2023, Ra 2023/03/0155; 18.5.2020, Ra 2020/16/0035).

11 Die Revision ist vor diesem Hintergrund zulässig; sie ist auch berechtigt.

12 Strittig ist vorliegend, ob die Erledigung der Revisionswerberin vom 13. September 2018 eine taugliche Grundlage für die Beurteilung, ob eine entschiedene Sache vorliegt, bildet, nämlich ob dieser Erledigung die Qualifikation eines Bescheides zukommt. Die Bejahung dieser Frage veranlasste das Verwaltungsgericht zur Annahme, es liege hinsichtlich des Antrages auf Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung zur „Sanierung des Badestegs“ bereits eine (zurückweisende) Entscheidung vor, weshalb der Bescheid der Revisionswerberin vom 2. November 2020 wegen entschiedener Sache „ersatzlos zu beheben“ gewesen sei.

13 Bescheide nach § 56 AVG sind individuelle, hoheitliche Erledigungen der Verwaltungsbehörde, durch die in bestimmten Verwaltungssachen in einer förmlichen Weise über Rechtsverhältnisse materiellrechtlicher oder formellrechtlicher Art abgesprochen wird, sei es, dass Rechtsverhältnisse festgestellt, sei es, dass sie gestaltet werden. Die näheren Vorschriften, welche Bestandteile ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde aufzuweisen hat, finden sich in §§ 58 ff AVG; darunter ist insbesondere auch das Erfordernis genannt, dass jeder Bescheid als solcher zu bezeichnen ist und eine Rechtsmittelbelehrung zu enthalten hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung ist das Fehlen der Bezeichnung als Bescheid für die Qualifikation einer Erledigung als Bescheid dann unerheblich, wenn eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift oder auch die Beglaubigung enthält.

Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann aber nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat (für die Wertung als Bescheid ist ein strenger Maßstab anzulegen).

Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinn auch aus der Form der Erledigung ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, sowie Hinweise auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen und dergleichen können nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch im Sinne des § 58 Abs 1 AVG gewertet werden.

In jedem Fall, in dem der Inhalt einer Erledigung (also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Gestaltung) Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen lässt, ist somit die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung essentiell. Für die Beurteilung als Bescheid sind die objektiven Merkmale eines Schriftstückes maßgebend und nicht die subjektive Absicht der Behörde, von der das Schriftstück ausgegangen ist.

Sofern es daher an der für einen Bescheid vorgeschriebenen Form mangelt, muss deutlich erkennbar sein, dass die Behörde dennoch den (objektiv erkennbaren) Willen hatte, gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Erledigung einer Verwaltungsangelegenheit vorzunehmen. Ist diese deutliche Erkennbarkeit nicht gegeben, ist ‑ wie erwähnt ‑ die ausdrückliche Bezeichnung der Erledigung als Bescheid essentiell (vgl. zum Ganzen VwGH 1.9.2015, Ra 2015/03/0060, unter Hinweis auf VwGH 19.12.2013, 2013/03/0145, mwN).

14 Gegen den Bescheidcharakter des Schreibens der Revisionswerberin vom 13. September 2018 spricht insbesondere, dass die Erledigung keinen als Spruch gekennzeichneten Teil und auch keine Rechtsmittelbelehrung enthält. In diesem Schreiben wurde der Mitbeteiligten lediglich informativ die Rechtsansicht mitgeteilt, dass für die zur Kenntnis gebrachte Sanierung der Steganlage keine Bewilligungspflicht nach dem K‑NSG 2002 bestehe. Ein normativer Abspruch ist dem Schreiben hingegen nicht zu entnehmen. Dieses weist zudem die in Briefen üblichen Grußformeln („Sehr geehrte Frau“, „Mit freundlichen Grüßen“) auf (vgl. zur Bedeutung des Gebrauchs von Höflichkeitsfloskeln etwa VwGH 11.4.2018, Ra 2015/08/0033).

15 Da somit gerade nicht deutlich erkennbar ist, dass dem Schreiben der Revisionswerberin vom 13. September 2018 Bescheidqualität zukommt, wäre dessen Bezeichnung als Bescheid essentiell gewesen (vgl. dazu auch VwGH 11.10.2011, 2011/05/0134). Eine solche Bezeichnung fehlt aber, weshalb dieses Schreiben keinen Bescheidcharakter aufweist. Vielmehr liegt eine bloße Mitteilung bzw. Information vor.

16 Hat aber das Schreiben der Revisionswerberin vom 13. September 2018 keine Bescheidqualität, so liegt schon deshalb keine damit „entschiedene Sache“ vor, anhand derer ein neuer Antrag daraufhin zu prüfen wäre, ob Identität der Sach- und Rechtslage gegeben ist. Indem das Verwaltungsgericht dies verkannte und von entschiedener Sache nach § 68 Abs. 1 AVG ausging, wobei es den bei ihm angefochtenen Bescheid ersatzlos aufhob (siehe dazu nachfolgend), hat es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet.

17 Selbst im Falle des Vorliegens einer res iudicata hätte das Verwaltungsgericht den bei ihm angefochtenen Bescheid zudem nicht ersatzlos aufheben dürfen, sondern die Beschwerde mit der Maßgabe abweisen müssen, dass der verfahrenseinleitende Antrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wird (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts11 [2019], Rz 833 und die dort referierte hg. Judikatur). Eine ersatzlose Aufhebung (meritorische Entscheidung) darf nämlich nur dann erfolgen, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt (vgl. in ständiger Rechtsprechung etwa VwGH 29.4.2019, Ra 2018/16/0055, mwN).

18 Das angefochtene Erkenntnis war demnach wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen zum Vorliegen einer nicht bloß unwesentlichen Änderung des Antragsumfanges einzugehen war.

Wien, am 21. November 2023

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