VwGH Ra 2020/12/0067

VwGHRa 2020/12/006727.2.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie Hofrätin Mag.a Nussbaumer‑Hinterauer und Hofrat Mag. Cede als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Binder, über die Revision des K S in T, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz‑Josefs‑Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. September 2020, W213 2233509‑1/2E, betreffend Überstundenvergütung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesministerin für Landesverteidigung), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
GehG 1956 §91 Abs5
VwGG §34 Abs1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020120067.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber steht als Oberst des Bundesheeres in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er wurde mit Wirkung vom 1. Dezember 2012 auf eine Planstelle der Funktionsgruppe 8 der Verwendungsgruppe M BO 2 im Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung ernannt.

2 In der Zeit vom 3. April 2017 bis 30. November 2019 wurde der Revisionswerber mit der Funktion des „Ltr Bür opMngt, PosNr. 042, MBO 1‑4“, betraut. Mit Schreiben vom 3. Mai 2019 wurden ihm aufgrund der Betrauung mit dieser höherwertigen Funktion ab 1. Mai 2017 eine Ergänzungszulage gemäß § 94a GehG und eine Verwendungszulage gemäß § 92 Abs. 6 GehG zuerkannt.

3 Mit Schreiben vom 16. Dezember 2019 beantragte der Revisionswerber „die bescheidmäßige Feststellung zur Auszahlung [s]einer beantragten, angeordneten, genehmigten und geleisteten Überstunden ab 01. April 2017 bis 30. November 2019“.

4 Mit Bescheid vom 15. Juni 2019 wies seine Dienstbehörde diesen Antrag des Revisionswerbers ab.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 7. September 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für unzulässig.

6 Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Begründung aus, dass der Revisionswerber (M BO 2, Funktionsgruppe 8) in der Zeit vom 3. April 2017 bis 30. November 2019 auf einem höherwertigen (Projekt‑) Arbeitsplatz der Verwendungsgruppe M BO 1, Funktionsgruppe 4, verwendet worden sei. Angesichts der mehr als zweijährigen Dauer der höherwertigen Verwendung habe es sich um eine dauernde Höherverwendung gehandelt. Der Revisionswerber habe zu keinem Zeitpunkt eine Erklärung gemäß § 91 Abs. 4a GehG abgegeben. Gemäß § 91 Abs. 5 GehG gebühre dem Revisionswerber die für seine Verwendungsgruppe (M BO 2) vorgesehene Funktionszulage der Funktionsgruppe 8, weil diese höher sei als die in der höheren Verwendungsgruppe (Verwendungsgruppe M BO 1, Funktionsgruppe 4) vorgesehene.

7 Der Revisionswerber erachte sich dadurch beschwert, dass mit der Funktionszulage der Verwendungsgruppe M BO 2, Funktionsgruppe 8, alle zeitlichen und mengenmäßigen Mehrdienstleistungen abgegolten seien und er bessergestellt gewesen wäre, wenn er die niedrigere Funktionszulage der Verwendungsgruppe M BO 1, Funktionsgruppe 4, und für die von ihm geleisteten Überstunden eine entsprechende Überstundenvergütung gemäß § 16 GehG bezogen hätte. Er mache geltend, die Bestimmung des § 91 Abs. 5 GehG habe eine Schutzfunktion zugunsten des Beamten und müsse unangewendet bleiben, wenn sie zu einer Schlechterstellung führe.

8 Mit diesem Vorbringen sei für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts gewonnen. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 17. April 2013, 2012/12/0141, zur im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des § 74 Abs. 5 GehG ausgeführt, dass der Gesetzesbestimmung klar zu entnehmen sei, dass dem Beamten in Bezug auf die ihm gebührende Funktionszulage während der Verwendung auf einem bestimmten Arbeitsplatz kein Nachteil daraus entstehen solle, dass er in die dem Arbeitsplatz entsprechende Verwendungsgruppe nicht ernannt sei. Damit habe der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass sich die Schutzfunktion des § 91 Abs. 5 GehG nur gegen allfällig drohende Schlechterstellungen in Bezug auf die dem Beamten gebührende Funktionszulage während der höherwertigen Verwendung beziehe. Im vorliegenden Fall sei unbestritten, dass die Funktionszulage für die Funktionsgruppe 8 der Verwendungsgruppe M BO 2 höher sei als die Funktionszulage für die Funktionsgruppe 4 der Verwendungsgruppe M BO 1. Es sei dem Revisionswerber beizupflichten, dass der Bezug der Funktionszulage für die Funktionsgruppe 4 der Verwendungsgruppe M BO 1 in Kombination mit der Auszahlung der vom Revisionswerber erbrachten Überstunden vorteilhafter gewesen wäre. Allerdings bestehe gerade für derartige Fälle, „in denen durch vermehrte Erbringung von Überstunden die Differenz zwischen den beiden in Betracht kommenden Funktionszulage[n] überstiegen werde“, die Möglichkeit, gemäß § 91 Abs. 4a GehG durch schriftliche Erklärung die Anwendbarkeit des Abs. 4 leg.cit. für die Dauer von zwölf Monaten ausschließen. Dem Revisionswerber wäre es daher offen gestanden, durch Abgabe einer derartigen Erklärung die finanzielle Abgeltung der von ihm erbrachten Mehrdienstleistungen im Rahmen der von § 91 Abs. 4a GehG vorgegebenen Grenzen zu ermöglichen. Da dies unterblieben sei, sei eine auf § 16 GehG gestützte nachträgliche finanzielle Vergütung der vom Revisionswerber im verfahrensgegenständlichen Zeitraum erbrachten Mehrdienstleistungen ausgeschlossen.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. Zur Zulässigkeit der Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG wird vorgebracht, der Revisionswerber stehe auf dem Standpunkt, dass § 91 Abs. 5 GehG „nicht pauschal auf die in Abs. 1 leg.cit. festgeschriebene Höhe der Funktionszulage“ abstelle, sondern diese („im Sinne einer teleologischen Interpretation bei den höheren Verwendungsgruppen“) „jedenfalls um den Anteil, der den zeitlichen Mehrleistungen gewidmet sei, zu reduzieren“ sei. In seinem Fall wäre daher die in der Verwendungsgruppe M BO 2 gebührende Funktionszulage (der Funktionsgruppe 8) um 30,89 % zu reduzieren und der reduzierte Betrag dem Betrag der in der Verwendungsgruppe M BO 1 gebührenden Funktionszulage (der Funktionszulage 4) gegenüber zu stellen gewesen. Dadurch ergebe sich, dass die „reine“ Funktionszulage der Funktionsgruppe 8 der Verwendungsgruppe M BO 2 geringer sei als die „reine Funktionszulage der Funktionsgruppe 4 der Verwendungsgruppe M BO 1“. Im Ergebnis gebühre dem Revisionswerber somit „nur“ die Funktionszulage 4 der Verwendungsgruppe M BO 1 mit der Folge, dass sämtliche von ihm geleistete Mehrdienstleistungen einer Vergütung im Sinne des § 49 BDG 1979 zugänglich gewesen wären, was zu einer finanziellen Besserstellung im Vergleich zur Auszahlung der (lediglich auf den ersten Anschein höheren) Funktionszulage 8 der Verwendungsgruppe M BO 2 geführt hätte. Es stelle eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar, ob die Schutzfunktion des § 91 Abs. 5 GehG „ausschließlich auf die Funktionszulage im Allgemeinen“ abstelle oder „im Sinne einer Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung sämtlicher Aspekte eine finanzielle Schlechterstellung infolge dauernder höherwertiger Verwendung vermieden werden solle.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Gemäß § 91 Abs. 4 GehG gelten durch die für die Funktionsgruppen 5 und 6 der Verwendungsgruppen M BO 1 oder M ZO 1 und die Funktionsgruppen 8 und 9 der Verwendungsgruppen M BO 2 oder M ZO 2 vorgesehene Funktionszulage „alle Mehrleistungen der Militärperson in zeitlicher und mengenmäßiger Hinsicht als abgegolten“. Nach § 91 Abs. 4 zweiter Satz GehG gelten „30,89% dieser Funktionszulage ... als Abgeltung für zeitliche Mehrleistungen“.

14 Gemäß § 91 Abs. 4a erster Satz GehG können Beamtinnen und Beamte der Funktionsgruppen 5 und 6 der Verwendungsgruppen M BO 1 oder M ZO 1 und der Funktionsgruppen 8 und 9 der Verwendungsgruppen M BO 2, M ZO 2 oder M ZO 3 „durch schriftliche Erklärung die Anwendbarkeit des Abs. 4 für die Dauer von zwölf Monaten ausschließen“.

15 Im Fall der Abgabe einer solchen Erklärung „reduziert sich die Funktionszulage um 30,89%“ (§ 91 Abs. 4b erster Satz GehG).

16 § 91 Abs. 5 GehG sieht vor:

„(5) Ist eine Militärperson einer niedrigeren Verwendungsgruppe dauernd mit der Ausübung einer Funktion betraut, gebührt ihr die für diese Funktion in der höheren Verwendungsgruppe vorgesehene Funktionszulage anstelle der in ihrer Verwendungsgruppe vorgesehenen Funktionszulage. Ist jedoch letztere höher, so gebührt sie anstelle der in der höheren Verwendungsgruppe vorgesehenen Funktionszulage. Die gebührende Funktionsstufe bemisst sich dabei stets anhand der Verwendungsgruppe, in welche die Beamtin oder der Beamte ernannt ist“

17 Der erste Satz des § 91 Abs. 5 GehG, wonach die „für diese Funktion“ (einer höheren Verwendungsgruppe, mit deren Ausübung eine Militärperson einer niedrigeren Verwendungsgruppe dauernd betraut ist) „vorgesehene Funktionszulage“ gebührt („anstelle der in ihrer Verwendungsgruppe vorgesehenen Funktionszulage“), weist einen eindeutigen Wortlaut auf. Auch der Wortlaut des zweiten Satzes ist eindeutig („Ist jedoch letztere höher, so gebührt sie anstelle der in der höheren Verwendungsgruppe vorgesehenen Funktionszulage“). Nach dem klaren Wortlaut ist daher ein Vergleich zwischen der für die Funktion „in der höheren Verwendungsgruppe vorgesehene[n] Funktionszulage“ einerseits und der „in [der] Verwendungsgruppe“ des Beamten „vorgesehenen Funktionszulage“ vorzunehmen.

18 Für eine Auslegung in dem in der Zulässigkeitsbegründung der Revision angesprochenen Sinn, dass („im Sinne einer teleologischen Interpretation bei den höheren Verwendungsgruppen“) die zu vergleichende Funktionszulage „jedenfalls um den Anteil, der den zeitlichen Mehrleistungen gewidmet sei, zu reduzieren“ sei (, so dass im Fall des Revisionswerbers die in der Verwendungsgruppe M BO 2 gebührende Funktionszulage der Funktionsgruppe 8 um 30,89 % zu reduzieren und der reduzierte Betrag dem Betrag der in der Verwendungsgruppe M BO 1 gebührenden Funktionszulage der Funktionszulage 4 gegenüber zu stellen gewesen wäre), bietet der eindeutige Wortlaut keinen Raum.

19 Im Ergebnis strebt der Revisionswerber eine teleologische Reduktion des § 91 Abs. 5 GehG an. Die Rechtsfigur der teleologischen Reduktion verschafft der ratio legis nicht gegen einen zu engen, sondern gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut Durchsetzung. Voraussetzung ist stets der Nachweis, dass eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den eigentlich gemeinten Fallgruppen so weit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre. Diese Rechtsfigur setzt jedenfalls das Vorliegen einer planwidrig überschießenden Regelung voraus und hätte dann zur Folge, dass die überschießend geregelten Fallgruppen nicht von der Regelung erfasst würden. Ebenso wie im Zweifel anzunehmen ist, dass das Unterbleiben einer gesetzlichen Regelung beabsichtigt war und insofern keine durch Analogie zu schließende Rechtslücke vorliegt, ist ‑ jedenfalls im Zweifel ‑ auch nicht davon auszugehen, dass die Anwendung einer ausdrücklich getroffenen Regelung vom Gesetzgeber nicht auf alle davon erfassten Fälle ‑ objektiv (insbesondere durch den systematischen Zusammenhang mit der gesamten Regelung des betreffenden Sachbereiches) erkennbar ‑ beabsichtigt war (vgl. etwa VwGH 23.11.2011, 2011/12/0050, mwN).

20 Im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte für eine planwidrig überschießende Regelung in § 91 Abs. 5 GehG, besteht doch zur Vermeidung des vom Revisionswerber angesprochenen Problems die Möglichkeit, gemäß § 91 Abs. 4a GehG durch schriftliche Erklärung des Beamten die Anwendbarkeit des § 91 Abs. 4 leg.cit (wonach durch die für die Funktionsgruppen 5 und 6 der Verwendungsgruppen M BO 1 oder M ZO 1 und die Funktionsgruppen 8 und 9 der Verwendungsgruppen M BO 2 oder M ZO 2 vorgesehene Funktionszulage alle Mehrleistungen der Militärperson in zeitlicher und mengenmäßiger Hinsicht als abgegolten gelten) für die Dauer von zwölf Monaten ausschließen. Davon hat der Revisionswerber nicht Gebrauch gemacht.

21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 27. Februar 2023

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