Normen
AsylG 2005 §58 Abs10
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
AVG §58
AVG §60
BFA-VG 2014 §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §24 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §29
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022170116.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 7. Juni 2021 wurde ein Antrag des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen der Bundesrepublik Nigeria, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ‑ wegen einer gegen ihn vorliegenden rechtskräftigen Rückkehrentscheidung ‑ gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückgewiesen. Unter einem wurde eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen, die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Nigeria festgestellt und eine Frist für seine freiwillige Ausreise festgelegt.
2 Der dagegen gerichteten Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Entscheidung vom 27. Juli 2021 Folge, hob den Bescheid auf und verwies die Angelegenheit unter Bezugnahme auf § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheids an das BFA zurück.
3 Mit dem das fortgesetzte Verwaltungsverfahren abschließenden Bescheid vom 11. November 2021 wies das BFA den Antrag des Revisionswerbers auf Erteilung des Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 AsylG 2005 gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 iVm § 8 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz‑Durchführungsverordnung 2005 (AsylG‑DV 2005) wegen Verletzung seiner Mitwirkungspflicht zurück, weil er näher bezeichnete Dokumente nicht vorgelegt habe. Unter einem wies das BFA den Antrag auf Heilung des Mangels der Nichtvorlage dieser Dokumente gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 iVm § 8 AsylG‑DV 2005 ab. Ferner erließ es eine Rückkehrentscheidung gegen den Revisionswerber, stellte die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Nigeria fest und legte eine Frist für seine freiwillige Ausreise fest.
4 Gegen diesen Bescheid führte der Revisionswerber erneut Beschwerde.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG diese Beschwerde ‑ ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei. Die Beibringung der zur Erlangung des Aufenthaltstitels erforderlichen Dokumente sei dem Revisionswerber zumutbar gewesen. Dies schließe eine Heilung des Mangels von deren Nichtvorlage gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 iVm § 8 Abs. 1 AsylG‑DV 2005 aus. Da der Revisionswerber seiner Mitwirkungspflicht nicht im erforderlichen Ausmaß nachgekommen sei, habe das BFA seinen Antrag zu Recht gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurückgewiesen. Schließlich würde das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Revisionswerbers im Bundesgebiet dessen private Interessen an einem Verbleib überwiegen, sodass sich auch die gegen ihn gerichtete Rückkehrentscheidung und die diese voraussetzenden Nebenaussprüche des BFA als rechtmäßig erwiesen. Eine Verhandlung habe angesichts des aus der Aktenlage geklärten Sachverhalts gemäß § 21 Abs. 7 BFA‑VG unterbleiben können.
6 Die Behandlung der vom Revisionswerber gegen dieses Erkenntnis an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde von diesem mit Beschluss vom 29. April 2022, E 575/2022‑5, abgelehnt und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich nunmehr die vorliegende außerordentliche Revision.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 In der gesonderten Zulässigkeitsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 14.3.2022, Ra 2021/17/0176 bis 0179, mwN).
12 Im Zusammenhang mit einer Zurückweisung wie der vorliegenden ist die Bestimmung des § 21 Abs. 7 BFA‑VG nicht einschlägig, sondern die Frage nach dem zulässigen Unterbleiben einer Verhandlung auf Basis des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG zu beurteilen. Demnach kann eine Verhandlung (u.a.) dann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag zurückzuweisen ist (vgl. wieder VwGH 14.3.2022, Ra 2021/17/0176 bis 0179, mwN).
Insofern legt der Revisionswerber mit der Rüge, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen, die Zulässigkeit der Revision nicht dar, zumal er auch keine hinreichend konkreten Ausführungen dazu tätigt, weswegen es von der Abhaltung einer Verhandlung nicht hätte absehen dürfen.
13 Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 13.7.2022, Ra 2022/17/0035, mwN).
Die Revision zeigt einen derartigen krassen Fehler der Beweiswürdigung mit ihrer pauschalen Behauptung, das BVwG habe eine „antizipierende Beweiswürdigung“ angestellt, nicht auf. Denn die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung vermag nicht den in der Zulässigkeitsbegründung allein erhobenen Vorwurf einer „antizipierenden Beweiswürdigung“ zu begründen (vgl. VwGH 18.5.2020, Ra 2020/20/0147).
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründungspflicht gemäß § 29 VwGVG bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Begründung jenen Anforderungen zu entsprechen hat, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch geführt haben. Diesen Erfordernissen wird ein Verwaltungsgericht dann gerecht, wenn sich die seine Entscheidung tragenden Überlegungen zum maßgeblichen Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung selbst ergeben (vgl. wieder VwGH 13.7.2022, Ra 2022/17/0072, mwN).
Mit seiner allgemeinen Kritik, dass dem Erkenntnis nicht nachvollziehbar entnommen werden könne, welche Feststellungen das BVwG der Entscheidung zugrunde lege, entfernt sich der Revisionswerber vom insoweit klaren Aufbau des angefochtenen Erkenntnisses, sodass es ihm damit nicht gelingt, die Zulässigkeit der Revision vor dem Hintergrund der vorzitierten Rechtsprechung darzulegen.
15 Werden Verfahrensmängel als Zulässigkeitsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist fallbezogen in konkreter Weise darzulegen. Dies setzt voraus, dass ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. wieder VwGH 14.3.2022, Ra 2021/17/0176 bis 0179, mwN).
Dieser Anforderung wird die Darlegung der Zulässigkeitsgründe der Revision nicht gerecht. Denn es werden allgemein Verfahrensfehler ‑ vor allem nicht näher bezeichnete Mängel des Ermittlungsverfahrens ‑ für das Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung ins Treffen geführt, jedoch ohne konkret anzugeben, welche Tatsachen bei deren Vermeidung erwiesen worden wären und weshalb ein für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können.
16 Eine uneinheitliche Rechtsprechung eines oder mehrerer Verwaltungsgerichte erfüllt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich genommen nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B‑VG, wenn es zu der betreffenden Frage eine (einheitliche) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gibt (vgl. VwGH 10.7.2020, Ra 2020/01/0203, mwN).
Mit seiner Rüge, das angefochtene Erkenntnis widerspreche der Rechtsprechung des BVwG in ähnlich gelagerten Fällen, zeigt der Revisionswerber daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf, zumal er nicht behauptet, dass sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als uneinheitlich darstelle.
17 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 31. August 2022
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